Blutgruppe

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Eine Blutgruppe ist eine Beschreibung der individuellen Zusammensetzung der Oberfläche der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) von höheren Lebewesen (z. B. Mensch). Die Oberflächen unterscheiden sich durch verschiedene Glykolipide oder Proteine, die als Antigene wirken und somit zu einer Immunreaktion führen können.[1] Eine besondere Bedeutung kommt den Blutgruppen in der Transfusionsmedizin zu. Wird nämlich einem Patienten Blut einer ungeeigneten Blutgruppe transfundiert, so kommt es zu einer Immunreaktion, die wiederum zur Verklumpung (Agglutination) des Blutes und damit zum Tod führen kann. Blutgruppen sind erblich und können verwendet werden, um Verwandtschaftsverhältnisse auszuschließen (siehe auch Artikel Abstammungsgutachten).

Für die Klassifikation von Blut werden die Ausprägungen bestimmter Antigene zu sogenannten Blutgruppensystemen zusammengefasst. Die beiden wichtigsten Blutgruppensysteme stellen aufgrund ihrer großen Bedeutung bei der Verträglichkeitsbeurteilung von Bluttransfusionen das AB0-System und das Rhesussystem dar. Wird Blut zweier ungleicher Blutgruppen vermischt, so verklumpt es. Ursache dafür ist die Bindungsreaktion zwischen den Antigenen auf den roten Blutkörperchen und den Antikörpern im Blutplasma. Insgesamt werden von der Internationalen Gesellschaft für Bluttransfusion (ISBT) derzeit 35 Blutgruppensysteme anerkannt und beschrieben.[2]

Blutgruppensysteme

Definition

Ein Blutgruppensystem kann aus einem oder mehreren Antigenen bestehen, die auf der Membran der roten Blutkörperchen liegen und gegen welche andere Individuen der gleichen Spezies Antikörper (sogenannte Allo-Antikörper) bilden können.[3] Die Zuordnung von Antigenen zu einem Blutgruppensystem erfolgt über die für sie codierenden Gene. Jedes Blutgruppensystem muss nach Definition genetisch von anderen abgesondert sein. Dies ist auf zwei Arten möglich:

  • Die Antigene des Blutgruppensystems werden durch ein einziges Gen codiert. Sie sind deshalb verschiedene Ausprägungen eines einzigen Gens (Allele).
  • Die Antigene des Blutgruppensystems werden durch mehrere eng verbundene homologe Gene codiert, zwischen denen nahezu keine Rekombination stattfindet.

AB0-System

Ein Blutgruppentest
Schematische Darstellung der Erythrozyten und Serumantikörper beim AB0-System

Das AB0-System wurde im Jahr 1900 vom Wiener Arzt Karl Landsteiner beschrieben,[4] wofür ihm 1930 der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde. Die Hygienekommission des Völkerbundes beschloss 1928, die Blutgruppen in der ganzen Welt einheitlich zu bezeichnen.[5] Man entschied sich für das AB0-System. Das AB0-System ist das wichtigste Blutgruppenmerkmal bei der Bluttransfusion und umfasst vier verschiedene Hauptgruppen: A, B, AB und 0.

Die Antikörper gegen Faktoren im AB0-System werden beim Menschen während des ersten Lebensjahres ausgebildet. Die Kombination A und B wirkt kodominant, der Faktor 0 rezessiv. Die Blutgruppe im AB0-System wird durch ihre große Bedeutung zusammen mit dem Rhesusfaktor D seit Jahrzehnten regelmäßig weltweit erhoben.

Rhesus-System

Der Name Rhesusfaktor kommt von den Versuchen mit Rhesusaffen, bei denen man im Jahr 1937 diesen Faktor zuerst entdeckt hatte. Dabei hatte Karl Landsteiner die gefundenen Antikörper nach A und B weitergeschrieben als C, D und E. Medizinisch besonders relevant ist unter diesen der Rhesusfaktor D.

Der Rhesusfaktor wird dominant vererbt, deshalb ist das Blutgruppenmerkmal rhesus-negativ selten (ca. 15 % der Bevölkerung). Die Erythrozyten Rhesus-positiver Menschen tragen auf ihrer Oberfläche ein „D-Antigen“ (Rhesusfaktor „D“). Rhesus-negative Menschen haben dieses Antigen nicht. Die Antikörper gegen den Rhesusfaktor D werden bei Menschen ohne diesen Faktor nur gebildet, wenn sie mit ihm in Berührung kommen, d. h. wenn Rhesus positive Blutbestandteile (Erythrozyten und Bestandteile) eines Menschen in den Blutkreislauf einer Rhesus negativen Person gelangen.

Das kann bei Bluttransfusionen geschehen oder unter bestimmten Voraussetzungen in der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Normalerweise sind die Blutkreisläufe von Mutter und Kind in der Schwangerschaft durch die Plazentaschranke voneinander getrennt und diese Schranke verhindert, dass Blutzellen des Kindes in den mütterlichen Kreislauf (oder umgekehrt) gelangen. Ist dies dennoch der Fall, etwa bei Mikrotraumata der Plazenta, bei invasiven, vorgeburtlichenen Eingriffen in der Gebärmutter und/oder am Kind, oder z. B. im Fall einer Verletzung des Kindes, der Nabelschnur oder der Plazenta bei der Geburt – Bedingung ist Einbringung des kindlichen Blutes in den mütterlichen Blutkreislauf – kann die Mutter sensibilisiert werden und Antikörper gegen das Rhesus-Antigen des Kindes bilden.

Die natürliche Geburt gehört jedoch zu den nichtinvasiven Eingriffen. Auch eine kräftig blutende Wunde (etwa vaginale Wunde bei Dammriss) verhindert außerhalb des Körpers im Regelfall den Eintritt fremden Blutes in den Blutkreislauf. Je nach Art und Umfang der Invasivität des Eingriffs erheblich wahrscheinlicher ist eine Sensibilisierung bei vorangegangener Fehlgeburt und vorgenommener Ausschabung, bei induziertem Abort bzw. Schwangerschaftsabbruch und durch sonstige invasive Eingriffe im Uterus, etwa im Rahmen der Pränataldiagnostik die Chorionzottenbiopsie (CVS), Amniozentese (AC) und die Nabelschnurpunktion. Das Risiko für die Einleitung einer Bildung von Antikörpern und Immunisierung steigt dabei je nach Umfang der Invasivität bzw. dem Verletzungs- und Blutungsrisiko.

Tritt der Fall einer solchen Immunisierung in der Schwangerschaft ein, dann passiert sie relativ langsam und führt bei der ersten Schwangerschaft üblicherweise noch nicht zu Problemen. Möglicherweise werden in geringem Maße rote Blutkörperchen im Körper des Kindes zerstört, was die typischerweise nach der Geburt auftretende leichte Gelbsucht etwas verstärken kann. Ist die Mutter jedoch vom ersten Kind „sensibilisiert“, das heißt, ihr Immunsystem hat Gedächtniszellen gebildet, dann kann erneuter Blutkontakt in der nächsten Schwangerschaft (erneut mit einem Rhesus-positiven Kind, ca. 85% der Bevölkerung ist Rhesus-positiv, 15% Rhesus negativ) sehr schnell zur Bildung von Antikörpern bei der Mutter führen.

Weil die D-Antikörper Immunglobuline vom Typ G sind (IgG-Immunglobuline), können sie in diesem Fall leicht durch die Plazentaschranke in den Blutkreislauf des Kindes wandern. Dort werden die mit D-Antikörpern der Mutter beladenen Erythrozyten des Kindes in der Milz des Kindes vorzeitig abgebaut. Es kommt zu einer hämolytischen Anämie und weiteren Folgen. Dies kann zum Morbus haemolyticus neonatorum, schlimmstenfalls zu Missbildungen oder zum Tod des Kindes führen. In leichten Fällen wird z. B. durch Phototherapie behandelt. Durch Blutaustausch kann dieser Folge entgegengewirkt werden, mögliche Antikörperbildungen können überprüft werden.

Auch das gegen diesen Vorgang und seine Folgen am Kind (s. Rhesus-Inkompatibilität#Pathogenese) üblicherweise präventiv verabreichte Medikament (etwa mittels RHOPHYLAC von CSL Behring und RHESONATIV von Octapharma) ist ein Blutprodukt. Es handelt sich um Anti-D-Antikörper und wird als „Anti D“ bzw. „Anti-D-Prophylaxe“ bezeichnet.

Zu weiteren Blutgruppensystemen siehe auch

Zur Häufigkeit der Blutgruppen siehe auch

Verträglichkeit zwischen den Blutgruppen, Universalspender

Blutgruppenverträglichkeit
Kompatibilität der Blutgruppen
Empfänger Spender
0− 0+ B− B+ A− A+ AB− AB+
AB+ X X X X X X X X
AB− X   X   X   X  
A+ X X     X X    
A− X       X      
B+ X X X X        
B− X   X          
0+ X X            
0− X              

Ein Kreuz in der Tabelle bedeutet, dass eine Transfusion vom Spender zum Empfänger möglich ist. Dies gilt zum Teil nur unter der Voraussetzung, dass nur die Blutzellen übertragen werden. Bei einer Übertragung von Vollblut, also einschließlich des Blutplasmas, sind die verschiedenen Blutgruppen des AB0-Systems immer miteinander unverträglich.

Als Universalspender gilt in der Transfusionsmedizin ein Blutspender mit der Blutgruppe 0−. Erythrozyten dieser Blutgruppe weisen nämlich keine Antigene A oder B auf. U. a. um eine Zerstörung der Empfänger-Erythrozyten (Hämolyse) durch Antikörper gegen A und B im Serum eines Spenders zu vermeiden (Minor-Reaktion), verabreicht man heutzutage kein Vollblut, sondern Erythrozyten-Konzentrate, sonst wäre z. B. eine 0-Spende an einen A-Empfänger gar nicht möglich (siehe oben).

Als gemeinsames Merkmal aller Blutgruppen kommt N-Acetylglucosamin in der Glykokalix der Erythrozyten vor. Daran bindet Galactose. An der Galactose ist noch Fucose gebunden. Diese bilden die Blutgruppe 0 bzw. den „Stammbaum“ aller Blutgruppen. Zusätzlich kann an der Galactose noch N-Acetylgalactosamin (Blutgruppe A) oder eine weitere Galactose binden (Blutgruppe B).

Siehe auch

Esoterische Betrachtungen

Weblinks

 Wiktionary: Blutgruppe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Blutgruppe. Abgerufen am 16. Februar 2015.
  2. Tabellarische Liste der 35 Blutgruppen-Systeme (PDF) ISBT abgerufen am 9. April 2015
  3. Geoff Daniels: Human Blood Groups. 2. Auflage. Blackwell,2002, S. 5
  4. Karl Landsteiner: Zur Kenntnis der antifermentativen, lytischen und agglutinierenden Wirkungen des Blutserums und der Lymphe. In: Zentralblatt Bakteriologie, 1900 (27)
  5. Paul Speiser, Ferdinand G. Smekal, Karl Landsteiner: Entdecker der Blutgruppen und Pionier der Immunologie. Biographie eines Nobelpreisträgers aus der Wiener Medizinischen Schule. Blackwell Ueberreuter Wiss., 1990, ISBN 3-89412-084-3. Zitiert nach Franka Böck, Thomas Riedel: Blut ist ein ganz besonderer Saft: Blut & Kreislaufsystem von der Antike zur Moderne. epubli, 2013, ISBN 978-3-8442-6184-4, S. 98


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