Substanz: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Substanz''' ([[Wikipedia:Latein|lat.]] ''substantia'' „das, woraus etwas besteht“,  aus ''substare'' „darunter stehen“; [[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] ''[[Hypostase|hypostasis]]'', ''[[hypokeimenon]]'', ''[[ousia]]'') ist im philosophischen Sinne ''das, was im eigentlichen Sinne seiend ist'', etwas, ''was durch und in sich selbst ist, nicht durch ein anderes oder an bzw. in einem anderen'' - oder anders ausgedrückt: die ''Substanz'' ist das eigentliche [[Wesen]] eines Dinges.
'''Substanz''' ([[Wikipedia:Latein|lat.]] ''substantia'' „das, woraus etwas besteht“,  aus ''substare'' „darunter stehen“; [[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] ''[[Hypostase|hypostasis]]'', ''[[hypokeimenon]]'', ''[[ousia]]'') ist im philosophischen Sinne ''das, was im eigentlichen Sinne seiend ist'', etwas, ''was durch und in sich selbst ist, nicht durch ein anderes oder an bzw. in einem anderen'' - oder anders ausgedrückt: die ''Substanz'' ist das eigentliche [[Wesen]] eines Dinges.


In der ''[[Kategorien]]lehre'', die zu den frühen Schriften von Aristoteles zählt, bezeichnet ''[[ousía]]'' als '''erste Substanz''' das selbstständige individuelle Einzelding, das ''[[hypokeimenon]]'', das Zugrundeliegende, d.h. das [[Subjekt]] oder [[Substrat]] (z.B. „Sokrates“) gegenüber seinen zufälligen Eigenschaften, [[Akzidenz|Akzidenzien]] (weiß). '''Zweite Substanz''' nennt [[Aristoteles]] hingegen das Allgemeine, also die [[Art (Philosophie)|Art]] oder [[Gattung (Philosophie)|Gattung]], unter das diese Einzeldinge fallen („Mensch“ bzw. „Geschöpf“ oder „Lebewesen“). In der später entstandenen ''[[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]]'' treten die Einzeldinge in den Kategorien zwar weiterhin als Substanzen auf, die zweiten Substanzen jedoch nicht mehr. Im Zentrum stehen nun die Fragen „Was ist im höchsten Maße wirklich?“ bzw. „Was ist die ''ousía'' der Einzeldinge?“ Aristoteles' Antwort lautet in ''Metaphysik'' Zeta: die [[Form]], das ''[[eidos]]''.
In der ''[[Kategorien]]lehre'', die zu den frühen Schriften von Aristoteles zählt, bezeichnet ''[[ousía]]'' als '''erste Substanz''' das selbstständige [[individuell]]e Einzelding, das ''[[hypokeimenon]]'', das Zugrundeliegende, d.h. das [[Subjekt]] oder [[Substrat]] (z.B. „Sokrates“) gegenüber seinen zufälligen Eigenschaften, [[Akzidenz|Akzidenzien]] (z.B. „weiß“). '''Zweite Substanz''' nennt [[Aristoteles]] hingegen das Allgemeine, also die [[Art (Philosophie)|Art]] oder [[Gattung (Philosophie)|Gattung]], unter das diese Einzeldinge fallen („Mensch“ bzw. „Geschöpf“ oder „Lebewesen“).  
 
{{Zitat|Von den Dingen sind die hauptsächlichsten, und die welche auch zuerst und am meisten als Dinge gelten, diejenigen, welche weder von einem Unterliegenden ausgesagt werden, noch in einem Unterliegenden sind; wie z.B. dieser Mensch, oder dieses Pferd. Dinge zweiter Ordnung heissen die, in deren Arten die sogenannten Dinge erster Ordnung enthalten sind und zwar heissen so sowohl diese Arten wie die Gattungen dieser Arten. So ist z.B. dieser Mensch im Menschen, als seiner Art enthalten und die Gattung zu dieser Art ist das Geschöpf.|Aristoteles|''Kategorienlehre'' 5}}
 
In der später entstandenen ''[[Wikipedia:Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]]'' treten in den Kategorien die Einzeldinge zwar weiterhin als Substanzen auf, die zweiten Substanzen jedoch nicht mehr. Im Zentrum stehen nun die Fragen „Was ist im höchsten Maße wirklich?“ bzw. „Was ist die ''ousía'' der Einzeldinge?“ Aristoteles' Antwort lautet in ''Metaphysik'' Zeta: die [[Form]], das ''[[eidos]]''.


Gemäß der christlichen Theologie ist die sich in den drei göttlichen Personen ([[Hypostase]]n) offenbarende [[Trinität]] die eigentliche Ursubstanz allen Seins.
Gemäß der christlichen Theologie ist die sich in den drei göttlichen Personen ([[Hypostase]]n) offenbarende [[Trinität]] die eigentliche Ursubstanz allen Seins.

Version vom 21. September 2016, 01:13 Uhr

Substanz (lat. substantia „das, woraus etwas besteht“, aus substare „darunter stehen“; griech. hypostasis, hypokeimenon, ousia) ist im philosophischen Sinne das, was im eigentlichen Sinne seiend ist, etwas, was durch und in sich selbst ist, nicht durch ein anderes oder an bzw. in einem anderen - oder anders ausgedrückt: die Substanz ist das eigentliche Wesen eines Dinges.

In der Kategorienlehre, die zu den frühen Schriften von Aristoteles zählt, bezeichnet ousía als erste Substanz das selbstständige individuelle Einzelding, das hypokeimenon, das Zugrundeliegende, d.h. das Subjekt oder Substrat (z.B. „Sokrates“) gegenüber seinen zufälligen Eigenschaften, Akzidenzien (z.B. „weiß“). Zweite Substanz nennt Aristoteles hingegen das Allgemeine, also die Art oder Gattung, unter das diese Einzeldinge fallen („Mensch“ bzw. „Geschöpf“ oder „Lebewesen“).

„Von den Dingen sind die hauptsächlichsten, und die welche auch zuerst und am meisten als Dinge gelten, diejenigen, welche weder von einem Unterliegenden ausgesagt werden, noch in einem Unterliegenden sind; wie z.B. dieser Mensch, oder dieses Pferd. Dinge zweiter Ordnung heissen die, in deren Arten die sogenannten Dinge erster Ordnung enthalten sind und zwar heissen so sowohl diese Arten wie die Gattungen dieser Arten. So ist z.B. dieser Mensch im Menschen, als seiner Art enthalten und die Gattung zu dieser Art ist das Geschöpf.“

Aristoteles: Kategorienlehre 5

In der später entstandenen Metaphysik treten in den Kategorien die Einzeldinge zwar weiterhin als Substanzen auf, die zweiten Substanzen jedoch nicht mehr. Im Zentrum stehen nun die Fragen „Was ist im höchsten Maße wirklich?“ bzw. „Was ist die ousía der Einzeldinge?“ Aristoteles' Antwort lautet in Metaphysik Zeta: die Form, das eidos.

Gemäß der christlichen Theologie ist die sich in den drei göttlichen Personen (Hypostasen) offenbarende Trinität die eigentliche Ursubstanz allen Seins.

Wenn man etwa in der Scholastik von „stofflichen Substanzen“ sprach, meinte man nicht etwa, dass der Stoff die Substanz sei, sondern vielmehr, dass diese - als das eigentliche geistige Wesen des Stoffes - erst von ihrer sinnlich erfahrbaren stofflichen Grundlage durch die Vernunfttätigkeit losgelöst werden müsse, um erkannt zu werden. Heute wird der Begriff Substanz aber allgemein im genau gegenteiligen Sinn als materielle Substanz verstanden, d.h. als der Stoff selbst, der die einzig wirkliche Grundlage der ganzen Welt darstellen soll, während alles Seelische und Geistige nur als abgeleitetes Epiphänomen an der entsprechend organisierten Materie erscheinen soll und ohne materieller Grundlage nicht bestehen könne. Für eine tiefergehende geistige Betrachtung ist diese Ansicht nicht haltbar, und ihr gemäß muß man nicht nur von eigenständigen seelischen und geistigen Substanzen sprechen, sondern diesen sogar noch einen wesentlich höheren Wirklichkeitscharakter zumessen als der physischen Substanz. Denn das eigentlich wirkende Prinzip in der ganzen Welt ist der Geist.

Geist ist nur das, was sich selbst erschafft, von nichts anderem geschaffen wurde und sich ausschließlich durch sich selbst erhält. Das Geistige entspricht am unmittelbarsten dem, was unter dem philosophischen Begriff Substanz verstanden werden kann. Alles Seelische hat schon einen geringeren Wirklichkeitscharakter, da das Seelische eigentlich nicht durch sich selbst entstehen kann, sondern durch den schöpferischen Geist geschaffen wird. Am fernsten der geistigen Quelle der Wirklichkeit steht aber die materielle Substanz, die im Grunde überhaupt nicht durch sich selbst bestehen kann, sondern von seelischen und geistigen Kräften getragen wird, wie es der Quantenphysiker und Träger des alternativen Nobelpreises (1987) Hans-Peter Dürr vor einigen Jahren in einem Interview recht plakativ ausgedrückt hat:

«In der schwerer begreifbaren Tiefe sind in der Welt des Kleinsten die "Dinge" überberhaupt keine Dinge - deshalb will die Revolution nicht in die Köpfe: "Es gibt keine Dinge, es gibt nur Form und Gestaltveränderung: Die Materie ist nicht aus Materie zusammengesetzt, sondern aus reinen Gestaltwesen und Potentialitäten. Das ist wie beim Geist", schließt Dürr etwas riskant: "Im Grunde gibt es nur Geist, aber er verkalkt, und wir nehmen nur den Kalk wahr, als Materie."» (Lit.: Dürr 1998)

Der mittelalterlichen Scholastik gilt Gott selbst als die einfachste, grundlegendste, aber zugleich am schwersten unmittelbar zu erkennende Ursubstanz alles Seins. So schreibt Thomas von Aquin:

"Von den Substanzen aber sind einige einfach und einige zusammengesetzt, und in beiden ist Wesen, aber in den einfachen in wahrerer und vorzüglicherer Weise, insofern sie auch vorzüglicheres Sein haben: sie sind nämlich die Ursache dessen, was zusammengesetzt ist, wenigstens die erste einfache Substanz, die Gott ist. Aber weil die Wesen jener (einfachen) Substanzen für uns verborgener sind, daher muß man mit den Wesen der zusammengesetzten Substanzen beginnen, damit das Verfahren vom Leichteren her angemessener wird." (Lit.: Thomas v. Aquin, Kapitel 1)

Gemäß dieser Erkenntnis wurzelt die Wirklichkeit in der einen göttlichen Ursubstanz, die sich weiter in eine geordnete Hierarchie individueller Geistwesen gliedert, die durch ihr tätiges Zusammenwirken die Erscheinungen der äußeren Schöpfung hervorbringen, die in abnehmendem Grad die wesenhafte Ursubstanz als mehr oder minder wesenloses Abbild widerspiegeln. Die als völlig wesenlos erscheinende Materie steht dabei auf der untersten Sprosse dieser Sufenleiter und erweist sich dadurch als reine Potentialität.

Anthroposophie geht insofern über die metaphysische Spekulation der Scholastik hinaus, als sie die wahre Natur der seelischen und geistigen Welt nicht intellektuell erschließen will, oder sich nur auf die verstandesmäßige Interpretation der traditionell überlieferten Offenbarungsberichte stützt, sondern Wege zeigt, wie das menschliche Bewusstsein so gestärkt werden kann, dass es, ohne in mediumistische Trance zu verfallen, schrittweise der unmittelbaren Wahrnehmung der seelischen und geistigen Weltbereiche fähig wird und dabei die klare Besonnenheit des Denkens nicht verliert. Sie führt uns so nach und nach an die unmittelbare geistige Begegnung mit individuellen Geistwesen heran, wodurch wir allmählich von der Betrachtung der bloßen Erscheinung zur Erkenntnis der Wirklichkeit aufrücken können.

Literatur

  1. Hans-Peter Dürr im Interview mit Jürgen Langenbach, DER STANDARD, 12. November 1998
  2. Thomas von Aquin: Über das Sein und das Wesen, Kapitel 1

Weblinks

  1. Substanz - Rudolf Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1904)
  2. Substanz - Friedrich Kirchner, Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe (1907)
  3. Substanz - Lexikon der Philosophie
  4. Substanz - Wikipedia
  5. Thomas von Aquin - Links zu Leben und Werk
  6. Thomas von Aquin: Über das Sein und das Wesen, Kapitel 1
  7. Aristoteles: Die Kategorien (PDF-Dokument)
  8. Hans-Peter Dürr - Lebenslauf
  9. Hans-Peter Dürr - Germany - 1987 Right Livelihood Award Recipient
  10. Hans-Peter Dürr - Publikationen - eine Auswahl erschienener Veröffentlichungen zum Download als PDF-Dokumente.