Politisierung des Gedankenlebens

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Die Politisierung des Gedankenlebens ist neben dem „widersinnigen Nationalitätenprinzip“, wie schon Rudolf Steiner betonte, ein Grundproblem des gegenwärtigen Bewusstseinsseelenzeitalters, das der Entfaltung des freien Geisteslebens entgegensteht.

„Und das andere, das in unserer Zeit wirkt gegen die fortschreitenden Prinzipien außer dem widersinnigen Nationalitätenprinzip, das ist die Politisierung des Gedankenlebens. Wichtig ist es, daß man diese zwei Dinge versteht, daß man auch versteht die Politisierung des Gedankenlebens. Ich habe in einem andern Zusammenhange schon auf den Sinn der «Policy» aufmerksam darauf gemacht, wo fortwährend von Policy gesprochen wird, von dem In-Szene-Setzen von gewissen Gedanken, um dieses oder jenes zu erreichen. Aber wie ist dieses überhaupt verbreitet in der Welt! Aus dieser Politisierung des Gedankenlebens geht in unserem fünften nachatlantischen Zeitraum geradezu das Schlimmste hervor. Eine Zeit, die noch glauben konnte in einer gewissen Weise, wenn sie Gedanken bildete, inspiriert zu sein, konnte auf ihren Konzilien meinetwillen dieses oder jenes Dogma, das dann verwendet wurde, um das oder jenes in der Welt zu erreichen, beschließen. Unsere Zeit, die aber wahrhaftig in ihrem materialistischen Gefüge inspirationslos ist, wird, wenn sie den Gedanken nicht so knüpft, daß er in Verantwortung gegenüber der unpersönlichen Wahrheit geknüpft ist, den Gedanken nur aus der persönlich-willkürlichen oder aus der vereinsmäßig-willkürlichen oder sonst irgendwie gemeinsamkeits-willkürlichen Aspiration heraus fassen. Und da wird der Gedanke nicht in die Welt gestellt, weil man seine Richtigkeit einsieht, sondern weil man mit ihm politisieren will. Diese Politisierung des Gedankenlebens geht immer weiter und weiter. Und man erzieht sich nicht so, daß man zu dem richtigen, zu dem wahren Gedanken kommt, sondern man erzieht sich so, daß man zu einem Gedanken kommt, mit dem man politisieren kann, zum Beispiel mit dem Gedanken des Nichtvivisezierens der Tiere. Aber man faßt den Gedanken nicht in seinem Wahrheitsgehalt, sondern durch seine politische Agitationskraft. Man agitiert mit dem Gedanken, man politisiert mit dem Gedanken in Abstinenzvereinen, in Anti-Vivisektionsvereinen. Man faßt einen Gedanken nicht in seiner Realität - Abstinenz, Vivisektion oder dergleichen-, sondern man politisiert ihm gegenüber. Überall wird mit den Gedanken politisiert. Sie werden in politische Getriebe hineinversenkt. Falsches Nationalitätenprinzip, falsches Politisieren mit den Gedanken, wie es namentlich in unserer Vereinsmeierei der Gegenwart lebt, das ist es, was entgegen den gegenwärtig fortschreitenden richtigen Evolutionen der Menschheit ist. Vereine werden gegründet, nicht um die Wahrheit zu vertreten, sondern um dies oder jenes zu erreichen. Dadurch kann auch der richtige Gedanke fanatisiert, einseitig gemacht werden, während der fünfte nachatlantische Zeitraum in seinem Grundcharakter das hat, durch die Wahrheit wirken zu sollen.“ (Lit.:GA 272, S. 318f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.