Kryonik

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Chirurgen präparieren den Leichnam eines Menschen für die Kryostase

Kryonik (auch Kryostase, von altgriech. κρύος kryos, deutsch ‚Eis, Frost‘) ist die Kryokonservierung von Organismen oder einzelnen Organen (meist dem Gehirn), um sie – sofern möglich – in der Zukunft „wiederzubeleben“. Als Vater der Kryonik gilt Robert Ettinger (1918-2011), der in seinem 1962 erschienenen Buch The Prospect of Immortality[1] die Grundprinzipien der Kryonik darstellte. 1976 gründete er das Cryonics Institute in Detroit, das 1993 nach Clinton Township, Michigan übersiedelte.

Eine Station auf dem Weg zur Unsterblichkeit?

Ein wesentliches Ziel des Transhumanismus ist die praktisch unbegrenzte Lebensverlängerung bis hin zur faktischen Unsterblichkeit der physischen oder zumindest der mentalen irdischen Persönlichkeit. Bis dieses Ziel realisierbar ist, soll der Körper angesichts des Todes mittels Kryonik vor dem Zerfall bewahrt und später wiedererweckt und geheilt werden. Dies wäre eine auf die Spitze getriebene Erneuerung der altägyptischen Mumifizierung. Die Folgen dieser Mumifizierung, den Fall in den Materialismus, hat Rudolf Steiner deutlich beschrieben. Diese Wirkung würde heute nur noch stärker auftreten.

„Denken Sie sich Ihre Seele zurückversetzt in den alten ägyptischen Leib. Denken Sie Ihre Seele nach dem Tode zurückgeleitet durch den Gang der Pyramide in höhere Sphären, aber Ihren Leib als Mumie festgehalten. Das hatte eine okkulte Folge. Die Seele mußte immer herunterschauen, wenn da unten der Mumienleib lag. Da wurden die Gedanken verfestigt, verknöchert, verhärtet, da wurden die Gedanken hereingebannt in die physische Welt. Weil aus den Regionen des Geistes die alte ägyptische Seele nach dem Tode herunterschauen mußte auf ihren konservierten physischen Leib, deshalb ist der Gedanke in ihr eingewurzelt, daß dieser physische Leib eine höhere Realität ist, als er es in Wirklichkeit ist. Denken Sie sich hinein in Ihre Seele von damals; Sie schauten hinunter auf die Mumie. Der Gedanke an die physische Form hat sich verhärtet, er hat sich herübergetragen durch die Inkarnationen hindurch: heute erscheint dieser Gedanke so, daß die Menschen sich nicht losreißen können von der physischen Körperform. Der Materialismus als Gedanke ist vielfach eine aufgehende Frucht der Einbalsamierung der Leichname.“ (Lit.:GA 105, S. 31f)

Sollte die als Ziel angepeilte physische und mentale Unsterblichkeit nicht nur das Privileg einer kleinen Elite bleiben, müssten früher oder später neue Geburten verhindert werden, um eine Überbevölkerung der Erde zu vermeiden. Die Menschheit würde dadurch aller erfrischenden Kindheitskräfte beraubt. Überdies würde damit der Mensch von dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt abgeschnitten und in die Erdensphäre gebannt. Die Individualität, das Ich des Menschen, würde an der Reinkarnation gehindert und die geistige Entwicklung der Menschheit käme zum Stillstand. Der Mensch müsste dann vollkommen den ahrimanischen Mächten verfallen.

Vorgehen

In solchen Kryostaten (in diesem Fall ein Dewargefäß) werden die Körper der Kryonauten gelagert.

Bei der Kryokonservierung größerer Organe und Organismen kommt es bisher zu Schäden, die nicht mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln behoben werden können. So müsste das jeweilige Frostschutzmittel genau auf die einzelnen Zelltypen abgestimmt sein. Da dies nicht praktikabel ist, konzentriert man sich meist auf die bestmögliche Erhaltung des Gehirns mit dem Ziel, unvollkommen konservierte Gewebe zukünftig beispielsweise mittels Tissue Engineering ersetzen zu können. Ob diese Schäden in der Zukunft reversibel sind, ist noch unklar.

Zur Konservierung bedient sich die moderne Kryonik seit Beginn des 21. Jahrhunderts der Vitrifizierung, um die Bildung von Eiskristallen zu vermeiden. Eiskristalle führen ansonsten zu einer Vielzahl mikroskopischer Verletzungen, welche nach heutigem Kenntnisstand als irreversibel einzustufen sind.

Zur Lagerung wird der Organismus bzw. das Organ üblicherweise bei −196 °C in flüssigem Stickstoff gekühlt. Hierbei werden die Glasübergangstemperaturen der verwendeten Vitrifikationslösungen (beispielsweise ca. −120 °C bei M22[2]) weit unterschritten, woraufhin es zu Brüchen in den Geweben kommt. Da es sich hierbei lediglich um wenige, makroskopische Brüche handelt, werden diese von den Anbietern der Technik als prinzipiell reversibel eingeschätzt.

Eine weitere Herausforderung stellt das Wiederauftauen dar. Während das Auftauen eines größeren Organismus mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann, befindet man sich in einem Zielkonflikt: Einerseits dürfen keine kritischen Temperaturen überschritten werden, welche zum Beispiel die Denaturierung der im Gewebe enthaltenen Eiweiße zur Folge hat, andererseits muss darauf geachtet werden, dass das Gewebe während des Auftauens nicht aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung abstirbt. Für größere Organe und Organismen ist dieses Problem bisher ungelöst.

Anbieter und Rechtslagen

In den USA wird Kryonik von gemeinnützigen Gesellschaften wie Alcor Life Extension Foundation und Cryonics Institute angeboten. Dort können sich Menschen nach ihrem Tod in Kryostase begeben. Die erste Kryokonservierung eines Menschen wurde am 12. Januar 1967 an James Bedford durchgeführt, dessen Körper heute bei Alcor aufbewahrt wird. In Russland gibt es seit 2006 den kommerziellen Anbieter KrioRus. Eine eingehende juristische Betrachtung von Jochen Taupitz kommt zu dem Schluss, dass die kryonische Lagerung auf unbestimmte Zeit auch in Deutschland legal ist.[3] CryoSuisse gibt an, dass dies auch für die Schweiz gelte.[4]

Ansprechpartner für das Thema Kryonik im deutschsprachigen Raum sind Cryonics Germany[5], CryoSuisse[6], CRYOVAL[7], das Ulmer Projekt[8] von Klaus Sames und die Deutsche Gesellschaft für Angewandte Biostase[9]. Letztere vergibt auch die Robert-Ettinger-Medaille für herausragende Leistungen für die Kryonik.[10][11]

Umsetzung

Seit dem 17. Januar 2013 ist die 23-jährige Kim Suozzi die 114. Patientin der „Alcor Life Extension Foundation“ in Scottsdale, Arizona, die sich „kryonisch versorgen“ ließ. Die Psychologiestudentin aus Missouri hatte in den Monaten, seit sie von ihrer Krebserkrankung erfuhr, Geld gesammelt und wurde von einer Non-Profit-Organisation in den USA betreut[12]. Insgesamt sind bislang (Stand: Februar 2013) 254 Menschen in flüssigen Stickstoff gelagert worden. Hinzu kommen 20 Personen bei einem Anbieter für Kryonik in Russland, wobei in einigen Fällen nur die Köpfe mit den Gehirnen aufbewahrt werden. Dabei verweisen Anhänger auf das Tissue Engineering, mit dem heute schon künstliche Gewebe mit menschlichen Stammzellen besiedelt werden können. Suozzi schrieb in ihrem Blog: „Ich finde es besser, auf diesen Fortschritt zu wetten, als zu verwesen.“[12]

Der entscheidende Schritt aus heutiger Sicht ist die Wahl des geeigneten Mittels, um die körpereigene Flüssigkeit zu ersetzen: das Vitrifizieren. Der entscheidende Ansatz ist eine Frierung ohne Eiskristallbildung. Seit Einführung der Methode ist bereits die sechste Kältemittelvariante im Einsatz. Es sind Gemische auf Basis von Dimethylsulfoxid, Formamid und Ethylenglykol. Problem bleibt dabei jedoch die Giftigkeit der Substanzen. Dem US-Forscher Gregory M. Fahy gelang es in Testreihen, vitrifizierte Nieren von Kaninchen für einige Minuten tiefzukühlen, aufzutauen und wieder zu implantieren, wobei eines der Tiere über einen Zeitraum von 48 Tagen weiterlebte, nach welchem das Experiment beendet wurde.[13] Auch vitrifiziertes Gehirngewebe zeigte Reaktion auf elektrische Stimuli.

Da bereits wenige Minuten nach Kreislaufstillstand Substanzen im Körper gebildet werden, die letztlich zu bislang irreversiblen massiven Reperfusionsschäden führen würden, ist eine schnelle erste Kühlung dringend notwendig. Die Amerikanerin Kim Suozzi zog in ein Hospiz nahe der Alcor-Zentrale. Dadurch konnte mit dem Aufhören des Herzschlages die Vorbereitung zeitnah begonnen werden. Der Körper wird in Eis eingelegt und mit einer Herz-Lungen-Massage behandelt, um den Blutkreislauf in Bewegung zu halten und das Gehirn weiterzuversorgen. Infusionen sollen der Bildung von freien Radikalen, Stickoxiden und Körpergiften vorbeugen, mit Betäubungsmitteln wird die Sauerstoffaufnahme des Gehirns gesenkt. Nach dieser Vorort-Behandlung erfolgt der Transport zu den Geräten im Operationssaal. Hier wird das Blut vollständig abgelassen und die Blutgefäße werden mit einer kalten Lösung gespült und nach und nach die (toxische) Vitrikationslösung bei einer Temperatur von −125 °C eingefüllt. Nach mehreren Stunden hat der Körper ebenfalls diese Temperatur erreicht und die Flüssigkeit ist „verglast“. Im Verlauf von zwei Wochen wird dann mit flüssigem Stickstoff auf −196 °C gekühlt. Im Kryostaten muss Stickstoff nur noch in Monatsabständen ergänzt werden.

Eine Ganzkörperbehandlung kostet zwischen 50.000 Euro (bei Krio-Rus) und 150.000 Euro bei Alcor, bei Cryonics Institute 27.000 Euro. Wird nur der Kopf eingefroren, fallen Kosten von 7.000 bis 60.000 Euro an. Diese Summen sind erforderlich für die Bereitschaft der Erstversorgung eines ausgebildeten Teams und die Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Eine Mitgliedschaft in Vorbereitung auf die kryonische Versorgung erfordert einen Jahresbeitrag von 100 Euro bis 450 Euro.[12]

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Robert Ettinger: The Prospect of Immortality, 1962 online
  2. Fahy, Wowk, Wu, Phan, Rasch, Chang, Zendejas: Cryopreservation of organs by vitrification: perspectives and recent advances In: Cryobiology 48, April 2004, Seite 175
  3. Fuhr, Taupitz, Zwick, Salkic: Unterbrochenes Leben? Naturwissenschaftliche und rechtliche Betrachtung der Kryokonservierung von Menschen. St. Ingbert 2013, Fraunhofer Verlag, ISBN 978-3-8396-0593-6 (Online)
  4. Häufig gestellte Fragen – CryoSuisse. Abgerufen am 7. Dezember 2018 (deutsch).
  5. Website von Cryonics Germany. Abgerufen am 18. August 2017.
  6. Website von CryoSuisse. Abgerufen am 18. August 2017.
  7. Website von CRYOVAL. Abgerufen am 18. August 2017.
  8. Website des Ulmer Projektes. Abgerufen am 18. August 2017.
  9. Website der Deutschen Gesellschaft für Angewandte Biostase. Abgerufen am 18. August 2017.
  10. Erstmalige Verleihung der Robert-Ettinger-Medaille auf der Veranstaltung „Angewandte Kryobiologie – Wissenschaftliches Symposium zur Kryonik“ in 2010. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 23. Januar 2016; abgerufen am 23. Oktober 2012. i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.biostase.de
  11. Zweite Verleihung der Robert-Ettinger-Medaille auf der Veranstaltung „Applied Cryobiology – Scientific Symposium on Cryonics“ in 2014. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 22. Januar 2016; abgerufen am 3. Februar 2015. i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.biostase.de
  12. 12,0 12,1 12,2 VDI-Nachrichten: Gevatter Tod auf der Wartebank. Heft 6, 8. Februar 2013
  13.  Gregory M. Fahy, Brian Wowk, Roberto Pagotan, Alice Chang, John Phan, Bruce Thomson und Laura Phan: Physical and biological aspects of renal vitrification. In: Organogenesis. 5, Nr. 3, 1. Juli 2009, S. 167–175, doi:10.4161/org.5.3.9974.


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