Ewiges Evangelium

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Das Ewige Evangelium (lat. Evangelium æternum; ital.Vangelo eterno) wird nach der Apokalypse des Johannes verkündet, wenn die Stunde des Gerichts gekommen ist und sich die 144.000 Geretteten versammelt haben, die das Zeichen des Lamms und des Vaters auf ihrer Stirn tragen. Die aber das zweigehörnte Tier anbeten, dessen Zahl 666 ist, und dessen Zeichen auf ihrer Hand oder auf ihrer Stirn tragen, werden dem Zorn Gottes verfallen.

„6 Und ich sah einen andern Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden wohnen, allen Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern. 7 Und er sprach mit großer Stimme: Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre; denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen! Und betet an den, der gemacht hat Himmel und Erde und Meer und die Wasserquellen! 8 Und ein zweiter Engel folgte, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die Große; denn sie hat mit dem Zorneswein ihrer Hurerei getränkt alle Völker. 9 Und ein dritter Engel folgte ihnen und sprach mit großer Stimme: Wenn jemand das Tier anbetet und sein Bild und nimmt das Zeichen an seine Stirn oder an seine Hand, 10 der wird von dem Wein des Zornes Gottes trinken, der unvermischt eingeschenkt ist in den Kelch seines Zorns, und er wird gequält werden mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm. 11 Und der Rauch von ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht, die das Tier anbeten und sein Bild und wer das Zeichen seines Namens annimmt. 12 Hier ist die Geduld der Heiligen, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesus! 13 Und ich hörte eine Stimme vom Himmel zu mir sagen: Schreibe: Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja, der Geist spricht, dass sie ruhen von ihren Mühen; denn ihre Werke folgen ihnen nach.“

Joachim von Fiore († 1202) deutete den historischen Ablauf des Alten und des Neuen Testaments in seiner Schrift Concordia novi et veteris Testamenti im heilsgeschichtlichen Sinn, indem er ihn in drei Zeitalter gliederte, welche er mit der Trinität in Verbindung bringt: Die Zeit des Vaters, die das Altes Testament umfasst, die Zeit des Sohnes, die mit dem Neuen Testament beginnt und nach seiner Vorhersage um 1260 oder 1300 endet und dann in die Zeit des Heiligen Geistes übergeht. Dieses dritte, glückliche Zeitalter werde von der intelligentia spiritualis erleuchtet sein und alle Freuden des Himmlischen Jerusalem (Off 21 LUT) bieten. Dieses dritte und letzte Zeitalter, das durch das in Off 14,6 LUT verheissene Evangelium aeternum geprägt sein wird, steht im Zentrum des joachimitischen Geschichtbildes, das auch Dante Alighieri (1265-1321) wesentlich beeinflusste. Nicht zufällig lässt Dante seine «Göttliche Komödie» am Karfreitag des Jahres 1300 beginnen. Der Anthroposoph und profunde Dante-Kenner Arthur Schult deutet den Namen des von Dante ersehnten Erlösers Italiens, den «Veltro», wörtlich der „Windhund“, über dessen Name, Herkunft und Bedeutung viel gerätselt wurde, sogar als eine von Dante bewusst gewählte Verkürzung von Vangel eterno, das die geistige Grundlage seiner Dichtung wie auch der Templer-Esoterik bilde:

„Von diesem Jagdhund, diesem Veltro, heißt es:

Der wird sich nicht an Gold und Ländern sättgen,
Denn Weisheit, Lieb' und Tugend wird ihn speisen,
Und zwischen beiden Feltros wird er wohnen.

Sapienza, amore, virtute, Weisheit, Liebe, Tugend werden das Wesen des Veltro kennzeichnen, das heißt, er verkörpert in Geist, Seele und Leib, in Denken, Fühlen und Wollen das lichte, göttliche Wesen des Menschen, den heiligen Gottesgeist im Ich .

Wer ist historisch mit diesem Veltro, der zwischen beiden Feltros wohnen wird, gemeint? Die zahlreichen, fragwürdigen Deutungen, die diese rätselvollen Worte gefunden haben, seien hier nicht angeführt. Am wahrscheinlichsten wäre folgende Deutung, die auch von dem bekannten Romanisten Karl Vossler vertreten wird. Veltro ist demnach eine Geheimchiffre für Vangel eterno. Man nimmt aus diesem Wort das V, das E und L, das T, das R und das O und erhält die Geheimchiffre: Veltro. Vangel eterno aber ist die italienische Bezeichnung für das „Evangelium aeternum" des kalabrischen Abtes und Sehers Joachim von Fiore, der für das Jahr 1260 oder 1300 den Beginn des Zeitalters des Heiligen Geistes prophezeit hatte. Dieses „Evangelium aeternum“ hatten die Jünger des heiligen Franziskus begeistert aufgenommen. Veltro, mit V geschrieben, heißt „Jagdhund", Feltro, mit F geschrieben, hat die Bedeutung von „Filz". Als Filzträger wurden die Franziskaner Feltro genannt. Der Franziskanerorden zerfiel nach dem Tod des Franziskus in zwei Parteien, in die kirchentreuen Konventualen und die radikal franziskanischen Spiritualen. Wenn der kommende Führer und Retter „tra feltro e feltro“, „zwischen Filz und Filz“, wohnen soll, so heißt das: er wird zwischen den beiden Parteien der Franziskaner vermitteln und das „Ewige Evangelium“, das „Evangelium aeternum“, das Vangel eterno, verwirklichen, also das Zeitalter des Heiligen Geistes heraufführen. Wie hier Vergil in der „selva oscura“, „dem finsteren Wald“, das Kommen des joachimitischen Menschheitspriesters im neuen Zeitalter vorhersagt, so prophezeit später (Purgatorio 33, 40 ff.) in der „divina foresta“, „dem göttlichen Wald“ des Irdischen Paradieses, Beatrice das Kommen des joachimitischen Menschheitsmonarchen unter dem Symbol der Zahl 515 (DXV), weil im Jahre 515 vor Christus der Tempel Salomons, den die Babylonier zerstörten, durch Zorobabel von neuem vollendet und eingeweiht wurde. Der joachimitische Menschheitsmonarch wird der Erneuerer der Templer-Esoterik sein im Zeitalter des Heiligen Geistes, darum ist seine Geheimchiffre die Zahl 515, die Jahreszahl der Einweihung des neuen salomonischen Tempels (Purgatorio 33, 43).“ (Lit.: Schult, S. 84f)

Literatur