Das Märchen von der Phantasie

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Das Märchen von der Phantasie wird von Felicia Balde im 6. Bild von Rudolf Steiners drittem Mysteriendrama «Der Hüter der Schwelle» erzählt. Danach erscheinen Philia, Astrid und Luna, welche die Verbindung der menschlichen Seelenkräfte mit dem Kosmos vermitteln, und die andere Philia, die diese Verbindung hemmt:

FRAU BALDE (im sinnigen Märchenton):
Es war einmal ein helles Götterkind.
Das war den Wesen wahlverwandt, die Weisheit
Im Geistesreiche sinnvoll weben dürfen.
Das Wesen wuchs, gepflegt vom Wahrheitvater,
In seiner Welt zur Urgewalt heran.
Und als es fühlte den gereiften Willen
In seinem Lichtesleib sich schaffend regen,
Da blickt es oft voll Mitgefühl zur Erde,
Wo Menschenseelen sich nach Wahrheit sehnten.
Es sagt' das Wesen dann zum Wahrheitvater:
«Es dürsten Menschen nach dem Trank, den du
Aus deinen Quellen ihnen reichen kannst.»
Mit ernster Würde sprach der Wahrheitvater:
«Die Quellen, welche ich behüten muß,
Sie lassen Licht aus Geistessonnen strömen;
Und trinken dürfen Licht nur solche Wesen,
Die nicht nach Luft zum Atmen dürsten müssen.
Drum hab' ich mir am Licht das Kind erzogen,
Das Mitleid mit den Erdenseelen fühlen
Und Licht in Atemwesen zeugen kann.
So wandle du zu Menschen hin und bringe
Das Licht aus ihren Seelen meinem Licht
Vertrauensvoll und geistbelebt entgegen.»
Da wandte sich das helle Lichteswesen
Zu Seelen hin, die atmend sich erleben.
Es fand auf Erden viele gute Menschen,
Die freudig ihm die Seelenwohnung gaben.
Es lenkte dieser Seelen Blick zum Vater
Am Lichtesquell in treuer Liebe hin.
Und wenn das Wesen aus dem Menschenmund
Und frohem Menschensinne Phantasie
Als Zauberwort vernahm, dann wüßt' es sich
In guten Menschenherzen froh erlebt.
Doch eines Tages trat zu diesem Wesen
Ein Mann, der ihm gar fremde Blicke warf.
«Ich lenk' auf Erden Menschenseelen hin
Zum Wahrheitvater an dem Lichtesquell.»
So sprach das Wesen zu dem fremden Manne.
Da sprach der Mann: «Du webst in Menschentgeistern
Nur wilde Träume und betrügst die Seelen.»
Und seit dem Tage, welcher dieses sah,
Verleumden viele Menschen dieses Wesen,
Das Licht in Atemseelen bringen kann.

(Es erscheinen in einer Lichtwolke: Philia, Astrid, Luna und
die andre Philia)

PHILIA:
Es findet die Seele,
Die trinket das Licht,
In Weltengefilden
Sich kräftig erwacht.

ASTRID:
Es fühlet der Geist,
Der furchtlos sich weiß,
Im Welten-Erleben
Sich kraftvoll erstehen.

LUNA:
Es wolle der Mensch,
Der Höhen erstrebt
In Gründen des Seins
Sich machtvoll erhalten.

DIE ANDRE PHILIA:
Es strebet der Mensch
Zum Träger des Lichts,
Der Welten erschließt,
Die fröhliche Sinne
Im Menschen erquicken.
Begeistert Bewundern
Entführet den Geist
In Göttergefilde,
Die leuchtende Schönheit
In Seelen erweckt.
Errungenes tröstet
Gefühle, die wagen
An Schwellen zu treten,
Die strenge behütet
Vor fürchtenden Seelen.
Und Stärke, sie findet
Das reifende Wollen
Das furchtlos sich trägt
Zu Schöpfergewalten,
Die Welten erhalten.

(Lit.: GA 14, S. 356ff)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.