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Joseph Schumpeter

Aus AnthroWiki
Joseph Schumpeter

Joseph Alois Schumpeter (* 8. Februar 1883 in Triesch, Mähren, österreichische Reichshälfte von Österreich-Ungarn; † 8. Januar 1950 in Taconic, Connecticut, USA) war ein österreichischer Nationalökonom und Politiker. Er nahm 1925 die deutsche und 1939 die US-Staatsbürgerschaft an.

In seinem Frühwerk Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (1911[1]) unternimmt er den Versuch, die wirtschaftliche Entwicklung des Kapitalismus zu erklären.[2] In seinem späten Opus Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942) geht er auch auf gesellschaftspolitische Implikationen ein. Mit seinen umfangreichen Werken gilt er als einer der herausragenden Ökonomen des 20. Jahrhunderts.

Leben und Wirken

Joseph Alois Schumpeter wurde als einziges Kind des katholischen, deutschmährischen Tuchfabrikanten Joseph Alois Karl Schumpeter (* 15. März 1855 in Triesch; † 14. Januar 1887 ebenda) und dessen Frau Johanna, geb. Grüner (* 9. Juni 1861 in Wiener Neustadt; † 22. Juni 1926 in Wien) in Triesch (Mähren) geboren, das damals zur westlichen Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte. Nach dem frühen Tod des Vaters zog der 5-Jährige mit seiner damals 27-jährigen Mutter 1888 nach Graz. Hier nahm ihn sein zukünftiger Stiefvater Sigismund von Kélersden, Feldmarschallleutnant der k.u.k. Armee, unter seine Fittiche.

Die Familie zog 1893 nach Wien, und Schumpeter wurde in das Theresianum aufgenommen. 1901 verließ er das Theresianum mit sehr gutem Abschluss und begann sofort an der Universität Wien Ökonomik zu studieren, was damals aber nur im Rahmen eines Rechtsstudiums möglich war. Schumpeter studierte bei Friedrich von Wieser und bei Eugen von Philippovich sowie ab 1904 bei Eugen Böhm von Bawerk. Er fand auch Kontakt zu Ludwig von Mises, Emil Lederer, Felix Somary, Otto Bauer und Rudolf Hilferding. In dieser Weise wurde er nicht nur mit dem Methodenstreit zwischen Carl Menger und Gustav von Schmoller vertraut, sondern auch mit der Böhm-Bawerk/Hilferding-Kontroverse über die Marxsche Wert- und Verteilungstheorie.

Im Sommer 1905 legte Schumpeter das juristische, Anfang 1906 das rechtshistorische und staatswissenschaftliche Rigorosum ab und promovierte im Februar 1906 zum Doktor der Rechte. Darauf besuchte er Schmollers Seminar in Berlin sowie ein Jahr lang als Forschungsstudent die London School of Economics und die Universitäten in Oxford und Cambridge. Ende 1907 heiratete er Gladys Ricarde Seaver, Tochter eines hohen Würdenträgers der Anglikanischen Kirche. Das Paar lebte allerdings laut Biograf Swedberg nach wenigen Monaten bestenfalls nebeneinander statt miteinander.

1907 praktizierte Schumpeter am Internationalen Gerichtshof in Kairo, wo er sein methodologisches Werk Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie schrieb, das 1908 herauskam. Er legte es im Oktober der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien als Habilitationsschrift vor und wurde 1909 zum Privatdozenten ernannt.

Gedenktafel in Czernowitz

Im darauffolgenden Herbst wurde er außerordentlicher Professor an der Universität von Czernowitz, damals Hauptstadt des österreichischen Kronlandes Bukowina, und verfasste dort die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung.

1911 kehrte er nach Graz zurück, und zwar als Ordinarius für Politische Ökonomie an der Karl-Franzens-Universität; er wurde damit jüngster Universitätsprofessor der Monarchie. Die Berufung nach Graz erfolgte gegen den erbitterten Widerstand von Richard Hildebrand (Sohn des bekannteren Bruno Hildebrand), der sich als Vertreter des Historismus gegen jedwede ökonomische Theorie wandte. Bereits zwei Jahre nach seiner Berufung ging Schumpeter für ein Jahr als Austauschprofessor an die Columbia-Universität in New York. Dort lernte er Irving Fisher, Frank W. Taussig und Wesley Clair Mitchell persönlich kennen. Seine Frau weigerte sich, mit ihm nach Graz zurückzukehren, woraufhin Schumpeter diese Ehe faktisch als beendet ansah. Im Studienjahr 1916/17 wurde er Dekan der Juristischen Fakultät in Graz.

Von 1916 an startete Schumpeter verschiedene politische Initiativen, den Weltkrieg zu beenden, unter anderem trat er an Kaiser Karl I. heran. Er warnte vor der Zollunion mit Deutschland und setzte sich vielmehr für die Aufrechterhaltung der multinationalen Monarchie ein, gerichtet gegen das Aufkommen der einzelnen Nationalismen. Im Winter 1918/19 wurde Schumpeter auf Vorschlag von Hilferding und Lederer in die von der deutschen Regierung eingerichtete Sozialisierungskommission berufen. Unter der Leitung von Karl Kautsky wurde vor allem die Frage beraten, ob die deutsche Kohlenindustrie als erster Industriezweig sozialisiert werden sollte. Der auch von Schumpeter mitgetragene Ergebnisbericht vom Februar 1919 sprach sich dafür aus. Seine Studie Die Krise des Steuerstaates (1918) beschäftigte sich mit der Sanierung der Staatsfinanzen angesichts der Kriegsschulden.

Am 15. März 1919 wurde er, obwohl parteipolitisch ungebunden, Staatssekretär der Finanzen in der Staatsregierung Renner II. Er geriet schnell in Streit mit beiden Koalitionsparteien, den Sozialdemokraten und den Christlichsozialen, aber auch mit seinem früheren Studienkollegen Otto Bauer, nunmehr Staatssekretär des Äußern, vor allem über die Frage des Anschlusses an Deutschland oder den Verkauf der Alpine Montan AG an Fiat. Am 17. Oktober 1919 wurde die Regierung auf Entscheidung der Nationalversammlung vom Kabinett Renner III abgelöst, dem Schumpeter nicht mehr angehörte.

Eine Ende 1919 zeitweise erwogene Berufung an die Universität München zerschlug sich wegen der kontroversen Einschätzung seiner Person, wobei zahlreiche Vorwürfe gegen sein persönliches Auftreten und seine Haltung in den politischen Auseinandersetzungen eine Rolle spielten.[3] 1921 beantragte Schumpeter in Graz die Enthebung vom Lehramt und wurde Präsident der „Biedermann & Co. Bankaktiengesellschaft“[4]. Er nahm Kredite auf, legte die Gelder an und pflegte in Wien einen aufwändigen, mondänen Lebensstil. Die Wirtschaftskrise 1924 setzte dem jedoch ein jähes Ende; er verlor sein Vermögen sowie seinen Posten. In dieser desaströsen Lage gelang es Arthur Spiethoff, mittlerweile Professor an der Universität Bonn, Schumpeter im Oktober 1925 für den dortigen Lehrstuhl für wirtschaftliche Staatswissenschaft zu gewinnen. Zu den Schülern der Bonner Zeit gehören Hans Wolfgang Singer, Cläre Tisch, Wolfgang F. Stolper, Herbert Zassenhaus und August Lösch. 1925 heiratete er die zwanzig Jahre jüngere Anna Josefina Reisinger, Tochter des Hausmeisters im Hause seiner Mutter. Am 3. August 1926 starb sie bei der Geburt ihres ersten Kindes; auch das Kind überlebte die Geburt nicht. Im Juni war bereits seine Mutter verstorben. Von diesen Schicksalsschlägen sollte sich Schumpeter nicht wieder ganz erholen. Er stürzte sich in die wissenschaftliche Arbeit und brachte 1926 eine zweite, überarbeitete Fassung der Theorie heraus. Seine teilweise neu akzentuierte Position machte er auch im Aufsatz The Instability of Capitalism deutlich (The Economic Journal, 1928). Der Wettbewerbskapitalismus mit der Gestalt des Unternehmers werde immer mehr durch einen vertrusteten Kapitalismus ersetzt, in der es weniger auf die Persönlichkeit und Initiative des Unternehmers ankomme. In der Presidential Address vor der American Economic Association 1949 spricht er von einem „Marsch in den Sozialismus“. Im Gegensatz zu der bekannten marxschen Prognose versteht er darunter jedoch eher einen schleichenden Prozess, den er politisch mitnichten begrüßt.[5] Das geplante Werk über Geldtheorie vollendete er nicht mehr, nachdem Keynes 1930 den Treatise on Money veröffentlicht hatte. Vom Herbst 1927 bis Frühjahr 1928 und gegen Ende 1930 war er Gastprofessor am Department of Economics der Harvard University. Zusammen mit Ragnar Frisch wurde er zum Mitbegründer der Econometric Society; er gehörte mehrere Jahre lang deren Vorstand an und war 1940/41 deren Präsident. Auf der Rückreise nach Deutschland hielt er in Japan mehrere Vorträge. Nach der Rückkehr interessierte sich Schumpeter für einen Lehrstuhl in Berlin in Nachfolge von Werner Sombart, auf den jedoch Emil Lederer berufen wurde.

Er nahm 1932 einen Ruf zur Harvard-Universität an und siedelte im September in die USA über, wo er im Hause von Taussig wohnte, bis er Sommer 1937 Elizabeth Boody Firuski heiratete. 1933 wurde Schumpeter in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Seinen Erfolg als Lehrer begründeten Schüler wie Paul A. Samuelson, James Tobin, Richard Musgrave, Abram Bergson, Richard M. Goodwin, Erich Schneider, Paul Sweezy, Eduard März und John Kenneth Galbraith. Auf seine Anregung hin wurde eine Vorlesung in „Mathematischer Wirtschaftstheorie“ eingeführt, die er selber hielt, bis sie von Wassily Leontief übernommen wurde. Der neuerliche Ruhm, den Keynes nach Veröffentlichung von The General Theory of Employment, Interest and Money 1936 auch in Harvard einheimste, wurde von Schumpeter überhaupt nicht geteilt, was in seiner missgünstigen Rezension offen zum Ausdruck kam.

1939 legte er die zweibändige Analyse der Business Cycles vor, worin Schumpeter seine Auffassung des kapitalistischen Wirtschaftsprozesses neu darlegte, insbesondere das Zusammenspiel der sich überlagernden Zyklen. Letztere Auffassung wurde von Simon Kuznets 1940 einer starken Kritik unterworfen. Daraufhin überlegte er, nach Yale zu gehen, aber wurde schließlich zum Bleiben an der Harvard bewogen. Kernpunkt seiner 1942 publizierten Arbeit Capitalism, Socialism and Democracy (dt.: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie) ist eine Theorie der Demokratie, die ökonomische Denkmuster bei der Analyse des politischen Prozesses verwendet. Diese Idee wird später in der „Neuen politischen Ökonomie“ bzw. „Ökonomischen Theorie der Politik“ (Anthony Downs) weitergeführt und gilt als eine der Grundlagen zum demokratischen Sozialismus.

Während der Kriegsjahre verschlechterte sich Schumpeters Gesundheitszustand; er wurde zunehmend pflegebedürftig. Es häuften sich von seiner Seite ausfällige Bemerkungen gegen Keynes und rassistische Äußerungen. Dennoch stand er 1948 der American Economic Association als gewählter Präsident vor[6] und begann noch ein monumentales Werk, seine Geschichte der ökonomischen Analyse, die unvollendet geblieben ist. Dieses konnte erst nach seinem Tode von seiner Witwe 1954 herausgegeben werden. Schumpeter starb am 8. Januar 1950 an einem Schlaganfall.

Werke

Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie

Mit diesem 1908 erschienenen, als Habilitationsschrift eingereichten Werk schuf sich Schumpeter schlagartig einen Namen in der deutschsprachigen Wirtschaftswissenschaft.[7] Einige der darin vertretenen Thesen finden sich bereits in dem 1906 erschienenen Aufsatz „Über die mathematische Methode der theoretischen Ökonomie“. Er spricht sich in Anlehnung an Stanley Jevons (Theory of Political Economy) und Léon Walras für eine „reine Ökonomie“ aus, die als eine exakte Wissenschaft ihre Urteile in Form von mathematischen Gleichungen darstelle. Im Anschluss an den Methodenstreit zwischen Carl Menger und Schmoller plädiert Schumpeter für ein Sowohl-als-auch. Für die reine Theorie hält er jedoch einen „methodologischen Individualismus“ für unverzichtbar, was er instrumentalistisch begründet. Ein Vorläufer in beiden Ansätzen war schon Heinrich Dietzel. Die reine Theorie müsse nur solche Annahmen einführen, die für ihre Ziele unumgänglich seien. Psychologische oder soziologische Annahmen gehörten nicht dazu, womit die Autonomie der reinen Theorie gewährleistet sei.

Die instrumentalistische Behandlung irrealer Modell- bzw. Verhaltensannahmen sowie die Abschottung der reinen Theorie von anderen Sozialwissenschaften sind zwar heftig kritisiert worden, haben aber nichtsdestoweniger zahlreiche Nachfolger gefunden.

Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung

1911 erschien dieses Werk, die zweite – stark überarbeitete – Auflage erschien 1926. Übersetzungen ins Italienische, Englische, Französische, Japanische und Spanische folgten.[8] Die Kreislaufbetrachtung der Wirtschaft beginnt er damit, dass er (ähnlich wie schon François Quesnay und Karl Marx) vorerst eine stationäre Ökonomie unterstellt, die er aber im Sinne der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts von Walras analysiert. Hier gebe es indessen keinen Gewinn (und keine „Unternehmer“), sondern nur Löhne und Grundrenten. Schumpeter versuchte, von dieser stationären Betrachtung ausgehend eine Theorie der wirtschaftlichen Dynamik aufzustellen, die (ähnlich wie zuvor Marx’ Akkumulations- und Zusammenbruchstheorie) wirtschaftliche Entwicklung(en) erklären konnte. Schumpeter nahm in dieser Passage seines Buches keinen ausführlichen Theorievergleich vor.

Schumpeter begründete in seiner Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (1911) Pionierleistungen nicht vorwiegend mit ökonomischem Eigennutz, sondern mit psychologischen Motiven, zu denen auch die „Freude am Gestalten“[9] zählt. Schumpeter zufolge wird ein innovativer Unternehmer durch seine Innovation zu einem Monopolisten – so lange, bis Nachahmer auftreten (oder seine Innovation durch andere Entwicklungen verblasst). Schumpeter erkannte damit das Wechselspiel aus Innovation und Imitation als Triebkraft des Wettbewerbs. Es bildet die Grundlage für eine Reihe von Konjunkturmodellen.[10] Die Begriffe schöpferische Zerstörung und kreative Zerstörung sind in der Makroökonomie bis heute bekannt – meist unter dem Begriff der disruptiven Innovation.[11]

Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte

Der gerade 30-jährige Schumpeter wurde 1914 von Max Weber dazu eingeladen, einen Beitrag zu den Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte für den Grundriss der Sozialökonomik zu schreiben. Nach Schumpeter beginnt die Entwicklung der Sozialökonomik zur Wissenschaft mit den antiken Autoren und wird fortgesetzt über die Scholastik bis hin zum Merkantilismus. Wie Marx sieht er den maßgeblichen Einfluss von Francois Quesnay und William Petty und verwendet den Begriff „Vulgärökonomie“, allerdings bezogen auf einige Autoren des Merkantilismus. Adam Smiths Bedeutung sieht Schumpeter eher als gering an: Smith sei im Wesentlichen Systematisierer von Ideen gewesen, die andere schon vor ihm gehabt hätten. In Gegensatz zur Darstellung Alfred Marshalls ist für Schumpeter die klassische Nationalökonomie ein eigenständiger Theorieansatz, die in David Ricardo kulminiere, und nicht bloß ein grobschlächtiger Vorläufer der neoklassischen Theorie.

Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie

Schumpeter hat folgende zentrale Beiträge geliefert:

  • Neuprägung der Begriffe „Innovation“ und „Innovator“ sowie Ausarbeitung ihres Stellenwertes für lange Wellen in der ökonomischen Entwicklung, denen er die Bezeichnung Kondratjew-Zyklus gab.
  • Gedanken zum Wesen und zur Motivationsgrundlage des Unternehmers: er unterscheidet Arbitrage-Unternehmer oder „Wirte“ von „schöpferischen Unternehmern“.
  • Intensive Auseinandersetzung mit den Themen Kapitalismus und Sozialismus. Schumpeter hielt den Kapitalismus für nicht überlebensfähig.[12] Er sah ihn aber – im Gegensatz zu Karl Marx – nicht primär durch seine Widersacher, das Proletariat, gefährdet, sondern durch die auf ihn selbst zurückwirkenden Konsequenzen seines Erfolgs, insbesondere durch das Veralten der Unternehmerfunktion, die Zerstörung der ihn schützenden gesellschaftlichen Schichten und die wachsende Ablehnung der Intellektuellen gegenüber dem Kapitalismus.
  • Eine wichtige These Schumpeters war die Unterscheidung zwischen Kapitalist und Unternehmer (Entrepreneur). Unternehmer zeichnen sich seiner Meinung nach dadurch aus, dass sie ihre wirtschaftliche Position ständig durch Innovationen verbessern wollen. Demnach ist es der Unternehmergeist, welcher Innovationen erzeugt und damit Wirtschaftswachstum und sozialen Wandel vorantreibt. Der Zusammenhang zwischen Innovationstätigkeit und Diffusion der Innovationen bleibt aber bei Schumpeter ungeklärt.

Geschichte der ökonomischen Analyse

Schumpeters unabgeschlossen hinterlassene, von seiner Witwe posthum herausgegebene Theoriegeschichte gilt heute als wichtiges Referenzwerk.[13]

Rezeption

Durch sein 1942 erschienenes Buch Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie wirkte Schumpeter weit in die Politikwissenschaft (Demokratietheorie) und die Soziologie hinein, dort früh auch besonders auf die Finanzsoziologie. Es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt; der dort thematisierte Begriff der schöpferischen Zerstörung wird häufig ihm zugeschrieben.

In seinem Beitrag zur Imperialismus-Diskussion verstand er im Gegensatz zu Lenin den Imperialismus nicht als aggressive Suche der Industrie- und Bankmonopole nach neuen Märkten, sondern als Ausdruck von letztlich irrationalem, meist innenpolitisch motiviertem und benutztem Chauvinismus der Oberschichten.

Es wird angenommen, dass John Kenneth Galbraith in seiner Arbeit The New Industrial State von Schumpeters Sichtweisen der Kooperation beeinflusst wurde. Ferner wird ein Einfluss Schumpeters auf den Entwicklungsökonomen Ragnar Nurkse diskutiert.[14]

Im späten 20. Jahrhundert wurden Schumpeters Ideen in einigen Wachstumstheorien wieder aufgegriffen (Neo-Schumpeterianer).[15]

Auch die besondere Beachtung der Start-up-Unternehmen für den Strukturwandel hat Schumpetersche Wurzeln.[16]

Werke

  • Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie. 1908, Duncker und Humblot, Berlin. (34. Ausg.). Verlag Wirtschaft und Finanzen, Düsseldorf 1991, ISBN 3-428-02318-8, Digitalisat online.
  • Wie studiert man Sozialwissenschaft. 1910.
  • Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus. 1911.
  • Zur Soziologie der Imperialismen. 1919.
  • Business Cycles. 1939. (deutsch: Konjunkturzyklen. 1961)
  • Capitalism, Socialism, and Democracy. 1942. (deutsch: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. übersetzt von Susanne Preiswerk. 3. Auflage. 1972, ISBN 3-7720-0917-4)
  • Aufsätze zur Soziologie. 1953.
  • History of Economic Analysis. 1954. (deutsch: Geschichte der ökonomischen Analyse. 2 Bände. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-10526-9)
  • Briefe. hrg. von Ulrich Hedtke, Richard Swedberg. Tübingen 2000, ISBN 3-16-147254-3.

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Heinrich Bass: J. A. Schumpeter. Gedanken für das 21. Jahrhundert. In: Das Wirtschaftsstudium (WISU). 28. Jg., Heft 4 (April 1999), S. 486–492.
  • Harald Hagemann: Schumpeter, Joseph Alois. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 755 f. (noch nicht online verfügbar).
  • Gerd Hardach: Joseph Alois Schumpeter. In: Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Historiker. Band VI, Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1980, ISBN 3-525-33443-5, S. 55–68.
  • Ulrich Hedtke: „Pereat Schumpeter!“ Schumpeters akademische Konflikte. In: Erhard Crome, Udo Tietz (Hrsg.): Dialektik – Arbeit – Gesellschaft. Festschrift für Peter Ruben. Potsdam 2013, ISBN 978-3-941880-73-3, S. 96–114.
  •  Heinz D. Kurz: Joseph A. Schumpeter. Ein Sozialökonom zwischen Marx und Walras (= Ökonomische Essays. 12). Metropolis-Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-89518-508-6.
  •  Thomas K. McCraw: Joseph A. Schumpeter. Eine Biografie. Murmann-Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-86774-037-1.
  • Panayotis Michaelides, John Milios: Did Hilferding Influence Schumpeter? In: History of Economics Review. 41, 2005, S. 98–125. online (PDF; 159 kB)
  •  Annette Schäfer: Die Kraft der schöpferischen Zerstörung. Joseph A. Schumpeter – die Biografie. Campus, Frankfurt am Main u. a. 2008, ISBN 978-3-593-38490-0. (Biographie).
  • Ch. Seidl: Schumpeter Joseph Alois. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 11. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1999, ISBN 3-7001-2803-7, S. 369–371 (Direktlinks auf S. 369, S. 370, S. 371).
  •  Richard Swedberg: Joseph A. Schumpeter. Eine Biographie. Klett-Cotta, Stuttgart 1994, ISBN 3-608-91378-5.
  • Richard Swedberg: Joseph A. Schumpeter and the Tradition of Economic Sociology. In: Journal of Institutional and Theoretical Economics (JITE). 145, 1989, 3, ISSN 0932-4569, S. 508–524.

Weblinks

Commons: Joseph Schumpeter – Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Harald Hagemann: Schumpeter, Joseph Alois. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, S. 755 f. (noch nicht online verfügbar).
  2. Heinz D. Kurz: Joseph A. Schumpeter. Ein Sozialökonom zwischen Marx und Walras. Metropolis-Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-89518-508-6, S. 11 f.
  3. Vgl. Max Weber: Briefe 1918–1920. Hrsg. von Gerd Krumeich und M. Rainer Lepsius (Max Weber Gesamtausgabe. Band II/10. Teilband 2, Tübingen 2012, S. 918–920 und öfter.)
  4. Die „Biedermann & Co. Bankaktiengesellschaft“ entstand 1921 aus der Umwandlung der 1808 von Michael Lazar Biedermann gegründeten Privatbank „M.L. Biedermann & Comp.“ in eine Aktiengesellschaft. Treibende Kraft dieser Umwandlung war Joseph Schumpeter, der es verstand in- und ausländische Aktionäre für die neue Bankaktiengesellschaft zu gewinnen. Die Gründerfamilie Biedermann hatte zu diesem Zeitpunkt mit der Bank nichts mehr zu tun.
  5. Heinz D. Kurz: Joseph A. Schumpeter. Ein Sozialökonom zwischen Marx und Walras. Metropolis-Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-89518-508-6, S. 24 f., S. 11, Anm. 1.
  6. Past and Present Officers. aeaweb.org (American Economic Association), abgerufen am 31. Oktober 2015 (english).
  7. Heinz D. Kurz: Joseph A. Schumpeter. Ein Sozialökonom zwischen Marx und Walras. Metropolis-Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-89518-508-6, S. 33–41.
  8. Heinz D. Kurz: Joseph A. Schumpeter. Ein Sozialökonom zwischen Marx und Walras. Metropolis-Verlag, Marburg 2005, ISBN 3-89518-508-6, S. 41–53.
  9. Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 1997 (1911), S. 138.
  10. Frank Schohl: Die markttheoretische Erklärung der Konjunktur. Tübingen 1999; G. Haag, W. Weidlich, G. Mensch (1987): The Schumpeter Clock. In: D. Batten, J. Casti, B. Johansson (Hrsg.): Economic Evolution and Structural Adjustment. Berlin S. 187–226.; Wolfgang Weidlich, Günter Haag: Concepts and Models of a Quantitative Sociology – The Dynamics of Interacting Populations. Berlin, Heidelberg, New York 1983. Chapter 5 „Non-Equilibrium Theory of Investment: ‚The Schumpeter Clock‘
  11. Clayton M. Christensen: The Innovator’s Dilemma. New York 2011, S. 10.
  12.  Joseph Schumpeter: Capitalism, Socialism and Democracy. 1942 (Zitat:„Can capitalism survive? No. I do not think it can.“)., sowie: „… capitalist order tends to destroy itself and … socialism is … a likely heir“, „My final conclusion therefore does not differ … from that of all Marxists.“ Zitiert bei Alfred Müller: Die Marxsche Konjunkturtheorie – Eine überakkumulationstheoretische Interpretation. PapyRossa, Köln 2009 (Dissertation 1983), S. 338.
  13. Vgl. Alexander Ebner, Einführung zur Neuausgabe 2007
  14. Hans-Heinrich Bass: Ragnar Nurkse's Development Theory: Influences and Perceptions. In: R. Kattel, J. A. Kregel, E. S. Reinert (Hrsg.): Ragnar Nurkse (1907–2007). Classical Development Economics and its Relevance for Today. London: Anthem Press, S. 183–202. (PDF; 94 kB)
  15. Vgl. z. B. Bernhard Dietz: Die Macht der inneren Verhältnisse: historisch-vergleichende Entwicklungsforschung am Beispiel der "keltischen Peripherie" der Britischen Inseln (dfg.de), S. 74 ff. (online)
  16. Hans-Heinrich Bass: KMU in der deutschen Volkswirtschaft: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft (Memento vom 15. Dezember 2017 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis) (pdf), Berichte aus dem Weltwirtschaftlichen Colloquium der Universität Bremen, Nr. 101, Bremen 2006
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