Bath-Kol

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Die Bath-Kol (hebr. בּת קול, wörtlich „Tochter der Stimme“) galt bei den Rabbinern als eine Art der Stimme Gottes, welche neben der Prophetie den zweiten Rang einnahm, später aber nicht mehr sehr hoch geachtet wurde. Rudolf Steiner erwähnt sie in seinen Vorträgen über das Fünfte Evangelium, wo er die inneren Erlebnisse des Jesus zwischen dem 12. und 29./30. Lebensjahr schildert.

„Die Bath-Kol nannte man jene eigentümliche, inspirierende Stimme, zwar eine schwächere Stimme der Eingebung, eine Stimme minderer Art als der Geist, der die alten Propheten inspirierte, aber doch noch etwas Ähnliches stellte diese Stimme dar. So sprach mancher in der Umgebung des Jesus von der Bath-Kol. Von dieser Bath-Kol wird uns in späteren jüdischen Schriften manches erzählt.

Ich schiebe nun etwas ein in dieses Fünfte Evangelium, was nicht eigentlich dazugehört, was nur zur Erklärung der Bath-Kol führen soll. Es war in etwas späterer Zeit, nach der Entstehung des Christentums, ein Streit ausgebrochen zwischen zwei Rabbinatschulen. Denn es behauptete der berühmte Rabbi Elieser ben Hirkano eine Lehre und führte zum Beweise dieser Lehre an - das erzählt auch der Talmud -, daß er Wunder wirken könne. Der Rabbi Elieser ben Hirkano ließ einen Karobbaum aus der Erde sich erheben - so erzählt der Talmud - und hundert Ellen weiter sich an einem anderen Orte wieder einpflanzen, er ließ einen Fluß rückwärts laufen, und als drittes berief er sich auf die Stimme vom Himmel, als Offenbarung, die er von Bath-Kol selber erhalte. Aber in der gegnerischen Rabbinatschule des Rabbi Josua glaubte man diese Lehre trotzdem nicht, und Rabbi Josua erwiderte: Mag auch Rabbi Elieser zur Bekräftigung seiner Lehre Karobbäume von einem Orte zum anderen sich verpflanzen lassen, mag er auch Flüsse nach aufwärts fließen lassen, mag er sich selbst berufen auf die große Bath-Kol - es steht geschrieben im Gesetz, daß die ewigen Gesetze des Daseins gelegt sein müssen in der Menschen Mund und in der Menschen Herz. Und wenn uns überzeugen will von seiner Lehre der Rabbi Elieser, so darf er sich nicht berufen auf die Bath-Kol, sondern er muß uns überzeugen von dem, was des Menschen Herz fassen kann. - Ich erzähle diese Geschichte aus dem Talmud, weil wir sehen, daß die Bath-Kol bald nach der Einführung des Christentums in gewissen Rabbinerschulen nur noch von einem geringeren Ansehen war. Aber sie hat in einer gewissen Weise geblüht als inspirierende Stimme unter den Rabbinern und Schriftgelehrten.

Während in dem Hause des Jesus von Nazareth die dort versammelten Schriftgelehrten von dieser inspirierenden Stimme der Bath- Kol sprachen, und der junge Jesus das alles hörte, fühlte und empfing er in sich selber die Inspiration durch die Bath-Kol. Das war das Merkwürdige, daß durch die Befruchtung dieser Seele mit dem Ich des Zarathustra in der Tat Jesus von Nazareth fähig war, rasch alles aufzunehmen, was die anderen um ihn herum wußten. Nicht nur, daß er den Schriftgelehrten in seinem zwölften Jahre die gewaltigen Antworten hatte geben können, sondern er konnte auch die Bath-Kol in der eigenen Brust vernehmen. Aber gerade dieser Umstand der Inspiration durch die Bath-Kol wirkte auf den Jesus von Nazareth, als er sechzehn, siebzehn Jahre alt war und er oftmals diese offenbarende Stimme der Bath-Kol fühlte, so daß er in bittere, schwere innere Seelenkämpfe dadurch geführt wurde. Denn ihm offenbarte die Bath-Kol - und das glaubte er alles sicher zu vernehmen -, daß nicht mehr fern wäre der Zeitpunkt, daß im Fortgang der alten Strömung des Alten Testamentes dieser Geist nicht mehr sprechen würde zu den alten jüdischen Lehrern, wie er früher zu ihnen gesprochen habe. Und eines Tages, und das war furchtbar für die Seele des Jesus, glaubte er, daß die Bath-Kol ihm offenbarte: Ich reiche jetzt nicht mehr hinauf zu den Höhen, wo mir wirklich der Geist offenbaren kann die Wahrheit über den Fortgang des jüdischen Volkes. - Das war ein furchtbarer Augenblick, ein furchtbarer Eindruck, den die Seele des jungen Jesus empfing, als die Bath-Kol ihm selber zu offenbaren schien, daß sie nicht Fortsetzer sein könne des alten Offenbarertums, daß sie sich selber sozusagen für unfähig erklärte, Fortsetzer der alten Offenbarungen des Judentums zu sein. So glaubte Jesus von Nazareth in seinem sechzehnten, siebzehnten Jahre, daß ihm aller Boden unter den Füßen entzogen wäre, und er hatte manche Tage, wo er sich sagen mußte: Alle Seelenkräfte, mit denen ich glaubte begnadet zu sein, sie bringen mich nur dazu, zu begreifen, wie in der Substanz der Evolution des Judentums kein Vermögen mehr besteht, heraufzureichen zu den Offenbarungen des Gottesgeistes.“ (Lit.:GA 148, S. 58ff)

Durch die Stimme der Bath-Kol vernahm Jesus von Nazareth auch die Worte des makrokosmischen Vaterunser. Er stand damals in seinem 24. Lebensjahr und war an eine heidnische Kultstätte gekommen, die aber längst von den Priestern verlassen worden war. Ringsherum war nur mit seelischen und körperlichen Leiden beladenes Volk. In Jesus glaubten sie den neuen Priester zu erkennen, der ihnen gesandt worden war. Sie drängten ihn zum Opferaltar, wo er wie tot hinfiel. Er fühlte sich entrückt in die Sonnensphäre und vernahm die verwandelte Stimme der Bath-Kol:

„Und jetzt hörte sie, wie aus den Sphären des Sonnendaseins herausklingend, Worte, wie diese Seele sie früher durch die Bath-Kol oftmals vernommen hatte. Aber jetzt war die Bath-Kol verwandelt, zu etwas völlig anderem geworden. Die Stimme kam ihm auch von ganz anderer Richtung her, und dasjenige, was Jesus von Nazareth jetzt vernahm, das kann man, wenn man es in unsere Sprache übersetzt, zusammenfassen in die Worte, die ich zum ersten Male mitteilen durfte, als wir vor kurzer Zeit den Grundstein legten für unseren Dornacher Bau.

Es gibt ja okkulte Verpflichtungen! Und einer solchen okkulten Verpflichtung folgend hatte ich damals mitzuteilen, was durch die verwandelte Stimme der Bath-Kol Jesus von Nazareth vernahm dazumal, als dies geschah, was ich jetzt eben erzählt habe. Es vernahm Jesus von Nazareth die Worte:

Amen
Es walten die Übel
Zeugen sich lösender Ichheit
Von andern erschuldete Selbstheitschuld
Erlebet im täglichen Brote
In dem nicht waltet der Himmel Wille
Da der Mensch sich schied von Eurem Reich
Und vergaß Euren Namen
Ihr Väter in den Himmeln.

Nicht anders als so kann ich in die deutsche Sprache übersetzen dasjenige, was wie die verwandelte Stimme der Bath-Kol dazumal von Jesus von Nazareth vernommen worden ist. Nicht anders als so! Es waren diese Worte, welche die Seele des Jesus von Nazareth zurückbrachte, als sie aus der Betäubung wieder erwachte, durch die sie sich entrückt fühlte bei jener eben geschilderten Begebenheit. Und als Jesus von Nazareth wieder zu sich gekommen war, und die Augen rings herum richtete auf die Menge der Mühseligen und Beladenen, die ihn auf den Altar erhoben hatten, da war diese entflohen. Und als er den hellsichtigen Blick in die Ferne schweifen ließ, konnte er ihn nur richten auf eine Schar von dämonischen Gestalten, von dämonischen Wesen, die alle mit diesen Leuten verbunden waren.“ (Lit.: GA 148, S. 64f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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