Christengemeinschaft

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Altarraum der Johannes-Kirche der Christengemeinschaft in Dresden

Die Christengemeinschaft - Bewegung für religiöse Erneuerung ist eine 1922 nach den Impulsen mehrerer (damals überwiegend evangelischer) Theologen gegründete, aber von der anthroposophischen Gesellschaft völlig unabhängige, selbständige christliche Erneuerungsbewegung, in deren Mittelpunkt das gemeinsame Begehen kultischer Handlungen steht. Bei der Stiftung des Kultus, stand Rudolf Steiner als Privatmann (außerhalb der anthroposophischen Bewegung) helfend zur Seite.

„Sie ist eine Bewegung, die aus sich selbst heraus entstanden ist, und die die Ratschläge von mir bekommen hat aus dem Grunde, weil, wenn jemand berechtigten Rat auf irgendeinem Gebiete fordert, es Menschenpflicht ist, wenn man den Rat erteilen kann, ihn auch wirklich zu erteilen.“ (Lit.:GA 219, S. 170)

Ihr eigen ist ein reges Gemeindeleben. Sie sieht sich nicht als alleinseligmachende Kirche. Die Christengemeinschaft beruft sich auf Christus als den Schöpfer der Erde, der in Jesus von Nazareth Mensch wurde. In ihm finden Gläubige Lebenskraft und Fortbestehen. Die Christengemeinschaft wird von den Kirchen - nicht jedoch vom Staat - bedauerlicherweise immer noch als Sekte eingestuft.

Lehrfreiheit

Die Priester der Christengemeinschaft haben Lehrfreiheit und sind an keine dogmatische Lehre gebunden. Ausgenommen davon ist einzig das Lehren gegen den gegebenen Kultus. Rudolf Steiner sagt dazu:

„Das ist nämlich sehr wichtig, daß Sie sich klar sind darüber, daß in bezug auf die Lehre dann völlige Freiheit herrscht, wenn der gemeinschaftliche Zusammenhalt im Kultus gegeben ist. Dadurch ist ja gerade die Freiheit der Predigt und der Lehre gesichert, daß der Zusammenhalt nicht abhängt von der Übereinstimmung, die Grenzen hat. Natürlich hat diese Freiheit ihre Grenzen darin, daß nicht in irgendeiner leicht durchschaubaren Weise dasjenige, was man lehrt, dem Geist und dem Sinn des Kultus widerspricht. Das wäre eine Absurdität in sich selber. Wenn also irgend jemand das Meßopfer verrichtet und zu gleicher Zeit lehren würde, daß das ein Unsinn ist, so würde er nicht innerhalb der Gemeinschaft bleiben können oder mindestens nicht lehren können. Nicht wahr, so ist in einem so weitgehenden Sinn, als es nur möglich ist, die Freiheit der Lehre anerkannt. Und, meine lieben Freunde, ohne die Freiheit der Lehre kommen wir heute tatsächlich, besonders in einer christlichen Gemeinschaft, nicht weiter. Es muß nur der Kultus im richtigen Sinne angesehen werden, dann ergibt sich, so möchte ich sagen, gerade aus dem Vorhandensein des Kultus die Freiheit der Lehre.“ (Lit.:GA 344, S. 132)

Sakramente

Hauptartikel: Sakrament

Die Christengemeinschaft ist eine Kultusgemeinschaft. Ihre wichtigste kultische Feier ist

Sechs weitere Sakramente können den Lebenslauf begleiten und helfend darin wirksam werden.

Darüber hinaus bestehen kultische Handlungen:

Angaben Rudolf Steiners zu den liturgischen Gewändern der Christengemeinschaft (Tafel 12 aus GA 343)

Die Sakramente werden von dem Priester jeweils in festgeschriebener Weise und in liturgischen Gewändern mit jahreszeitlich oder traditionell festgelegten Farben durchgeführt:

  • TAUFE: dunkelviolett
  • TRAUUNG: rot
  • BEERDIGUNG: schwarz
  • JAHRESZEITEN (Farbe der Formen auf der Casula in Klammer):
    • Advent: blau (dunkelblau)
    • Weihnachten: weiß (hellviolett)
    • Epiphanias: rotviolett (dunkelrotviolett)
    • Passionszeit: schwarz (tiefschwarz)
    • Ostern: rot (grün)
    • Himmelfahrt: rot (gold)
    • Pfingsten: weiß (hellgelb)
    • Johanni: weiß (hellgelb)
    • Michaeli: Heckenrosenfarbe (meergrün)
    • Grundfarbe in den Zwischenzeiten: hellviolett (orange)

An der Menschenweihehandlung (mit der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi und der Kommunion) kann jeder Erwachsene teilnehmen, dem ein religiöses Leben Bedürfnis ist. Einführende Schriften zum Kultus der Christengemeinschaft sind in der Gemeinde erhältlich.

Das Glaubensbekenntnis der Christengemeinschaft

  • Ein allmächtiges geistig-physisches Gotteswesen ist der Daseinsgrund der Himmel und der Erde, das väterlich seinen Geschöpfen vorangeht.
  • Christus, durch den die Menschen die Wiederbelebung des ersterbenden Erdendaseins erlangen, ist zu diesem Gotteswesen wie der in Ewigkeit geborene Sohn.
  • In Jesus trat der Christus als Mensch in die Erdenwelt.
  • Jesu Geburt auf Erden ist eine Wirkung des Heiligen Geistes, der, um die Sündenkrankheit an dem Leiblichen der Menschheit geistig zu heilen, den Sohn der Maria zur Hülle des Christus bereitete.
  • Der Christus Jesus hat unter Pontius Pilatus den Kreuzestod erlitten und ist in das Grab der Erde versenkt worden.
  • Im Tode wurde er der Beistand der verstorbenen Seelen, die ihr göttliches Sein verloren hatten;
  • dann überwand er den Tod nach dreien Tagen.
  • Er ist seit dieser Zeit der Herr der Himmelskräfte auf Erden und lebt als der Vollführer der väterlichen Taten des Weltengrundes.
  • Er wird einst sich vereinen zum Weltenfortgang mit denen, die Er durch ihr Verhalten dem Tode der Materie entreißen kann.
  • Durch ihn kann der heilende Geist wirken.
  • Gemeinschaften, deren Glieder den Christus in sich fühlen, dürfen sich vereinigt fühlen in einer Kirche, der alle angehören, die die heilbringende Macht des Christus empfinden;
  • sie dürfen hoffen auf die Überwindung der Sündenkrankheit, auf das Fortbestehen des Menschenwesens und auf ein Erhalten ihres für die Ewigkeit bestimmten Lebens. -
  • Ja, so ist es.

Geschichte

Die Stiftung des Kultus geschah durch die private, außerhalb der anthroposophischen Bewegung erfolgende Hilfe Rudolf Steiners, der sich über das Verhältnis zur Anthroposophie in folgender Weise äußerte:

"Das, was ich diesen Persönlichkeiten gegeben habe, hat nichts zu tun mit der anthroposophischen Bewegung. Ich habe es ihnen als Privatmann gegeben, und habe es so gegeben, daß ich mit notwendiger Dezidiertheit betont habe, daß die anthroposophische Bewegung mit dieser Bewegung für religiöse Erneuerung nichts zu tun haben darf; daß aber vor allen Dingen nicht ich der Gründer bin dieser Bewegung für religiöse Erneuerung; daß ich darauf rechne, daß der Welt das durchaus klargemacht werde, und daß ich einzelnen Persönlichkeiten, die von sich aus begründen wollten diese Bewegung für religiöse Erneuerung, die notwendigen Ratschlüsse gegeben habe, Ratschlüsse, die allerdings geeignet waren, einen gültigen und spirituell kräftigen, spirituell von Wesenheit erfüllten Kultus auszuüben, in rechtmäßiger Weise mit den Kräften aus der geistigen Welt heraus zu zelebrieren."[1]

Der Theosoph Michael Bauer stand schon in den 1900er Jahren mit dem evangelischen Pfarrer Friedrich Rittelmeyer von der "Neuen Kirche" aus Berlin in Kontakt. Rittelmeyer wollte mehr über die damals populäre Theosophie erfahren. Im Jahr 1911 stellte Bauer den Kontakt zwischen Rittelmeyer und Steiner her.

Nach dem Ersten Weltkrieg sammelte sich eine Gruppe von 18 jungen Deutschen im Juni 1921 um Rudolf Steiner. Der Kreis bestand aus „evangelischen Theologen und suchenden Künstlern und Akademikern … erneuerungswillig wie keine andere Gruppe“ (Heyer).[2] Vor dem Eindruck der Katastrophe des Ersten Weltkrieges suchten viele junge Menschen nach Orientierung und Erneuerung durch die Hinwendung zum Religiösen. So bestand auch die Kerngruppe aus Kriegsrückkehrern und Generationsgenossen der Wandervogelbewegung.

Emil Bock, späterer „Erzoberlenker“ schrieb 1947: „Unser aller brennendes Verlangen zielte auf die religiöse Wirksamkeit. Die Krise des Zeitalters hat in uns die Überzeugung vertieft, daß der wesentliche Beitrag zur menschlichen Erneuerung auf dem innersten, dem religiösen Felde zu leisten wäre. Aber in den Kirchen zu wirken, schien uns unmöglich. Die zünftige Theologie verschlug uns den Atem. Nun waren wir Einzelne oder in kleinen Gruppen unabhängig voneinander auf die überragende Größe Rudolf Steiners aufmerksam geworden. Unsere staunende Bewunderung war insbesondere dadurch erregt, daß durch die Geistesforschung [Steiners], die den Bann des Materialismus real durchbrach, die unerwartetsten Lichter auf die Mysterien des Christentums fielen.“[3]

Steiner bot im September 1921 in 29 Vorträgen im Dachsaal des Goetheanums in Dornach "Beratung und Unterweisung" für die Gründung eines neuen Kultes. Für Steiner war das Gelingen einer religiösen Erneuerung an drei Bedingungen geknüpft: Die Verkündung der Heilwahrheiten ohne Nutzung der überkommenen Begriffe der Kirche; die Gründung freier Gemeinden, außerhalb der bestehenden Kirchengemeinden und schließlich eine aktive Gemeinschaftsbildung durch Kultushandlungen als Gegensatz zur Gemeinschaft durch die rechte Lehre.

Die Christengemeinschaft wurde 1922 in Dornach von einem Kreis von 45 zumeist sehr jungen Theologen um den evangelischen Pfarrer Friedrich Rittelmeyer (1872-1938) und Emil Bock (1895-1959) gegründet. In «Meine Lebensbegegnung mit Rudolf Steiner» schreibt Rittelmeyer:

„Ist es nicht für die weitaus größte Mehrzahl der Menschen notwendig, eine Feier zu haben, in der sie auf ihre Weise zu diesem Erlebnis kommen, zu der Wirklichkeit, die in Christus da ist, hingeführt werden?

Von hier aus wird das Verhältnis zwischen anthroposophischer Bewegung und Christengemeinschaft klar. Wäre für die Anthroposophische Gesellschaft ein Kultus gegeben worden, so könnte er in viel größerem Umfang auf den Einzelheiten der neuen Weltanschauung beruhen, die in der Anthroposophie heraufkommt. Aber diese neue Weltanschauung muß sich doch erst durchkämpfen, auf allen Gebieten, und hat noch schwere Auseinandersetzungen zu bestehen. Darauf kann die Menschheit im ganzen nicht warten. Auch gibt es Menschen in Fülle, die für dieses Durchkämpfen einer neuen Weltanschauung gar kein unmittelbares Interesse haben. Für sie alle kann ein Kultus dasein, der sich zwar mit der geistigen Erkenntnis, die in der Anthroposophie da ist, in voller Übereinstimmung befindet und aus ihr allein möglich ist, der aber nicht diese geistige Erkenntnis lehrt oder voraussetzt, sondern den Menschen unmittelbar gibt, was sie mit der höchsten Wirklichkeit verbindet.

Was die Christengemeinschaft den Menschen zu vermitteln hat, ist das Höchste. Es ist der lebendige Christus in aller Wirklichkeit und Lebensmächtigkeit. Etwas Höheres gibt es nicht. Aber es ist dieses Höchste in einem bestimmten Zeitalter und für ein bestimmtes menschliches Bedürfnis.

Wenn die Christengemeinschaft sich nur aus Anthroposophen zusammensetzte, so würde Steiner die Aufgabe der Christengemeinschaft für verfehlt gehalten haben. Die Anthroposophische Gesellschaft hat ihre eigenen großen Aufgaben als eine Kulturbewegung, die heute in der intellektualistisch-materialistischen Gegenwart vor allem notwendig ist und schwer genug zu kämpfen hat, um sich durchzusetzen. Darum könnte sie, auch finanziell, eine solche neue Gemeinschaft gar nicht tragen. Aber abgesehen davon wünschte Steiner auch eine Menschenart heranzubilden, die sich in der Zukunft allmählich mehren wird. Sie sucht die Kommunion im Geist und kann auf ihre Weise durch das, was ihr Rudolf Steiner gegeben hat, zu demselben Allerhöchsten kommen, was die Christengemeinschaft in ihrer Weise bringt. Denn das Ziel der anthroposophischen Bewegung ist auch die volle Kommunion mit Christus bis in Leib und Blut hinein. Sie kann erlebt werden, auch wenn es unbewußt bleibt, ebenso in der Meditation wie im Kultus.“ (Lit.: Rittelmeyer, S. 148f)

Die 45 Gründer der Christengemeinschaft

Nach einer dreiwöchigen Vorbereitung in Breitbrunn am Ammersee reisten die 45 Gründer nach Dornach, wo im Goetheanum vom 6. bis zum 22. September 1922 die Gründungsschritte vollzogen wurden. In Dornach feierte Rittelmeyer am 16. September 1922 die erste "Menschenweihehandlung" – wie das Abendmahl fortan genannt wurde – nach einer von Steiner entworfenen Liturgie, die dieser der römischen Messe in Abwandlungen entnommen hatte.[2] Hierbei wurden auch die ersten zwölf Priester geweiht.

Gründungstag (16.9.1922) der Christengemeinschaft, Bewegung für religiöse Erneuerung.

Friedrich Rittelmeyer
Emil Bock
Johannes Werner Klein
Gertrud Spörri
Johannes Perthel
Friedrich Doldinger
Alfred Heidenreich
Rudolf von Koschützki
August Pauli
Hermann Beckh
Heinrich Rittelmeyer
Fritz Blattmann

 
Hermann Fackler
Wilhelm Ruhtenberg
Claus von der Decken
Wilhelm Salewski
Otto Becher
Heinrich Ogilvie
Kurt Philippi
Martin Borchart
Hermann Groh
Wolfgang Schickler
Adolf Müller

Marta Heimeran
Richard Gitzke
Carl Stegmann
Erwin Lang
Eberhard Kurras
Arnold Goebel
Otto Franke
Walter Gradenwitz
Joachim Sydow
Ludwig Köhler
Waldemar Mickisch

Gottfried Husemann
Rudolf Köhler
Jutta Frentzel
Rudolf Frieling
Thomas Kandier
Kurt von Wistinghausen
Wilhelm Kelber
Eduard Lenz
Gerhard Klein
Kurt Willmann
Harald Schilling

(Lit.: GA 344, S. 277)

Rudolf Meyer, der aktiv an allen Vorbereitungen, die zur Gründung der Christengemeinschaft führten, beteiligt war, konnte bei der Weihe der ersten 45 Priester in Dornach nicht dabei sein; er wurde fünf Wochen später durch Johannes Werner Klein geweiht.

Nach der Gründung und zur Zeit des Nationalsozialismus

Die "Christengemeinschaft" verbreitete sich schnell in zahlreichen deutschen Städten, bald auch in Prag, in der Schweiz, in Österreich, Norwegen, Holland, Schweden und England.

1933 wurde in Stuttgart das erste Priesterseminar gegründet, 1936 in Dresden und Den Haag die ersten eigenen Kirchen der Christengemeinschaft. Nach dem Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland durch die Gestapo im November 1935 unterblieb das Verbot der Christengemeinschaft aufgrund ihres Charakters als christlicher Vereinigung zunächst. Erst 1941 nach dem Flug des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß nach England wurde die Christengemeinschaft in Deutschland verboten; einige Priester kamen zeitweilig in Haft.[4]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Historisches Zentrum der Christengemeinschaft ist Stuttgart, dem Ort der größten Gemeinde im deutschsprachigen Raum. Hier hat das höchste Leitungsamt, der "Erzoberlenker" seinen Sitz.[2] In der DDR hatte die Christengemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg rund 30 Gemeinden, in der Bundesrepublik 70.[2] Beim Wiederaufbau der "Christengemeinschaft" kamen zwei Nationalsozialisten zur Gemeinschaft: Friedrich Benesch und Werner Georg Haverbeck. Benesch, der 1947 zum Priester geweiht wurde und von 1957 an über Jahrzehnte als Seminarleiter der Christengemeinschaft in Stuttgart tätig war, wirkte in Siebenbürgen als Mitglied der Deutschen Volkspartei Rumäniens (DVR) und Kreisleiter; seine „braune“ Vergangenheit verschwieg er zeitlebens; sie wurde erst 2004 publik. Haverbeck, einst Leiter der Reichsmittelstelle für Volkstumsarbeit der NSDAP, wurde 1950 zum Priester geweiht. 1959 wurde er von seiner Priestertätigkeit wegen „linker Tendenzen“ beurlaubt. 1983 wurde er wieder in den Priesterkreis aufgenommen, aber gleichzeitig pensioniert.[5] Er konnte 1978 und 1983 noch zwei Bücher im Urachhaus Verlag publizieren, distanzierte sich jedoch bis zu seinem Tod 1999 nie von seiner völkischen Vergangenheit und lieferte mit seinem 1989 erschienenen Buch Rudolf Steiner – Anwalt für Deutschland seinen Beitrag zur noch heute geführten Debatte über die politische Einschätzung Steiners.

Neue Gemeinden entstanden allmählich auch außerhalb Europas, neue Kirchen wurden z. B. in Bochum 1966[6], sowie 1953 ein neues Seminargebäude in Stuttgart errichtet. 1990 wurde eine Gemeinde in Prag möglich. Heute existieren aktive Gruppen oder Gemeinden in Nord- und Südamerika, in Asien, Europa, Afrika und Australien.

Internationale Verbreitung und Vernetzung

Innenraum der Andrieskerk der Christengemeinschaft in Amsterdam

Die Christengemeinschaft ist in 32 Ländern aktiv und hat weltweit nach eigenen Angaben etwa 35.000 Mitglieder. Es existieren Gemeinden auf allen Kontinenten. Da viele Besucher der Sakramente formal nicht Mitglied der Glaubensgemeinschaft sind, dürfte die Zahl der sogenannten „Freunde“ höher sein.

In Deutschland gibt es etwa 140 Gemeinden, in der Schweiz 14, in Österreich 6. In Deutschland hatte die Christengemeinschaft im Jahr 2002 etwa 10.000 Mitglieder sowie 50.000 Freunde.[7] Nach anderer Quelle sind es 20.000 Mitglieder.[8] Bei der Einordnung ist wichtig, dass für die Christengemeinschaft die getauften Kinder nicht als Mitglieder zählen, sondern nur Erwachsene, die selbstständig beigetreten sind.[9]

In der Schweiz ist die Christengemeinschaft im Aargau, in Basel, Bern, Biel, Luzern, Graubünden, Genf, Kreuzlingen, Lausanne, Schaffhausen, St. Gallen, Losone, Lugano und Zürich vertreten.[10]

Seit 1933 besteht in Stuttgart ein Priesterseminar, seit 2001 eines in Hamburg, seit 2019 ein weiteres in Vaughan bei Toronto in Kanada[11] (zuvor seit 2003 in Spring Valley, Rockland County, New York, Vereinigte Staaten).

Die CG ist Teil des großen und weltweit verzweigten anthroposophischen Netzwerkes. Dazu gehören in Deutschland u.a. auch die privaten Waldorfschulen und Waldorfkindergärten in deren Umfeld auch die CG aktiv ist. Als wesentlicher Teil der Antroposophischen Bewegung ist die CG vernetzt mit der Allgemeinen Anthroposophische Gesellschaft, mit den Verlagshäusern „Urachhaus“ und „Freies Geistleben“ und großen Unternehen wie der Weleda-Gruppe, der GLS Bank, der Software AG mit ihrer Stiftung, der Demeter Verband und dem Drogerie Discounter DM, der Textilhersteller Hessnatur und der Wala Heilmittel GmbH sowie mehrere anthroposophische Kliniken.[12]

Organisation

Gemeindemitgliedschaft

Mitglied in der Christengemeinschaft wird man nicht durch Geburt, Taufe oder Konfirmation, sondern durch eigenen Entschluss als Erwachsener. Die Aufnahme erfolgt durch das Gespräch mit einem Priester der örtlichen Gemeinde. Die Vielfalt des Gemeindelebens, wie es sich im Gemeindeprogramm widerspiegelt, ist wesentlich von den Impulsen und der Aktivität der Gemeindemitglieder mitgeprägt.

Priesterseminare

Die Christengemeinschaft hat im deutschen Sprachraum Priesterseminare in Stuttgart und Hamburg, ferner ein Proseminar (berufsbegleitendes Priesterseminar) in Krefeld (bis 2013 in Köln). Das Studium ist auf drei Jahre angelegt und schließt verschiedene Praktika in Gemeinden, aber auch in Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen oder in der Hospizbewegung ein. Die Vorbereitung auf die Priesterweihe kann sich danach als sechsmonatige Ausbildung gemeinsam mit den Studenten der anderen Priesterseminare der Christengemeinschaft anschließen. Außerdem befindet sich noch ein Priesterseminar in Toronto, Kanada.

Rechtliche und wirtschaftliche Organisation

Michaelkirche der Christengemeinschaft in Bremen

Die Christengemeinschaft ist in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht als Stiftung niederländischen Rechts unter dem Namen Stichting de Christengemeenschap (international) eingetragen. Zumeist wird das Konstrukt mit dem englischen Namen Foundation genannt. Die Niederländische Stiftung fungiert als Trägerin der Gesamtbewegung für alle Gemeinden weltweit. Innerhalb der Foundation existieren 18 Regionen als selbständige Einheiten. Das Hauptforum der Foundation ist das Council. Dieses trifft sich alle zwei Jahre und wählt ein Executive Committee aus den Mitgliedern des Council, das zwischen den Sitzungen des Council über die wirtschaftlichen Entscheidungen berät. Die Umsetzung und das Tagesgeschäft obliegt dem hauptamtlichen Geschäftsführer Thomas Nayda in Berlin.[13]

In Deutschland sind die Gemeinden regional zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengeschlossen. Die Christengemeinschaft hat damit die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften. Auf das Recht der Einziehung von Kirchensteuern durch den Staat verzichtet die Christengemeinschaft jedoch ausdrücklich. Sie wird finanziell durch freiwillige Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder und Freunde getragen. Das Gehalt der Priester bezahlt die Gemeinde selbst und es richtet sich nach der wirtschaftlichen Situation derselbigen.

In Österreich ist die Christengemeinschaft eine staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Ansuchen um staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft wurden bisher zurückgewiesen; einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde 2009 wegen nicht sachlich gerechtfertigter Benachteiligung gegenüber den anerkannten Religionsgemeinschaften stattgegeben.[14]

In der Schweiz ist die Christengemeinschaft als Verein organisiert; im Kanton Basel-Stadt ist sie als Religionsgemeinschaft öffentlich, obgleich weder öffentlich-rechtlich noch spezial-gesetzlich, anerkannt.[15]

Erzoberlenker

Unterschiede zu den Lehren der großen christlichen Kirchen

  • Lehrfreiheit:

Die Priester der Christengemeinschaft sind an keine Lehre gebunden, sie haben Lehrfreiheit. Einzige Ausnahme ist das Lehren gegen den gegebenen Kultus. Die folgenden Punkte sind daher als exemplarisch aufzufassen.

  • Priestertum der Frau:

In der Christengemeinschaft können auch Frauen das Sakrament der Priesterweihe empfangen und dadurch den Beruf des Priesters ausüben. Damit ist die Gleichstellung zwischen Mann und Frau gegeben.

  • Freie Gemeinden

Die Gemeinden der Christengemeinschaft erfahren keine Hilfe durch staatliche Instanzen und sind somit selbst verwaltet.

  • Ernstnehmen der biblischen Schöpfungsberichte:

Es gab einst einen Weltenzustand, bei dem Geist und Materie noch nicht getrennt waren.

Kritik

Bewertung durch die Großkirchen

Die Taufe der Christengemeinschaft wird von der Evangelischen Kirche in Deutschland wie im Grundsatz auch von der römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen nicht anerkannt.[16]

Zwischen Vertretern der evangelischen Kirche und der Christengemeinschaft hat es vielfältige Gespräche gegeben,[17] von denen auch Ergebnisse publiziert wurden.[18] Aus solchen Gesprächen ist z. B. die Veröffentlichung vom Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart (Hrsg.) Zur Frage der Christlichkeit der Christengemeinschaft – Beiträge zur Diskussion hervorgegangen.

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen kommt in ihrem Online-Lexikon zu der Einschätzung, dass die Christengemeinschaft sich durch eine „Abhängigkeit von anthroposophischen Überzeugungen“ – nicht zuletzt wegen des verbindlichen Kultuswortlautes – „von biblisch gewonnenen Grundeinsichten, denen sich die christlichen Kirchen verpflichtet wissen“, entfremdet, und sieht in der Taufe der Christengemeinschaft, u. a. wegen der darin enthaltenen Annahme einer vorgeburtlichen Existenz der Seele, ein abweichendes Taufverständnis. Aus Sicht der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen „handelt es sich bei der ‚Christengemeinschaft – Bewegung für religiöse Erneuerung‘ um ein anthroposophisch interpretiertes Christentum neben den konfessionellen Kirchen.“[17]

Kritik innerhalb der anthroposophischen Bewegung

Der Christengemeinschaft begegnet innerhalb der anthroposophischen Bewegung zum Teil Widerspruch. Schon kurz nach ihrer Gründung gab es heftige Auseinandersetzungen und Missverständnisse zwischen Anthroposophen und Priestern der Christengemeinschaft. Einzelne Pfarrer rekrutierten ihre Gemeindemitglieder fast ausschließlich aus Mitgliedern und Freunden der Anthroposophischen Gesellschaft. Rudolf Steiner musste - im Hinblick auf das Wohl der Anthroposophischen Gesellschaft und auf die starke äußere Gegnerschaft, die bereits einen Tag später zum Brand des Goetheanums führte - ein „klärendes Wort“ bezüglich der angemessenen Unterscheidung zwischen den beiden Bewegungen sprechen und grenzte sie in einem Vortrag am 30. Dezember 1922 deutlich von einander ab.[19] Aus diesem Vortrag entstanden wiederum neue Missverständnisse, so dass Rudolf Steiner auch in den folgenden Jahren sich erneut mehrfach klärend dazu äußerte und bewusst auch beispielhafte Tatsachen für das richtige Zusammenwirken schuf. Eine Reduktion in der Meinungsbildung auf diesen Vortrag vom 30. Dezember 1922 allein muss zu Missverständnissen und Fehlurteilen führen.

Das "Forum Freier Christen", das "Forum Kultus" bzw. die "Initiative, freie christliche Arbeits-Gemeinschaft" werfen der Christengemeinschaft einen „kultischen Alleinvertretungsanspruch für die anthroposophische Bewegung“ vor und bestreiten seine Berechtigung - auch im Hinblick auf den Vortrag Rudolf Steiners vom 30. Dezember 1922. Sie sehen das Zwei-Stände-System von Klerikern und Laien als einen kultushistorisch alten Weg. Weiterhin nutzen sie auch Rituale der Christengemeinschaft und haben diese teilweise für eigene laienpriesterliche Verwendung im Wortlaut verändert. Dieser Initiative und ihrer „unrechtmäßigen Aneignung der Rituale“ trat die Christengemeinschaft 1999 in schriftlichen Stellungnahmen entgegen.[20] Auch mitstenographierte und inzwischen veröffentlichte Äußerungen Rudolf Steiners im Zusammenhang der Übergabe des Kultus an die Priesterschaft der Christengemeinschaft widersprechen explizit der Ansicht des Forums.[21] (Vgl. auch den Hauptartikel Der freie christliche Impuls.)

Literatur

Glomer.com - alle lieferbaren Bücher  Hier finden sie eine Zusammenstellung von Büchern zum Thema „Christengemeinschaft
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Kritische Links

Einzelnachweise

  1. Rudolf Steiner, Das Verhältnis der Sternenwelt zum Menschen und des Menschen zur Sternenwelt, Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz, 1994, Seite 169
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Heyer, Friedrich. "Christengemeinschaft". Theologische Realenzyklopädie Online. Berlin, New York: De Gruyter, 2010. https://www.degruyter.com/document/database/TRE/entry/tre.08_010_1/html. Accessed 2021-08-15.
  3. Emil Bock: Vom Werden der Christengemeinschaft, 1947, Zitiert nach: Heyer, Friedrich. "Christengemeinschaft". Theologische Realenzyklopädie Online. Berlin, New York: De Gruyter, 2010. https://www.degruyter.com/document/database/TRE/entry/tre.08_010_1/html. Accessed 2021-08-15.
  4. Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. S. 251.
  5. Arfst Wagner: Anthroposophen und Nationalsozialismus. Probleme der Vergangenheit und der Gegenwart. In: Flensburger Hefte, 3/91, Heft 32, Flensburg 1991, S. 45.
  6. Scharoun-Kirche Bochum, auch Johanneskirche genannt, Glockengarten, Einweihung 1966, nach den Entwürfen von Hans Scharoun, mit Kerzenständern von Wilhelm Wagenfeld, seit 2012 ein "National wertvolles Kulturdenkmal" nach Richtlinien des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Online mit zahlr. Bildern. Vgl. Dietrich Scholle, Birgit Gropp Bearb.: Die Bauten von Hans Scharoun in Westfalen. Reihe: Westfälische Kunststätten, 120. Hg. und Verlag Westfälischer Heimatbund, Münster 2016 ISSN 0930-3952, S. 37–47 mit Abb.
  7. https://www.remid.de/info_zahlen/verschiedene/
  8. http://www.religio.de/anthropo.html
  9. Nach Schroeder 2001: Die Christengemeinschaft, S. 136, 190 f.
  10. http://www.christengemeinschaft.ch/ (abgerufen am: 6. März 2012).
  11. The Seminary of the Christian Community in North America
  12. Die Christengemeinschaft – eine christliche Erneuerungsbewegung? — AG Welt e.V. Abgerufen am 26. Oktober 2022.
  13. Impressum | Die Christengemeinschaft international. Abgerufen am 15. August 2021.
  14. Judgement CASE OF VEREIN DER FREUNDE DER CHRISTENGEMEINSCHAFT AND OTHERS v. AUSTRIA des Europäischen Menschengerichtshofs, 2009 (englisch)
  15. Basler Zeitung vom 8. September 2010 Christengemeinschaft als Religionsgemeinschaft anerkannt
  16. Evangelischer Oberkirchenrat Stuttgart (Hrsg.): Zur Frage der Christlichkeit der Christengemeinschaft. Beiträge zur Diskussion. Markstein, Stuttgart 2004, S. 6
  17. 17,0 17,1 Lexikoneintrag über die Christengemeinschaft im Online-Lexikon der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin: http://www.ezw-berlin.de/html/3_201.php
  18. z. B. Evangelischer Oberkirchenrat Stuttgart (Hrsg.): Zur Frage der Christlichkeit der Christengemeinschaft. Beiträge zur Diskussion. Markstein, Stuttgart 2004
  19. Siehe dazu den Vortrag von Rudolf Steiner vom 30. Dezember 1922 (Lit.:GA 219, S. 163ff)
  20. u. a. Hans-Werner Schroeder in der Zeitschrift "Die Drei" 2/1999 (http://diedrei.org/hefte-anzeigen/inhalt/heft-2-1999.html)
  21. z.B. Rudolf Steiner zur Priestergemeinschaft bei der Gründung: „Rudolf Steiner: Was ich für nötig halte, ist dieses: Zunächst rein intellektuell gefaßt könnte mancher glauben, daß sich jemand [von der Gemeinschaft] trennen kann, indem er einfach nach der Trennung dasselbe weitermachen kann, was er innerhalb der Gemeinschaft gemacht hat. Nun ist dieses gegen die Überlieferung des Kultus. Die Erteilung des Rechtes, diesen Kultus auszuüben und ebenso das Sprechen aus der vermittelten Christus-Kraft, das zu diesem Kultus gehört, das muß als dasjenige angesehen werden, was zu dieser Gemeinschaft gehört. Also hat die Gemeinschaft das Recht, jedem das Recht abzusprechen, den Kultus auszuüben oder im Zusammenhang mit diesem Kultus zu lehren. Er kann natürlich lehren, aber nicht in Zusammenhang mit diesem Kultus.“ (Zitiert nach Rudolf Steiner, Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken III, (GA 344), Dornach 1994, S. 230)
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