Karen Arajewitsch Swassjan

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Datei:Karen-swassjan.jpg Karen Arajewitsch Swassjan (russisch Kарен Араевич Свасьян; * 1948 in Eriwan, Armenien) ist ein armenischer Philosoph, Literaturwissenschaftler, Kulturhistoriker und Anthroposoph. Er zählt im russischsprachigen Bereich zu den bekanntesten Philosophen der Gegenwart.

Leben und Werk

Karen Swassjan studierte Philosophie sowie englische und französische Philologie in Eriwan und promovierte mit einer Arbeit über Bergson. 1981 Habilitation über Das Problem des Symbols in der modernen Philosophie. Er war Professor für Philosophie, Kulturgeschichte und Ästhetik an der Universität Eriwan. Daneben trat er als Übersetzer ins Russische und Herausgeber von Werken Nietzsches (der ersten nachrevolutionären russischen Nietzsche-Ausgabe), Spenglers (Der Untergang des Abendlandes) und Rilkes (Die Sonette an Orpheus) hervor.

Er ist Autor zahlreicher Bücher zu Philosophie und Anthroposophie, Literatur, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, darunter einer im russischsprachigen Raum weitverbreiteten Goethe-Biographie, einer Geschichte der europäischen Wissenschaft und des Werks Goethes philosophische Weltanschauung sowie von Büchern über Nietzsche, Spengler, Husserl und Cassirer. Dazu kommen zahlreiche deutschsprachige Publikationen, insbesondere zu anthroposophischen Themen.

Karen Swassjan ist Forschungspreisträger der Alexander von Humboldt-Stiftung in Bonn. 1997 war er Gastprofessor an der Universität Innsbruck (Philosophie, Komparatistik, Slavistik). Heute lebt er als freier Schriftsteller und Dozent in Basel (Schweiz).

Sein Denken

Für die philosophischen Auffassungen Karen Swassjans ist ein enger Bezug einerseits zu philosophiegeschichtlichen und andererseits zu philosophisch-anthropologischen Fragestellungen kennzeichnend.

Die Geschichte der Philosophie betrachtet er als Geschichte des Bewusstseins, allerdings nicht im hegelianisch-phänomenologischen Sinne eines allgemeinen Bewusstseins, sondern vielmehr als Fortsetzung von Haeckels natürlicher Schöpfungsgeschichte auf einer höheren, geistigen Ebene. Die so verstandene Philosophie – von den Vorsokratikern und Platon bis zu Eduard von Hartmann, Max Stirner und Nietzsche – hat nicht das Begreifen der Welt zum Ziel, sondern – mittels des letzteren – die Selbstoffenbarung und Selbstentwicklung der Individualität.

Kann man den Menschen als biologische Art im Sinne der Evolutionstheorie als Krone der Schöpfung auffassen, so stellt sich unausweichlich die Frage nach der „Krone der Schöpfung“ im Menschen als solchem. Diese Frage – worin im Menschen kulminiert das spezifisch Menschliche, so wie die Natur im spezifisch Menschlichen kulminiert? – verweist einzig auf das Denken: dieses ist das (geistig) Höchste im Menschen, so wie der Mensch (biologisch) das Höchste in der Natur ist. Die Philosophiegeschichte schließt, so verstanden, unmittelbar an die Schöpfungsgeschichte an und setzt diese fort. Fällt die Evolutionstheorie (thematisch) in den Bereich der Philosophiegeschichte, so nur deshalb, weil die Philosophiegeschichte ihrerseits (ontologisch) in den Bereich der Evolution fällt, und zwar als deren höchste und vollkommenste Stufe.

Bei der in dieser Weise fortgesetzten und ins Geistige überführten Anthropogenie – der Mensch als vollkommenstes Glied der Natur, das Denken als vollkommenstes Glied des Menschen – erweist sich jene Frage als die entscheidende, in der die Anthropogenese der Haeckelschen Naturgeschichte, die in die Pneumatogenese der Philosophiegeschichte hinüberwächst, im absoluten Individualismus eines Max Stirner korrigiert und potenziert wird: Wenn das Denken das Höchste im Menschen ist, so spitzt sich der Gang der Evolution nach Stirner – für den „der Mensch“ entweder eine hohle Phrase war oder aber ein konkreter Mensch – auf die Frage zu: Wessen Denken? Die Antwort auf diese Frage ist Swassjan zufolge dem Zentralproblem der Philosophiegeschichte von Parmenides bis Sartre eingeschrieben: Das Denken desjenigen Philosophen, der es vermöchte, den Hiatus zwischen Denken und Sein, zwischen Essenz und Existenz, zwischen dem, was er denkt, und dem, was er ist, zu überwinden.

Die Suche nach einem solchen Philosophen, die den Kreis der Interessen Swassjans umschreibt, führte ihn nach langen Umwegen im Raum der Philosophiegeschichte (mit den Hauptetappen: Heraklit, Platon, Aristoteles, Origenes, Neuplatonismus, Abaelard, Thomas von Aquin, Descartes, Leibniz, Kant, Deutscher Idealismus, Stirner, Hartmann, Husserl) zur Weltanschauung Rudolf Steiners.

Zitate

"Kommt die jüngere Generation des Westens mit Köpfhörern auf den beringten und tätowierten Köpfen zur Welt und bringt sie ihr zart keimendes Ich-Gefühl, lange bevor dieses Ich geboren ist, den fresssüchtigen Technogöttern zum Opfer, so wartet die Welt von uns nicht bloß den <<Schall und Wahn>> über das unwiederbringlich Geschändete ab, sondern - über allen Schmerz hinweg - Bewußtsein und Verständnis. Wer sich über die Geschichte des Abendlandes keine anderen Geschichten erzählen lassen will als die von der guten christlichen Religion, die vom bösen Atheismus zum Teufel gejagt wird, der möge auch weiterhin mit seinem multiplizierten Disneyland-Gewissen in Eintracht leben. Denn es bedarf einer Mobilmachung des Bewußtseins, das aus dem universitären Winterschlaf zu sich wieder gekommen ist, um zu begreifen, dass der Atheismus kein daemon ex machina, sondern der legitime Sohn der christlichen Religion ist, in Gondischapur 666 konzipiert, in Konstantinopel 869 geboren. Ist die Geschichte Europas von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an diejenige ihrer konsequenten und plebiszitär legalisierten Afroamerikanisierung, so lässt sich die Vorgeschichte dieser Geschichte ausgerechnet auf die erwähnten Daten zurückführen. Afroamerikanisierung heißt nicht mehr und nicht weniger als Rückfall in die reflexogene Zone, in die instinktive Momentaneität unumkehrbar-vitaler Perzeptionen, als käme der Embryo in seiner ontogenetischen Rekapitulation der Phylogenese vom Wege ab und bliebe in den Anfangsstadien des Lebens stecken." (Karen A. Swassjan: Europa - zwei Abgesänge, Dornach 2018, S. 43/44).

"Seit Nietzsches Zusammenbruch wirkt das deutsche Nichts eindeutig als Alternative: Es verbirgt in sich den Namen Christus oder es hört auf den Namen Sorat. Der apokalyptische Topos des 1933 aufsteigenden Tieres kann dementsprechend nur so verstanden werden, dass alles, was sich seit 1933 nicht an das Christus-Ich anschließt, sich automatisch (bewusstlos) dem Soratimpuls in den Dienst stellt." (Karen A. Swassjan: Europa - zwei Abgesänge, Dornach 2018, S. 122).

"Die Frage, worin eine deutsche Zukunft überhaupt noch bestehen könnte, geht heute bereits von einer fertigen Antwort aus: Darin, dass sich der Deutsche als Strafe für einen zwölfjährigen Bewußtseinsschwund um jede Zukunft bringt. Eine alternative Antwort könnte aber diese sein: Darin, dass der Deutsche einsieht, dass das öde und wüst gelassene deutsche Haus des 20. Jahrhunderts in dasselbe Karma gehört wie das öde und wüst gelassene Jerusalem des ersten Jahrhunderts: in das Karma nämlich, seine Epiphanie gegen den faden Charme des nächstbesten, egal ob charismatischen oder demokratischen Hochstaplers einzutauschen. (Das 20. Jahrhundert ist, wie gesagt, das der amnestierten Barabbasse, die, einmal freigesprochen, ihre Kräfte nicht mehr an der Räuberei, sondern am Politischen, Wissenschaftlichen, Künstlerischen erproben und den Jackpot der Passionen knacken, die für den durch keine Volksabstimmung autorisierten ANDEREN bestimmt sind.)" (Karen A. Swassjan: Europa - zwei Abgesänge, Dornach 2018, S. 296/297).

Auszeichnungen

Bibliographie (Auswahl)

Werke in deutscher Sprache

  • Aufgearbeitete Anthroposophie. Eine Geisterfahrt, Verlag am Goetheanum, Dornach 2007, ISBN 978-3-7235-1324-8
  • Rudolf Steiner. Ein Kommender, Verlag am Goetheanum, Dornach 2005, ISBN 3-7235-1259-3
  • Anthroposophische Heilpädagogik. Zur Geschichte eines Neuanfangs, Verlag am Goetheanum, Dornach 2004, ISBN 3-7235-1206-2
  • Was ist Anthroposophie?, Verlag am Goetheanum, Dornach 2001, ISBN 3-7235-1115-5 Textauszug (PDF)
  • Das Schicksal heisst: Goethe, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1999, ISBN 3-7235-1048-5
  • Der Untergang eines Abendländers. Oswald Spengler und sein Requiem auf Europa, Heinrich Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-932458-08-7
  • (als Herausgeber) Max Stirner: Das unwahre Prinzip unserer Erziehung. Einleitung von Willy Storrer, Nachwort von Karen Swassjan, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1997, ISBN 3-7235-0983-5
  • Urphänomene II. Die Zerstörung der Kultur: 1. Streiflichter / 2. Lichtblicke, 2 Bände, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1996/1998, ISBN 3-7235-0938-X / ISBN 3-7235-0942-8
  • Urphänomene I. Die Überwindung der Philosophie / Die Umwandlung der Theosophie / Die Erschaffung der Anthroposophie, 3 Bände, Rudolf Geering Verlag, Dornach 1995, ISBN 3-7235-0975-4
  • Nietzsche – Versuch einer Gottwerdung. Zwei Variationen über ein Schicksal, Verlag am Goetheanum, Dornach 1994, ISBN 3-7235-0767-0
  • Die Karl-Ballmer-Probe. Mit zwei Aufsätzen von Karl Ballmer (Co-Autor), Edition LGC, Siegen/Sancey le Grand 1994, ISBN 3-930964-80-5
  • Das Abendmahl des Menschen. Zum hundertsten Geburtstag der ‚Philosophie der Freiheit‘, Verlag am Goetheanum, Dornach 1993, ISBN 3-7235-0710-7
  • Unterwegs nach Damaskus. Zur geistigen Situation zwischen Ost und West, Verlag Urachhaus, Stuttgart 1993, ISBN 3-87838-967-1
  • EUROPA - Zwei Abgesänge, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2018, ISBN 978-3906891040

Werke in russischer Sprache

Werke in englischer Sprache

  • The Ultimate Communion of Mankind: A Celebration of Rudolf Steiner's Book „The Philosophy of Freedom“, ISBN 0-904693-82-1

Weblinks


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