r-Prozess

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Der r-Prozess (r für eng. rapid „schnell“) der Nukleosynthese ist ein Prozess, bei dem Atomkerne sehr schnell Neutronen einfangen, bevor sie einen Beta-Zerfall erleiden.[1] Der schnelle Neutroneneinfang führt zur Bildung von schweren Elementen jenseits von Eisen, einschließlich vieler stabiler und langlebiger Isotope. Diese schweren Elemente, die sowohl in Sternen als auch in Meteoriten und in der Erdkruste gefunden werden, können nicht durch die Kernfusion in Sternen oder den s-Prozess (langsamer Neutroneneinfang) erzeugt werden.

Umgebungen und Bedingungen für den r-Prozess

Der r-Prozess tritt in extremen astrophysikalischen Umgebungen auf, in denen hohe Neutronenflüsse von mehr als 1022 (= 10 Trilliarden) Neutronen pro Quadratzentimeter und Sekunde[2] und hohe Temperaturen herrschen. Lange Zeit waren die genauen Bedingungen und Orte, an denen der r-Prozess stattfindet, unbekannt. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass der r-Prozess in der Umgebung von Neutronensternverschmelzungen (→ Kilonova) und möglicherweise auch in Supernova-Explosionen massereicher Sterne stattfindet.[3][4]

Beobachtungen und Simulationen

Die Entdeckung von Elementen, die in alten Sternen der Milchstraße und in Meteoriten durch den r-Prozess entstehen, bestätigt die Existenz dieses Prozesses im Universum.[5][6] Darüber hinaus haben Beobachtungen von Gravitationswellen und elektromagnetischen Signalen, die mit Neutronensternverschmelzungen in Verbindung gebracht werden, direkte Hinweise auf den r-Prozess in solchen Ereignissen geliefert.[7]

Numerische Simulationen, die die komplexen physikalischen Bedingungen während Neutronensternverschmelzungen und Supernova-Explosionen modellieren, haben das Verständnis der Abläufe und Mechanismen des r-Prozesses erheblich erweitert.[8][9] Diese Simulationen ermöglichen es, die Bedingungen, die zur Entstehung von r-Prozess-Elementen führen, besser zu verstehen und Vorhersagen über die chemische Evolution des Universums zu treffen.

Zukünftige Beobachtungen und verbesserte Modelle werden dazu beitragen, noch offene Fragen zu klären, wie z.B. die genauen Bedingungen, die zur Entstehung von r-Prozess-Elementen führen, und die Verteilung dieser Elemente in der Galaxie. Die Erforschung des r-Prozesses trägt nicht nur zum Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Elementen im Universum bei, sondern liefert auch wertvolle Informationen über extreme astrophysikalische Ereignisse, die unser Universum prägen.

r-Prozess-Elemente

Der r-Prozess der Nukleosynthese ist verantwortlich für die Bildung einer Vielzahl schwerer Elemente jenseits von Eisen. Hier sind einige Beispiele für Elemente, die durch diesen Prozess gebildet werden:

  • Gold (Au) ist eines der bekanntesten Beispiele für ein Element, das größtenteils durch den r-Prozess in Neutronensternverschmelzungen und Supernova-Explosionen entsteht.
  • Platin (Pt) ist ein weiteres Edelmetall, dessen Entstehung zum Großteil auf den r-Prozess zurückgeführt wird.[10]
  • Uran (U) und Thorium (Th): Diese beiden radioaktiven Elemente werden ebenfalls überwiegend durch den r-Prozess gebildet und sind in der Erdkruste und in Meteoriten nachweisbar.[6]
  • Neodym (Nd) und Samarium (Sm): Diese beiden Lanthanoide sind ebenfalls Produkte des r-Prozesses und kommen in bestimmten Sternen und Meteoriten vor (Cowan et al., 2005).[11]

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Blaum, Hendrik Schatz: Kernmassen und der Ursprung der Elemente. Wie die Welt entstanden ist und was Präzisionsmessungen an kurzlebigen Radionukliden uns darüber verraten. Physik-Journal 5 (2006), Nr. 2, S. 35
  • Margaret Burbidge, Geoffrey Burbidge, William Alfred Fowler, Fred Hoyle: Synthesis of the Elements in Stars, Rev. Mod. Phys. 29 (1957) 547
  • C. E. Rolfs, W. S. Rodney: Cauldrons in the Cosmos, Univ. of Chicago Press, 1988
  • Heinz Oberhummer: Kerne und Sterne, Barth, 1993

Einzelnachweise

  1. Burbidge, E. M., Burbidge, G. R., Fowler, W. A., & Hoyle, F. (1957). Synthesis of the Elements in Stars. Reviews of Modern Physics, 29(4), 547-650. doi:10.1103/RevModPhys.29.547
  2. https://www.pro-physik.de/nachrichten/die-schnelle-quelle-schwerer-elemente, abgerufen am 1. April 2023
  3. Freiburghaus, C., Rosswog, S., & Thielemann, F.-K. (1999). r-Process in Neutron Star Mergers. The Astrophysical Journal Letters, 525(2), L121-L124. doi:10.1086/312343
  4. Thielemann, F.-K., Hirschi, R., Liebendörfer, M., & Diehl, R. (2011). Core-collapse supernovae and their ejecta. Progress in Particle and Nuclear Physics, 66(2), 346-353. doi:10.1016/j.ppnp.2011.01.032
  5. Sneden, C., Cowan, J. J., & Gallino, R. (2008). Neutron-Capture Elements in the Early Galaxy. Annual Review of Astronomy and Astrophysics, 46, 241-288. doi:10.1146/annurev.astro.46.060407.145207
  6. Hochspringen nach: 6,0 6,1 Wasserburg, G. J., Busso, M., & Gallino, R. (1996). Abundances of Actinides and Short-lived Nonactinides in the Interstellar Medium: Diverse Supernova Sources for the r-Processes. The Astrophysical Journal Letters, 466(1), L109-L113. doi:10.1086/310152
  7. Abbott, B. P., et al. (LIGO Scientific Collaboration and Virgo Collaboration) (2017). GW170817: Observation of Gravitational Waves from a Binary Neutron Star Inspiral. Physical Review Letters, 119(16), 161101. doi:10.1103/PhysRevLett.119.161101
  8. Korobkin, O., Rosswog, S., Arcones, A., & Winteler, C. (2012). On the astrophysical robustness of the neutron star merger r-process. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 426(3), 1940-1949. doi:10.1111/j.1365-2966.2012.21859.x
  9. Wanajo, S., Sekiguchi, Y., Nishimura, N., Kiuchi, K., Kyutoku, K., & Shibata, M. (2014). Production of All the r-process Nuclides in the Dynamical Ejecta of Neutron Star Mergers. The Astrophysical Journal Letters, 789(2), L39. doi:10.1088/2041-8205/789/2/L39
  10. Sneden, C., Cowan, J. J., & Gallino, R. (2008). Neutron-Capture Elements in the Early Galaxy. Annual Review of Astronomy and Astrophysics, 46, 241-288. doi:10.1146/annurev.astro.46.060407.145207
  11. Cowan, J. J., Sneden, C., Beers, T. C., Lawler, J. E., Simmerer, J., Truran, J. W., Primas, F., Collier, J., & Burles, S. (2005). The Chemical Composition and Age of the Metal-poor Halo Star BD+17° 3248. The Astrophysical Journal, 627(1), 238-254. doi:10.1086/430126