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Abendmahl

Aus AnthroWiki
(Weitergeleitet von Eucharistie)
Leonardo da Vinci: Das letzte Abendmahl, 1495-1498, Santa Maria delle Grazie (Mailand)
Das letzte Abendmahl (restauriert)
Bartholomäus, Jakobus Alphäus, Andreas, Petrus, Judas Iskariot, Johannes - Christus - Thomas, Jakobus, Philippus, Matthäus, Thaddäus, Simon[1]
Der Abendmahlssaal auf dem Berg Zion.
Carl Bloch, Judas zieht sich vom letzten Abendmahl zurück, Ende 19. Jahrhundert

Das Abendmahl (auch Eucharistie, Altarsakrament oder Gedächtnismahl) und die damit verbundene Wandlung von Brot und Wein zu Fleisch und Blut Christi, die man ursprünglich als geistige Tatsache auffasste, wurde seit der Mitte des Mittelalters zunehmend materialistisch mißdeutet. Vorbereitet wurde das Abendmahl durch das Opfer von Brot und Wein, das der Priesterkönig Melchisedek dem Abraham vor den Toren von Salem darbrachte (1 Mos 14,17-19 LUT) und damit die Mission des jüdischen Volkes initiierte, durch die das geeignete Leibesgefäß für die Inkarnation des Christus bereitet werden sollte.

„Solange vom Abendmahl gewußt wurde, daß es den lebendigen Beweis dafür bedeutet, daß Materie nicht bloß Materie ist, sondern daß es zeremonielle Handlungen gibt, durch die der Materie der Geist beigefügt werden kann, solange der Mensch wußte, daß diese Durchdringung der Materie mit dem Geist eine Durchchristung ist, wie sie im Abendmahl zum Ausdruck kommt, so lange wurde es hingenommen, ohne daß man sich stritt.“ (Lit.: GA 131, S. 203)

Schon auf dem Konzil von Konstantinopel (869), das u.a. auch die Lehre von der Trichotomie verworfen hatte ("den Geist abgeschafft hatte", wie sich Rudolf Steiner öfter ausdrückt), war die vergröberte Lehre des Paschasius Radbertus (+859) aus dem Kloster Corbie heftig diskutiert worden, in die recht ekelhafte "Wundergeschichten" eingestreut waren, die etwa von der Verwandlung der Hostie in blutiges Fleisch zu berichten wussten. Hrabanus, der Abt von Fulda (+856), widersprach Radbertus. Die Wandlung sei mystisch und sakramental zu verstehen; Brot und Wein seien nur Symbole. Auch Ratramnus, ebenfalls Mönch in Corbie, trat Radbertus entgegen. Das Messopfer diene lediglich dem Gedächtnis des Kreuzopfers Christi. Der Volksaberglaube neigte sich aber zunehmend der materialistischen Deutung des Radbertus zu.

Später trat Berengar von Tours (+1088), ein Schüler des Fulbertus aus der Schule von Chartres, bei dem der Intellekt schon stark entwickelt war, zurecht gegen diesen materialistischen Aberglauben auf und entfachte schon im 11. Jh. einen ersten Abendmahlsstreit. Die Anschauung, dass sich bei der Wandlung die physisch-sinnliche Substanz der Hostie ändere, lehnte er ab und formulierte stattdessen eine symbolisch-spiritualistische Abendmahlslehre. Danach bliebe die physisch-sinnlich Substanz unverändert, aber es trete eine geistige Bedeutung hinzu, durch die der Christus zwar im geistigen Sinn realpräsent, aber nicht physisch-sinnlich anwesend sei. Mehrmals wurde Berengar deshalb der Verbreitung einer Irrlehre bezichtigt und mehrmals zur Rücknahme seiner Ansichten genötigt, die er aber später ebenso oft widerrief. Dennoch wurde er stets milde behandelt, weil Papst Gregor VII., der ehemalige Mönch Hildebrand, seine schützende Hand über ihn hielt. In der Schrift Rescriptum contra Lanfrancum stellte Berengar seine Abendmahlslehre ausführlich dar, gab aber nach weiteren Anschuldigung und Demütigungen schließlich den Streit auf, ohne innerlich seiner Überzeugung untreu zu werden. Als Reaktion auf Berengars Ansichten wurde von seinen Gegnern schließlich der Begriff der Transsubstantiation geprägt und 1215 auf dem 4. Laterankonzil zur verbindlichen Kirchenlehre erklärt.

Tatsächlich ist in der Hostie real die Sonnenkraft anwesend, durch die der Christus wirkt; in diesem Sinne ist die Realpräsenz des Christus bei der Eucharistie eine Tatsache:

„Solange man wußte, daß es sich in dem Christus um ein Wesen von der Sonne handelt, hatte die Monstranz mit der Hostie darin seinen guten Sinn. Darin ist zusammengebackenes Mehl. Dieses Mehl konnte dadurch entstehen, daß die Sonne Licht und Wärme auf die Erde fallen läßt, daß Getreide wächst und aus dem Getreide das Mehl wird. Es ist wirklich, wenn man es so ausdrücken will: Körper, vom Sonnenlicht gemacht. Solange man das gewußt hat, so lange hatte das Ganze einen Sinn.“ (Lit.: GA 353, S. 118)

Dass sich bei der Wandlung eine geistig reale Handlung vollzieht, konnte Rudolf Steiner aus eigener Anschauung bestätigen. Wird die Wandlung würdig vollzogen, bildet sich während der Transubstantiation eine hellsichtig wahrnehmbare Aura um die Hostie.

„Sie mögen über das, was ich Ihnen jetzt sage, denken wie Sie wollen, aber ich kann ja nur von meinem Gesichtspunkt, vom Gesichtspunkte meiner Erfahrung aus sprechen. Ich habe viel beobachtet die Transsubstantiation. Nun ist heute innerhalb der katholischen Kirche allerdings eine starke Differenzierung vorhanden, je nachdem, ob der eine oder der andere Priester die Transsubstantiation bewirkt, aber immerhin habe ich doch gesehen, namentlich während meiner letzten Reise in Italien, wie während der Wandlung, während der Transsubstantiation, die Hostie eine Aura bekam. Also ich habe den objektiven Vorgang, der sich, wenn die Wandlung würdig vollzogen wird, vollzieht, durchaus als eine Realität kennengelernt. Ich sage, Sie mögen darüber denken wie Sie wollen, ich sage Ihnen eben dasjenige, was auf der einen Seite beobachtet werden kann, und was auf der anderen Seite auch als eine Grundüberzeugung der Kirche galt in denjenigen Zeiten, als die Kirche noch eine einige katholische war, und die evangelische Kirche noch nicht als eine Abzweigung da war. Also wir kommen schon zu Realitäten zurück, wenn wir diese Dinge anschauen, und da muß dann eben gesagt werden, es ist allerdings das Meßopfer, indem es zelebriert wird, etwas, das eine reale Handlung ist, das nicht bloß ein äußeres Zeichen ist, sondern eine reale Handlung. Und wenn Sie alle Messen zusammennehmen, die jemals gehalten worden sind, so bilden sie alle wiederum ein zusammenhängendes Ganzes, und das ist etwas, was als solches unmittelbar eben als eine Tatsache dasteht. Es ist etwas, wo man allerdings an Dinge rührt, wo das evangelische Gemüt sagt: Ja, dann liegt ja in der katholischen Messe etwas Magisches. - Das liegt auch darin. Das liegt eben auch darin, und das Magische darin empfindet dann das evangelische Gemüt vielleicht als ein Heidnisches. Gut, darüber ließe sich diskutieren. Aber jedenfalls begründet das, daß man es durchaus mit einer Realität zu tun hat, daß man nicht ohne weiteres, ohne heranzugehen an den Träger dieser Realität, eine Messe heute zelebrieren kann. Ich sage zelebrieren; man kann sie demonstrieren, man kann alles mögliche zeigen, aber man kann sie nicht zelebrieren mit dem Anspruch, daß durch die Messe dasjenige geschieht, was am Altar geschehen soll, ohne daß sie gelesen wird [von einer Persönlichkeit] mit dem absoluten Auftrag. Sehen Sie, so ist es überall da, wo mit Mysterien gearbeitet wird; es ist einmal so, wo mit Mysterien gearbeitet wird. Und ebensowenig, wie im Bewußtsein des Freimaurers eine freimaurerische Zeremonie von einem Nichtfreimaurer vollzogen werden darf, ebensowenig darf im Bewußtsein der katholischen Kirche von einem Nichtgeweihten eine richtige katholische, aus dem Katholizismus heraus gearbeitete und gewordene Zeremonie zelebriert werden, ausgeführt werden mit voller Geltung.“ (Lit.: GA 343a, S. 146f)

William Blake, The Last Supper, 1799

Mit der Einsetzung des Abendmahls erneuerte und erhöhte der Christus das Opfer, das Melchisedek vor Abraham dargebracht hatte, und begründete damit einen neuen zukunftsweisenden Kultus, durch den die blutigen Tieropfer, die seit der atlantischen Zeit üblich geworden waren, überwunden werden und nun statt dessen Brot und Wein geopfert werden sollten.

„An die Stelle des blutigen Opfers, soll das unblutige, das geistige Opfer, das Abendmahl treten als Symbol dafür, daß auf geistigem Felde Schuld und Sühne für menschliche Taten leben. Dies ist aber die Lehre von Karma, daß alles dasjenige, was der Mensch irgendwie in seinen Handlungen verursacht hat, seine Wirkungen nach sich zieht durch rein geistige Gesetze, daß Karma nichts zu tun hat mit physischer Vererbung.“ (Lit.: GA 52, S. 82)

Damit wird zugleich darauf hingewiesen, dass wir künftig von der Ernährung vom toten Tiere überzugehen haben zu der Ernährung von der toten Pflanze. In der 6. nachatlantischen Kulturepoche wird sich der Mensch vegetarisch ernähren und noch später wird eine rein mineralische Ernährung kommen. Der Mensch wird sich dann selbst aus dem toten Stoff das bilden, was er als Nahrung braucht; er wird Lebendiges aus Totem schaffen können. Dann wird auch die geschlechtliche Fortpflanzung überwunden werden und der Mensch wird seinesgleichen aus sich selbst heraus reproduzieren können.

In seiner ganzen geistigen Tiefe kann das Abendmahl nur dann verstanden werden, wenn die Worte des Christus "dies ist mein Fleisch" und "dies ist mein Blut" in dem Sinn wörtlich genommen werden, dass sich mit dem Mysterium von Golgatha Christus mit der Erde verbunden hat und die ganze Erde zu seinem Leib geworden ist. Mit dem Abendmahl kündigt sich an, wie die lebendigen Ätherkräfte des Christus sich von seinem physischen Leib zu lösen beginnen und in die Ätherkräfte der Erde überfließen. Wesentlich ist nicht, dass der Christus Brot und Wein in sich aufnimmt, sondern dass seine Lebenskräfte in Brot und Wein, als Repräsentanten der äußeren Natur, übergehen. Nur so kann man die Worte aus dem Johannes-Evangelium verstehen: «Der mein Brot ißt, tritt mich mit Füßen.» (Joh 13,18)

„Wenn ein hellseherisches Wesen durch Jahrtausende hindurch imstande gewesen wäre, die Erde zu beobachten, so würde es gesehen haben, wie damals, als der Erlöser auf Golgatha starb, plötzlich die ganze Erdenaura sich in anderem Lichte färbte, in anderen Farben aufstrahlte. Der von Zarathustra verkündete Ahura Mazdao ist damals der elementarische Geist der Erde geworden. Das drückt der Christus aus, indem er beim Abendmahl sagt: «Das ist mein Leib» (Mt 26,26 LUT), und für den Traubensaft findet er den Ausdruck: «Das ist mein Blut.» (Vgl. Mt 26,28 LUT)“ (Lit.: GA 104a, S. 93)

Der Mensch besteht großteils aus Wasser. Bei der Verdauung erzeugt er aber auch stets geringe Mengen von Alkohol in seinem Körper.

„Wenn behauptet wird, daß der Mensch ganz ohne Alkohol leben kann, so stimmt das nicht. Der eine Mensch kann leben, ohne daß er Alkohol trinkt; das ist wahr. Aber er kann nicht ohne Alkohol leben. Denn wenn er eben keinen Alkohol trinkt, dann erzeugt sein eigener Körper in ihm die nötigen Mengen von Alkohol. Alle Stoffe, die der Mensch hat, werden nämlich in ihm selber erzeugt. Das, was der Mensch von außen aufnimmt, ist nämlich bloß zum Unterstützen, zur Anfeuerung da. In Wahrheit erzeugt der Mensch die Stoffe, die er braucht, aus dem Weltenall herein. Im Weltenraum sind alle Stoffe in ganz feiner Verteilung.“ (Lit.: GA 352, S. 31)

So wie den Menschen das Wasser mit dem Kosmos verbindet, so verbindet ihn der Alkohol mit dem Irdischen. In dem Saft reifer Trauben ist die Sonnenkraft irdisch geworden, so wie sich der kosmische Christus durch das Mysterium von Golgatha mit der Erde verbunden hat. Beim Altarsakrament werden im Kelch Wasser und Wein miteinander vermischt. Der Kelch wird damit zu einem Abbild des Menschen, der in seinem Flüssigkeitsorganismus aus Wasser und dem in ihm selbst produzierten „Wein“ besteht und damit das kosmische und das irdische Element miteinander verbindet. Zugleich wird der physischen Leib dadurch so präpariert, dass er eine gewisse Anziehungskraft zu dem aus dem Grabe auferstandenen Phantomleib des Christus entwickelt. Diese Wirkung wird durch den christlichen Schulungsweg noch wesentlich verstärkt.

„Das ist ja gegeben in der tatsächlichen Alchimie, indem der Mensch - ich habe Ihnen das gestern nur exemplifikativ angedeutet - fortwährend Alkohol in sich entwickelt, so wie er ihn braucht. Nun ist der Mensch ja auch zu 90% eine Wassersäule, das andere ist dieser nur eingegliedert. Daher haben wir also im Kelche auch ein Abbild des Menschen aus Wasser und Wein, indem Sie nicht bloß den Wein nehmen, sondern den Wein, der ein Produkt des Menschen ist, mit dem Wasser vermischen.

Sie können sich ja mit Christus nur dadurch vereinen, daß Christus in das Phantom des physischen Menschenleibes übergegangen ist. Das ist in den Worten enthalten: «... das Eingehen in die physische Erde»; und das findet der Mensch, wenn er das Physische - auch wenn es als Physisches schon verdorben ist - gerade an Christus anknüpft. So geschieht die Erneuerung in der Verbindung mit Christus, die als Folge des Mysteriums von Golgatha da ist.“ (Lit.: GA 344, S. 163f)

Das Abendmahl ist die Vorschule für die geistige Vereinigung mit dem Christus, der in der Erdenwelt gegenwärtig ist. In der Zukunft wird dafür die äußere kultische Handlung nicht mehr nötig sein, wenn sich die Menschen durch die meditative Versenkung in das Denken mit dem Christus verbinden können. Dann kann die Auferstehung im Denken dadurch beginnen, dass sich die Ätherkräfte des Gehirns vom physischen Gehirn lösen und in die umgebende Ätherwelt, in die lebendig wirkenden Weltgedanken, die formend in der Natur wirken, eintauchen. Darauf hat Rudolf Steiner hingewiesen mit den Worten:

„Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen.“ (Lit.: GA 1, S. 126)

Rudolf Steiner hat in diesem Zusammenhang mehrmals den Hirtenbrief über «Die dem katholischen Priester gebührende Ehre» (1905) des Erzbischofs von Salzburg Johannes Baptist Katschthaler (1832-1914) erwähnt[2].

„Es ist gar nicht so weit zurück, da erschien von einem mitteleuropäischen Bischof - vielleicht war es auch ein Erzbischof - ein Hirtenbrief. In diesem Hirtenbrief wurde ungefähr ausgeführt, daß der katholische Priester mächtiger ist als Jesus Christus, aus dem einfachen Grunde, weil ja, wenn der katholische Priester am Altar die Transsubstantiation vollzieht, der Christus Jesus in dem Sanktissimum, in der Hostie anwesend werden muß. Es muß die Transsubstantiation durch die Gewalt des Priesters wirklich sich vollziehen. Das heißt, die Handlung, die der Priester vollzieht, zwingt den Christus Jesus, auf dem Altar gegenwärtig zu sein. Also ist der Mächtigere nicht der Christus Jesus, sondern der Mächtigere ist derjenige, der auf dem Altare die Transsubstantiation vollzieht!“ (Lit.: GA 196, S. 253)

„Es ist noch nicht lange her, da erschien an einem gewissen Orte ein Hirtenbrief eines katholischen Bischofs. Der setzte nicht mehr und nicht weniger auseinander, als daß der katholische Priester in seinen Kultushandlungen mächtiger sei als der Christus Jesus. Denn indem der Priester auf dem Altar die heilige Handlung zelebriere, zwinge er den Christus Jesus, den Gott des Christentums, hereinzutreten in die irdische Welt, wenn der Priester die Transsubstantiation vollzieht. Der Gott mag wollen oder nicht, er muß durch die Transsubstantiation den Weg nehmen, den ihm der Priester vorschreibt. Auf diese Übermacht des irdischen «Priestergottes» über den aus kosmischen Höhen heruntersteigenden und im Fleische des Jesus auf der Erde wandelnden «Untergott» hat in jüngster Zeit noch ein Hirtenbrief durchaus hingewiesen. Solche Dinge stammen eben aus älteren Zeiten und sind in unseren Zeiten sinnlos geworden. Gewisse Vertreter gewisser Bekenntnisse wissen ganz gut, warum sie solche Dinge aber wiederum in die Menschheit hineinwerfen.“ (Lit.: GA 197, S. 45)

Ausführlicher sprach Rudolf Steiner darüber zu den angehenden Priestern der Christengemeinschaft:

„Hier berühren wir etwas Esoterisches, das vielleicht im bisherigen Verlauf unseres Zusammenseins überhaupt noch nicht so stark hervorgetreten ist, das aber doch einmal auch vor Euren meditativen Sinn treten muß. Denn zuweilen sprießt und spritzt heute - ich möchte sagen, nicht wie Blitzesflammen, denn die kommen von oben her, aber wie Vulkanflammen, denn die kommen von unten her - mancherlei, was in diesem oder jenem Bekenntnis von alten Mysterien zurückgeblieben ist. So gab es ja - ich habe diese Tatsache schon öfter erwähnt - einen Hirtenbrief eines Erzbischofs, welcher nichts Geringeres als das folgende behauptete. In dem Brief war die Frage aufgeworfen: Wer ist höher, der Mensch oder Gott? - Und es wurde in diesem Hirtenbrief, obwohl in einer gewundenen Rede, aber doch auf der anderen Seite auch wieder unverblümt, darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn der Priester am Altar steht, wenn also der Mensch als Priester am Altar steht - von den übrigen Menschen gilt das nicht, aber für die Priester -, er hoher sei als Gott, mächtiger als Gott, denn er könne Gott zwingen, irdische Gestalt in Brot und Wein anzunehmen. Wenn der Priester konsekriert, wenn er die Transsubstantiation vollzieht, dann müsse der Gott am Altar anwesend sein.

Das ist eine Auseinandersetzung, die tief in altes Mysterienwesen zurückgeht, und es ist auch eine Auseinandersetzung, die innerhalb des esoterischen Brahmanismus im Orient, insofern er aus dem Mysterienwissen heraus ist, heute durchaus noch geläufig ist. Es ist geläufig und im Einvernehmen mit allem Mysterienwesen die Vorstellung, daß der Mensch ein Wesen ist, das die Gottheit mit umspannt, eigentlich der Höhere gegenüber der Gottheit. Und es fühlte sich der Brahmanenpriester, namentlich der von ehemals, in dieser Verfassung seiner Seele als - wenn ich mich so ausdrücken darf - überpersönlicher Träger der Gottheit. Das ist eine schwerwiegende Vorstellung, die da hereinleuchtet aus altem Mysterienwesen. Aber sie muß schließlich wenigstens einmal dem meditativen Leben der Priesterseele anvertraut werden. Denn es widerspricht ja vollständig dem, was sich namentlich im evangelischen Bewußtsein nach und nach ergeben hat. Dem evangelischen Bewußtsein gegenüber ist das, was in dem angezogenen Hirtenbriefe steht, natürlich eine Torheit.“ (Lit.: GA 346, S. 59f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Zuordnung nach The Notebooks of Leonardo da Vinci S. 232 [1]
  2. In dem Hirtenbrief von Katschthaler heißt es:

    „Hirtenbrief des Fürsterzbschofs Johannes Katschthaler von Salzburg, Kardinalpriester, Primas von Deutschland, Legatus natus des Apost. Stuhles, vom 2. Februar 1905, (13 S. 4°). „Ehret eure Priester!" — Ehret den Priester wegen der beiden unbegreiflich hohen Gewalten, mit denen er durch die Güte Gottes ausgestattet ist. —

    I. Ihr wißt es, Geliebteste, der katholische Priester hat die Gewalt die Sünden zu vergeben. „Empfanget den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen"; sprach Christus zu Seinen Aposteln. Und diese Worte gelten, wie Ihr alle wisset, nicht den Aposteln allein, sondern auch den rechtmäßigen Nachfolgern derselben, den Bischöfen und Priestern der katholischen Kirche.

    Lebte irgendwo jemand, der durch sein bloßes Wort einen Mohren weiß zu machen verstünde, wie würdet Ihr darüber staunen? Wäre irgendwo jemand, auf dessen Wort hin: „Ich will, sei rein!“ „Ich will, sei gesund!“ ein über und über mit Aussatz Bedeckter auf einmal nicht bloß vom Aussatze ganz rein, sondern auch vollständig wieder gesund wäre, wie würdet ihr staunen. Aber. . wenn der verordnete Priester im Beichtstuhle zu euch spricht: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“, so wirkt er noch viel Größeres. Denn nicht am Leibe, sondern an der Seele geschieht es; und die Seele ist ja viel vorzüglicher als der Leib. Was ist die Würde des Leibes und deren Heilung im Vergleiche zu den Wunden der Seele und deren Heilung? Was ist die Häßlichkeit eines Mohren im Vergleiche mit der Abscheulichkeit eines Sünders, der vor dem reinsten Auge Gottes und seiner Heiligen wirklich ein wahrer Greuel ist, was ist der Aussatz des Leibes im Vergleich zum schauerlichen Aussatz an der Seele?

    Ja, wahrhaft ein göttlicher Akt ist die Nachlassung der Sünden, nicht bloß ein gewöhnliches Werk göttlicher Macht, sondern das größte Werk Gottes. — Gewiß! Gott ist allmächtig, und wenn ich auf seine Macht sehe, ist ihm ja nichts schwer. Aber wenn ich auf die Objekte, die Gegenstände sehe! Sehet, das Nichts, aus dem Gott die Welt erschaffen hat und etwa neue Welten schaffen würde, setzt seinem heiligsten Willen keinen Widerstand entgegen. Aber bei der Rechtfertigung des Sünders, ist da nicht auch der böse Wille zu überwinden, der böse Wille, in dem der Sünder Gott widersteht? Den Willen des Menschen, ohne daß die Freiheit desselben im mindesten verletzt wird, so beeinflussen, so lenken, daß derselbe freiwillig sich von der Sünde ab- und zu Gott hinwende, daß er fortan das liebe, was er früher gehaßt, das verabscheue, was er früher geliebt hat, mit einem Worte: daß er sich bekehre — das ist wirklich mehr als neue Welten aus dem Nichts hervorbringen, das ist das größte Werk des Allerhöchsten.

    Und sehet, Geliebteste, bei diesem großen Akte Gottes wirkt der katholische Priester mit, ja was sage ich, wirkt der Priester mit? Das Wort des Priesters selbst, das Wort: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“ bewirkt die Vergebung derselben. Dieses Wort kündigt nicht allein an, sondern bewirkt die Nachlassung der Sünden, die Rechtfertigung des Sünders, wie der hl. Kirchennrat von Trient lehrt. Gott hat gleichsam seine Allmacht für diesen Zweck, für diesen Augenblick an seinen Stellvertreter auf Erden, den bevollmächtigten Priester, abgetreten. Nein, nicht ein leeres Wort ohne Kraft ist das „Ich spreche dich los von deinen Sünden“, sondern ein Wort von göttlicher Kraft, ein Wort, das selbst vor dem Throne des Allerhöchsten volle Geltung hat, ein Wort, auf das hin die Ketten, mit denen der Teufel die Seelen gebunden hatte, zerspringen, obwohl sie hart wie Diamant waren, ein Wort, auf das hin die Gerechtigkeit Gottes das Schwert in die Scheide steckt, auf das hin die bösen Geister fliehen, auf das hin die unersättlichen Flammen, welche für diesen Sünder in der Hölle schon bereitet waren, erlöschen. —

    Freilich nicht aus sich hat der Priester diese ganz und gar wunderbare Gewalt, sondern kraft der Weihe und der Ermächtigung hiezu durch die heilige Kirche. — Geliebteste! Wo auf der ganzen Erde ist eine Gewalt, welche dieser Gewalt gleichkommt? Die Gewalt der Fürsten und Könige? O, die Gewalt des katholischen Priesters steht nicht hinter derselben, sondern übersteigt und übertrifft sie vielmehr! Die Macht der irdischen Kaiser und Könige erstreckt sich ja nur auf die Leiber und keineswegs auf die Seelen, ist nur auf gewisse Länder der Erde beschränkt, die Gewalt des Priesters, loszusprechen, ist aber auf der ganzen bewohnten Erde in Tätigkeit, ja, was der Priester löset und bindet, hat nicht bloß auf Erden, sondern auch im Himmel Geltung. Wo, Geliebteste, ist selbst im Himmel eine solche Gewalt? Wenn du dort dich umschauest, so siehst du die Schar der Patriarchen und Propheten, der Märtyer und Blutzeugen und die Scharen der hl. Jungfrauen und dann die Engel und Erzengel und die Throne und Herrschaften, können sie dich lossprechen von deinen Sünden? Nein. Die Patriarchen mit all ihrem Glauben, die Propheten mit all ihrer Wissenschaft, die Einsiedler mit all ihrer Strenge, die Jungfrauen mit all ihrer Reinheit, sie vermögen es nicht. Die hocherhabenen Geister des Himmels, die Engel und Erzengel und Herrschaften, die Cherubim und Seraphim, obwohl sie die hochgestellten Geister im Reiche des Himmels sind, sie können den Herrn der Gewalten nur bitten, daß er unsere Sünden lösen möge; selbst aber dieselben lösen können sie nicht. Ja noch mehr! S e l b s t M a r i a, die Gottesmutter, die Königin des Himmels, sie kann es nicht, obwohl sie die Braut des heiligen Geistes, die Herrin des Weltalls ist, sie kann für uns nur bitten, daß uns die Lösung der Schulden zuteil werde; selbst sie zu lösen, das vermag auch sie nicht.

    Geliebteste! Merket ihr nun, wie hoch, wie erhaben, wie ganz wunderbar die Gewalt des Priesters, Sünden zu vergeben, ist! des katholischen Priesters, sage ich nochmals; die protestantischen Pastoren haben die Priesterweihe nicht, durch welche diese so hohe Gewalt nach der Anordnung Christi übertragen wird. —

    II. Ehret die Priester, denn sie haben die Gewalt zu konsekrieren. — Kraft der Weihe hat der katholische Priester und wieder nur er, und nicht die protestantischen Pastoren, diese wunderbare Gewalt.— Die Gewalt zu konsekrieren, den Leib des Herrn mit dem kostbaren Blute, mit Seiner ganzen heiligen Menschheit und Seiner Gottheit unter den Gestalten des Brotes und Weines gegenwärtig machen: Brot und Wein verwandeln in den wahren Leib und das kostbare Blut unseres Herrn, welch hohe, erhabene, ganz wunderbare Gewalt! Wo im Himmel ist eine solche Gewalt, wie die des katholischen Priesters? Bei den Engeln? Bei der Mutter Gottes? Maria hat Christum, den Sohn Gottes, in ihrem Schoße empfangen und im Stalle zu Bethlehem geboren. Ja. Aber erwäget, was bei der heiligen Messe vorgeht! Geschieht nicht unter den segnenden Händen des Priesters bei der heiligen Wandlung gewissermaßen dasselbe? Unter den Gestalten des Brotes und Weines wird Christus wahrhaft, wirklich und wesentlich gegenwärtig und gleichsam wiedergeboren. Dort zu Bethlehem gebar Maria ihr göttliches Kind und wickelte es in Windeln, der Priester tut gleichsam dasselbe und legt die Hostie auf das Korporale. Einmal hat Maria das göttliche Kind zur Welt gebracht.

    Und sehet, der Priester tut dies nicht einmal, sondern hundert und tausendmal, so oft er zelebriert. Dort im Stalle war das göttliche Kind, das durch Maria der Welt gegeben ward, klein, leidensfähig und sterblich. Hier auf dem Altare unter den Händen des Priesters ist es Christus in seiner Herrlichkeit, leidensunfähig und unsterblich, wie er im Himmel sitzt, zur Rechten des Vaters, glorreich triumphierend, vollkommen in jeder Beziehung. — Machen sie den Leib, das Blut des Herrn bloß gegenwärtig? Nein. Sondern sie opfern, sie bringen dem himmlischen Vater das Opfer dar. Es ist dasselbe, was Christus blutiger Weise auf Kalvaria und unblutiger Weise beim letzten Abendmahl getan hat. Dort hat der ewige Hohepriester Jesus Christus Sein Fleisch, Sein Blut und Leben selbst dem himmlischen Vater zum Opfer gebracht, hier in der heiligen Messe tut Er dasselbe durch seine Stellvertreter, die katholischen Priester. Die Priester hat er an Seine Stelle gesetzt, damit sie dasselbe Opfer, das Er dargebracht, fortsetzen. Ihnen hat Er das Recht über Seine heilige Menschheit übertragen, ihnen gleichsam Gewalt über Seinen Leib gegeben. Der katholische Priester kann ihn nicht bloß auf dem Altare gegenwärtig machen, Ihn im Tabernakel verschließen. Ihn wieder nehmen und den Gläubigen zum Genusse reichen, er kann sogar Ihn, den Mensch gewordenen Gottessohn, für Lebendige und Tote als unblutiges Opfer darbringen. Christus, der eingeborene Sohn Gottes des Vaters, durch den Himmel und Erde geschaffen sind, der das ganze Weltall trägt, ist dem katholischen Priester hierin zu Willen. —

    Und wenn wir den heiligen Dionysius erstaunt fragen hören, ob man denjenigen noch einen Menschen nennen soll, den Gott aus den Menschen ausgewählt, über die Schar der übrigen so hoch emporgehoben, den Gott so innig mit Sich verbunden, ihm sogar über Sich Gewalt gegeben hat? Geliebteste, werden wir uns noch wundern, wenn die Jahrbücher der heiligen Kirche uns erzählen, wie alle, die den Priester mit den Augen des Glaubens ansahen, denselben hoch verehrt haben? —

    Die katholischen Priester sind höchst ehrwürdig, denn unbegreiflich hoch ist die Würde derselben. Sie haben die Gewalt Sünden zu vergeben und die Gewalt, zu konsekrieren. — Geliebteste! Nun eine Frage: Wird dem Priester auch von allen diese Ehrfurcht dargebracht? „Sie werden euch aus den Synagogen ausstoßen“, prophezeite Christus seinen Aposteln und deren Nachfolgern. „Ja es kommt die Stunde, daß ein jeder, der euch tötet, Gott einen Dienst zu tun glauben wird.“ Diese Aussicht hat der göttliche Heiland den katholischen Priestern gestellt, und so ist es vielfach auch gekommen, von den Tagen der Apostel an bis heute. Ihr wißt es alle, auch heute gibt es solche, welche den Priester schmähen und lästern, alles mögliche aussagen in Wort und Schrift, ihn verachten und verächtlich zu machen suchen, in der Gesellschaft, in Theatern, ihn darstellen als Unterwühler der staatlichen Ordnung, und als vernichte er das Wohl des Volkes, als verdumme er das Volk, auch heute gibt es viele, die das Ansehen des Priesters auf alle Weise schädigen und dessen Wirksamkeit lähmen wollen. —

    Und wenn Ihr an einem Priester etwas wirklich Tadelnswertes findet, was sollt Ihr tun? Wie die Feinde unserer heiligen Kirche es machen? Es ausposaunen, vergrößern, generalisieren? Was ein einziger getan, dem ganzen Stande zur Last legen? O nein das tut Ihr nicht, ich weiß es. — Wenn es also in seltenen Fällen geschieht, daß ein Priester, während er andere mit Schätzen der Kirche bereichert, selbst nichts davon für sich erhält, wenn es in seltenen Fällen geschieht, daß der Priester, ohne im Stande der Gnade zu sein, Beichte hört oder gar zelebriert, die hl. Messe feiert, wenn er also zwar andere reinigt und deren Sünden tilgt, aber die Seinigen vermehrt, wenn es in seltenen Fällen geschieht, daß dasjenige, wodurch er anderen den Himmel verschafft, für ihn Anlaß zur Verdammnis wird, was tun, Geliebteste? Beten für einen solchen ganz und gar unglücklichen Priester und die priesterliche Würde auch an einem solchen noch ehren! — Betet und richtet nicht! denn „Mein ist die Rache“ spricht der Herr; und es ist entsetzlich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“

    Johannes Baptist Katschthaler: Die dem katholischen Priester gebührende Ehre, in: Mirbt, S. 400ff.