Determinismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Determinismus''' ([[Latein|lat.]] ''{{lang|la|determinare}}'' „abgrenzen“, „bestimmen“) lehrt, im Gegensatz zum [[Indeterminismus]], dass künftige Ereignisse [[kausal]] vollständig durch die in der Vergangenheit liegenden [[Ursache]]n bestimmt sind und dass die Folgen dieser Ursachen [[notwendig]] eintreten ''müssen''. Der Determinismus ist damit eng verwandt mit dem Glauben an die Unausweichlichkeit des [[Schicksal]]s bzw. mit dem [[Prädeterminismus]], wonach alles Geschehen im [[Kosmos]] von Anfang an [[Prädestination|vorherbestimmt]] ist. Er offenbart damit seine [[Philosophie|philosophisch]]-[[Theologie|theologischen]] Wurzeln und ist keineswegs ein allgemeingültiges Ergebnis der [[Empirie|empirischen]] Forschung, sondern ein [[Metaphysik|metaphysisches]] Postulat. Nur sind heute an die Stelle [[Gott]]es oder der [[Götter]] die allgegenwärtigen [[Naturgesetz]]e getreten. Diese haben allerdings keinen ursächlichen Charakter, sondern geben nur an, ''wie'' (d.h. nach welcher [[Regel]]) etwas geschieht, ''wenn'' es geschieht, aber nicht ''dass'' bzw. ''warum'' es geschieht bzw. geschehen muss. Dazu bedarf es ''zusätzlich'' des [[Kausalprinzip]]s, wonach jede [[Wirkung]] durch eine vorangegangene [[Ursache]] bedingt ist.
Der '''Determinismus''' ([[Latein|lat.]] ''{{lang|la|determinare}}'' „abgrenzen“, „bestimmen“) lehrt, im Gegensatz zum [[Indeterminismus]], dass künftige Ereignisse [[kausal]] vollständig durch die in der Vergangenheit liegenden [[Ursache]]n bestimmt sind und dass die Folgen dieser Ursachen [[notwendig]] eintreten ''müssen''. Der Determinismus ist damit eng verwandt mit dem Glauben an die Unausweichlichkeit des [[Schicksal]]s bzw. mit dem [[Prädeterminismus]], wonach alles Geschehen im [[Kosmos]] von Anfang an [[Prädestination|vorherbestimmt]] ist. Eine wesentliche Quelle des Determinismus ist der [[islam]]isch geprägte [[Arabismus]], nach dessen Anschauung das menschliche Schicksal ([[Kismet]]) allein durch den Willen [[Allah]]s bestimmt ist. Der determinismus offenbart damit seine [[Philosophie|philosophisch]]-[[Theologie|theologischen]] Wurzeln und ist keineswegs ein allgemeingültiges Ergebnis der [[Empirie|empirischen]] Forschung, sondern ein [[Metaphysik|metaphysisches]] Postulat. Nur sind heute an die Stelle [[Gott]]es oder der [[Götter]] die allgegenwärtigen [[Naturgesetz]]e getreten. Diese haben allerdings keinen ursächlichen Charakter, sondern geben nur an, ''wie'' (d.h. nach welcher [[Regel]]) etwas geschieht, ''wenn'' es geschieht, aber nicht ''dass'' bzw. ''warum'' es geschieht bzw. geschehen muss. Dazu bedarf es ''zusätzlich'' des [[Kausalprinzip]]s, wonach jede [[Wirkung]] durch eine vorangegangene [[Ursache]] bedingt ist.


{{GZ|Wenn der Mensch mehr zurückblickt auf das Vergangene, dann
{{GZ|Wenn der Mensch mehr zurückblickt auf das Vergangene, dann

Version vom 13. November 2018, 02:33 Uhr

Astronomische Uhr, Prag

Der Determinismus (lat. determinare „abgrenzen“, „bestimmen“) lehrt, im Gegensatz zum Indeterminismus, dass künftige Ereignisse kausal vollständig durch die in der Vergangenheit liegenden Ursachen bestimmt sind und dass die Folgen dieser Ursachen notwendig eintreten müssen. Der Determinismus ist damit eng verwandt mit dem Glauben an die Unausweichlichkeit des Schicksals bzw. mit dem Prädeterminismus, wonach alles Geschehen im Kosmos von Anfang an vorherbestimmt ist. Eine wesentliche Quelle des Determinismus ist der islamisch geprägte Arabismus, nach dessen Anschauung das menschliche Schicksal (Kismet) allein durch den Willen Allahs bestimmt ist. Der determinismus offenbart damit seine philosophisch-theologischen Wurzeln und ist keineswegs ein allgemeingültiges Ergebnis der empirischen Forschung, sondern ein metaphysisches Postulat. Nur sind heute an die Stelle Gottes oder der Götter die allgegenwärtigen Naturgesetze getreten. Diese haben allerdings keinen ursächlichen Charakter, sondern geben nur an, wie (d.h. nach welcher Regel) etwas geschieht, wenn es geschieht, aber nicht dass bzw. warum es geschieht bzw. geschehen muss. Dazu bedarf es zusätzlich des Kausalprinzips, wonach jede Wirkung durch eine vorangegangene Ursache bedingt ist.

„Wenn der Mensch mehr zurückblickt auf das Vergangene, dann hat für ihn mehr Eindruck die Idee, alles sei notwendig gewesen, es hätte nicht anders geschehen können. Wenn der Mensch mehr auf die Zukunft hinblickt, dann hat für ihn mehr Eindruck die Idee, es müsse möglich sein, daß er selber, der Mensch, da wo es ihm gegönnt ist, mit seinem Willen eingreifen könne. Kurz, der Mensch wird immer in eine Art von Zwiespalt kommen zwischen der Annahme einer unbedingten Notwendigkeit, die durch alle Dinge geht, und auf der anderen Seite der notwendigen Voraussetzung der Freiheit, ohne die er eigentlich nicht bestehen kann in seiner Weltanschaung, weil er sonst annehmen müßte, daß er wie eine Art Rad in dem großen Räderwerk des Daseins eingewoben sei, welches durch die dieses Räderwerk dürchwaltenden Mächte so bestimmt ist, daß auch die Verrichtungen eben seines Rad-Daseins vorausgenommen sind.

Sie wissen ja auch, daß der Zwiespalt, sich für das eine oder für das andere zu entscheiden, gewissermaßen durch alles Geistesstreben der Menschheit durchgeht, daß es immer Philosophen gegeben hat, man nennt sie Deterministen, die annahmen, daß alles Geschehen, in das wir mit unserem Handeln, mit unserem Wollen eingesponnen sind, streng vorausbestimmt sei, daß es Indeterministen gegeben hat, welche das Gegenteil annahmen: daß der Mensch eingreifen kann durch sein Wollen, durch seine Ideen, in den Gang der Entwickelung. Sie wissen auch, daß das äußerste Extrem des Determinismus der Fatalismus ist, der so streng an einer die Welt durchwaltenden geistigen Notwendigkeit festhält, daß er voraussetzt, daß nichts, gar nichts irgendwie anders geschehen könne, als es eben vorausbestimmt ist, und daß sich der Mensch nur passiv zu fügen habe in das Fatum, das über die Welt ergossen ist dadurch, daß eben alles vorausbestimmt ist.“ (Lit.: GA 166, S. 12f)

Von einer Überdeterminierung spricht man, wenn für ein bestimmtes Ereignis mehrere von einander unabhängige, gleichzeitig auftretende Ursachen angegeben werden.

Die Freiheit des Willens ist nach Ansicht der meisten Vertreter des kausalen Determinismus eine bloße Illusion, wobei die (empirisch allerdings niemals zu beweisende) durchgehende Kausalität des gesamten Weltgeschehens als dogmatisches Argument dient.

„In jeder sittlichen Handlung kann sich der Mensch seiner Freiheit bewußt sein. Und geradeso, wie wir Rot oder Weiß erleben, so erleben wir eigentlich als Menschen wirklich die Freiheit. Aber wir leugnen sie. Wir leugnen sie unter der Autorität der gegenwärtigen Wissenschaft. Warum? Weil die gegenwärtige Wissenschaft nur auf das Mechanische hinschauen will, wo immer das Frühere die Ursache des Späteren ist. Und da diktiert dogmatisch diese Wissenschaft: Alles muß seine Ursache haben. Die Kausalität diktiert sie dogmatisch, und weil die Kausalität richtig sein muß, weil man auf die Kausalität dogmatisch schwören will, deshalb betäubt man sich über das Gefühl der Freiheit. Die Wirklichkeit wird in Nacht getaucht, um das Dogma aufrechtzuerhalten, in diesem Falle das Dogma der äußeren, eine so starke Autorität ausübenden Wissenschaft.“ (Lit.: GA 225, S. 179f)

Der Glaube an die Unfreiheit des Willens hängt stark damit zusammen, dass wir bezüglich des Willens auch tagsüber schlafen:

„Eines müssen wir beachten, worauf auch schon oftmals von mir hingedeutet worden ist. Wir schlafen als Menschen nicht nur in der Nacht. Wir schlafen tatsächlich auch bei Tage, nur merkt man den Tagesschlaf weniger als den Nachtschlaf. In der Nacht ist das Gedankenleben des Menschen herabgedämmert, und weil der Mensch zunächst vorzugsweise seelisch in seinen Gedanken lebt, so merkt er naturgemäß das Herabgedämmert sein des Gedankenlebens während des Nachtschlafes mehr. Bei Tage ruht mehr das Willensleben, das merkt man weniger, weil man weniger in dem Willen lebt. Eine Folge dessen ist all das Streiten der Philosophen über die Freiheit und Unfreiheit des Willens, weil sie nicht beachten, daß sie als Tagschläfer den Willen untersuchen und daher auf seine wahre Natur nicht kommen können, so daß sie viel ungereimtes Zeug sprechen über den freien und den unfreien Willen, über Indeterminismus und Determinismus. Tatsächlich, während wir unser breites, tägliches Leben entfalten, ist unser Willensleben nur in sehr geringem Grade uns bewußt, es taucht hinunter in das Unterbewußte, in die rein dem astralischen Leibe angehörige Region.“ (Lit.: GA 275, S. 20f)

Ein vollkommen deterministisches Universum wäre - zumindest prinzipiell - vollkommen vorherberechenbar, wie es klassisch schon Pierre-Simon Laplace beschrieben hat (Laplacescher Dämon):

„Wir müssen also den gegenwärtigen Zustand des Universums als Folge eines früheren Zustandes ansehen und als Ursache des Zustandes, der danach kommt. Eine Intelligenz, die in einem gegebenen Augenblick alle Kräfte kennt, mit denen die Welt begabt ist, und die gegenwärtige Lage der Gebilde, die sie zusammensetzen, und die überdies umfassend genug wäre, diese Kenntnisse der Analyse zu unterwerfen, würde in der gleichen Formel die Bewegungen der größten Himmelskörper und die des leichtesten Atoms einbegreifen. Nichts wäre für sie ungewiss, Zukunft und Vergangenheit lägen klar vor ihren Augen.“

Pierre-Simon de Laplace[1]

Der Psychiater und Philosoph Thomas Fuchs merkt zur Problematik des Determinismus kritisch an:

„Die Einwände gegen die beschriebene Freiheit im Sinne des tatsächlichen Anderskönnens – in der Debatte auch als libertarische Freiheitskonzeption bezeichnet – beruhen letztlich auf einem allgemeinen oder speziellen Determinismus, der freilich nicht durch Forschungsresultate begründet ist, sondern eher den Charakter einer weltanschaulichen Überzeugung trägt. Gegen den universalen Determinismus lassen sich überzeugende Gründe vorbringen, insbesondere die Tatsache, dass auch physikalische Naturgesetze den Weltverlauf keineswegs in allen Details festlegen. Sie sind vielmehr als Regularitäten anzusehen, die in systematischer Form beschreiben, was geschieht. Sie haben also keine präskriptive, sondern nur deskriptive Gültigkeit. Der tatsächliche Weltverlauf kennt Überlagerungen, Singularitäten und chaotische Prozesse. Erst recht hat die probabilistische Quantenphysik der Doktrin des universalen Determinismus einen schweren Schlag versetzt.

Indeterminiertheit erscheint nicht mehr als Ausnahme von der Regel, sondern vielmehr als ein Grundzug der Naturprozesse. Aber auch ein spezieller, nämlich neuronaler Determinismus bleibt eine unbewiesene Annahme. Bislang gibt es keine deterministischen neurobiologischen Gesetze, die auch nur die Voraussage einer Handlung eines Menschen in den nächsten Sekunden oder Minuten erlauben würden.“ (Lit.: Fuchs, S. 265)

Allerdings ist der Indeterminismus noch weniger ein Garant der menschlichen Freiheit, denn dieser führt letztlich alles Geschehen auf den unausweichlichen Zufall zurück, der sich dem menschlichen Willen entzieht. Zufällige Entscheidung sind daher alles andere als frei und würden auch nicht zu irgendwie vorhersehbaren, sondern nur zu zufälligen Wirkungen führen. Manche Denker wie etwa der US-amerikanische Philosoph Daniel C. Dennett (* 1942) sehen daher den Determinismus sogar als Voraussetzung für den freien Willen an:

„Etwas ist unvermeidlich für dich, wenn es nichts gibt, was du dagegen tun kannst. Wenn dich ein zufälliger Blitzstrahl totschlägt, können wir rückblickend wahrhaftig sagen, dass es nichts gab, was du dagegen hättest tun können. Du hattest keine Vorwarnung. Wenn du in der Tat mit der Aussicht konfrontiert bist, über ein freies Feld zu laufen, wo Blitze ein Problem sein werden, dann bist du besser dran, wenn ihr Zeitpunkt und ihr Ort von irgendetwas bestimmt wird, denn dann sind sie vielleicht für dich vorhersehbar und darum vermeidbar. Determinismus ist der Freund, nicht der Feind derer, die das Unausweichliche nicht mögen.“

Daniel C. Dennett: Freedom evolves, S. 60[2]

Wäre alles Geschehen innerhalb der physischen Welt streng deterministisch, so wäre diese vollkommen in sich abgeschlossen. Nach den Ergebnissen der Quantentheorie ist allerdings ein durchgängiger Determinismus innerhalb der physikalisch fassbaren Welt nicht haltbar. Im Rahmen der Quantenmechanik sind nur Wahrscheinlichkeitsaussagen über künftige Beobachtungen möglich, was nach der Kopenhager Deutung bedeutet, dass das raum-zeitliche Verhalten eines mikrophysikalischen Systems grundsätzlich indeterminiert ist, dafür aber ein streng gesetzmäßig geordnetes Feld von Möglichkeiten eröffnet. Auch für die moderne Evolutionstheorie ist der - quantentheoretisch zu rechtfertigende - Zufall ein wesentlicher Faktor. Gerade dadurch eröffnet sich aber aus geisteswissenschaftlicher Sicht der Ausblick auf höhere Weltebenen, also etwa auf die Ätherwelt, die Astralwelt und die eigentliche geistige Welt, durch deren wissenschaftliche Erkenntnis sich höhere Gesetzmäßigkeiten enthüllen, die letzlich aus den Taten höherer geistiger Wesen hervorgehen, die regelnd und ordnend in die unteren Daseinsebenen einwirken, ohne die dort gültige naturgesetzliche Ordnung aufzuheben.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzlnachweise

  1. zit. nach:  O. Höfling: Physik. Band II Teil 1, Mechanik, Wärme. 15. Auflage. Ferd. Dümmlers Verlag, Bonn 1994, ISBN 3-427-41145-1.
  2. „Something is inevitable for you if there is nothing you can do about it. If an undetermined bolt of lightning strikes you dead, then we can truly say, in retrospect, that there was nothing you could have done about it. You had no advance warning. In fact, if you are faced with the prospect of running across an open field in which lightning bolts are going to be a problem, you are much better off if their timing and location are determined by something, since then they may be predictable by you, and hence avoidable. Determinism is the friend, not the foe, of those who dislike inevitability.“
    Daniel C. Dennett: Freedom evolves. Viking Press, New York 2003, ISBN 0670031860, S. 60.