Monas Hieroglyphica

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Die „Monas-Hieroglyphe“ nach John Dee

Heut, Heut, Heut,
Ist des Königs Hochzeit,
Bistu hierzu gebohren,
Von Gott zu Frewd erkohren,
Magst auff den Berge gehen,
Darauff drey Tempel stehen,
Daselbst die Geschicht besehen.

Halt Wacht,
Dich selbst betracht,
Wirst dich nit fleissig baden,
Die Hochzeit kan dir schaden.
Schad hat, wer hie verzeücht,
Hüet sich, wer ist zu Leicht.

Sponsus et Sponsa.

Die Monas-Hieroglyphe in der Chymischen Hochzeit Christiani Rosencreutz Anno 1459.

Ein Porträt von John Dee (16. Jh.), Künstler unbekannt. Angeblich zeigt es Dee im Alter von 67 Jahren. Es gehörte seinem Enkel Rowland Dee und später Elias Ashmole, der es der Oxford Universität vermachte.
„Monas Hieroglyphica“, Antwerpen 1564

Monas Hierglyphica ist der Titel einer hermetischen Schrift von John Dee, der ein bekannter englischer Mathematiker, Astronom, Astrologe, Geograph, Mystiker und Berater von Königin Elisabeth I. war. Die Schrift, die John Dee Kaiser Maximilian II. (1527-1576) widmete, geschrieben zwischen dem 13. und 25. Januar 1564 (XXIV. Lehrsatz), wurde im selben Jahr erstmals in Antwerpen in lateinischer Sprache veröffentlicht.

An Hand der Monas-Hieroglyphe, die auch in der Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459 erwähnt wird, versuchte Dee darin eine kabbalistische Darstellung der mystischen Einheit der gesamten Schöpfung zu geben. Die Schrift wurde zu seiner Zeit viel gelesen. Sie enthüllt aber nicht alle Geheimnisse; die tieferen Mysterien wurden nur mündlich an ausgewählte Personen überliefert - denn „die Mysterien dürfen keinem offenbart werden, außer einem Eingeweihten.“ (XXII. Lehrsatz) Die «Monas Hieroglyphica» ist von einer tief christlichen Überzeugung geprägt. Ausgehend von astrologisch-astronomischen Erwägungen entwickelt John Dee ein Bild von der Geburt, der Kreuzigung und der Auferstehung des Jesus Christus.

Die Monas Hierglyphica besteht aus 24 Lehrsätzen, in denen John Dee seine Kosmologie, ausgehend von Punkt, Linie und Kreis als gestaltenden Prinzipien, geometrisch entwickelt. Ohne Linie kann kein Kreis geschaffen werden und ohne Punkt keine Linie. Der Punkt ist die Monade, von der alles ausgeht.

„Mit der Linie und dem Kreis können alle Dinge dargestellt werden, selbst jene, die nicht sichtbar sind oder sich unter dem Schleier der Natur verbergen.“

Monas Hieroglyphica: I. Lehrsatz[1]

Die Anregung dazu stammt wohl aus der Kabbala, wo das System der 10 Sephirot entweder als System von 10 konzentrischen Kreisen (hebr. עִגּוּלים, Igulim) oder in aufgerichteter linear vernetzter Form dargestellt wird. Die Gerade (hebr. ישר, yosher oder joscher) steht für den aufgerichteten, moralisch aufrechten Menschen. John Dee nimmt in seinem Werk ausdrücklich Bezug auf die Kabbala, die er höher einschätzt als die zeitgenössische Alchemie. Manche Aussagen John Dees haben eine deutliche Entsprechung im Sefer Jetzira, dem ältesten eigenständig überlieferten Werk der Kabbala.

Die Monas-Hieroglyphe ist, ähnlich wie der Sephiroth-Baum, ein Meditationsbild. Sie besteht aus einem nach oben geöffneten Halbkreis, dem Symbol des Mondes, dann aus einem Kreis mit eingezeichnetem Mittelpunkt, dem Symbol der Sonne, einem Kreuz, das die vier Elemente bzw. die Erde repräsentiert und aus einem Doppelbogen (d.h. aus zwei Halbkreisen, die sich in einem Punkt berühren), der für das Tierkreiszeichen Widder oder auch noch gesondert für das Feuer steht (Widder ist ein Feuerzeichen). Das Motiv des Widders findet sich auch im ersten Gesang von Dante Alighieris «Göttlicher Komödie» vor dem Abstieg in die Hölle, wenn es heißt: „Beim Sternenwidder sich die Sonne regte, der stolz regierte.“ (Inferno 1, 38) Das ist zugleich ein Hinweis auf den Frühlingsbeginn und das damit verbundene Osterfest mit der Kreuzigung, dem Abstieg Christi in die Unterwelt und der Auferstehung.

Die Kombination von Halbkreis und Kreis im oberen Teil der Monas-Hieroglyphe ist zugleich das Symbol für das Tierkreiszeichen Stier. Aus Halbkreis, Kreis und Kreuz lassen sich auch alle anderen Planetensymbole ableiten (XII. und XIII. Lehrsatz). Das Kreuz repräsentiert zugleich eine Dreiheit und eine Vierheit. Die Dreiheit wird durch zwei Linien und das sie vereinigende Zentrum gebildet. Die Vierheit wird durch vier Linien und vier rechte Winkel erzeugt - und darin liegt zugleich verborgen die Achtheit (VI. Lehrsatz).

Außerdem liegt in der Vierheit die pythagoräische Tetraktys: 1+2+3+4 = 10 (VIII. Lehrsatz) und es ist, wie Dee betont, also kein Zufall, dass das rechtwinklige Kreuz, das heißt, der einundzwanzigste Buchstabe des römischen Alphabets[2], das X, von den ältesten Philosophen der Römer zur Darstellung der Zehnheit gewählt wurde. X ist aber auch das Zeichen der Multiplikation und die Dreiheit verstärkt durch die Siebenheit ergibt ebenfalls 21 (3 x 7 = 21).

Es gibt 24 (= 4!) Permutationen der Tetraktys (XXIII. Lehrsatz). Auch gibt es nur 4 Stufen, die man in allen geschaffenen Substanzen finden kann: Sein, Leben, Fühlen und Verstehen (esse, vivere, sentire et entelligere) (XXI. Lehrsatz) - das entspricht aus anthroposophischer Sicht den vier grundlegenden Wesensgliedern: Physischer Leib (Sein), Ätherleib (Leben), Astralleib (Fühlen) und Ich (Verstehen).

Alle Ausführungen sind mit einem mehrfach Sinn unterlegt. So besteht auch die Schrift nicht zufällig aus 24 Lehrsätzen. Die Zahl 24 hat zunächst eine physische Bedeutung und steht für das reine 24-karätige Gold (XXIII. Lehrsatz). Sie hat aber auch eine zeitliche Bedeutung und steht für die 24 Stunden des Tages (XI. Lehrsatz). Das ist ein verdeckter Hinweis auf die Ätherwelt. Im biblischen Sinn weist die Zahl auf die 24 Ältesten (XXIV. Lehrsatz), wie sie in der Apokalypse des Johannes (Off 4,4-11 LUT, 5,8 LUT, 11,16 LUT, 19,4 LUT) geschildert werden.

„Mit Absicht haben wir im I. Lehrsatz dieses Büchleins mit dem Punkt, der Linie und dem Kreis begonnen. Vom monadischen Punkt aus haben sich die Elemente in einem äußersten geradlinigen Ausfluss zu einem Kreis erweitert. Dieser Kreis entspricht beinahe dem Himmelsäquator, der eine Umrundung in 24 Stunden vollbringt. Schließlich vollenden und begrenzen wir die Metamorphose und Metathese des ganzen Inhalts der Vierheit durch die Zahl 24. Diese Zahl entspricht auch unserem letzten (XXIV.) Lehrsatz. Zu seiner Ehre und zu seinem Ruhm, wie sein weisester Johannes, der Urmeister der Gottesmysterien, im vierten und letzten Kapitel der Offenbarung definiert hat. Er sitzt auf seinem Thron und ringsumher stehen die vier Tiere, jedes mit sechs Flügeln, und singen unablässig Tag und Nacht: «Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war und der da ist und der da kommt!». Genauso wie die 24 Ältesten, die im Kreis auf Stühlen um den Thron Gottes sitzen, sich vor ihm niederwerfen und ihre Goldkronen zur Erde warfen und ausrufen: «Herr, du bist würdig, zu nehmen Preis und Ehre und Kraft; denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen haben sie das Wesen und sind geschaffen.»“

Monas Hieroglyphica: XXIV. Lehrsatz[1]

Literatur

  • John Dee, Giovanni Grippo (Übers.): Monas Hieroglyphica von John Dee, Giovanni Grippo Verlag, 2013 (deutsche Übersetzung) ASIN B00B7EE41E (eBook)

Weblinks

Video

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 zit. nach J. Dee, G. Grippo (2013)
  2. Das lateinische Alphabet bestand bis zum Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts aus 21 Buchstaben, nämlich ABCDEFGHILMNOPQRSTUV und X.