Architektur

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Das erste Goetheanum als Beispiel einer geistgemäßen Baukunst, von 1913 - 1923 nach den Entwürfen Rudolf Steiners errichtet.

Architektur (aus griech. αρχη arché „Anfang, Ursprung, Grundlage, das Erste“ und τεχνη techné „Kunst, Handwerk, Kunsthandwerk“ bzw. τεκτόν téktón „Zimmermann, Baumeister“) ist, wortwörtlich genommen, das "Erstes Handwerk" oder die "Erste Kunst" überhaupt. Sie beruht auf dem Raumgefühl, das aus dem inneren Erleben des physischen Leibes entspringt. Beobachtet man, wie der Mensch geht und steht, so kommt man zu den architektonischen Formen. Dabei entwickelt sich zumeist ein für die jeweilige Epoche und heute vermehrt auch ein für einen bestimmten Architekten typischer regionaler oder überregionaler Baustil.

„Soweit man den Menschen in der Bewegung und stehend studiert, bekommt man die Form der Architektur. Ein vollkommener Bau ist nichts anderes als das vollkommene Stehen und Gehen des Menschen. Jede Kultur hat dieses Statische und Dynamische im Menschen durch ihre Architektur in anderer Weise aufgefaßt und dargestellt. Die assyrisch-babylonische Kultur stellte dar das Verkünden des Logos mehr durch das Vorbeugen des Menschen, die griechische Kultur durch das ruhige Stehen. Man braucht bloß die Art kennen, in der der Mensch in der Welt darinnensteht, um lebensvoll alle Bauformen zu erkennen. Heute ist ja die Bauphantasie eine sehr eingeschränkte. Und dennoch muß der heutige Baustil ein solcher sein, der aus dem menschlichen Selbsterlebnis herausgeboren ist, der aus dem «Erkenne dich selbst» fließt. Dieses ist versucht worden im Goetheanum.“ (Lit.:GA 217a, S. 112f)

„Wir lernen sozusagen das Äußerlichste unseres Wesens, das was durch die Wirkung unseres Ätherleibes auf unseren physischen Leib vorgeht, in einem räumlichen Linien- und Kräftesystem kennen. Wenn wir dieses räumliche Linien- und Kräftesystem, das im Grunde genommen in uns fortwährend wirksam ist, hinaustragen in die Welt und die Materie anordnen nach diesem Kräftesystem, wenn wir loslösen dieses Kräftesystem von uns und die Materie danach anordnen, dann entsteht die Baukunst. Und alle Baukunst besteht darin, daß wir diesen Kräftezusammenhang von uns loslösen und ihn hinausstellen in den Raum. So daß wir sagen können: Wenn wir hier schematisch die äußersten Grenzen unseres physischen Leibes meinen, so schieben wir die innere Gesetzmäßigkeit, die dem physischen Leib aufgeprägt wird durch den Ätherleib, hinaus, außer uns, und dadurch entsteht die Baukunst. - Alles, was an Gesetzen in der Zusammenfügung der Materie baukünstlerisch vorhanden ist, ist auch durchaus zu finden im menschlichen Leibe. Ein Hinausprojizieren der eigenen Gesetzmäßigkeit des menschlichen Leibes außer uns in den Raum ist die Baukunst, die Architektur.

Nun wissen wir, daß sich für unsere Betrachtung anschließt an den physischen Leib der ätherische Leib. Wenn wir noch einmal den Blick zurückwenden auf irgendein Werk der Baukunst, was können wir dann sagen gegenüber diesem Werk der Baukunst? Wir können sagen: Da steht, in den Raum draußen hinausgetragen, die Beziehung zwischen vertikalen und horizontalen und von Kräften, die aufeinander wirken, wie sie sich sonst abspielen im menschlichen physischen Leib. Das ist hinausgetragen.“ (Lit.:GA 275, S. 43)

„Was nun in dem Wechselwirken zwischen der Seeleninnerlichkeit und dem eigentlichen physischen Werkzeug geschieht, das kann, wenn der Mensch empfänglich ist für die Aufnahme der Harmonien in der geistigen Welt, in der Nacht den physischen Leib in seinen Kräften - nicht in seinen Stoffen - durchdringen mit den Kräften, die man nennen möchte die Raumeskräfte. Weil der Mensch in unserer gegenwärtigen Kultur so sehr der geistigen Welt entfremdet ist, kommen gerade diese Raumeskräfte bei ihm wenig zur Geltung. Da, wo die Seeleninnerlichkeit zusammenstößt mit dem dichtesten Glied des Menschenleibes, müssen die Kräfte schon sehr stark sein, die mitgebracht werden, wenn sie sich ausleben sollen in dem robusten physischen Leib. In zarter empfindenden Kulturepochen brachten sich die Seeleninnerlichkeiten die Seelenimpulse mit und durchdrangen leichter diesen physischen Leib, und da empfanden die Menschen dann, daß durch den physischen Raum nach allen Seiten immer Kräfte gehen, daß dieser physische Raum durchaus nicht eine gleichgültige leere Räumlichkeit, sondern nach allen Richtungen von Kräften durchzogen ist. Es gibt ein Gefühl für diese Kraftverteilung im Raume; das wird durch die Verhältnisse bewirkt, die eben jetzt geschildert worden sind. Sie müssen sich das durch ein Beispiel vergegenwärtigen.

Denken Sie sich einen der Maler, die noch großen Kunstzeiten angehörten, wo man noch so recht ein Gefühl für die im Raum wirkenden Kräfte hatte. Bei einem solchen Maler könnten Sie sehen, wie er eine Gruppe von drei Engeln im Raume malt. Sie stehen vor dem Bilde und haben unmittelbar die Empfindung: Diese drei Engel können nicht herunterfallen; es ist selbstverständlich, daß sie schweben, denn sie halten sich gegenseitig durch die wirkenden Raumeskräfte, wie die Weltenkugeln sich halten durch die Kräfte des Raumes. Diejenigen Menschen, die durch jene Wechselwirkung zwischen der Seeleninnerlichkeit und dem physischen Leib diese innere Dynamik sich aneignen, für die ist das Gefühl vorhanden: Das muß so sein; die drei Engel halten sich im Raum. Sie werden das namentlich bei manchen älteren Malern finden, weniger wohl bei den neueren. Man mag Böcklin noch so sehr schätzen; aber diejenige Gestalt, die über der «Pietä» schwebt, ruft bei jedem Menschen das Gefühl hervor, daß sie jeden Augenblick herunterplumpsen müsse; die hält sich nicht im Raum.

Alle diese im Raum hin- und hergehenden Kräfte, die ein Mensch so recht im Raume fühlt, sind Realitäten, Wirklichkeiten, und aus diesem Raumgefühl geht hervor alle Baukunst. Echte, wahre Baukunst entspringt aus nichts anderem, als daß man in die Linien, die schon im Raume da sein müssen, die Steine oder Ziegel hineinlegt, wobei man gar nichts tut, als nur dasjenige sichtbar zu machen, was im Raume ideell, geistig verteilt schon vorhanden ist, indem man da die Materie hineinstopft. Am reinsten hat dieses Raumgefühl der griechische Baukünstler gehabt, der in seinem Tempel in allen seinen Formen zur Darstellung brachte, was im Raume lebt, was man im Raume fühlen kann. Das einfache Verhältnis: daß die Säule trägt — und sie trägt entweder die horizontalen oder die schräggestellten Linienkörper -, ist eine Wiedergabe innerhalb des Raums befindlicher geistiger Kräfte. Und der ganze griechische Tempel ist nichts anderes als eine Ausfüllung dessen, was innerhalb des Raumes lebt, mit Materie. Daher ist der griechische Tempel der reinste architektonische Gedanke, kristallisierter Raum. Und so sonderbar das dem modernen Menschen erscheinen mag: der griechische Tempel ist, weil er eine aus Gedanken zusammengefügte physische Leiblichkeit ist, die Gelegenheit, daß diejenigen Gestalten, welche die Griechen als ihre Göttergestalten gekannt haben, mit ihren Ätherleibern die ihnen vertrauten Raumlinien wahrhaftig berühren und darin wohnen konnten. Es ist mehr als eine bloße Phrase, wenn gesagt wird, daß der griechische Tempel ein Wohnhaus des Gottes ist. Der griechische Tempel hat ein Eigentümliches für den, der ein wirkliches Gefühl für solche Sachen hat, er hat das Eigentümliche, daß man sich vorstellen kann: Weit und breit wäre kein Mensch, der ihn besähe, und darinnen wäre auch niemand. Der griechische Tempel braucht keinen Menschen, der ihn anschaut, niemanden, der hineingeht. Denken Sie sich den griechischen Tempel, der allein dasteht, und weit und breit ist kein Mensch. Dann ist er, was er am intensivsten sein soll. Dann ist er die Herberge des Gottes, der darin wohnen soll, weil in den Formen der Gott wohnen kann. Nur so versteht man wirklich die griechische Baukunst, die reinste Baukunst der Welt.

Die ägyptische Baukunst etwa in der Pyramide ist etwas ganz anderes. Wir können jetzt diese Dinge nur berühren. Da sind die Raumverhältnisse, die Raumlinien so angeordnet, daß sie in ihren Verhältnissen und Formen der zu den geistigen Welten aufschwebenden Seele die Wege weisen. Aus den Wegen, welche die Seele nimmt aus der physischen Welt in die geistige Welt hinein, haben wir die Formen gegeben, die sich in der ägyptischen Pyramide ausdrücken. Und so haben wir in jeder Art von Architektonik den nur aus der Geistigkeit heraus begreiflichen Gedanken.

In der romanischen Baukunst, welche den Rundbogen hat, welche zum Beispiel Kirchengebäude so angeordnet hat, daß wir Hauptschiff und Nebenschiffe, dann aber auch ein Querschiff und eine Apsis haben, so daß das Ganze Kreuzform hat und oben den Kuppelabschluß, da haben wir den Raumgedanken herausgewachsen aus der Grabstätte. Den romanischen Bau können Sie sich nicht ebenso denken wie den griechischen Tempelbau. Der griechische Tempel ist das Wohnhaus des Gottes. Der romanische Bau ist nicht anders zu denken, als daß er eine Begräbnisstätte darstellt. Die Krypta gehört dazu; nicht etwa, daß Menschen im unmittelbaren Leben nicht auch darin stehen; aber es gehört dazu, daß es eine Stätte ist, die alle Gefühle zusammenzieht, die sich auf Bewahrung und Behütung der Toten beziehen.

Im gotischen Bau haben Sie wieder etwas anderes. So wahr es ist, daß der griechische Tempel weit und breit ohne Menschenseele gedacht werden kann: er ist doch bevölkert, weil er das Wohnhaus des Gottes ist, so wahr ist der gotische Dom, der mit den Spitzbögen oben abschließt, nicht zu denken ohne die gläubige Menge, die darinnen ist. Er ist nichts Vollständiges. Wenn er einsam dasteht, ist er nicht das Ganze. Die Menschen darinnen gehören dazu mit ihren gefalteten Händen, ebenso gefaltet wie die Spitzbögen. Erst dann ist das Ganze da, wenn die Räume erfüllt sind von den Gefühlen der andächtigen Gläubigen. Das sind die in uns wirksam werdenden Kräfte, die im physischen Leibe empfunden werden als ein Sich-Hineinfühlen in den Raum. Der wahre Künstler fühlt so den Raum und gestaltet ihn architektonisch.“ (Lit.:GA 102, S. 218)

Tatsächlich hat die Baukunst überragende Bedeutung für die Entwicklung des Menschenwesens. Indem der Mensch baut, indem er die Natur zur Baukunst erhöht, arbeitet er zugleich tief einschneidend an seinem eigenen Wesen. Die Bedeutung der Baukunst reicht damit weit darüber hinaus, dem Menschen einen angenehmen und ansprechenden Schutzraum gegenüber den Unbilden der Natur zu schaffen. In alten Zeiten war man sich dessen sehr deutlich bewusst und alle alte Baukunst hatte darum einen entschieden sakralen Charakter.

Indem der Mensch die Bauformen sieht und tagtäglich mit ihnen lebt, wirken sie verwandeln auf sein Gemüt, und das Gemüt wirkt wiederum in einem späteren Erdenleben prägend auf die Physiognomie, auf das Antlitz des Menschen. Vielfach wurde so in alten Zeiten von den Eingeweihten Einfluß auf die menschliche Seele und weiter auf die physische Gestalt genommen, um den menschlichen Leib zum geeigneten Instrument für den menschlichen Geist zu gestalten. So zeigen sich etwa die seelischen Wirkungen der gotischen Bauformen in der mitteleuropäischen Mystik.

Rudolf Steiner führt dazu weiter aus:

„Lassen Sie uns charakterisieren, was der Ägypter empfand. Er sagte sich: Ich sehe den Leichnam hier liegen, den Staub von dem Menschen, der der Träger eines Ich war; ich weiß, denn aus uralter Überlieferung weiß ich es, aus den Erlebnissen meiner Vorfahren weiß ich es, daß da etwas bleibt, was in andere Welten geht. Das würde seine Aufgabe nicht erfüllen, so sagte der alte Ägypter, wenn es einzig und allein in jener geistigen Welt lebte; es muß ein Anziehungsband geknüpft werden zwischen der Welt des Geistigen und der Welt des Irdischen, Physischen. Wir müssen sozusagen ein magnetisches Band haben für die Seele, die im Tode in höhere Regionen zieht, um in ihr ein dauerndes Gefühl zu erregen, auf daß sie wieder zurückkehren und erscheinen kann auf dieser Erde. Wir wissen heute aus der Geisteswissenschaft, daß die Menschheit schon durch sich selbst dafür sorgt, daß die Seele immer wieder zu neuen und neuen Inkarnationen zurückkehrt; wir wissen, daß der Mensch, wenn er im Tode in andere Sphären übergeht, in der Zeit von Kamaloka, in der Zeit, wo er sich abgewöhnt das Irdische, mit gewissen Kräften an das Physische gefesselt ist. Wir wissen, daß diese Kräfte es sind, die ihn nicht gleich aufsteigen lassen in die Regionen des Devachan, daß sie es auch sind, die ihn wieder herunterziehen in eine neue Inkarnation. Aber wir sind heute Menschen, die in Abstraktionen leben, die so etwas als Theorie darstellen. Im alten Ägypten lebte das als Tradition; der Ägypter war das Gegenteil eines Theoretikers, eines bloßen Denkers, er wollte mit den Sinnen sehen, wie die Seele ihren Weg macht vom toten Leibe heraus bis in die höheren Regionen. Er wollte das vor sich aufgebaut haben, und diesen Gedanken baute er in der Pyramide auf: den Weg, wie die Seele aufsteigt, wie sie aus dem Leibe heraustritt, wie sie teilweise noch gefesselt ist und wie sie hinaufgeführt wird in höhere Regionen. Sehen können wir in der Architektur der Pyramide die Fesselung der Seele an das Irdische, wie ein Bild von Kamaloka tritt sie uns mit ihren geheimnisvollen Formen entgegen, wir können sagen, in der äußeren Anschauung ist sie uns ein Bild der vom Leibe verlassenen und in höhere Regionen ziehenden Seele...

Und wieder schreiten wir weiter in unserer Betrachtung. Wir dringen von der ägyptischen Pyramide vor zum griechischen Tempel. Verstehen wird einen solchen Tempel nur derjenige, der ein Gefühl dafür hat, daß im Räume Kräfte walten. Die Griechen hatten ein solches Raumgefühl. Der Mensch, der vom Standpunkte der Geisteswissenschaft aus den Raum studiert, der weiß, daß dieser Raum nicht jene abstrakte Leere ist, von der unsere gewöhnlichen Mathematiker und Physiker träumen, sondern daß er vielmehr sehr differenziert ist. Er ist etwas, was in sich selbst von Linien erfüllt ist, von Kraftlinien hierhin, dorthin, von oben nach unten, von rechts nach links, gerade, runde Linien in allen Richtungen. Man kann den Raum fühlen, gefühlsmäßig durchdringen. Wer ein solches Raumgefühl hat, weiß, warum gewisse alte Maler so wunderbar naturgetreu die frei schwebenden Engelgestalten auf Madonnenbildern malten, er weiß, daß sich diese Engel gegenseitig halten, wie die Weltenkörper im Räume durch ihre Anziehungskraft sich halten. Ganz anders ist es, wenn Sie zum Beispiel das Bild von Böcklin «Pieta» betrachten. Es soll nichts gegen die sonstige Vortrefflichkeit dieses Bildes eingewendet werden, aber wer sich das lebendige Raumgefühl bewahrt hat, der hat die Empfindung, als ob jene merkwürdigen Engelgestalten jeden Augenblick herunterfallen müßten. Die alten Maler hatten noch das Gefühl für den Raum von dem früheren Hellsehertum; in neuerer Zeit ist das verlorengegangen.

Als die Kunst noch okkulte Traditionen hatte, wußte man von solchen gegenseitig sich tragenden Kräften, die im Räume darinnen sind, die da hin- und herströmen. Solche Kräfte fühlten diejenigen, in deren Geist der Gedanke des griechischen Tempels entstanden ist. Sie dachten ihn nicht aus, sondern sie nahmen die Kräfte wahr, die den Raum durchströmten, und gaben das Gesteinsmaterial hinein: was okkult schon da war, füllten sie mit Materie. So ist der griechische Tempel eine materielle Ausgestaltung von Kräften, die im Räume wirken; ein griechischer Tempel ist ein kristallisierter Raumgedanke, im reinsten Sinne des Wortes. Die Folge davon ist etwas sehr Wichtiges. Weil der Grieche die Raumkräfte materiell ausgestaltet hat, hat er den göttlich-geistigen Wesenheiten Gelegenheit gegeben, diese materielle Form zu benutzen. Es ist keine Redensart, sondern Wirklichkeit, daß der Gott in jener Zeit herunterstieg in den griechischen Tempel, um unter den Menschen auf dem physischen Plan zu sein. Wie heute ein Elternpaar die physische Form, das Fleischliche des Kindes zur Verfügung stellt, so daß das Geistige sich auf physischem Plane ausleben kann, so geschah etwas Ähnliches bei dem griechischen Tempel. Da wurde Gelegenheit gegeben, daß göttlich-geistige Wesenheiten herunterströmten und sich verkörperten in dem architektonischen Tempelbau. Das ist das Geheimnis des griechischen Tempels: der Gott war da im Tempel. Wer die griechische Tempelform richtig fühlte, fühlte auch, daß weit und breit kein Mensch zu sein brauchte, und auch nicht im Tempel selbst, und daß der Tempel doch nicht leer war, denn der Gott war wirklich anwesend im Tempel. Der griechische Tempel ist für sich ein Ganzes, weil er die Formen enthält, die den Gott in ihn hineinbannen.

Und wenn wir nun den römischen Kirchenbau betrachten, vorzugsweise den mit einer Krypta, da sehen wir schon eine Art von Fortentwickelung. In der Pyramide sehen wir dargestellt den Weg, den die Seele nach dem Tode nimmt, die äußere architektonische Form für die entfliehende Seele. Für die göttliche Seele, die gern auf dem physischen Plan weilt, ist der griechische Tempel der Ausdruck. Der römische Bau mit der Krypta entspricht dem Kreuz, an dem der tote Jesuskörper hängt. Die Menschheit ist fortgeschritten zu einem gesteigerten Bewußtsein in geistigen Sphären. Die Fesselung an das Irdische, die Kamalokazeit ist dargestellt in der Pyramide; der Sieg über die physische Form, der Sieg über den Tod ist ausgedrückt im Kreuze, an dem der tote Jesus hängt und das uns erinnern soll an den geistigen Sieg über den Tod, an Christus. Und wiederum ein Stück weiter kommen wir zum gotischen Bau. Er ist nicht vollständig, wenn nicht die gläubige Gemeinde drinnen ist. Wenn wir alles zusammen fühlen wollen, da müssen sich mit den Spitzbögen vereinigen die gefalteten Hände und die Gefühle, die sich darin ausdrücken, die nach oben strömen. Aber nicht Gefühle wie in der Krypta, wo das Andenken gefeiert wurde an den geistigen Sieg über den Tod, sondern sieghafte Gefühle, wie sie die Seele empfindet, die sich im Leibe schon Sieger fühlt über den Tod. Die im Leibe sieghafte Seele gehört hinein in den gotischen Bau; er ist nicht vollständig, wenn nicht solche Gefühle ihn durchströmen. Der griechische Tempel ist der Leib des Gottes, er steht allein für sich da. Die gotische Kirche stellt sich dar als etwas, was die Gemeinde ruft; sie ist kein Tempel, sondern ein Dom. Dom ist dasselbe Wort, das sich in der Nachsilbe «tum» ausdrückt, wie zum Beispiel in dem Worte Menschentum oder Volkstum. Auch dem russischen Worte Duma liegt das Wort «tum» zugrunde. Ein Dom, ein «Tum» ist das, wo einzelne Glieder zu einer Gemeinde zusammengerufen werden.“ (Lit.:GA 105, S. 26f)

Mit dem ersten und zweiten Goetheanum und anderen architektonischen Entwürfen hat Rudolf Steiner bedeutsame Impulse für eine zukunftsweisende geistgemäße Baukunst gegeben.

Zitate

Siehe auch

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Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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