Barnards Pfeilstern

Aus AnthroWiki
Animation der Bewegung von Barnards Stern. Die Einzelbilder wurden 2001, 2004, 2007 und 2010 aufgenommen.

Barnards Pfeilstern (oder Barnards Stern) ist ein kleiner Stern im Sternbild Schlangenträger. Mit einer Entfernung von etwa 6 Lichtjahren ist Barnards Pfeilstern unter den bekannten Sternen der dem Sonnensystem viertnächste. Nur die drei Komponenten des α-Centauri-Systems liegen näher. Der Pfeilstern ist allerdings ein Roter Zwerg mit Spektraltyp M4 und scheinbarer Helligkeit 9,54 mag, so dass er trotz seiner Nähe zu schwach leuchtet, um ohne Teleskop oder ein starkes Prismenfernglas beobachtet werden zu können. Er liegt nahe dem Stern 66 Oph.

Schnellläufer

Barnards Pfeilstern weist eine Eigen­bewegung von 10,4 Bogen­sekunden pro Jahr auf, so dass er am Himmel in ca. 180 Jahren eine dem scheinbaren Monddurchmesser entsprechende Distanz zurücklegt. Das ist die derzeit größte bekannte Eigenbewegung eines Sterns. Sie wurde 1916 von dem Astronomen Edward Emerson Barnard entdeckt.[1] Zuvor hatte Kapteyns Stern im Pictor (Südhimmel) die größte bekannte Eigenbewegung aller Sterne aufgewiesen. Solche Sterne, deren Himmelsposition sich auffallend rasch verschiebt, werden als Schnellläufer bezeichnet.

Die relative Geschwindigkeit von Barnards Pfeilstern zum Sonnensystem beträgt rund 143 Kilometer pro Sekunde. Wie schnell sich Barnards Stern bewegt, verdeutlicht die links dargestellte Animation über einen Zeitraum von neun Jahren. In den nächsten Jahrtausenden wird er von seiner jetzigen Position im Norden des Sternbilds Schlangenträger in das Sternbild Herkules wandern. Bis zum Jahr 11.800 n. Chr. wird er sich der Sonne bis auf 3,8 Lichtjahre nähern und damit in größerer Nähe zur Erde als heute Proxima Centauri befinden. Zu diesem Zeitpunkt wird er auch am Himmel um etwa eine Größenklasse heller strahlen als heute. Danach wird er sich wieder entfernen.[2]

Barnards Pfeilstern scheint relativ alt zu sein; sein Alter wird auf 11–12 Milliarden Jahre, also auf mehr als das doppelte Alter der Sonne, geschätzt. Er dreht sich relativ langsam um seine eigene Achse; seine Rotationsperiode beträgt etwa 130 Tage. Aufgrund seines hohen Alters war es für die Astronomen überraschend, dass am 17. Juli 1998 auf seiner Oberfläche die Eruption eines Flares beobachtbar war, wie Diane Paulson und deren Kollegen vom Goddard Space Flight Center der NASA berichteten. Diese Aktivität wurde auch durch damals beobachtete Änderungen im Emissionsspektrum des Sterns nahegelegt. Die Temperatur der Flare-Zone war mit mindestens 8000 Kelvin wesentlich höher als die gewöhnliche Oberflächentemperatur des Sterns von etwa 3100 Kelvin.[3]

Mögliche Planeten

Im Jahre 1938 begann man am Sproul-Observatorium eine Serie von Photoplatten von Barnards Pfeilstern zu erstellen, um seine Parallaxe und säkulare Beschleunigung genauer zu messen sowie nach potenziellen Begleitern des Sterns zu suchen. Von 1963 an akzeptierte eine große Zahl von Astronomen für viele Jahre die Behauptung von Peter van de Kamp, dass er eine Störung in der Eigenbewegung des Pfeilsterns entdeckt habe, aus der folge, dass der Stern von Planeten mit einer dem Jupiter vergleichbaren Masse umkreist werde. Diese würden durch ihre gravitative Wirkung auf den massenarmen Stern dessen Bahnstörungen hervorrufen. Nachdem van de Kamp zunächst die vermeintlichen periodischen Schwingungen der Eigenbewegung von Barnards Pfeilstern mit der Existenz eines über 1,7 Jupitermassen verfügenden Planeten erklären wollte, der für einen Umlauf um den Stern 24 Jahre benötige, ging er später (1969) von zwei planetaren Begleitern aus. Der erste besitze 0,8 Jupitermassen und umkreise den Stern alle 12 Jahre in einer Entfernung von 2,8 Astronomischen Einheiten (AE); der zweite habe 1,1 Jupitermassen und bewege sich auf einem fast kreisförmigen Orbit in einem Abstand von 4,7 AE mit einer Umlaufperiode von 26 Jahren um sein Zentralgestirn.[4][5]

George Gatewood konnte den oder die Planeten bei Messungen am Allegheny Observatory (bis 1973) jedoch nicht nachweisen. Heinrich Eichhorn von der University of South Florida gelang dies bei seinen Langzeitbeobachtungen des Sterns ebenfalls nicht.[6] Trotzdem hielt sich die Theorie von Planeten um Barnards Pfeilstern noch bis in die 1980er Jahre, bis van de Kamps Behauptung allgemein als fehlerhaft angesehen wurde. Der Grund für die Fehlerhaftigkeit der Ergebnisse van de Kamps waren zunächst unerkannte Fehler am benutzten Messinstrument. Van de Kamp selbst, der 1995 starb, räumte nie Beobachtungsfehler ein und veröffentlichte noch 1982 Studien, welche die Existenz zweier Planeten um Barnards Pfeilstern untermauern sollten.[7] Wulff-Dieter Heintz, der Nachfolger van de Kamps am Swarthmore College und Experte auf dem Gebiet der Doppelsterne, stellte die Behauptungen seines Vorgängers in Frage und publizierte ab 1976 entsprechend kritische Stellungnahmen. Wegen dieses Disputs soll eine Entfremdung zwischen den beiden Wissenschaftlern eingetreten sein.[8]

Solange die Behauptung van de Kamps anerkannt war, trug sie zur Berühmtheit des Sterns in der Science-Fiction-Gemeinde bei; sie ist zum Beispiel Teil der Handlung der Fernsehserie Mondbasis Alpha 1. Sie ließ Barnards Pfeilstern auch als aussichtsreiches Ziel für das Projekt Daedalus, die Planung einer interstellaren Raumsonde, erscheinen.

Im November 2018 wurde aus einer Analyse von über 20 Jahre hinweg erfassten Radialgeschwindigkeitsdaten, die Forscher vom Institut für Astrophysik an der Georg-August-Universität Göttingen gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam vorgenommen hatten, auf einen möglichen Exoplaneten „Barnard’s Star b“ geschlossen.[9] Es sei eine Supererde mit einer Mindestmasse von 3,2 Erdmassen, die den Stern in einem Abstand von 0,4 Astronomischen Einheiten innerhalb von 233 Tagen umrunde.[10] Die Autoren der Veröffentlichung sind „zu 99 % zuversichtlich, dass der Planet da ist.“[11] Möglicherweise kann der Planet mit der astrometrischen Methode (Feststellung der Bewegung des Sterns um den gemeinsamen Schwerpunkt) anhand der mit der Gaia-Mission bis 2022 gewonnenen Daten bestätigt werden, auch eine optische Beobachtung mit den in den 2020er Jahren fertigzustellenden Großteleskopen erscheint möglich.[12]

Weblinks

Commons: Barnards Pfeilstern - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Barnards Pfeilstern, in: Lexikon der Astronomie, Herder, Freiburg im Breisgau 1989, Bd. 1, ISBN 3-451-21491-1, S. 96 f.
  2. Paul Murdin, David Allen: Catalogue of the Universe, 1979, ISBN 0-521-22859-X, S. 87.
  3. David Darling: Barnard's Star. In: The Encyclopedia of Astrobiology, Astronomy, and Spaceflight. Abgerufen am 30. Januar 2021.
  4. Jay M. Pasachoff: Astronomy: From the earth to the universe, 3. Auflage 1987, ISBN 0-03-008114-9, S. 289.
  5. Joachim Herrmann: Astronomie, die uns angeht, Bertelsmann Lexikonverlag, 1973, S. 213.
  6. Jay M. Pasachoff: Astronomy: From the earth to the universe, 3. Auflage 1987, S. 290.
  7. Peter Van de Kamp: The planetary system of Barnard's star. In: Vistas in Astronomy. 26, Nr. 2, 1982, S. 141–157. bibcode:1982VA.....26..141V. doi:10.1016/0083-6656(82)90004-6.
  8. Bill Kent: Barnard's Wobble. In: Swarthmore College Bulletin. Swarthmore College, März 2001, S. 28–31, archiviert vom Original am 19. Juli 2011; abgerufen am 31. Januar 2021.
  9. Göttinger Forscher entdecken neuen Planeten. Auf ndr.de vom 15. November 2018.
  10.  I. Ribas, M. Tuomi, A. Reiners, R. P. Butler, J. C. Morales: A candidate super-Earth planet orbiting near the snow line of Barnard’s star. In: Nature. 563, Nr. 7731, 2018, ISSN 0028-0836, S. 365–368, doi:10.1038/s41586-018-0677-y (nature.com).
  11. ESO-Pressemitteilung: Supererde umkreist Barnards Stern. ESO, 14. November 2018, abgerufen am 14. November 2018.
  12. Rodrigo F. Díaz: A key piece in the exoplanet puzzle. In: Nature 563, 329–330 (2018). 14. November 2018, abgerufen am 17. November 2018., doi:10.1038/d41586-018-07328-7
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Barnards Pfeilstern aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.