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Organismus
Ein Organismus (von griech. ὄργανον organon „Werkzeug“), so wie er heute auch von der modernen Systembiologie angesehen wird, ist ganz allgemein ein als strukturiertes Ganzes organisiertes, sich lebendig entwickelndes System, in dem sich sämtliche, hierarchisch gegliederte Teile wechselseitig in ihrer Gestalt und Funktion nicht nur aufeinander beziehen, sondern entscheidend vom Ganzen selbst geprägt werden. Im Organismus liegen die Teile des Ganzen nicht nur äußerlich nebeneinander, wie in einem toten mechanistischen Gebilde, sondern sie hängen innerlich mit dem Ganzen zusammen und vermitteln dadurch einen einheitlichen Prozeß, der sich auf das Ganze selbst bezieht. Das Urbild eines so gedachten Organismus ist das Denken selbst:
„Der Inhalt dieses Denkens erscheint uns als innerlich vollkommener Organismus; alles ist im strengsten Zusammenhange. Die einzelnen Glieder des Gedankensystems bestimmen einander; jeder einzelne Begriff hat zuletzt seine Wurzel in der Allheit unseres Gedankengebäudes.“ (Lit.: GA 2, S. 63)
Ganz konkret sind alle Lebewesen in eben diesem Sinn Organismen.
„Ein lebendes Wesen stellt uns, wenn wir es seiner äußeren Erscheinung nach betrachten, eine Menge von Einzelheiten dar, die uns als dessen Glieder oder Organe erscheinen. Die Beschreibung dieser Glieder, ihrer Form, gegenseitigen Lage, Größe usw. nach, kann den Gegenstand weitläufigen Vortrages bilden, dem sich die zweite der von uns bezeichneten Richtungen hingab. Aber in dieser Weise kann man auch jede mechanische Zusammensetzung aus unorganischen Körpern beschreiben. Man vergaß völlig, dass bei dem Organismus vor allem festgehalten werden müsse, dass hier die äußere Erscheinung von einem inneren Prinzipe beherrscht wird, dass in jedem Organe das Ganze wirkt. Jene äußere Erscheinung, das räumliche Nebeneinander der Glieder kann auch nach der Zerstörung des Lebens betrachtet werden, denn sie dauert ja noch eine Zeitlang fort. Aber was wir an einem toten Organismus vor uns haben, ist in Wahrheit kein Organismus mehr. Es ist jenes Prinzip verschwunden, welches alle Einzelheiten durchdringt.“ (Lit.: GA 1, S. 16)
Der Begriff „Organismus“ wurde Anfang des 18. Jahrhunderts von Georg Ernst Stahl geprägt als Gegenbegriff zum Mechanismus.
In Goethes «Faust-Tragödie» heißt es dazu bekanntlich sehr treffend:
Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist herauszutreiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt, leider! nur das geistige Band.
Encheiresin naturae[1] nennts die Chemie,
Spottet ihrer selbst und weiß nicht wie.
Ausgewählte Bakterien, Pilze, Pflanzen oder Tiere, die im Labor einfach und rasch zu züchten und leicht zu untersuchen sind, werden in den Biowissenschaften als Modellorganismen bzw. als Tiermodell verwendet.
Literatur
- Wolfgang Wiechert: Systembiologie – Eine interdisziplinäre Herausforderung. Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-506-72876-8.
- Andreas Kremling: Kompendium Systembiologie – Mathematische Modellierung und Modellanalyse. Vieweg + Teubner, 2011, ISBN 978-3-8348-1907-9.
- Detlef Weinich: Systembiologie – Dynamik und Wechselbeziehungen als Forschungsgegenstand. Wurzeln und Bedeutung des Netzwerkdenkens im neueren Wissenschaftsverständnis. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. 21, 2002, S. 473–489.
- Denis Noble: The Music of Life: Biology beyond genes. Oxford University Press 2008, ISBN 978-0199228362; eBook ASIN B003N19DT2
- Denis Noble: Dance to the Tune of Life: Biological Relativity. Cambridge University Press 2016, ISBN 978-1107176249; eBook B01M19OOCJ ASIN B01M19OOCJ
- Fritjof Capra, Pier Luigi Luisi: The Systems View of Life: A Unifying Vision. Cambridge University Press 2014, ISBN 978-1107011366; eBook ASIN B00I0UNCES
- Ernst-Michael Kranich: Der innere Mensch und sein Leib: Eine Anthropologie, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2003, ISBN 978-3772518652
- Ernst-Michael Kranich: Anthropologische Grundlagen der Waldorfpädagogik, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1999, ISBN 978-3772517815
- Johannes W. Rohen: Morphologie des menschlichen Organismus, 4. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN 978-3772519987
- Johannes W. Rohen: Eine funktionelle und spirituelle Anthropologie: unter Einbeziehung der Menschenkunde Rudolf Steiners, 1. Aufl., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2009, ISBN 978-3772520983
- Rudolf Steiner: Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften, GA 1 (1987), ISBN 3-7274-0011-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
- Rudolf Steiner: Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, GA 2 (2002), ISBN 3-7274-0020-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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