Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen

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Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen (hebr. ההיסטוריה של המחר) ist ein Sachbuch von Yuval Noah Harari, Professor für Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. Es ist 2015 in Israel in hebräischer Sprache erschienen. Die vom Autor selbst übersetzte englische Fassung mit dem Titel Homo Deus: A Brief History of Tomorrow kam 2016 auf den Markt, die deutsche Übersetzung folgte 2017.

Das Werk befasst sich mit den Fähigkeiten, die der Mensch im Laufe seiner Evolution erworben hat, und mit seiner Entwicklung zur dominierenden Spezies auf der Erde. Harari versucht anhand der aktuellen Fähigkeiten und Errungenschaften der Menschheit ein dystopisches Bild der Zukunft zu zeichnen und erörtert philosophische Fragen bezüglich Humanismus, Individualismus, Transhumanismus und Sterblichkeit. Er hält die Entstehung eines uns überlegenen Menschentypus für möglich, den er „Homo Deus“ nennt. Dabei nimmt er nicht nur auf den Kulturraum der Westlichen Welt Bezug, sondern auch auf andere regionale Kulturräume und deren Epochen.

Zusammenfassung

Einleitung und Kapitel 1: Die neue menschliche Agenda

Der Autor versucht zunächst die Frage zu beantworten, was die wichtigsten Ziele der Menschheit zu Beginn des dritten Jahrtausends sein könnten. Erstmals in der Geschichte muss sich ein Großteil der Menschen nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie sie Hunger, Krankheit und Krieg überleben sollen. Weit mehr Menschen sterben heute an Fettleibigkeit, Altersschwäche oder an nicht ansteckenden Krankheiten wie Krebs und Herzleiden. So erfreulich dieses Ergebnis ist, lehrt uns die Geschichte, dass sich die Menschheit mit dem Erreichten nicht zufriedengibt. Sie wird neue ehrgeizige Ziele verfolgen. Diese sind nach Auffassung von Harari das Streben nach Unsterblichkeit (zumindest nach einer deutlichen Verlängerung der Lebenserwartung), nach Glück (das aber von höchst subjektiven Erwartungen und von der Biochemie ausgelösten körperlichen Empfindungen gesteuert wird) und nach Gottgleichheit (nicht im Sinne von Omnipotenz, sondern der Beherrschung neuartiger komplexer Fähigkeiten mittels Technik). Diese Wünsche werden durch den Kapitalismus getriggert, der „grenzenlose Projekte“ benötigt und ohne Wachstum zusammenbrechen würde.[1] Allerdings werden sich nicht alle Menschen an diesen Projekten beteiligen, und deren Erfolg ist unsicher. Die Welt befindet sich auch erstmals an einen Punkt, wo sie innerhalb kurzer Zeit zusammenbrechen könnte.

Teil 1: Homo sapiens erobert die Welt

  • Kapitel 2. Das Anthropozän: Im Verlauf der letzten 70.000 Jahre wurde der Homo sapiens zur wichtigsten Kraft, die die weltweite Ökologie in einer beispiellosen Radikalität verändert hat, die der Wirkung der Eiszeiten entspricht. Dank seiner Intelligenz hat er die Grenzen der Ökozonen überwunden, die Tiere unterjocht und durch den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn sich selbst zum Herrscher des Globus ernannt.
  • Kapitel 3. Der menschliche Funke: Die Überlegenheit des Menschen beruht nicht allein auf seiner Intelligenz, sondern auf seiner Fähigkeit, mit unzähligen, auch fremden Menschen flexibel zu kooperieren und insbesondere auf der Schaffung von fiktionalen Instanzen wie z. B. Geld, Götter, Nationen, Weltanschauungen, Gesetze etc. Harari bezeichnet diese Instanzen als Intersubjektivität, die neben Objektivität und Subjektivität eine dritte Kategorie darstellen.

Teil 2: Homo sapiens gibt der Welt einen Sinn

  • Kapitel 4. Die Geschichtenerzähler: Fiktionen versetzten uns in die Lage, mit Dritten besser zu kooperieren. Im 21. Jahrhundert werden wir in der Lage sein, mit Hilfe von Biotechnologie und Computeralgorithmen noch mächtigere Fiktionen zu schaffen. Sie können unser Dasein kontrollieren, darüber hinaus unseren Körper, unser Gehirn und unseren Geist verändern und sie können neue virtuelle Welten schaffen.
  • Kapitel 5. Das seltsame Paar: Religion und Wissenschaft gehören beide in den Bereich der Intersubjektivität, sie stehen nicht im völligen Gegensatz zueinander. Religion liefert die moralische Rechtfertigung, ihr geht es um Ordnung. Der Wissenschaft geht es bei der Suche nach Wahrheit in letzter Konsequenz um Macht.
  • Kapitel 6. Der moderne Pakt: In den meisten Kulturen glaubten die Menschen bisher, sie würden eine Rolle in irgendeinem groß angelegten kosmischen Plan spielen. Das moderne Denken heute verzichtet auf Sinn, es besteht aus einem Pakt zwischen Wissenschaft und Humanismus. Die Folge ist ein ständiges Streben nach Macht in einem Universum ohne Sinn, wobei wirtschaftliches Wachstum der entscheidende Motor ist.
  • Kapitel 7. Die humanistische Revolution: Anstelle von Religionen, die eine höhere Macht verehren, ist heute die humanistische Weltanschauung das dominierende Glaubensbekenntnis. Unser freier Wille als Individuum bzw. als Gemeinschaft ist die oberste Autorität. Wir vertrauen unseren eigenen Gefühlen, Wünschen, Erfahrungen und Gedanken. Daraus formen wir unsere ethischen Wertvorstellungen. Den Humanismus gibt es in drei unterschiedlichen Ausprägungen: den Sozialismus/Kommunismus, den Liberalismus oder den Evolutionismus/Nationalsozialismus. Deren jeweilige Bedeutung hat sich im Zeitablauf und abhängig von technischen Entwicklungen verändert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Liberalismus dominierend, der die Realisierung der im 1. Kapitel genannten Ziele anstrebt. Das kann sich bei weiteren technischen Veränderungen auch wieder ändern: Es können posthumanistische Technologien entstehen, die die erreichten Freiheiten wieder gefährden.

Teil 3: Homo sapiens verliert die Kontrolle

  • Kapitel 8. Die Zeitbombe im Labor: Die heutigen Neurowissenschaften zeigen uns, dass menschliche Gedanken und Handlungen das Ergebnis von elektro-chemischen Prozessen im Gehirn sind. Diese Erkenntnisse führen zu der Schlussfolgerung, dass das Bild von der freien Entscheidung des Individuums ein Trugschluss ist.
  • Kapitel 9. Die große Entkopplung: Wir sind heute dabei, Maschinen mit neuen Formen der Intelligenz zu entwickeln, die anders als der Mensch nicht durch ein Bewusstsein beeinflusst sind. Die Maschinen werden in der Lage sein, uns zu übertreffen. Der Mensch wird dadurch ersetzbar. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass organische Algorithmen Dinge tun können, die nicht-organische Algorithmen niemals besser könnten. Schließlich können die neuen Technologien des 21. Jahrhunderts das Individuum seiner Macht berauben und stattdessen nicht-menschliche Algorithmen damit betrauen. Die Folge wäre eine Masse nutzloser Menschen und eine kleine Elite optimierter Übermenschen.
  • Kapitel 10. Der Ozean des Bewusstseins: Die neuen technischen Möglichkeiten werden uns Wege zur Optimierung von Körper, Gehirn und Geist eröffnen. Sie werden uns den Zugang zu neuen Bewusstseinszuständen ermöglichen. Der im Humanismus geheiligte menschliche Wille kann manipuliert werden, dies macht ihn als höchste Autorität fragwürdig.
  • Kapitel 11. Die Datenreligion: Harari führt aus, dass man das Universum als Datenströme verstehen kann, die mittels Algorithmen verknüpft sind. Im Kern geht es um die Sammlung und Analyse von Informationen. Die menschliche Vorstellungskraft ist lediglich das Produkt biochemischer Algorithmen. Das homozentrische Weltbild des Humanismus wird durch eine datazentrische Weltsicht ersetzt. Bewusste Intelligenz wird durch überlegene nicht-bewusste Algorithmen ersetzt.

Das Buch schließt mit der Frage: „Was wird aus unserer Gesellschaft, unserer Politik und unserem Alltagsleben, wenn nicht-bewusste, aber hochintelligente Algorithmen uns besser kennen als wir uns selbst?“

Rezeption

Im September 2018, zwei Jahre nach dem Erscheinen der englischen Fassung, gab es von dem Buch bereits 24 Übersetzungen auf dem Weltmarkt. Das Time-Magazine listet „Homo Deus“ als eines der zehn besten Sachbücher des Jahres 2017.[2] Auch in Deutschland konnte es sich nach seinem Erscheinen Anfang 2017 ab März auf der Spiegel-Bestsellerliste platzieren, erreichte im April den 2. Platz und war bis zum Ende des Jahres immer unter den Top 20 dieser Auflistung zu finden, womit es eines der erfolgreichsten Sachbücher dieses Jahres wurde.[3]

Das Werk hat eine große Beachtung in den Medien weltweit erzielt. Rezensionen erschienen u. a. in: Die Zeit,[4] Der Tagesspiegel,[5] Der Spiegel,[6] New York Times,[7][8] und The Guardian.[9] Dabei sieht es Adriane Lobe in der Zeit als ein Weckruf für die Menschheit, um den Kontrollverlust an die Technik zu verhindern. Ähnlich wird das Buch auch bei der internationalen Presse analysiert – so beschreibt Tim Adams im Guardian eine Auseinandersetzung zwischen Intelligenz und Bewusstsein, welche über den Verlust des Menschen an die Maschinen entscheidet und Jennifer Senior in der New York Times hofft, dass man noch rechtzeitig den Reset-Knopf findet, um ein dargestelltes Szenario wie in der Fernsehserie Westworld zu verhindern. Im Tagesspiegel verweist Wolfgang Schneider darauf, dass der Autor seine Plauderei über das Auslaufmodell Mensch selbst als Denkmöglichkeit bezeichnet. Dabei wird ihm auch der Abgesang auf Seele, Freier Wille und Individualismus mit zu viel Lust an der Pointe vorgeworfen. Im Deutschlandfunk bescheinigt Susanne Billig dem Autor eine stilistisch fulminante, interdisziplinär mutige Prognose, ihr fehlt jedoch bei der Darstellung des durch Technologie erzeugten gottgleichen Menschen die Option des Zweifels.[10] Claudia Mäder in der Neue Zürcher Zeitung findet die Propagierung des Transhumanismus und die Überwindung der liberal-humanistischen Grundordnung zu dramatisierend, da sie eine so exakte Vorhersage der Zukunft für nicht möglich hält.[11]

Auf der Grundlage einer mehrmonatigen Analyse hat das Institut für Wirtschaftsinformatik & Gesellschaft an der WU Wien eine umfangreiche Kritik veröffentlicht:.[12] „Harari überschätzt Technik. Er propagiert ein reduktionistisches Menschenbild. Er beschreibt eine Verpflichtung, sich technisch zu optimieren. Und er stellt seine Geschichte als unausweichlich dar, obwohl er doch gerade als Historiker wissen müsste, dass Geschichte nie streng kausal verläuft und es oft anders kam als gedacht.“[13] Das Buch sei kein Sachbuch, es gehöre in die Rubrik Belletristik.[13]

Ausgaben

Englische Ausgaben

  • Homo Deus: A Brief History of Tomorrow. Aus dem Hebräischen von Yuval Noah Harari. Harper, New York 2017, ISBN 9780062464316.
  • Homo deus: a brief history of tomorrow. Aus dem Hebräischen von Harvill Secker, London 2015, ISBN 978-191-070-187-4.

Deutsche Ausgaben

  • Homo deus: eine Geschichte von Morgen. Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. C.H.Beck, München 2017 (1. Auflage) bis 2018 (2. Auflage), ISBN 978-3-406-70401-7.

Hörbücher

  • Homo deus: eine Geschichte von Morgen. Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. Der HörVerlag, Hamburg 2017, ISBN 978-3-8445-3849-6. (Hörbuch, gelesen von Jürgen Holdorf)

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dt. Ausgabe, S. 86.
  2. Claire Howorth (21. November 2017). The Top 10 Non-Fiction Books of 2017 (EN). Time Magazine. Abgerufen am 21. Oktober 2018.
  3. Bestseller 2017: Die meistverkauften Sachbücher des Jahres. Spiegel (31. Dezember 2017). Abgerufen am 25. November 2019.
  4. Adrian Lobe (10. April 2017). Homo Deus - Ist die Menschheit bald am Ende.... Zeit Online. Abgerufen am 21. Oktober 2018.
  5. Wolfgang Schneider (16. April 2017). Abschied von der Seele. Der Tagesspiegel. Abgerufen am 21. Oktober 2018.
  6. Computer regieren. Der Spiegel 9/2017. Abgerufen am 21. Oktober 2018.
  7. Jennifer Senior: Review: ‘Homo Deus’ Foresees a Godlike Future. (Ignore the Techno-Overlords.) (EN). In: The New York Times, 15. Februar 2017. Abgerufen am 5. Oktober 2018. 
  8. Siddhartha Mukherjee: The Future of Humans? One Forecaster Calls for Obsolescence (EN). In: The New York Times, 13. März 2017. Abgerufen am 5. Oktober 2018. 
  9. Tim Adams: Homo Deus: A Brief History of Tomorrow by Yuval Noah Harari review – chilling (EN). In: The Guardian, 11. September 2016. Abgerufen am 22. Oktober 2018. 
  10. Susanne Billig: Warum der Mensch sein eigener Gott ist. In: Deutschlandfunk, 21. Februar 2017. Abgerufen am 1. Dezember 2019. 
  11. Claudia Mäder: Zurück in die Zukunft. In: Neue Zürcher Zeitung, 25. Februar 2017. Abgerufen am 1. Dezember 2019. 
  12. The Harari Project. In: Institut für Wirtschaftsinformatik & Gesellschaft an der WU Wien. Abgerufen am 11. November 2022.
  13. 13,0 13,1 Sarah Spiekermann: Fragwürdig frei. In: Süddeutsche Zeitung. 8. November 2022, abgerufen am 11. November 2022.
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