Intellekt

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Der Intellekt (von lat. intellectus „Erkenntnisvermögen ‚Einsicht, Verstand“[1] bzw. intellegere „innewerden, verstehen, erkennen“[2][3]) ist ein philosophischer Begriff. Er bezeichnet die Fähigkeit, etwas geistig zu erfassen, und die Instanz im Menschen, die für das Erkennen und Denken zuständig ist. „Intellekt“ wird oft als Synonym für „Verstand“ verwendet, kann aber auch die Bedeutungen „Vernunft“, „Bewusstsein“ oder „Geist“ haben. Ein Mensch, der sich, gestützt auf den Intellekt, mehr oder weniger häufig analysierend bzw. kritisch zu Gegenwartsfragen äußert, wird gemeinhin als Intellektueller eingestuft. Herr des Intellekts ist Ahriman: „Er ist ein Wissender, ein Weiser des Todes. Er ist daher auch der Herr des Intellektes.“ (Lit.:GA 211, S. 111)

Begriffsgeschichte

In der Antike diente in der römischen Philosophie das Substantiv intellectus, das vom Verb intellegere („erkennen“, „verstehen“) abgeleitet ist, zur Übersetzung des griechischen Begriffs Nous. Der Nous spielte in der griechischen Philosophie, insbesondere bei Platon und Aristoteles und in den von ihnen gegründeten Philosophenschulen (Platonische Akademie, Peripatos), eine wichtige Rolle. Cicero nannte den Nous nicht intellectus, sondern bediente sich anderer Ausdrücke wie animus, mens, ratio und ingenium, aber bei Seneca und anderen Autoren der römischen Kaiserzeit war der Ausdruck intellectus geläufig. In der Spätantike verwendete Boethius intellectus als philosophischen Fachausdruck. In den Werken des Kirchenvaters Augustinus erscheint intellectus in der Bedeutung „vernünftige Einsicht“ und meist synonym mit ratio („Überlegung“, „Denkvermögen“, „Vernunft“, „Einsicht“). Der Sprachgebrauch von Augustinus und Boethius war für die Folgezeit wegweisend, da diese Autoren im Mittelalter Autoritäten hohen Ranges waren.

In der scholastischen Philosophie und Theologie des Mittelalters war intellectus ein zentraler Begriff, der vor allem von der Nous-Vorstellung des Aristoteles geprägt war. Aristoteles folgend, unterschieden die mittelalterlichen Gelehrten zwischen dem intellectus agens, dem „tätigen“ oder „bewirkenden“ Intellekt und dem intellectus possibilis, dem „möglichen Intellekt“, den Aristoteles als „erleidenden Nous“ (nous pathētikós) bezeichnet hatte, weil er passiv ist und nur Einwirkungen erfahren kann. Einer als falsch angesehenen mittelalterlichen Etymologie zufolge, die von Autoren wie Thomas von Aquin und Meister Eckhart verbreitet wurde, sind intellegere und intellectus aus intus legere („inwendig lesen“) abgeleitet. Thomas versteht darunter das Erfassen des den Sinnen nicht zugänglichen „Inneren“ eines Dinges.[4] Für Meister Eckhart bedeutet intellectus ein inneres Erfassen von etwas in doppeltem Sinne: inwendig im Intellekt und inwendig in den Prinzipien des Erkenntnisobjekts.[5] Vom Sinngehalt ähnlich, aber etymologisch korrekter erscheint die Ableitung aus inter „inmitten, zwischen, mitten hinein”[6] und legere „zusammenlesen, sammeln, auswählen“[7].

Ins Deutsche wurde das Wort aus dem Lateinischen als Fremdwort übernommen und bürgerte sich ab Anfang des 19. Jahrhunderts ein. Herder verwendete 1797 noch die lateinische Form (Der reine Intellectus), bei Goethe ist das Wort schon eingedeutscht (Intellect). Das zugehörige Adjektiv intellektuell („geistig“) war schon im späten 18. Jahrhundert gebräuchlich; es war aus dem Französischen übernommen worden (intellectuel).[8]

Der Intellekt als notwendige Grundlage für ein modernes Geistverständnis

Der moderne Intellekt, den wir Luzifer verdanken, ist der letzte verdünnte, von Ahriman ergriffene Rest des alten traumhaften atavistischen Hellsehens. Als solcher bildet er aber gerade auch die unverzichtbare Grundlage für eine zeitgemäße geistige Erkenntnis. Erst wenn man das Denken an den in klarer Verstandessprache vermittelten Inhalten der Geisteswissenschaft schult, kann man zur eigenen vollbewussten geistigen Erfahrungen gelangen.

„In alten Zeiten haben die Menschen hellseherische Offenbarungen gehabt und sie haben sie nicht verstanden; sie haben sie erst später verstehen gelernt. Heute muß der Mensch zuerst verstehen, muß anstrengen seine Intellektualität, muß anstrengen seinen Verstand, und wenn er ihn anstrengt durch das, was in der Geisteswissenschaft vorliegt, dann wird die Menschheit sich hinentwickeln wiederum zum hellseherischen Aufnehmen des Geistigen. Das ist allerdings etwas, was die meisten Menschen heute noch vermeiden möchten: ihren gesunden Menschenverstand anzuwenden, um die Geisteswissenschaft zu verstehen. Würde man es vermeiden wollen, so würde man auch vermeiden wollen, überhaupt die geistigen Offenbarungen in unsere irdische Welt hereinzulassen.“ (Lit.:GA 195, S. 63)

Über die Einseitgkeiten und die Gefahren des modernen Intellekts, aber auch über die Klarheit, die durch diesen gewonnen wird, sprach Rudolf Steiner u. a. auch in den vorbereitenden Gesprächen zur Begründung des Esoterischen Jugendkreises. Herbert Hahn schreibt darüber in seinen Erinnerungsnotizen:

„Im Zusammenhang mit der intellektualistischen Kultur der Gegenwart führte er aus, daß die Einseitigkeiten und die Gefahren dieser Kultur heute schon von gar nicht wenigen Menschen eingesehen werden. Doch entstehe die Neigung, den Kopf gleichsam abzutakeln, um in die wohltuend irrationalen Regionen des Gefühles und der dunklen Willenstiefen zu versinken. Um sich vollwertig als Mensch zu erleben, wähle man also den Weg vom Kopf nach unten. Wir sollten - so sagte er - uns der Gefahren und Täuschungen bewußt werden, die mit diesem abwärts verlaufenden Wege verbunden sind. Denn dieser Weg ist ein Abweg, der völlig dem widerspricht, was der Zeitgeist will.

Der Kopf - so betonte Rudolf Steiner - hat sich nicht umsonst bei aller Einseitigkeit Klarheit erworben. Diese Klarheit darf nicht verloren gehen, sondern muß auf dem vom Zeitgeist gewollten Geisteswege mitgenommen werden. Und zwar muß sie mitgenommen werden auf dem Wege: Vom Kopf nach oben über den Kopf hinaus. Auf diesem Wege wird das Irrationale durch Über-Klarheit gewonnen. Dies ist der Weg, der von einem michaelischen Denken eingeschlagen werden will.“ (Lit.:GA 266c, S. 465)

Das Opfer des Intellekts

Hauptartikel: Opfer des Intellekts

Der Intellekt ist, wie oben beschrieben, die Voraussetzung, um heute auf gesundem Weg zu eigenen geistigen Erfahrungen zu kommen. Er dient der Vorbereitung, muss dann aber geopfert werden - und opfern kann man nur, was man besitzt. Und dieses Opfer besteht nun in dem bewussten Verzicht auf das Eigendenken, um eine wirkliche Inspiration aus der geistigen Welt empfangen zu können. Man stellt dann sein eigenes Denken der geistigen Welt zur Verfügung, sodass sie sich dadurch in klaren Gedanken selbst aussprechen kann.

„Wenn Sie sich fragen: <Wer denkt ?>, so werden Sie sich sagen müssen: <Ich denke>. Sie verbinden Objekt und Prädikat miteinander, wenn Sie einen Satz bilden. Solange Sie selbst es sind, der die einzelnen Begriffe verbindet, so lange sind Sie nicht imstande, in der Akasha-Chronik zu lesen. Sie sind nicht imstande zu lesen, weil Sie Ihre Gedanken mit dem eigenen Ich verbinden. Sie müssen aber Ihr Ich ausschalten. Sie müssen verzichten auf jeden eigenen Sinn. Sie müssen lediglich die Vorstellungen hinstellen, um die Verbindung der einzelnen Vorstellungen durch Kräfte außerhalb von Ihnen, durch den Geist, herstellen zu lassen.

Es ist also der Verzicht - nicht auf das Denken, wohl aber darauf, von sich aus die einzelnen Gedanken zu verbinden - notwendig, um in der Akasha-Chronik zu lesen. Dann kann der Meister kommen und Sie lehren, durch den Geist von außen Ihre Gedanken zusammenfügen zu lassen zu dem, was Ihnen der universelle Weltengeist über das, was in der Geschichte sich vollzogen hat, zu zeigen vermag. Dann urteilen Sie nicht mehr über die Tatsachen, sondern dann spricht zu Ihnen der universelle Weltengeist selbst. Und Sie stellen ihm Ihr Gedankenmaterial zur Verfügung.“ (Lit.:GA 265, S. 29)

Der gegenwärtige Intellekt reicht nicht an die Realität heran

Dass der gegenwärtige Intellekt oft nicht an die Realitäten des Lebens heranreicht, hat schon Rudolf Steiner betont. Heute ist das noch mehr der Fall.

„Das kommt davon her, daß das gegenwärtige menschliche Denken, der gegenwärtige Intellekt in einer solchen Schicht des Seins liegt, daß er bis zu den Realitäten nicht herunterreicht. Und daher kann man das eine beweisen und sein Gegenteil beweisen, ganz streng das eine und sein Gegenteil beweisen. Es ist heute möglich, auf der einen Seite streng den Spiritualismus zu beweisen und ebenso streng den Materialismus zu beweisen. Und man kann gegeneinander kämpfen mit denselben guten Standpunkten, weil der heutige Intellektualismus in einer oberen Schicht der Wirklichkeit ist und nicht in die Tiefen des Seins hinuntergeht. Und so ist es auch mit den Parteimeinungen. Wer das nicht durchschaut, sondern sich einfach aufnehmen läßt durch seine Erziehung, Vererbung, durch seine Staats- und anderen Lebensverhältnisse in einen gewissen Parteikreis, der glaubt, wie er meint, ehrlich an die Beweiskraft desjenigen, was in dieser Partei ist, in die er hineingerutscht ist, hineingeschlittert ist, wie man in der deutschen Sprache zuweilen auch sagt. Und dann, dann kämpft er gegen einen anderen, der in eine andere Partei hineingeschlittert ist. Und der eine hat ebensogut recht wie der andere. Das ruft über die Menschheit hin ein Chaos und eine Verwirrung hervor, die nach und nach immer größer und größer werden können, wenn die Menschheit das nicht durchschaut. Und diese Verwirrung ist wiederum eine solche, die die ahrimanische Macht benützt, um den Triumph ihrer Inkarnation vorzubereiten, immer stärker und stärker die Menschen hineinzutreiben in das, was sie so schwer einsehen können, daß man heute etwas beweisen kann und ebenso das Gegenteil mit gleich guten intellektuellen oder heute wissenschaftlichen Gründen. Darauf kommt es heute an, daß wir anerkennen: beweisbar ist alles, und daß wir deshalb auf solche Beweise, wie sie heute in der Wissenschaft geschmiedet werden, hinsehen. Nur innerhalb der Naturwissenschaft, des strengen Naturwissens selbst, da zeigt sich an den Tatsachen die Wirklichkeit. Aber auf keinem anderen Felde darf man gelten lassen dasjenige, was sich intellektuell beweisen läßt. Nur dann, wenn wir dahinterkommen, daß das menschliche Wissen, die menschliche Erkenntnis tiefer gesucht werden müssen - wie es durch anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft geschieht - als in jener Schicht, in welcher die Kraft unserer Beweise entspringt, entrinnt man der Gefahr, in die man hineinkommt, wenn man die ahrimanische Verführung gelten läßt, die nun den Menschen gerade immer tiefer und tiefer in diese Dinge hineintreiben will. Daher benützt Ahriman in unserer Zeit, um die Menschen durcheinanderzubringen, auch alles dasjenige, was aus den alten Vererbungsverhältnissen stammt, denen der Mensch im Grunde genommen schon entwachsen ist im fünften nachatlantischen Zeitraum. Alles, was von alten Vererbungsverhältnissen stammt, das benützt die ahrimanische Macht, um die Menschen in Gruppen disharmonisch einander entgegenzustellen. Alles, was von alten Familien-, Rassen-, Stammes-, Volksunterschieden kommt, das benützt die ahrimanische Macht, um unter den Menschen Verwirrung zu stiften. Freiheit jedem einzelnen Volksstamm, auch dem kleinsten - es war ein schönes Wort. Aber die Worte sind immer schön, welche die den Menschen gegnerischen Mächte gebrauchen, um unter den Menschen Verwirrung zu stiften, um solche Dinge zu erreichen, wie sie Ahriman für seine Inkarnation erreichen will.“ (Lit.:GA 193, S. 172ff)

Das Gehirn als Werkzeug des Intellekts

„Nun, worauf beruht nun dieses Intellektualistische, das heute ganz besonders dem Menschen eigen ist? Ich möchte Ihnen das wiederum durch eine Art schematischer Zeichnung klarmachen [siehe S. 78, Tafel 6]. Ich sagte gestern: Wenn wir das menschliche Gehirn nehmen (weiß), so können wir uns vorstellen, daß durch dasjenige, was als der Vergessenheitstrunk aufgefaßt worden ist, eben das Geistig-Seelische, das sonst vor dem Gehirn Halt macht, das Gehirn durchdrang (rot), und daß gewissermaßen durch den alten Eingeweihten von innen herauf aufstieg das Geistig-Seelische durch das präparierte Gehirn. - Der Intellektualismus von heute beruht ja darauf, daß gegenüber dem älteren Menschen, sagen wir vor dem Mysterium von Golgatha, das Seelisch-Geistige beim heutigen Menschen innerlich stärker, intensiver geworden ist. Der ältere Mensch hat überhaupt nicht so viel Intellektualismus gehabt. Sein Seelisch-Geistiges prägte sich nicht zu solchen scharfen Gedankenlinien aus, wie das beim heutigen Menschen der Fall ist. Denn wenn man Intellektualist ist, so denkt man ja alles in geraden Linien. So dachte der ältere Mensch nicht. Der ältere Mensch dachte bildhafter, traumhafter, weicher, möchte ich sagen. Beim heutigen Menschen sind die Gedanken eckig, sind mit scharfen Konturen begabt. Aber dieser heutige Mensch könnte, trotzdem sein Seelisch-Geistiges stärker geworden ist als es in älteren Zeiten war, dennoch nicht vom Seelisch-Geistigen aus diese Gedanken fassen.

Verstehen wir uns recht, meine lieben Freunde. Der heutige Mensch hat schon gegenüber dem älteren ein gut Stück seelischgeistiger Stärke. Er träumt nicht mehr so, wie der ältere Mensch geträumt hat, er strafft sich in seinen Gedanken. Dennoch würden diese Gedanken abgedämpft bleiben, wenn nur das Seelisch-Geistige beim modernen Menschen wirken müßte. Eigentlich kann jetzt der Mensch noch immer nicht von seiner Seele aus denken. Was dem Menschen die Kraft des Denkens abnimmt, das ist der Leib. Wenn wir zum Beispiel eine Sinneswahrnehmung haben, so haben wir sie allerdings mit dem Seelisch-Geistigen. Wenn wir sie dann aber denken wollen, diese Sinneswahrnehmung, dann muß uns der Leib helfen. Der Leib ist eigentlich der Denker. So daß also heute die Sache so ist: Die Sinneswahrnehmung wirkt auf den Menschen, das Seelisch-Geistige (rot oben) durchsetzt die Sinneswahrnehmung, aber der Leib wirkt wie ein Spiegel und wirft fortwährend die Gedankenstrahlen zurück (grüne Pfeile). Dadurch werden sie bewußt. Also der Leib ist das, was dem Menschen die Mühe des Denkens abnimmt, nicht aber die Mühe der Sinneswahrnehmungen. Und wenn nach dieser Gedankenseite hin der Mensch heute nach einer Einweihung streben will, dann muß er durch seine Übungen, die wir ja kennen aus «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und aus dem zweiten Teil der «Geheimwissenschaft im Umriß», das Seelisch- Geistige noch mehr verstärken; dann bringt er es allmählich dahin, dieses Seelisch-Geistige in sich so selbständig zu machen, daß es den Leib nicht mehr braucht.

Zeichnung aus GA 210, S. 78
Zeichnung aus GA 210, S. 78

Also verstehen wir uns richtig: Wenn heute im gewöhnlichen Leben gedacht wird, dann ist allerdings das Seelisch-Geistige tätig. Vor allen Dingen nimmt es die Sinneswahrnehmungen auf, aber es könnte nicht diejenigen Gedanken entwickeln, die heute entwickelt werden. Daher kommt der Leib und nimmt dem Menschen die Mühe des Denkens ab. Im gewöhnlichen Leben denkt man durchaus mit dem Leib, der Leib ist der Gedankenapparat. Wenn man die Übungen macht, von denen in den genannten Büchern die Rede ist, dann wird die Seele durch diese Übungen so stark, daß sie nicht mehr den Leib zum Denken braucht, daß sie selbst denkt. Und das ist im Grunde die erste Etappe der Entwickelung zum höheren Erkennen hin, daß das Seelisch-Geistige anfängt, den Leib für die höhere Erkenntnis als das eigentliche Denkorgan abzusetzen. Es muß nur immer wieder betont werden, daß der Mensch, indem er zur höheren Erkenntnis, also zur Imagination aufrückt, immer neben sich mit seinem gesunden Menschenverstand bleibt als einer, der sich selber kontrolliert, sich selber kritisiert. Also man bleibt daneben derselbe, der man sonst auch im gewöhnlichen Leben ist. Es entwickelt sich nur der zweite Mensch aus dem ersten Menschen heraus, der dann fähig ist, nicht mehr mit Hilfe des Leibes, sondern ohne die Hilfe des Leibes zu denken.

Also das, was sich als Geistig-Seelisches dem alten Mysterienschüler offenbarte, das kam aus dem Leibe heraus, drang durch das Gehirn durch und im Herausquillen gewissermaßen nahm es der Mensch wahr. Das aber, was der Mensch heute wahrnimmt als ein Eingeweihter, das ist verstärktes Denken, das nun ganz und gar nicht das Gehirn in Anspruch nimmt. Während also der alte Mensch das, was er als Geistig-Seelisches wahrnahm, aus seiner Organisation herauszog, nimmt der Mensch heute das Seelisch-Geistige nach der Gedankenseite hin so wahr, daß es in ihn hereindringt, wie Sinneswahrnehmungen in ihn hereindringen. Der Mensch, indem er diese erste Stufe der höheren Erkenntnis erklimmt, muß sich daran gewöhnen, zu sagen: Ich beginne, mich selber meinem ewigen Seelisch-Geistigen nach wahrzunehmen, denn das dringt durch mein Auge, das dringt überhaupt von außen in mich herein.

Ich habe bei einem öffentlichen Vortrag im Basler Bernoullianum gesagt: Die Geisteswissenschaft in anthroposophischem Sinne muß das Sinneswahrnehmen als ihr Ideal betrachten. Man muß vom Sinneswahrnehmen weiterschreiten. Man darf nicht zurück zum traumhaften Erkennen gehen, sondern man muß zu einem klareren Erkennen schreiten, als es dieses Wahrnehmen ist. Daher muß unser eigenes Wesen an uns herankommen, wie die Farben und wie die Töne an die Sinne herankommen.“ (Lit.:GA 210, S. 76ff)

So sehr der Mensch auch durch den Intellekt sein Selbstbewusstsein, genauer das Bewusstsein für sein Ego, ausgebildet hat, so sehr hat es ihn zugleich der Welt entfremdet. Er sieht sie nur von außen an und kann ihr inneres Wesen nicht erfassen. So steht er sowohl seinem wirklichen Ich wie auch der äußeren Welt nicht wach, sondern im Grunde nur träumend gegenüber. Wohl kein Zeitalter als das unsrigen war daher so geneigt, sich in Illusionen über die Wirklichkeit zu verlieren.

„Es ist ja richtig: im Intellekt sind die Menschen seit dem fünfzehnten Jahrhundert furchtbar weit gekommen. Dieser Intellekt hat etwas schauderhaft Verführerisches, denn im Intellekt halten sich alle Menschen für wach. Aber der Intellekt lehrt uns gar nichts über die Welt. Er ist nämlich in Wirklichkeit bloß ein Traum von der Welt. Im Intellekte träumt man am allerstärksten, und indem die objektive Wissenschaft gerade am meisten mit dem Intellekt arbeitet, den sie auf Beobachtung und Experiment anwendet, träumt sie im Grunde genommen über die Welt. Aber es bleibt beim Träumen. Man steht durch den Intellekt in keiner objektiven Verbindung mehr mit der Welt. Der Intellekt ist das automatische Fortdenken, nachdem man von der Welt längst abgeschnürt ist.“ (Lit.:GA 217, S. 37)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

 Wiktionary: Intellekt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Intellekt – Zitate

Einzelnachweise

  1. intellectus. In: Langenscheidt Latein-Deutsch Wörterbuch
  2. intellegere. In: Langenscheidt Latein-Deutsch Wörterbuch
  3. Intellekt. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS), abgerufen am 22. Februar 2023.
  4. Albert Zimmermann: Glaube und Wissen. In: Andreas Speer (Hrsg.): Thomas von Aquin: Die Summa theologiae. Werkinterpretationen, Berlin 2005, S. 271–297, hier: 289.
  5. Udo Kern: „Gottes Sein ist mein Leben“, Berlin 2003, S. 47.
  6. inter. In: Langenscheidt Latein-Deutsch Wörterbuch
  7. legere. In: Langenscheidt Latein-Deutsch Wörterbuch
  8. Hans Schulz: Deutsches Fremdwörterbuch, Band 1, Straßburg 1913, S. 300.
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