Prima materia

Aus AnthroWiki
(Weitergeleitet von Materia prima)
Nach einer Abbildung aus dem Rosarium Philosophorum war der grüne Löwe möglicherweise ein alchemistisches Symbol für die prima materia. Der grüne Löwe in dieser Abbildung speit philosophischen Sulphur (die Sonne) und philosophischen Mercurius (das Blut des Löwen) aus. Durch die alchemistischen Prozeduren des Opus Magnum sollte der grüne Löwe in den roten Löwen, den Stein der Weisen, verwandelt werden.

Die prima materia (griech. ὕλη πρώτη hyle prote oder πρώτη ὕλη prote hyle; lat. erste Materie) ist nach Auffassung der Alchemisten die in allen Erdenstoffen enthaltene jungfräuliche Ursubstanz, mit der das Opus Magnum, die Bereitung des Steins der Weisen, der ultima materia, beginnt. Der Begriff wurde ursprünglich von Aristoteles geprägt, der nach dem von ihm formulierten Hylemorphismus davon ausging, dass alle konkreten materiellen Dinge durch Materie (hyle) und Form (morphé) konstituiert seien.

Die prima materia wird von den Alchemisten oft auch als materia cruda, materia lapidis, materia proxima, materia benedicta, himmlische Hyle, terra sancta, jungfräuliche Erde, Jungfernerde, Jungfernmilch, Junge Königin, invisibilis mater (unsichtbare Mutter) oder massa confusa, gelegentlich auch als grüner Löwe, grüner Drache oder (grüner) Vitriol und manchmal sogar als Bitumen (Erdpech) bezeichnet, wobei diese Synonyme aber teilweise eine noch etwas differenziertere Bedeutung haben (s.u.)

Erst durch die Reinigung des Grundstoffes erscheint die Jungfernerde

Die reine Jungfernerde muss zuerst durch geeignete Reinigungsprozesse aus der rohen, noch ungeläuterten, durch den Sündenfall verdorbenen Ausgangssubstanz hergestellt werden, bevor die eigentliche Verwandlung zur ultima materia beginnen kann. Darauf bezieht sich auch die berühmte Vitriol-Formel der Alchemisten:

Visita Interiora Terrae Rectificando Invenies Occultum Lapidem (Veram Medicinam): «Siehe in das Innere der gereinigten Erde, und du wirst finden den geheimen Stein, die wahre Medizin.»

Aus der ursprünglichen materia cruda, die auch entfernte Materie = materia remota lapidibis, genannt wird, entsteht die materia proxima oder materia praeparata. Manchmal wird der noch unbehandelte Grundstoff gar materia remotissima (die ganz entlegene Materie) genannt, namentlich, wenn es sich um rohe Metalle, Gestein, Kiesel, Meteor- und Feuerstein, Erde, Staub, Schlamm, Eierschalen, Blut, Harn, Kot, Speichel, Sperma usw. handelt.

Aus der jungfräulichen Stoffesmutter, die man durchaus auch im Bild der ägyptischen Isis und, in durchchristeter Form, in der heiligen Jungfrau Sophia anschauen darf, wird dann der Stein der Weisen geboren und das alchymistische Werk leistet dazu den Hebammendienst. Die Weihnachtsimagination, die Rudolf Steiner gegeben hat, zeigt, wie ähnliche Prozesse zur Winterzeit auch in der Natur draußen walten.

Die Jungfernerde und die Auferstehung des Leibes

Der anthroposophische Schriftsteller Hermann Beckh schreibt über die Jungfernerde:

"Durch alte Urkunden der Menschheit, durch Sagen, Dichtungen und Märchen, durch die großen heiligen Schriften selbst geht ein Singen und Sagen von einem jungfräulichen Geheimnis der Welt, zuletzt der Stoffeswelt. Dieses Geheimnis der Stoffeswelt, das in alter Zeit vor allem in Ägypten seine geistige Heimat hatte, suchten im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit auf ihre Weise die Alchymisten, und sie nannten es „jungfräuliche Erde” oder „Jungfernerde”, terra sancta „heilige Erde” und materia benedicta, oder auch, in Anlehnung an die Sprache des Evangeliums, den „Schatz im Acker”. Es war ihnen die prima materia, die "erste" oder Anfangs-Stofflichkeit, der Ausgangspunkt ihres „chymischen Prozesses”, durch den sie die Stofflichkeit erhöhen und veredeln, unedles Metall oder Gestein in edles verwandeln wollten, dem Geheimnis des Goldes und des Edelsteins auf die Spur zu kommen suchten. Was sie da fanden oder suchten, was auch das Geheimnis der die menschliche Natur läuternden und heilenden, belebenden und verjüngenden Essenz, des „Elixiers” in sich schloß, nannten sie dann den „philosophischen Stein”, lapis philosophorum, den „Stein der Weisen”." (Lit.: Beckh, S 7f)

Der grüne Drache, d.h. die rohe prima materia, wird durch ein antithetisches Paar bezwungen und fixiert.

Welche Substanz konkret gemeint ist, wird mit gutem Grund meist nicht gesagt. Einzelne Autoren nennen etwa Blut, Quecksilber, Regenwasser, Tau oder gar Urin als Ausgangssubstanz des großen Werks. In manchen Schriften wird sogar, was auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, die prima materia, die Ausgangssubstanz, mit der ultima materia, dem Produkt ihrer Verwandlung, eben dem Stein der Weisen, gleichgesetzt. Übereinstimmung herrscht nur darüber, dass die prima materia fest oder flüssig sein kann und nur von geringem Wert ist und dass sie jeder kennt und täglich sieht, ohne ihre wahre Bedeutung zu erkennen. Folgt man den Angaben Rudolf Steiners, so erkennt man darin die Kohle, bzw. im weiteren Sinn alle Kohlenstoffverbindungen, die die stoffliche Grundlage des organischen Lebens auf Erden bilden und die auch den physischen Leib des Menschen erfüllen. So hat auch schon der Arzt Karl Arnold Kortum (1745 bis 1824) zusammen mit dem Pfarrer Bährens „allen Freunden der Alchemie” mitgeteilt, die materia prima sei in Wahrheit die Steinkohle und sie zum gemeinsamen Laborieren aufgerufen (Lit.: Biedermann, S 296).

Tatsächlich ist die Vergeistigung des physischen Leibes das eigentliche Ziel des Opus Magnum. Der verwesliche Leib soll zum unverweslichen Auferstehungsleib verwandelt werden. Damit wird die christliche Dimension des alchymistischen Strebens deutlich:

"In ihr berühren wir ein innerstes Geheimnis des Physischen und der Verwandlung des Physischen, das zugleich das Auferstehungs-Geheimnis ist. Nicht schon da, wo das Übersinnlich-Wesenhafte, Todüberwindende im Ätherischen oder Astralischen, sondern erst da, wo es auch im Physischen gefunden wird, sind wir diesem Auferstehungs-Geheimnis auf der Spur. Im Karlsruher Zyklus „Von Jesus zu Christus” wird von diesem Übersinnlich-Physischen als vom „Phantom” des Auferstehungsleibes gesprochen, das als solches vom Ätherleib deutlich unterschieden wird. Wie das Ätherische zum Irdisch-Pflanzlichen, verhalten sich die Phantomkräfte des Übersinnlich-Physischen zu den Kristallkräften, dem Urmineralischen des Kosmos. Diese in der Saturn-Uranlage des Menschenwesens einstmals vorhandenen, infolge des Falles der Menschheit dann immer mehr verbrauchten „Phantomkräfte" bildeten, durch die- Christuskraft neu belebt, die Substanz des Auferstehungsleibes, der sich, wie die Urzelle einer neuen Erde und Menschheit, aus dem Grabe von Golgatha erhob. Im genannten Zyklus (VI S. 14) weist Rudolf Steiner selbst hin auf den Zusammenhang des hinter diesem „Auferstehungs-Phantom" liegenden Tatsachengebietes mit demjenigen der Alchymie und ihres „Steines der Weisen": „Daher haben die Alchymisten immer betont, daß der menschliche Leib in Wahrheit besteht aus derselben Substanz, aus welcher der ganz durchsichtige, kristallhelle Stein der Weisen besteht." Denn dieses mit den Kristallkräften des Kosmos verwandte übersinnliche Physische, nicht, was sich dem Sinnenschein, der äußeren Sinneswahrnehmung als „Leib” darbietet, ist im Sinne höherer Geisterkenntnis in Wahrheit des Menschen „physischer Leib”. (Lit.: Beckh, S 18)

Wie die Metalle aus der prima materia entstanden sind

Wie die einzelnen Metalle aus der prima materia entstanden sein sollen, hat Leonard Müller (1577) so beschrieben:

"Der Anfang der Metallen (Prima Materia) ist eine schleimmichte Feuchtigkeit, vermischt mit einem reinen weisen Schwellichten Erdreich, welches der Männliche Saamen, oder die Form der Metallen genannt wird. Aus dieser Materie wird das Argentum vivum oder der Mercurius gebohren, und dieser ist secunda Materia Metallorum; Nun ist die Materia vor handen, als ein Weibes-Bild, welches keine Frucht oder Menschen auf die Welt gebähren kan, ohne den Saamen des Mannes, welcher allein der Mensch ist, also kan dieser Mercurius kein Metall gebähren, den er ist die Materie oder das Weiblein, derohalben muß die Form, als der Männliche Saamen, und die Materie, als das Weib, bey einander seyn, wann anders ein Metall daraus werden soll; Und zu dem Ende hat die Natur der Materie einen Schwefel beygefüget, als den Männlichen Saamen, der den Mercurium in die Beweglichkeit bringe, damit ein Metall aus ihme mag gebohren werden, alsdann coagulirt dieser genannte Schweffel den Mercurium, und macht aus ihme einen Stein, Klotz oder Klumpen, gleich wie der Saamen des Mannes in der Materie der Frauen thut, und coagulirt sich zu einen Klumpen, oder zu einen Stuck Fleisch, daraus mit der Zeit ein Mensch gebohren wird. Also ist mit den Mercurio auch, wann er zu einen Klumpen durch den Schweffel worden ist, so überwind die Hitz und Truckenheit des Schweffels, die Kalt und Feuchtigkeit des Mercurii, und gebührt den ersten Grad der Metallen, das ist Bley. So die Hitz und Truckenheit des Schweffels noch einen Grad der Kalt und Feuchtigkeit des Mercurii überwindet, so macht er Zinn. Zum dritten Silber. Und aus dem Silber wird letztlich das Gold; Dann kein Gold ist, es ist zuvor Silber gewesen. Was die andern 2 Metall anlanget, die seynd gleich verbrande und zu hart gekochte Metallen, als Kupffer und Eisen und das Eisen insonderheit, derohalben ist es schwerer dann das Kupffer zum Fluß zu bringen, wegen seines irrdischen groben Fixen, Schweffel welcher den unreinen Mercurio, so in ihme nicht leichtlich zum Fluß gehen läßt. Derohalben seynd diese 2 Metall zu hart gekocht, das Bley und Zinn seyn zu wenig digeriret und gekocht, aber das Silber und Gold halten das Mittel unter ihnen.

Aus was Ursachen ist dann das Gold zu seiner Perfection kommen und zu Gold worden, und die andern nicht, dieweil sie doch alle aus einerley Materi gebohren seynd?

Respons.

Aus der Ursach, das Gold ist zeitig, und hat seinen Termin erreichet, gleich als ein Apffel oder Birn auf dem Baum, welche Birn oder Apffel man vor der Zeit abbricht, die ist sandig und sauer, und mag nicht gessen werden, so man sie aber ihre Zeit last hangen, so wird sie gut und Wohlgeschmack zu essen.

Das Gold ist zur ultima materia worden, den kein Element nichts mehr mag anhaben oder abgewinnen, dann es ist fix, und bestehet im Feuer und allen Proben, als es dem Gold gebühret biß ans Ende der Welt.Wie muß ich das verstehen?

Also! es hat die 7 Spheren oder Planeten der Metall durchlauffen; und die Natur hat so lang daran gekocht, biß sie den Schwefel so den Mercurio zur coagulation gebraucht, wieder abgedeyet, und seinen innerlichen Schwefel entzündt, und in die Beweglichkeit gebracht, denn der Mercurius erstlich, daraus er gebohren, empfangen hat, und gleich in der letzten Abscheidung des äusserlichen anhangenden bösen und brennenden Schweffel, wird das Metall zu guten Gold, durch seinen innerlichen Schweffel. Diß ist wahrhafftig die Generation der Metallen." (Lit.: Müller)

Siehe auch

Literatur

  1. Hermann Beckh: Alchymie. Vom Geheimnis der Stoffeswelt., Rudolf Geering Verlag, Goetheanum Dornach, 1987, ISBN 3-7235-0429-9
  2. Hans Biedermann: Lexikon der magischen Künste, VMA-Verlag, Wiesbaden 1998, ISBN 3-928127-59-4
  3. Leonard Müller: Von der Generation und Geburt der Metallen, Erfurt 1577

Weblinks

  1. Leonard Müller: Von der Generation und Geburt der Metallen