Kompass

Aus AnthroWiki
Kompass – der Buchstabe O steht in den meisten romanischen Sprachen für „Westen“ (z. B. spanisch oeste, italienisch ovest, französisch ouest)
Kompassrose von 1607 mit Einteilung in 32 Richtungen

Der Kompass (von ital.compasso „Zirkel, Magnetnadel“, abgeleitet von compassare „abschreiten“,[1] Plural: Kompasse[2]) ist ein Instrument zur Bestimmung einer fest vorgegebenen Richtung, z. B. Himmelsrichtung, Navigations-Kurs, Peilrichtung. Ursprünglich ergänzte der Kompass in der Schifffahrt andere Methoden der Navigation, zum Beispiel anhand von Sonne, Sternen und Landmarken, Strömungen, Wellengang und Wassertiefe. Die älteste Ausführung des Kompasses ist die Kimme, die das Anpeilen des Polarsterns bei klarer Nacht erlaubt.

Das klassische Gerät ist der Magnetkompass, der anhand des Erdmagnetfelds die Bestimmung der magnetischen Nordrichtung und daraus aller anderen Himmelsrichtungen erlaubt. Andere Ausführungen sind elektronische Kompasse auf Basis von Hall-Sensoren oder Fluxgate-Magnetometern; mit Letzteren kann Betrag und Richtung des Erdmagnetfeldes auf ein 1/100.000 des Absolutwerts genau bestimmt werden.

Ganz ohne Ausnutzung des Erdmagnetfeldes arbeiten Kreiselkompasse, deren Wirkungsweise auf der Erdrotation beruht. Die Richtungsmessung erfolgt bezüglich der geografischen Nord-Süd-Richtung anstatt zu den Magnetpolen. Es gibt auch Kreiselinstrumente ohne Richtungsbezug (freie Kreisel wie den Kurskreisel), die allerdings periodisch nachgestellt werden müssen. Ebenfalls ohne Magnetfeld kommen Sonnenkompasse aus.

Ein Kompass mit Peilvorrichtung wird auch Bussole genannt. Meist wird dieser Begriff in der Vermessungstechnik für Präzisions-Peilkompasse verwendet, vor allem in Österreich und Italien wird aber auch der einfache Wander- oder Marschkompass so genannt.[3]

Geschichte des Magnetkompasses

Nasser Kompass

Wind (巽 xùn 135°) (Zeichen auf dem Kopf stehend)震 zhèn Donner – Osten (Zeichen nach rechts gedreht)離 lí Feuer – Süden (Zeichen auf dem Kopf stehend)Erde (坤 kūn 225°) (Zeichen auf dem Kopf stehend)Berg (艮 gèn 45°)兌 duì Sumpf – Westen (Zeichen nach links gedreht)坎 kăn Wasser – NordenHimmel (乾 qián 315°)Rot: Feuer (火 huŏ) Yáng; Himmelsstamm: 丙 bǐng (Zeichen auf dem Kopf stehend)Rot: Feuer (火 huŏ) Yīn; Himmelsstamm: 丁 dīng (Zeichen auf dem Kopf stehend)Grau: Metall (金 jīn) Yáng; Himmelsstamm: 庚 gēng (Zeichen nach links gedreht)Grau: Metall (金 jīn) Yīn; Himmelsstamm: 辛 xīn (Zeichen nach links gedreht)Grün: Holz (木 mù) Yīn; Himmelsstamm: 乙 yǐ (Zeichen nach rechts gedreht)Grün: Holz (木 mù) Yáng; Himmelsstamm: 甲 jiǎ (Zeichen nach rechts gedreht)Blau: Wasser (水 shuĭ) Yīn; Himmelsstamm: 癸 guǐBlau: Wasser (水 shuĭ) Yáng; Himmelsstamm: 壬 rénGelb: Erde (土 tŭ) Yáng/Yīn; Himmelsstämme: 戊 wù und 己 jǐ24 HimmelsrichtungenInnerer Kreis:12 Erdzweige = Tiere = HimmelsrichtungenÄußerer Kreis:24 Himmelsrichtungen
Die 12 chinesischen Erdzweige (innerer Kreis) und 24 genauere Himmelsrichtungen (äußerer Kreis). Norden ist unten, Süden oben; Westen rechts, Osten links (traditionelle Orientierung). Wenn man mit dem Mauszeiger auf die Symbole/Felder geht, werden weitere Informationen angezeigt.

Die Erkenntnis, dass sich Splitter von Magneteisenstein in die Nord-Süd-Richtung drehen, war in Europa seit der griechischen Antike[4] und in China seit der Zeit der Streitenden Reiche, zwischen 475 v. Chr. und 221 v. Chr. bekannt.

Die seriösen Studien zum Ursprung des Kompasses von J. Klaproth[5] und L. de Saussure[6] führen zu dem Ergebnis, dass die chinesischen Navigatoren den nassen Kompass bereits um die Jahrtausendwende kannten. Die Chinesen benutzten seit dem 11. Jahrhundert eine schwimmende, nasse Kompassnadel, die Südweiser genannt wurde. Tatsächlich ist auf dem chinesischen Kompass[7] die Südrichtung als Hauptrichtung markiert. Im Laufe der Zeit entwickelten sich daraus spezielle Kompassformen mit einer Einteilung in 24, 32, 48 oder 64 Striche bzw. Himmelsrichtungen (siehe Erdzweige). Ende des 11. Jahrhunderts empfahl Shen Kuo (1031–1095) in seinem Hauptwerk einen Kompass mit Einteilung in 24 Richtungen; kurz nach seinem Tod waren solche Kompasse tatsächlich in Gebrauch.

Die Matrosen des östlichen Mittelmeeres haben spätestens zur Zeit der Kreuzzüge vom nassen Kompass erfahren und ihn optimiert. Da er seinem Besitzer jedoch einerseits große Vorteile gegenüber der Konkurrenz brachte und andererseits quasi mit verbotenen magischen Kräften funktionierte, wurde dieses Wissen möglichst geheim gehalten. In Europa beschrieb der englische Gelehrte Alexander Neckam 1187 den nassen Kompass als eine magnetisierte schwimmende Nadel, die unter Seeleuten in Gebrauch war. Auch in einer kirchenkritischen Schrift des französischen Mönches Hugues de Bercy wurde die schwimmende Magnetnadel um 1190 (vielleicht auch bereits vor 1187)[8] erwähnt.[9]

Auf der Arabischen Halbinsel wurde der Kompass wahrscheinlich nicht erfunden, da die arabischen Seeleute um die Jahrtausendwende über gute astronomische Kenntnisse verfügten und dank der gleichmäßigen Winde in ihrer Weltregion gut navigieren konnten. Im arabischen Raum lässt sich der nasse Kompass etwa einhundert Jahre nach Alexander Neckams Erwähnung nachweisen.[10]

1932 veröffentlichte Edmund Oskar von Lippmann eine Studie,[11] in der er versuchte, die angebliche Überlegenheit der „nordischen Rasse“ zu beweisen, indem er Argumente für eine hypothetische, unabhängige Erfindung des Kompasses in Europa beizubringen suchte, ohne auf alle anderen früheren Untersuchungen einzugehen. Diese falsche Theorie wird heute teilweise immer noch vertreten.[4][12]

Trockenkompass, Darstellung in einer Abschrift der Epistola de magnete von 1269
Schiffskompass in einer kardanischen Aufhängung

Trockener Kompass

Die erste schriftliche Erwähnung einer trocken auf einem Stift spielenden Magnetnadel findet sich im Epistola de magnete von 1269, geschrieben von Petrus Peregrinus de Maricourt, womit der noch heute benutzte trockene Kompass erfunden war.[4] Ein Seefahrer namens Flavio Gioia, dessen Existenz nicht gesichert ist, wird am Hafen von Amalfi als angeblicher „Erfinder des Kompasses“ mit einem Denkmal geehrt. Die Legende um Flavio Gioia beruht wahrscheinlich auf einem Übersetzungsfehler.

Der trockene Kompass war sehr viel genauer als die instabile schwimmende Nadel und ermöglichte so eine präzisere Navigation. Im späten 13. Jahrhundert kombinierten die Seefahrer des Mittelmeers als erste die Magnetnadel mit der Windrose.[13]

Verbesserungen

Zu den vielfachen Bedeutungen oder Verwendungen von „Windrosen“ siehe Windrose (Begriffsklärung).

Um das Jahr 1400 bauten europäische Seefahrer die trockene Kompassnadel und Windrose in ein festes Gehäuse ein, um es fest auf ihren Schiffen zu stationieren.[4] Leonardo da Vinci schlug als erster vor, den Kompasskasten in einer kardanischen Aufhängung zu platzieren, um so die Genauigkeit weiter zu steigern. Ab 1534 wurde seine Idee verwirklicht und setzte sich während des 16. Jahrhunderts in ganz Europa durch, wodurch europäische Segelschiffe über die fortschrittlichste und exakteste Kompasstechnik ihrer Zeit verfügten.[4] Nach China kam der trockene Kompass etwa um das Jahr 1600 über Japan, das ihn von Spaniern und Portugiesen übernommen hatte.

Einsatz im Bergbau

Der Kompass wurde auch im Bergbau von Markscheidern als Vermessungsinstrument eingesetzt. In der norditalienischen Bergstadt Massa sind Kompasse zur Bestimmung der Vortriebsrichtung und Vermeidung von Durchschlägen zwischen Grubenbetrieben bereits im 13. und 14. Jahrhundert belegt,[14] und im Tiroler Bergbau war er in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts selbstverständlich.[15] Das Bergbüchlein des deutschen Montanwissenschaftlers Ulrich Rülein von Calw (1505) kann als eine erste theoretische Abhandlung über den untertägigen Einsatz des Kompasses gelten.[15]

Aufbau und Funktionsweise von Magnetkompassen

Der Magnetkompass besteht aus einem drehbaren Zeiger aus ferromagnetischem Material und einem Gehäuse, in dem dieser Zeiger möglichst reibungsarm gelagert ist. Als Träger der Magnetnadel werden dazu z. B. abriebsichere Edelsteine wie Rubin oder Saphir verwendet.[16] Am Gehäuse oder dem Zeiger ist in der Regel eine Winkelskala angebracht. Der Zeiger selbst kann die traditionelle Form einer Nadel haben. In einigen neueren Kompassen ist eine komplette Scheibe zu finden und in Schiffskompassen meist eine Kugel.

Der Zeiger richtet sich, wenn er nach allen Richtungen frei beweglich ist, in Richtung des Erdmagnetfelds aus. Dessen Feldlinien verlaufen in weiten Bereichen der Erde und insbesondere in Mitteleuropa ungefähr in geographischer Nord-Süd-Richtung. Da die Abweichung sehr genau bekannt ist und teilweise in topografischen Karten verzeichnet ist, kann aus der Richtung des Zeigers relativ präzise auf die geografische Nordrichtung geschlossen werden.

Kompasskapseln sind in der Regel mit einer Flüssigkeit gefüllt, um die Bewegung der Nadel zu dämpfen. Dadurch vibriert sie bei Erschütterungen weniger, was das Ablesen erleichtert und Ablesefehler verringert, ohne dass dadurch das rasche Einschwingen erschwert wird. Die Flüssigkeit besteht oft aus einem leichten Öl oder einem Lösungsmittel, das nicht zum Rosten der Nadel führt und unter extremen Bedingungen nicht stockt.

Anwendung

Sensorchip eines elektronischen Kompasses

Trotz der Existenz von Positionsbestimmungssystem wie GPS oder GLONASS wird der Magnetkompass nach wie vor oft genutzt. Navigationssysteme können die Navigation anhand der Sterne mit Karte und Kompass sinnvoll ergänzen, jedoch nicht vollständig ersetzen. Neben der Abhängigkeit von einer Energieversorgung und Elektronik ist die Kurswinkelbestimmung mit einem Kompass einfacher und genauer durchzuführen als mit einem Navigationsgerät, sofern dieses über keinen elektronischen magnetischen Kompass verfügt. Darüber hinaus erzwingt ein Kompass die ständige Auseinandersetzung mit der realen Situation, während das Navigationsgerät leicht dazu verführen kann, sich blindlings auf die Satellitentechnik zu verlassen.[17] Ein reines GPS-Gerät kann stationär keine Richtung bestimmen, dazu muss es bewegt werden.

Unter Wasser ist der Kompass, kombiniert mit der Zeit- und Geschwindigkeitsmessung, oft die einzige Möglichkeit der geografischen Positionsbestimmung. U-Boote und Taucher können ab einer gewissen Tauchtiefe weder die Sonne oder Sterne beobachten noch ein Navigationssystem zur Navigation nutzen. Sowohl das Licht der Sonne oder Sterne als auch die Hochfrequenzsignale der Navigationssatelliten werden vom Wasser stark absorbiert. Das Erdmagnetfeld hingegen durchdringt auch das Wasser. Auf größeren U-Booten wird die Navigation mit dem Magnet-Kompass meist durch Kreiselkompasse ergänzt.

Für die Navigation mit Karte und Kompass wird heute meist ein Plattenkompass, auch Kartenkompass genannt, verwendet, dessen Gehäuse sich in einer durchsichtigen Acrylglas-Platte befindet oder ein Kartenwinkelmesser mit Planzeiger. Diese Platte erleichtert die Kartenarbeit und macht es einfach, die Nord-Süd-Linien des Kompasses mit dem Gitternetz einer topografischen Landkarte in Übereinstimmung zu bringen. Ein Einnorden der Karte ist nicht notwendig.

Verwirrung um Nord- oder Südpol

Immer wieder führt die Frage zu Verwirrung, ob im Norden der Erde der magnetische Nord- oder der magnetische Südpol liege. Ein Blick in die Geschichte hilft, den Sachverhalt zu verstehen. Als die magnetische Eigenschaft der Magnetit-Nadel entdeckt wurde, nannte man das Ende der Nadel, das nach Norden zeigte, naheliegenderweise den Nordpol der Nadel. Erst sehr viel später erkannte man den Grund des Effekts und dass sich bei Magneten immer gegensätzliche Pole anziehen. Da war die Bezeichnung der Polarität aber bereits definiert. Die Erde hat im geographischen Norden also einen magnetischen Südpol.

Zur Vermeidung dieser sprachlichen Ambivalenz werden in jüngerer Zeit auch die Termini „arktischer Magnetpol“ und „antarktischer Magnetpol“ verwendet.

Teilung der Kompassrose

Grundsätzlich werden Kompassrosen in gleich große Kreissektoren geteilt. Bei Grad sind das 360, bei Neugrad 400 und bei Strich bzw. Mil 6400 Teilbereiche, wobei meist nur die Hunderter eingezeichnet werden (Marschzahl). Der nautische Strich teilt den Kreis in 32 Segmente, wird aber heute in der Navigation nur noch selten benutzt, etwa bei der Vierstrichpeilung.

Deklination

Neben der Gradeinteilung gibt es z. B. die Windrose (auch Kompassrose) zum Anzeigen der Himmelsrichtung auf dem Kompass

Da die Verbindungslinie der magnetischen Pole gegenüber der Erdachse um etwa 11,5° geneigt ist, liegen die magnetischen Pole derzeit etwa 2000 km von den geographischen Polen entfernt. Die magnetischen Pole verändern ihre Lage im Verlauf der Zeit, weil der Erdmagnetismus auf veränderlichen Strömungen im metallischen Erdkern beruht. Zusätzlich wird der Verlauf der magnetischen Feldlinien von den örtlichen geologischen Gegebenheiten (z. B. eisenhaltigem Gestein) beeinflusst. Diese beiden Faktoren bewirken, dass die Abweichung der Kompassnadel von der geografischen Nordrichtung an jedem Ort der Erde unterschiedlich ist. Diese Abweichung wird Ortsmissweisung oder Deklination genannt. Es ist nicht sicher, wer diese zuerst erkannte. Jedoch gilt als gesichert, dass Georg von Peuerbach der erste war, der über die Missweisung schrieb. Der älteste erhaltene Kompass, bei dem die Missweisung eingezeichnet ist, stammt von Peuerbach. Ein Kreiselkompass zeigt keine Deklination, da er unabhängig vom Erdmagnetfeld arbeitet.

Deviation

Als Deviation werden Abweichungen bezeichnet, die durch magnetische Felder in der Nähe des Kompasses hervorgerufen werden können. Solche Felder werden durch magnetische oder magnetisierbare Gegenstände und Geräte sowie durch fließenden Wechsel- oder Gleichstrom erzeugt. Eine mögliche Gegenmaßnahme besteht darin, einen Mutterkompass an einer besser geeigneten Stelle als auf der Brücke oder im Cockpit des Schiffes oder Flugzeuges unterzubringen. Ansonsten oder zusätzlich werden zur Kompensation größerer Abweichungen entweder Magnetnadeln an dafür vorgesehenen Stellen in das Kompassgehäuse eingesetzt (z. B. Ludolph-Kompass) oder beweglich gelagerte Magnete im Kompassgehäuse über Stellschrauben entsprechend justiert (z. B. Airpath-Kompass). Um diese Kompensierung zu erreichen, wird das Fahrzeug (Schiff) langsam um die durch den Kompass führende Hochachse gedreht, die optische Peilung einer in ihrer geografischen Ausrichtung bekannten Linie beobachtet und mit der Kompassanzeige verglichen und die Abweichung notiert. Verbleibende Rest- und Anzeigefehler, die unter 5° liegen sollen, werden in eine Deviationstabelle eingetragen, von der zu jedem Kompasskurs die dazugehörige Korrektur abgelesen werden kann. Die Kompensation wird nach Werftaufenthalten oder bei voller Stahlladung wiederholt. In der allgemeinen Luftfahrt muss die Deviation nach bestimmten Veränderungen am Flugzeug oder in festgelegten Zeitabständen überprüft und der Kompass erneut kompensiert werden. Entsprechende Vorgaben finden sich beispielsweise in den Flug- und Betriebshandbüchern.

Inklination

Flüssigkeitskompasse funktionieren trotz starker Inklinationswinkel oder starker Krängung. Einzig das Ablesen kann erschwert sein.

Als Inklination wird der Winkel zwischen den Tangenten an die magnetischen Feldlinien und der horizontalen Tangentialebene an die Erdoberfläche bezeichnet. In Mitteleuropa beträgt die Inklination etwa 66,5°. Mit anderen Worten, die Vertikalkomponente des Magnetfelds ist rund doppelt so groß wie die Horizontalkomponente.

Da zur Bestimmung der Nordrichtung nur die horizontale Komponente der Magnetfeldlinien von Bedeutung ist, muss die Inklination bei der Konstruktion des Kompasses individuell kompensiert werden.[18] So wird bei einfachen Wanderkompassen z. B. einfach die Südhälfte der Nadel mit einem sogenannten Reiter beschwert. Ein solcher Kompass kann auf der Südhalbkugel nicht verwendet werden, da die Nadel schief hängt oder schlimmstenfalls den Boden des Kompassgehäuses berühren würde. Um weltweit Kompasse verkaufen zu können, entwickelten die Hersteller die folgenden zwei Lösungen:

  • Für günstigere Kompassmodelle sind viele Hersteller dazu übergegangen, die Welt in bis zu fünf Zonen einzuteilen[19][20] und für jede Zone eigene Modellvarianten anzubieten. Die Varianten unterscheiden sich in ihren Nadelschwerpunkten, sodass sie in der jeweiligen Zone ausbalanciert sind.
  • Bei höherwertigen Modellen werden spezielle Nadelaufhängungen und -mechaniken verwendet, die den Kompass weltweit einsetzbar machen.[21]

Beim magnetischen Schiffskompass ist die Skala mit der Gradeinteilung am Zeiger angebracht, der entweder kardanisch aufgehängt ist oder in einer Flüssigkeit schwimmt (Kugelkompass), sodass sie trotz der durch den Seegang verursachten Schiffsbewegungen immer waagerecht liegt. Die Kompassrose dreht sich dabei als Ganzes, die Richtung wird an einer fest mit dem Gehäuse verbundenen Markierung abgelesen. Im Gegensatz dazu ist bei Kompassen, die an Land verwendet werden, die Kompassrose am Gehäuse angebracht, und nur die Kompassnadel dreht sich. In Bezug auf das Erdmagnetfeld dreht sich in beiden Fällen das Kompassgehäuse, und der Zeiger (Kompassnadel/-rose) bleibt an den magnetischen Feldlinien ausgerichtet.

Der Kompassdrehfehler

In der Luftfahrt zeigt der Magnetkompass aufgrund seiner Massenträgheit bei Beschleunigungen falsche Werte an. Dieser Effekt wird Beschleunigungsfehler genannt. Beim Kurvenflug tritt der Drehfehler auf. Beim Steig- oder Sinkflug gibt es solche Anzeigefehler hingegen nicht, entgegen der häufig gegenteiligen Ansicht.

Der Beschleunigungsfehler entsteht dadurch, dass auch bei den in der Luftfahrt üblichen Kompassen der Schwerpunkt des drehbaren Teils tiefer liegt als dessen Aufhängepunkt. Bei Beschleunigungen quer zur Magnetisierung (Ost-West-Richtung) kippt der Kompassmagnet derart, dass die vertikale Komponente des Erdmagnetfelds dessen Nordpol nach unten ziehen kann, was die Anzeige verfälscht.

Der Drehfehler beruht auf der Schräglage des Kompasses in Kurven und tritt in Nord-Süd-Richtung auf. Auch hier wird der Kompassmagnet durch die vertikale Komponente des Erdmagnetfeldes verstellt. Eine Kurve ist daher auf nördlichen Kursen früher, auf südlichen später zu beenden, als der Kompass anzeigt. Dies gilt auf der Nordhalbkugel, auf der Südhalbkugel ist der Effekt entgegengesetzt. Heute werden im Motorflug Kurven allgemein nach dem drehfehlerfreien Kurskreisel geflogen, sodass der Kompassdrehfehler hier kaum noch von praktischer Bedeutung ist.

Es gibt beschleunigungs- und drehfehlerfreie Kompasse, beispielsweise Modelle der Schweizer Firma Bohli-Magnete oder der deutschen Firma Schanz Feinwerktechnik. Bohli- und Schanz-Kompass sind speziell für Segelflugzeuge entwickelt worden und dort insbesondere für den Einsatz im Wolkenflug. Diese Kompasse haben den Nachteil, dass sie von Hand der Querlage des Flugzeugs angepasst werden müssen. Da der Wolkenflug heute im Segelflug-Wettbewerb verboten ist, sind sie heute auch in Segelflugzeugen nur noch selten anzutreffen. Außerhalb der Segelflugszene ist diese Variante des Kompasses kaum bekannt.

Armbandkompasse als militärische Ausrüstung

Handgelenkkompass der Sowjetarmee mit zwei (gegenläufigen) Skalen: 6000 Strich und 360° (unter den Zahlen 15°, 30° und 45° der äußeren Skala jeweils die kyrillischen Buchstaben З (sapad = West), Ю (jug = Süd) und В (wostok = Ost))

Der Adrianowkompass (russisch Компас Адрианова) ist ein Militärkompass, der bereits bei der zaristischen Armee verbreitet war. Eine erste Version wurde von dem Militärvermesser Wladimir Adrianow 1907 entwickelt. Entsprechende Armbandkompasse wurden bei der Roten Armee und der Sowjetarmee getragen.[22] Bei dem ikonographischen Bild Auf dem Berliner Reichstag, 2. Mai 1945 fiel bei dem flaggenhissenden Soldaten auf, dass er zwei Armbanduhren zu tragen schien, eine davon wurde vor der Veröffentlichung wegretuschiert. Die weitverbreitete Deutung als Plünderer liegt zwar aus der Entfernung nahe, ist aufgrund der möglichen Verwechslung mit dem Armbandkompass nicht zwingend.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Linke: Orientierung mit Karte, Kompass, GPS. 16. Auflage. Delius Klasing, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-7688-3314-1.
  • Albert Schück: Der Kompass. Selbstverlag, Hamburg 1911–1918.
  • Oberkommando der Wehrmacht (OKW): Vorschrift H.Dv. 362: Anleitung zum Gebrauch des Marschkompasses. (M.Ko.). 1940.
  • Heinz Balmer: Beiträge zur Geschichte der Erkenntnis des Erdmagnetismus. Sauerländer, Aarau 1956 (Veröffentlichungen der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 20).
  • Art Roeland Theo Jonkers: North By Northwest. Seafaring, Science and the Earth’s Magnetic Field (1600–1800). Cuvillier, Göttingen 2000, ISBN 90-90-13825-0 (Amsterdam, Vrije Univ., acad. Proefschrift, 2000).
  • Karl-Heinz Ludwig, Volker Schmidtchen: Metalle und Macht. 1000 bis 1600. Propyläen Ullstein, Berlin u. a. 1992, ISBN 3-549-05227-8 (Wolfgang König (Hrsg.): Propyläen Technikgeschichte. Band 2).
  • Uta Lindgren: Europäische Technik im Mittelalter 800–1400. Tradition und Innovation. Ein Handbuch. 3. Auflage. Gebr. Mann, Berlin 1998, ISBN 3-7861-1748-9.
  • Christian Rohr: Kompass, Papier und Schießpulver. (Memento vom 23. Oktober 2006 im Internet Archive) Salzburg 2003.
  • Amir D. Aczel: Der Kompass. Eine Erfindung verändert die Welt. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-498-00056-X.

Weblinks

Commons: Kompasse - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Kompass – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Belege

  1. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage, bearbeitet von Elmar Seebold. Walter de Gruyter, Berlin 2002. ISBN 3-11-017472-3. S. 515.
  2. Kompass. Abschnitt: Grammatik. In: Duden. Bibliographisches Institut, abgerufen am 14. Mai 2014.
  3. 3 - Artikel in Meyers Großes Konversations-Lexikon (1905)
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Karl-Heinz Ludwig, Volker Schmidtchen: Metalle und Macht. 1000 bis 1600. Propyläen Ullstein, Berlin / Frankfurt/Main 1992.
  5. Julius Klaproth: Lettre à M. le Baron A. von Humboldt sur l’invention de la Boussole. Deutsche Fassung: Arnim Wittstein, 1885.
  6. L. de Saussure: L’origine de la rose des vents et l’origine de la boussole. Genf 1923.
  7. Joseph Needham: Science and civilisation in China. Vol.4, Pt.3: Civil engineering and nautics. Cambridge Univ. Press, Cambridge 1971, ISBN 0-521-07060-0, S. 560 ff. (englisch).
  8. La Bible de Guyot; Quelle: Compassipedia/Kompassmuseum, Geschichte/Fachliteratur.
  9. Karl Heinrich Wiederkehr, Gudrun Wolfschmidt: Sterne weisen den Weg. Geschichte der Navigation. Books on Demand, Norderstedt 2009, S. 55 f.
  10. Barbara M. Kreutz: Mediterranean Contributions to the Medieval Mariner’s Compass. In: Technology and Culture, 14, 1973.
  11. Edmund O. von Lippmann: Geschichte der Kompassnadel bis zur Erfindung des Kompasses (gegen 1300). Verlag Julius Springer, Berlin 1932.
  12. Christian Rohr: Kompass, Papier und Schießpulver. Salzburg 2003.
  13. Uta Lindgren: Europäische Technik im Mittelalter 800–1400. Tradition und Innovation. Berlin: Gebr. Mann, 1998.
  14. Karl-Heinz Ludwig, Volker Schmidtchen: Propyläen Technikgeschichte. Metalle und Macht 1000–1600. Berlin 1997, ISBN 3-549-05633-8, S. 62–64.
  15. 15,0 15,1 Karl-Heinz Ludwig, Volker Schmidtchen: Propyläen Technikgeschichte. Metalle und Macht 1000–1600. Berlin 1997, ISBN 3-549-05633-8, S. 64.
  16. Funktionsindex Kompasse. Abschnitt Nadel mit Edelsteinlager. Firma Suunto; abgerufen 2014.
  17. Dr. Wolfgang Linke. Ersetzt GPS die Karte, Kompass und Höhenmesser?. Orientierung mit Karte, Kompass, GPS. Abgerufen am 26. August 2009.
  18. Magnetfeld
  19. Walter Würtl (bergundsteigen): 292° WNW: Der Kompass – unverzichtbares Auslaufmodell? (PDF) S. 3 f. Abgerufen am 24. Juli 2009. (PDF, 652 KiB).
  20. Magnetic declination. FAQ. (Memento vom 5. Februar 2009 im Internet Archive)
  21. Recta: Deklination und Inklination. Beschreibung des Recta-eigenen „Global System“. Abgerufen am 24. Juli 2009.
  22.  A. M. Popow: Начальная военная подготовка (учебник). DOSAAF, Moskau 1978, S. 219, OCLC 316895320 (Militärische Grundausbildung – ein Handbuch).
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Kompass aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.