Das Prinzip Verantwortung

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Das Prinzip Verantwortung ist der Titel eines Buches von Hans Jonas, das 1979 erschien und als dessen ethisches Hauptwerk gilt. Jonas entwickelt darin eine „Ethik für die technologische Zivilisation“. Diese besteht in der Vermeidung unabschätzbarer Risiken, um den Bestand der Menschheit als Ganzes nicht zu gefährden, sowie der Anerkennung der Eigenrechte der ganzen Natur, für die dem Menschen aufgrund seiner Handlungsmöglichkeiten die Verantwortung zukommt. Der Titel des Werks kann als Anspielung und Widerspruch zu Ernst Blochs Das Prinzip Hoffnung gelesen werden, mit dem sich Jonas kritisch auseinandersetzte.

Thesen und Aufbau des Buches

Das Buch beginnt mit einer Analyse des veränderten Wesens menschlichen Handelns unter den Bedingungen der modernen Technik. Hierbei vertritt Jonas die These, dass die klassischen und tradierten Ethiken den veränderten Bedingungen nicht mehr gerecht werden. Prinzip der bisherigen Ethik sei eine Konzentration auf den unmittelbaren Nahbereich menschlicher Verantwortung (z. B. in der Maxime der Nächstenliebe). Weder sei eine Verantwortung gegenüber vergangenen noch gegenüber zukünftigen Generationen, oder gegenüber fremden und entfernten Kulturen thematisch gewesen, da die vormoderne Technik nicht über derartige Handlungsreichweiten in Raum und Zeit verfügte. Mit dem Wandel der Technik müsse die Ethik zur „Fernstenliebe“ erweitert werden. Vor diesem Hintergrund formuliert Jonas an Kant anknüpfend einen neuen ethischen Imperativ, der auch als „ökologischer Imperativ“ bekannt ist:

„Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“

Das Prinzip Verantwortung[1]

Dann beschäftigt sich Jonas mit dem „Ideal- und Realwissen“ einer jeden Zukunftsethik. Da Sicherheit in der Abschätzung der komplexen Technikfolgen kaum zu erlangen sein werde, sei grundsätzlich nach der „Heuristik der Furcht“ die schlechtere Prognose der besseren vorzuziehen, um der Versuchung der Abwiegelung zu entgehen, und um Schadenshöhe (etwa bis hin zur potentiellen Auslöschung der Menschheit) mit Schadenswahrscheinlichkeit zu verrechnen. Auch kann der Mensch durch negative Zukunftsvisionen erfahren, was bei einem ungehemmten Fortschritt der technischen Zivilisation auf dem Spiel stehe und so dasjenige am Menschlichen erkennen, das bewahrt werden müsse.

Jonas geht von einer Pflicht der Menschheit zur Existenz aus: da der Mensch faktisch die Verantwortung für sein Handeln habe, habe er auch die Verantwortung für das Vorhandensein von Wesen mit der Verantwortungsfähigkeit. Somit sei ein kollektiver Selbstmord der Menschheit ethisch abzulehnen. Jonas möchte die Kant'sche Idee einer Grundlegung der Ethik durch Vertragscharakter zwischen autonomen Subjekten erweitern: Auch nicht autonome, nicht aktual vernünftige Wesen können nach Jonas Subjekt von Rechten sein, paradigmatisch hierfür sei das Kind, das der Fürsorge der Eltern überantwortet sei.

Jonas versucht ferner, über den Bereich des Menschen und zukünftiger Generationen hinaus, unter Rückgriff auf die aristotelische Idee der immanenten Zweckmäßigkeit die Theorie einer neutralen Natur zu überwinden. Dabei geht er von einer intrinsischen Werthaftigkeit des Lebens insgesamt aus. Hierbei kann Jonas auf seine eigenen Studien zur Philosophie des Organischen verweisen.

Das Buch schließt mit einer Kritik des marxistischen Utopismus, wie er insbesondere von Ernst Bloch vertreten werde. Allerdings äußert Jonas die Vermutung, dass die sozialistischen Länder eher als die kapitalistischen Staaten in der Lage sein werden, die zur Bewältigung der ökologischen Krise notwendigen asketischen Ideale wiederzubeleben.

Kritik und Würdigung

Es ist Jonas’ Verdienst, frühzeitig auf die Gefahren der modernen Technik hingewiesen zu haben und als erster eine umfassende philosophische Antwort entwickelt zu haben. Kritisch wurden seine Einschätzung des Marxismus, sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht, als auch seine Diskussion einer Einschränkung individueller Freiheiten zugunsten eines kollektiven Überlebens diskutiert. Jonas’ „ontologische“ Begründung eines intrinsischen Wertes des Organischen und der intrinsischen Werthaftigkeit der Natur bildet in der zeitgenössischen Umweltphilosophie eine umstrittene Außenseiterposition. Dennoch bleibt „Das Prinzip Verantwortung“ ein maßgebliches Werk der Philosophie zu den Fragen der Bioethik.

Werkausgaben

  • Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung: Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt/M. 1979. Neuauflage als Suhrkamp Taschenbuch, 1984 [u. ö.], ISBN 3-518-39992-6. Es gibt unter anderem englische, italienische, französische, niederländische, japanische und ukrainische Übersetzungen.

Literatur

  • Dietrich Böhler (Hrsg.): Ethik für die Zukunft – Im Diskurs mit Hans Jonas. Beck, München 1994, ISBN 978-3-40638655-8
  • Anna Claas: Lässt sich das Prinzip Verantwortung doch noch verteidigen? Erneuter Versuch der Begründung des Prinzips Verantwortung von Hans Jonas auf der Basis der diskursiven und neo-pragmatistischen Ethik von Albrecht Wellmer. Tectum, Marburg 2011, ISBN 978-3-8288-2767-7
  • Roman Globokar: Verantwortung für alles, was lebt: von Albert Schweitzer und Hans Jonas zu einer theologischen Ethik des Lebens. Gregorian&Biblical BookShop, Rom 2002, ISBN 978-8-87652945-0
  • Hans Jonas: Technik, Medizin und Ethik. Zur Praxis des Prinzips Verantwortung. Inselverlag, Frankfurt 1985, (suhrkamp TB) ISBN 978-3-51838014-7
  • Frank Niggemeier: Pflicht zur Behutsamkeit?: Hans Jonas’ naturphilosophische Ethik für die technologische Zivilisation. Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 978-3-82602282-1
  • Jörg Schubert: Das »Prinzip Verantwortung« als verfassungsstaatliches Rechtsprinzip: rechtsphilosophische und verfassungsrechtliche Betrachtungen zur Verantwortungsethik von Hans Jonas. Nomos, Baden-Baden 1998, ISBN 978-3-78905697-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt am Main 1979, S. 36.
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