Rudolf Steiner Gedenkstätte Brunn am Gebirge

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Das Brunner Heimathaus: Das Kämmerchen im 1. Stock direkt über dem Torbogen war Rudolf Steiners Arbeitszimmer, im anschließenden Erkerzimmer befand sich das Wohnzimmer der Familie Steiner.

Die Rudolf Steiner Gedenkstätte Brunn am Gebirge befindet sich im 1. Stock des Brunner Heimathauses, dem sog. Gliedererhof, in der Marktgemeinde Brunn am Gebirge im Bezirk Mödling in Niederösterreich, unweit der Stadtgrenze Wiens. In dem unmittelbar an der Südbahn gelegenen Ort wohnte die Familie Rudolf Steiners von 1882 bis 1887.

Geschichte

Grundriss der Brunner Pfarrkirche mit der markanten Achterform, über deren Schnittpunkt sich der hohe Kirchturm erhebt und die als ideelle Bauform auch dem ersten Goetheanum Rudolf Steiners zu Grunde liegt.
Rudolf Steiner Gedenkstätte Brunn am Gebirge
Der Gliedererhof vor der Renovierung

Es ist der Initiative des Tierarztes und Anthroposophen Ludwig Müllner, der unmittelbar benachbart des Gliedererhofes lebte, zu verdanken, dass diese frühe Wirkensstätte Steiners entdeckt und erhalten wurde. Der Entdeckung Müllners wurde zunächst mit großer Skepsis begegnet, da keine Dokumente den zeitweiligen Wohnsitz Steiners in Brunn am Gebirge zu bestätigen schienen. Erst zur Weihnachtszeit 1958 erhielt Müllner Nachricht von Emil Bock, dass sich in Eisenach 38 Briefe und Postkarten Steiners an Professor Kürschner gefunden hätten, die alle in Brunn am Gebirge zwischen 1882 und 1886 geschrieben worden waren.

Der spätgotische Bau des Gliedererhofes aus dem 15. Jahrhundert, der schon dem Verfall preisgegeben schien, wurde schließlich durch die Gemeinde Brunn vom letzten Besitzer, August Gliederer, angekauft und 1960 unter Denkmalschutz gestellt und in den Jahren von 1965 bis 1969 aufwändig restauriert.

Rudolf Steiner schrieb hier während seiner Studentenzeit an den Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften für Joseph Kürschners „Deutsche Nationalliteratur“ sowie die Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung. Hier mag Steiner auch erste Anregungen für den späteren Bau des ersten Goetheanums in Dornach gefunden haben, denn der Grundriss der Brunner Kirche mit seiner charakteristischen Achterform weist, wie schon Ludwig Müllner erkannte, bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit dem des ersten Goetheanums auf.

„Damit ist nicht gesagt oder auch nur gemeint, Rudolf Steiner habe beim Bau des Goetheanums an die Brunner Kirche gedacht! Das ist ebensowenig der Fall, als seine Forschungsergebnisse Wiederholung dessen sind, was Goethe in seinen Schriften niedergelegt hat [...] Rudolf Steiners Goetheanum liegt Ideelles zugrunde, das sich in der Brunner Kirche wiederfindet. Beide Bauten manifestieren in der Gesamtgestaltung umfassende Lebensgesetze, die Goethe am Werden und am Bau der Pflanze erstmalig aufgezeigt hat.“

Ludwig Müllner: Rudolf Steiner und Brunn am Gebirge bei Wien, S 46f

Das 1969 eröffnete Brunner Heimathaus mit der Rudolf Steiner Gedenkstätte wird heute von dem Verein Brunner Heimathaus und dem Rudolf Steiner Gedenkstättenkomitee betreut. Das Brunner Heimathaus ist heute die Heimstätte zahlreicher Brunner Vereine und es finden regelmäßig Ausstellungen, künstlerische Veranstaltungen und Vorträge statt.

Rudolf Steiner - Der Denker aus Brunn

Rudolf Steiner (1882)
Rudolf Steiner (1919)

Über die Bedeutung Rudolf Steiners, der in Brunn nicht nur die Grundlinien von Goethes Weltanschauung erhellte, sondern auch die seines eigenen Denkens entwickelte, schreibt Karl Rössel-Majdan:

„Unsere Zeit ist durch einen eigenartigen Gegensatz, einen inneren Widerspruch gekennzeichnet. Noch nie waren die Menschen so intellektuell, noch nie sahen sie im Wissen so sehr den Zweck der Menschenbildung, noch nie mußte auch der letzte der Hilfsarbeiter und Bauerknecht so sehr praktisch, zweckmäßig, technisch denken - und dennoch gilt gerade in dieser Zeit die Philosophie, das reine Denken selbst, als schwer, als fad und trocken , als tot. Über alles Materielle wird nachgedacht, nur nicht über das Denken selbst, über Sinn und Wesen von Mensch, Gemeinschaft und Welt, über das, was die Kultur gegenüber der Natur auszeichnet, den menschlichen Geist. Rudolf Steiner, der Student aus Brunn am Gebirge, der von hier aus nach Weimar berufen und in den Neunzigerjahren zum berühmten Goetheforscher wurde, hatte diese Kluft überbrückt. Sein Beitrag für die Kultur- und Geistesgeschichte der Menschheit ist daher nicht mehr wegzudenken, ganz gleich, wie man zu dieser oder jener seiner Lehren stehen mag. Natur und Geist sind in der Schau, in der Weltanschauung Rudolf Steiners nichts unverständlich Getrenntes, sondern Erscheinung desselben, und gerade im Menschen ist diese Verbindung erkennbar. Es ist wert, sich einfach mit gesundem Hausverstand, ohne Angst vor den üblichen Denkschnörkseln und Abstraktionen vertrockneter Geisteswissenschaften in diese Gedankengänge einführen zu lassen. Nach Rudolf Steiner ist die Geschichte der Menschheit nicht ein immer raffinierterer Kampf ums Dasein, sondern ein Weg zum Selbstverständnis des Menschen und damit zum Verständnis von Natur und Geist in der Welt. Das Denken ist das Mittel, um zu sich zu kommen, zum Selbstbewußtsein zu erwachen. „Wahrheit und Wissenschaft“, die „Rätsel der Philosophie“ und die „Philosophie der Freiheit“ sind neben anderen grundsätzliche philosophische Werke Rudolf Steiners, die von jedem ernstgenommen werden können und sollen, auch wenn er den Gedankengängen im späteren und weltanschaulichen Werke nicht folgen will.

Bei den Griechen wurde Seele und Körper noch in wunderbarer Harmonie gesehen und geschult, und erst allmählich haben sich Kunstanschauung und Philosophie getrennt und spezialisiert. Warum die heutige Olympiade mit der griechischen außer dem Namen kaum etwas zu tun hat, lernt man aus dem Werke Dr. Steiners verstehen. Also ist es hochaktuell. Wir lernen auch verstehen, wie aus dem einfachen Schauen, das noch im Sinneserlebnis gleichzeitig stark durchseelt war, im „videin“ die „Idee“, die platonische Innenschau wurde. Wir entdecken dann auch mit Dr. Steiner die Bedeutung des Christentums, das jedes Erkennen dem göttlichen Funken im Menschen zuschreibt. Und dann folgen wir Dr. Steiner bei seiner Wiederentdeckung der Scholastik, durch die der Gedanke almählich als ein Erzeugnis der menschlichen Seele aufgefaßt wurde. Und schließlich kommen mit der Neuzeit die Philosophien vom Ich, die in der deutschen Klassik gipfeln. Der Mensch hat ein Ich, von dem das Denken ausgeht, und man beschäftigt sich damit, was dieses Ich, was das eigentlich Menschliche sei. Bei den Goetheanisten, und darauf aufbauend im weiteren Werke Rudolf Steiners wird durch gleichzeitige Innen- und Außenbeobachtung versucht zu zeigen, wie dieses menschliche Ich im Bewußtseinsakt Geist und Natur verbindet. Geist wird dabei als etwas Objektives und so Vielgestaltiges aufgefaßt, wie die Natur. Dadurch rechtfertigt Steiner das Christentum und und die alten Religionen, und lehrt eine Toleranz gegenüber allen Philosophien, die aus dem Gesichtspunkt der jeweiligen Entwicklung verstanden werden können. Der Mensch rückt in den Mittelpunkt des Weltverstehens, und das nannte Rudolf Steiner mit einem Lehnwort aus dem Griechischen: Anthroposophie. Durch seine Philosophie wurde Rudolf Steiner der Überwinder eines einseitigen Materialismus und der Verfechter hoher moralischer Werte, denn durch Intuition, in dem, was der Heide noch eine bildhafte Natur- und Götterwelt ohne Unterscheidung zwischen innen und außen nannte, was für das Christentum die Menschwerdung des Göttlichen und der göttliche Funke im Menschen wurde, aus dem Ich, das über den Egoismus hinauswächst, entspringt der „Einfall“, die Idee, die Erkenntnis in selbstbewußter und damit freier Weise, und es entspringt von dort aus die nicht erzwungene, sondern freie moralische Tat. Dadurch wird auch die Berechtigung der dichterischen Phantasie, wird der Erkenntniswert der Kunst und der religiösen Mythologie verstanden, und die Bedeutung der Dichter und Denker. Nimmt es wunder, daß Steiner also Goethes Farbenlehre, die zum Unterschied von Newton physikalisch und seelisch zugleich war, neu entdecken konnte? Daß er die Morphologie Goethes für eine Heilkunde, für die Naturwissenschaft nutzbar machen konnte, die Morphologie, die da sagt, man solle nicht bloß die Stoffe, sondern die gestaltbildenden Kräfte, die sogenannten Bilderkräfte ansehen?

Rudolf Steiner war Student der Technik und hatte das Doktorat. Technik ist eine ausgesprochene Erfahrungswissenschaft. Die Bedeutung des Denkers Rudolf Steiner liegt darin, daß er die Philosophie aus Verschrobenheit und Abstraktion herausführte und in Anschluß an die großen Dichter und Denker die Geisteswissenschaft, die schon auf dem Wege war, zu einer Scheinnaturwissenschaft, zu einer Nervenwissenschaft zu degenerieren, auch zu einer Erfahrungswissenschaft eigener Art machte. Das Denken und das seelische Erleben erhalten für das Menschentum eine neue Bedeutung und werden zur bewußten Methode der Erkenntnis...“

Karl Rössel-Majdan: Rudolf Steiner - Der Denker aus Brunn[1]

Einführungsvorträge zur Anthroposophie Rudolf Steiners

Anthroposophische Gesellschaft in Österreich (1913) - Homepage mit Veranstaltungskalender
Anthroposophische Gesellschaft in Österreich (1913) - Homepage mit Veranstaltungskalender
Einführungsvorträge zur Anthroposophie im Brunner Heimathaus.

In unregelmäßigen Abständen werden durch die Anthroposophische Gesellschaft in Österreich (1913) im Brunner Heimathaus Einführungsvorträge von Wolfgang Peter zur Anthroposophie Rudolf Steiners gehalten, die hier teilweise als Audio-Mitschnitt oder Manuskript abgerufen werden können:

Sonderausstellung «Kosmos - Erde - Mensch» 2011

Die Ausstellung "Kosmos - Erde - Mensch" im Brunner Heimathaus

In der Zeit vom 25. Juni bis 30. September 2011 fand in den Räumen des Heimathauses mit Unterstützung des Rudolf Steiner Archivs eine Sonderausstellung anlässlich des 150. Geburtsjahrs Rudolf Steiners statt. Am Beispiel von 10 Faksimilies ausgewählter Wandtafelzeichnungen zur Kosmologie Rudolf Steiners wurde hier der Mensch im Spannungsfeld von Kosmos und Erde als Bürger zweier Welten gezeigt.

Die ersten 4 planetarischen Weltentwicklungsstufen: Alter Saturn - Alte Sonne - Alter Mond - Erde; Wandtafelzeichnung aus GA 354, ein Teil der Sonderausstellung «Kosmos - Erde - Mensch» im Brunner Heimathaus (Die Farben dienen nur der besseren Veranschaulichung und haben keine tiefere symbolische Bedeutung).

Rudolf Steiner-Gedenkstätte
Leopold Gattringer-Straße 34
2340 Brunn am Gebirge

Rudolf Steiner hat während seiner Vorträge oftmals an die Tafel geschrieben oder gezeichnet. Auf die Initiative Emma Stolles hin wurden die Tafeln ab 1919 mit schwarzem Karton bespannt, um die Tafelzeichnung aufbewahren zu können. Auf diese Weise kamen im Laufe der folgenden Jahre über 1000 Zeichnungen zusammen, die in den letzten Jahren innerhalb der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA) in handlicher Form zugänglich gemacht wurden und seit 1992 in Museen weltweit ausgestellt werden.

„Die Wandtafelzeichnungen sind ein noch unausgeschöpfter Fundus kreativen Denkens und Zeichnens, der wohl noch viele Künstler und hoffentlich ein wachsendes Kunstpublikum zu jenen 'höheren Formen menschlicher Kreativität' anregen wird, die - nach R. Steiner und J. Beuys - Imagination, Inspiration und Intuition sind"“

Guido Magnaguagno: Direktor Tinguely Museum Basel

Adresse

Rudolf Steiner-Gedenkstätte

Leopold Gattringer-Straße 34
AT-2340 Brunn am Gebirge
Austria

Literatur

  • Ludwig Müllner: Rudolf Steiner und Brunn am Gebirge bei Wien, Anna Pichler Verlag, Wien 1997 ISBN 3-901087-70-2

Weblinks

Video

Einzelnachweise

  1. Karl Rössel-Majdan: Rudolf Steiner - Der Denker aus Brunn, in: Mitteilungen des Vereins Brunner Heimathaus, Dezember 1972, S. 6f.