Marie Steiner

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Marie von Sivers
Marie Steiner
Marie und Rudolf Steiner (1908)
Marie Steiner als Mönch in Rudolf Steiners zweitem Mysteriendrama «Die Prüfung der Seele» (München 1911)
Marie von Sivers (1903)
Marie von Sivers (etwa 1871)
Marie Steiner (Schweden 1930)

Marie Steiner auch Marie Steiner-von Sivers, geborene Marie von Sivers oder Sievers, Siebers (* 14. März 1867 in Wloclawek, Polen; † 27. Dezember 1948 in Beatenberg, Schweiz) war eine russisch/deutsche Schauspielerin, Theosophin, Anthroposophin und die zweite Ehefrau von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie.

Leben und Wirken

Kindheit und Jugend

Marie Steiner wurde am 14. März 1867 in Wloclawek, damals zu Russland gehörend, heute ein Teil Polens, als eines von acht Kindern geboren. Der Vater Jacob von Sievers, aus einem livländischen Geschlecht stammend, war Militär in russischen Diensten im Rang eines Generalleutnants und Stadtkommandant des Ortes. Die Mutter Caroline Baum stammte aus einer Rheinischen Familie, die sich im nordrussischen Archangelsk angesiedelt hatte. Um 1874/75 zog die Familie aufgrund einer Dienstversetzung des Vaters nach Riga, und um 1877, nach der Pensionierung des Vaters, folgte ein weiterer Umzug nach Sankt Petersburg. Dort besuchte Marie eine deutsche Privatschule, nach deren Abschluss folgte sie einem ihrer Brüder auf ein heruntergewirtschaftetes Bauerngut bei Nowgorod, wo sie als Lehrerin tätig war. 1894/95 starb der Bruder, und Marie musste zurück nach Sankt Petersburg.

Hinwendung zur Kunst

Mit finanzieller Unterstützung ihrer Familie studierte sie von 1895 bis 1897 in Paris am Conservatoire de Paris Rezitation und Schauspielkunst, letzteres Studium vertiefte sie nach ihrer Rückkehr nach Sankt Petersburg noch weiter. 1899 erhielt sie ein Angebot, am Berliner Schillertheater zu spielen, woraufhin sie nach Deutschland übersiedelte. Die Enge des Bühnenbetriebs sagte ihr jedoch nicht zu, worauf sie noch im selben Jahr das Theater wieder verließ. Nachdem sie die Werke von Eduard Schuré kennen und schätzen gelernt hatte, nahm sie im Oktober 1900 mit diesem Kontakt auf, worauf sich ein reger Briefwechsel entwickelte und sie mehrere Werke Schurés aus dem Französischen ins Deutsche übersetzte.

In der Theosophischen Gesellschaft

Durch einen Hinweis Schurés aufmerksam geworden, trat sie im November 1900 der Deutschen Theosophischen Gesellschaft (D.T.G.) in Berlin bei. Dort lernte sie noch im selben Monat in der Bibliothek von Cay Lorenz Graf von Brockdorff und dessen Frau Sophie Gräfin von Brockdorff sowie Rudolf Steiner kennen, welcher in diesen Räumen seit Ende September 1900 Vorträge hielt. Diese Begegnung prägte von nun an ihr Leben bis zu ihrem Tod im Jahr 1948. Nachdem Graf Brockdorff aus Altersgründen von seiner Funktion als Leiter der Berliner D.T.G.-Loge zurückgetreten war, wurde Steiner am 17. Januar 1902 sowohl Mitglied der D.T.G. als auch neuer Leiter der Berliner Loge, mit Marie als seiner Sekretärin und rechten Hand. Bei der am 19. Oktober 1902 folgenden Gründung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft (DSdTG) übernahm Steiner den Posten des Generalsekretärs, weiterhin mit Marie als seiner Sekretärin.

Von Anfang an arbeitete Sivers auf das engste mit Steiner zusammen, dabei war sie es, die zum größten Teil die administrativen und organisatorischen Arbeiten bei der DSdTG bewältigte und damit maßgeblich für deren Aufbau verantwortlich zeichnete. Daneben organisierte sie die immer umfangreicher werdende Vortragstätigkeit Steiners, führte seine dadurch notwendig werdende Korrespondenz, begleitete ihn auf vielen seiner Reisen und fungierte im Ausland auch als seine Dolmetscherin. Um die zahlreichen Schriften Steiners einfacher publizieren zu können, gründete sie 1908 in Berlin den Philosophisch-Theosophischen Verlag. Ein wesentlicher Grund hierfür war, dass Steiners Werke zunehmend esoterischer wurden und sich deshalb immer weniger Verleger, wegen befürchteter geringer Absatzzahlen, zu einer Veröffentlichung bereit erklärten. 1913 wurde die Einrichtung in Philosophisch-Anthroposophischer Verlag umbenannt und 1923 ins schweizerische Dornach verlegt.

In der Anthroposophischen Gesellschaft

Um die Jahreswende 1912/13 kam es wegen schwerer Differenzen zur Trennung von der Theosophischen Gesellschaft. Steiner gründete am 3. Februar 1913 die Anthroposophische Gesellschaft und Marie übernahm neben Carl Unger und Michael Bauer den Vorsitz der neuen Gesellschaft. 1916 gab sie diesen Posten, einem Rat Steiners folgend, jedoch wieder auf. Ende 1923 wurde sie, neben Steiner und anderen, Vorstandsmitglied bei der neu gegründeten Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.

Während sich langsam die neue Bewegungskunst der Eurythmie herauszubilden begann, wurde parallel zu einem theosophischen Kongress vom 18. bis 21. Mai 1907 in München das durch Sivers übersetzte und von Steiner inszenierte Schuré-Stück Das heilige Drama von Eleusis aufgeführt, weitere derartige Ereignisse folgten in den Jahren darauf. In den von Steiner verfassten Mysteriendramen, welche in den Jahren 1910 bis 1913, ebenfalls in München, zur Aufführung kamen, spielte Sivers Hauptrollen.

Am 24. Dezember 1914 besiegelte die standesamtliche Heirat zwischen ihr und Steiner die bereits jahrelange Verbindung der beiden. Rudolf Steiners erste Frau, Anna Eunike, war bereits 1911 verstorben. Sivers nahm den Nachnamen ihres Mannes an, wird aber bis heute auch Marie Steiner- von Sievers genannt. - Die Ehe blieb kinderlos.

Eurythmie und Sprachgestaltung

Bereits seit 1907 war Marie an der Entwicklung der später so genannten Eurythmie beteiligt. Deren Name (das altgriechische Wort für Gleichmaß) geht auf ihren Vorschlag zurück. Ab Ende 1914 entwickelte Marie Steiner gemeinsam mit Rudolf Steiner eine spezielle Kunst der Rezitation für die Eurythmie, ja überhaupt eine neue Kunst des Sprechens, die soganannte „Sprachgestaltung“. Aus den gemeinsam dazu gegebenen Kursen gibt es die Aufzeichnungen Methodik und Wesen der Sprachgestaltung, Die Kunst der Rezitation und Deklamation und Sprachgestaltung und Dramatische Kunst. 1919, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, bereiste sie mehrere europäische Länder, gab Eurythmievorstellungen und gründete Eurythmieschulen. Nach dem Tod ihres Gatten beteiligte sie sich maßgeblich daran, dass der ganze Faust ungekürzt 1938 zum ersten Mal aufgeführt wurde.

Marie Steiner setzte sich sehr dafür ein, dass die Eurythmie weiterentwickelt wurde und unterrichtete die Schauspieler der Goetheanum-Bühne in der Gestaltung der Sprache. Sie entwickelte in den zwanziger Jahren eine Sprechchor-Kunst und baute einen Sprechchor auf, der auf seinen erfolgreichen Tourneen durch ganz Europa bestaunt und gefeiert wurde, wie man der Presse der damaligen Zeit entnehmen kann. „Sie stellte damals ein Ensemble von Schauspielern zusammen und prägte mit ihnen einen Sprechchor, der durch seine elementare Ausdruckskraft und Sprachdisziplin weit über seine Zeit hinaus als einmalig und unwiederholbar galt.“

Sie übergab ihren Schülern H. Zuelzer-Ernst und Johann Wolfgang Ernst das Recht, diese Sprachschule weiter zu führen. Doch in Auseinandersetzungen um den Nachlass wurde die Marie-Steiner-Schule für Sprachgestaltung in Dornach nicht geduldet und führte auf Wanderschaft und in Malsch bei Karlsruhe ein nahezu unbeachtetes Schattendasein.

Die Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung

Nach Rudolf Steiners Tod, am 30. März 1925, verwaltete sie, als testamentarische Erbin, seinen gesamten literarischen und künstlerischen Nachlass. Es war vor allem ihr Verdienst, dass Rudolf Steiners Werk als Einheit und unverändert herausgegeben werden konnte. Diese Aufgabe war nicht leicht, angesichts von rund 5900 Vorträgen, die zu einem großen Teil nur als stenografische Notizen erhalten waren, sowie einer längeren Reihe von Aufsätzen und Briefen und 28 Büchern Steiners. Die Rudolf Steiner Gesamtausgabe, die allerdings bis heute (2006) noch nicht zur Gänze herausgegeben ist, umfasst denn auch über 300 Bände, darunter voluminöse Exemplare, oft noch in Teilbände untergliedert. Marie Steiner selbst bearbeitete dabei über 500 Publikationen und fasste zu ihnen Einführungen und Erläuterungen ab.

Um das von ihr begonnene Werk fortzusetzen, gründete Marie Steiner 1943 die Rudolf Steiner Nachlassverwaltung, Verein zur Verwaltung des literarischen und künstlerischen Nachlasses von Dr. Rudolf Steiner. Am 1. Dezember 1947 übertrug sie ihr offiziell sämtliche Rechte an den Werken Steiners. Diese Absicht hatte schon seit 1945 zu Streitigkeiten mit der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft (AAG) geführt, welche ihrerseits Rechte am Werk Steiners geltend machte. Die Differenzen mündeten 1949 in eine Spaltung der AAG, es gab nun auch eine Anthroposophische Vereinigung in der Schweiz, die bis heute besteht.

Marie Steiner starb im 81. Lebensjahr, am 27. Dezember 1948, in Beatenberg.

Bedeutung für Steiners Werk und Leben

Marie von Sivers trat wenige Jahre nach dem Ende von Rudolf Steiners Zeit als Mitarbeiter der Weimarer Ausgabe von Goethes Werken in dessen Leben und war damit ähnlich pünktlich wie Christiane Vulpius, die 1788, nach Goethes Rückkehr aus Italien, zu ihm kam, um Hilfe für ihren schriftstellernden Bruder August zu erbitten. Ihr Auftauchen fällt nahezu zusammen mit der Begründung der Anthroposophie durch Steiner und markiert grob den Beginn von dessen esoterischer Zeit bei der Theosophischen und später bei der Anthroposophischen Gesellschaft. Durch ihre Sprachkenntnisse (deutsch, französisch, russisch, englisch) und ihren unermüdlichen künstlerischen und menschlichen Beistand war Sivers von Anfang an ein grundlegender Bestandteil des esoterischen Berufslebens von Rudolf Steiner: nicht nur Hilfe, sondern auch von Verständnis noch für die komplexesten philosophisch-anthroposophischen Einlassungen des Ehemannes getragen, die sie innerlich mit vertreten hat. In ihren Erinnerungen zeichnet sie recht wirklichkeitsnah das Bild ihres Mannes als eines oft Angefeindeten und Unverstandenen, der in ehrlicher Weise Geistesarbeit leistet und aus der Masse der ihn umgebenden Literaten deutlich herausragt.

Werke (Auswahl)

  • Aphoristisches zur Rezitationskunst. Der kommende Tag, Stuttgart 1922
  • Rudolf Steiner und die Künste, Ein Aufsatz aus dem Jahr 1927. Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung, Dornach 1961
  • Rudolf Steiner und die redenden Künste, Eurythmie, Sprachgestaltung und dramatische Kunst, gesammelte Aufsätze und Berichte. Rudolf-Steiner-Verlag, Dornach 1974; ISBN 3-7274-5169-6
  • Aus dem Wirken von Marie Steiner, Gesammelte Aufsätze. Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung, Dornach 1951

Als Übersetzerin:

  • Schuré, Eduouard: Das heilige Drama von Eleusis, Rekonstruiert von Edouard Schuré, In freie Rhythmen gebracht durch Rudolf Steiner. Verlag am Goetheanum, Dornach 1939
  • Schuré, Edouard: Die großen Eingeweihten, Geheimlehren der Religionen. Barth, München 1992; ISBN 3-502-65542-1
  • Die Heiligtümer des Orients, Ägypten - Griechenland - Palästina. Engel und Seefels, Stuttgart 1991; ISBN 3-927118-02-8
  • Solov'ev, Vladimir Sergeevich: Gedichte. Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung, Dornach 1969

Literatur

  • Hammacher, Wilfried: Marie Steiner, Lebensspuren einer Individualität. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1998; ISBN 3-7725-1798-6
  • Poeppig, Fred: Marie Steiner, ein Leben im Dienst der Wiedergeburt des Wortes. Lohengrin-Verlag, Rendsburg 1990
  • Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung (Hrsg.): Marie Steiner- von Sivers, ein Leben für die Anthroposophie , eine biografische Dokumentation in Briefen und Dokumenten, Zeugnissen von Rudolf Steiner, Maria Strauch, Edouard Schuré und anderen. Rudolf-Steiner-Verlag, Dornach 1988; ISBN 3-7274-5321-4
  • Samweber, Anna: Aus meinem Leben, Erinnerungen an Rudolf Steiner und Marie Steiner- von Sivers. Verlag Die Pforte, Basel 1983; ISBN 3-85636-063-8
  • Schubert, Ilona: Selbsterlebtes im Zusammensein mit Rudolf Steiner und Marie Steiner. Zbinden, Basel 1977; ISBN 3-85989-383-1
  • Werner-Christian Simonis: Im Schutze der Meister, Vlg. Die Kommenden, Freiburg i. Br. 1977

Weblinks

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