Bethphage

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Palmprozession vor der franziskanischen Kirche in Bethphage; hier wird auch der Stein gezeigt, den Jesus Christus, benutzt haben soll, um das Eselfüllen zu besteigen, auf dem er am Palmsonntag nach Jerusalem einzog.

Bethphage (altgriech. Βηθφαγή; aramäisch בית פגי „Haus der (unreifen) Feigen“) ist ein im Neuen Testamen erwähnter Ort in Palaästina, der auf dem Ölberg in unmittelbarer Nähe von Bethanien[1], wo die Auferweckung des Lazarus stattfand, etwa auf halbem Weg nach Jerusalem liegt. Von hier holten die Jünger das Eselfüllen bzw. die Eselin, auf der der Christus am Palmsonntag unter dem Jubel der Menge in Jerusalem einzog (Mt 21,1-11 LUT, Mk 11,1-11 LUT, Lk 19,28-40 LUT, Joh 12,12-19 LUT). Der Esel ist ein Symbol für den physischen Leib des Menschen, das auch in den Märchen gerne verwendet wird (vgl. etwa Die Bremer Stadtmusikanten). In Bethphage stand auch der Feigenbaum, der am folgenden Tag auf das Wort des Christus für immer verdorrte (Mt 21,18-22 LUT, Mk 11,12-14 LUT, → Verfluchung des Feigenbaums). Die Feigen sind ein okkulter Hinweis auf die Kräfte des alten, naturhaften Hellsehens, das nun versiegen sollte, um dem Glauben Platz zu machen, mit dem der Keim eines erneuerten, nicht mehr traumbewussten, sondern ganz selbstbewussten Sehens in die Seele gepflanzt wird; dann werden die Feigenbäume wieder neu ausschlagen und davon künden, dass das Reich Gottes nahe ist (Lk 21,29-30 LUT).

"Haben wir, von Jerusalem kommend, den Gipfel des Ölbergs überquert und schreiten wir langsam auf der anderen Seite wieder talwärts, wo uns aus den Tiefen der Wüste Juda der unterirdische Zauberspiegel des Toten Meeres entgegengleißt, so kommen wir auf halbem Wege zwischen Ölberg und Bethanien an einen Ort, der in hohe Mauern eingefaßt ist. Schwarze Zypressen ragen über die Mauern hinaus und weisen wie ernste feierliche Zeichen zum Himmel empor. Hier befand sich zur Zeit Jesu eine kleine Siedlung: Bethphage, »das Haus der Feigen«. Wir dürfen uns diese Siedlung nicht vorstellen als ein Dorf wie andere Dörfer. Die Gruppe von Menschen, die ihr gemeinsames Leben hierher verlegt hatten, wurde durch ein besonderes geistig-religiöses Streben zusammengehalten. Die schlichten Hütten, die dort gestanden haben mögen, waren von einem Hain von Feigenbäumen umgeben, nach denen der Ort seinen Namen trug. Diese Feigenbäume waren aber mehr als Nutzpflanzen, sie waren den Menschen, die dort wohnten, heilige Bäume, sichtbare Zeichen ihres geistigen Strebens. Es handelte sich um Menschen, die in ihrem Kreise das Geistgeheimnis der alten Menschheit zu bewahren trachteten, das in der Nathanael-Geschichte auch einmal innerhalb des Neuen Testamentes auftaucht. Die Leute von Bethphage pflegten das »Sitzen unter dem Feigenbaum«, den Zustand des übersinnlichen Schauens, der durch teils körperliche, teils versenkungsartige Übungen erzielt wurde.

Bethphage, das Haus der Feigen, war eine Stätte, an der das alte Schauen gepflegt wurde. Von hier ließ Jesus in der Frühe des Palmsonntags durch Petrus und Johannes die Eselin und das Eselsfüllen holen. Wie es dort heilige Bäume gab, so gab es dort auch heilige Tiere. Die Esel, die dort gehalten wurden, waren keine Nutztiere. Auch sie drückten innerhalb dieses Menschenkreises ein Geheimnis aus. Erinnerte man sich doch in der alttestamentlichen Strömung noch recht deutlich jenes Magiers, der einmal aus Babylonien herbeigerufen worden war, um durch seinen Fluch dem israelitischen Volk den Einzug in das Land der Verheißung zu verwehren. Bileam wurde als auf einer Eselin reitend vorgestellt. Aber man wußte: das Reiten auf der Eselin bedeutete nicht bloß die Art des Sichfortbewegens. Man sah auch darin den Ausdruck eines ganz bestimmten Entrückungszustandes, nämlich jener somnambulen Seelenverfassung, in welcher einst der babylonische Magier zu sprechen begann, nicht aus seinem menschlichen Bewußtsein, sondern wie aus einer geistigen Besessenheit heraus, nur daß, als er den magischen Fluch gegen Israel schleudern wollte, ohne daß er wußte, wie ihm geschah, ein Segen daraus wurde. Die heiligen Tiere von Bethphage lassen erkennen, daß das dort gepflegte Schauen unwacher Natur und an die physische Leiblichkeit gebunden war; ist doch bis in die Volksmärchen der neueren Zeit hinein der Esel der imaginative Bildausdruck des physischen Menschenleibes." (Lit.: Bock, S 328f)

Literatur

  • Emil Bock: Die drei Jahre. Beiträge zur Geistesgeschichte der Menschheit, Urachhaus Verlag, Stuttgart 1981

Einzelnachweise

  1. Nicht zu verwechseln mit jenem Bethanien, wo nach biblischem Bericht die Jordan-Taufe vollzogen wurde.