Arik Brauer

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Arik Brauer in der Galerie Latal (Zürich 1991)

Arik Brauer, bürgerlich Erich Brauer (* 4. Jänner 1929 in Wien; † 24. Jänner 2021 ebenda[1]), war ein österreichischer Maler, Grafiker, Bühnenbildner, Sänger und Dichter. Er gilt als einer der Hauptvertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus.

Leben und Werk

Brauer wurde als Sohn eines aus Litauen stammenden jüdischen Schuhmachers in Ottakring geboren. Die Eltern hatten sich, als überzeugte Anhänger der Ideale des Roten Wien, bei einem Kurs im Ottakringer Volksheim kennengelernt. Zunächst die Februarkämpfe 1934, die er als Wurzel seines „lebenslangen Antifaschismus“ sah,[2] und ab 1938 die Herrschaft der Nationalsozialisten beendeten seine unbeschwerte Kindheit im Wien der 1930er Jahre. Brauers Vater starb in einem Konzentrationslager, er selbst überlebte untergetaucht in Wien in einem Versteck. Nach dem Krieg schloss sich der junge Brauer zunächst der KPÖ an, wandte sich aber bald enttäuscht von der kommunistischen Bewegung ab.

Bis 1951 studierte Brauer an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Robin Christian Andersen und Albert Paris Gütersloh. Während dieser Zeit gründete er mit Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter, Anton Lehmden und Helmut Leherb die Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Ab 1947 studierte er zusätzlich Gesang an der Musikschule der Stadt Wien. Zwischen 1951 und 1954 reiste er mit dem Fahrrad durch Europa und Afrika, was er später im Lied Reise nach Afrika verarbeitete. 1954/55 lebte er als Sänger und Tänzer in Israel und trat 1956 als Tänzer im Raimundtheater in Wien auf. Im Jahr darauf heiratete er in Israel Naomi Dahabani, eine Israelin jemenitischer Abstammung, und zog mit ihr nach Paris, wo das Paar als israelisches Gesangsduo Neomi et Arik Bar-Or seinen Lebensunterhalt verdiente. In Paris hatte er seine erste erfolgreiche Einzelausstellung.

Ernst Fuchs, Arik Brauer, Friedensreich Hundertwasser (by Gert Chesi, 1973)
Arik Brauer by Gert Chesi

Als Brauer 1964 die Pariser Bohème verließ und wieder nach Wien zurückkehrte, genossen die Künstler der Wiener Schule des Phantastischen Realismus bereits große Popularität, und es gab von 1953 bis 1965 eine Weltwanderausstellung. Neben Wien war Brauer seit dieser Zeit auch im Künstlerdorf En Hod in Israel ansässig, wo er aus einer Ruine ein künstlerisch gestaltetes Haus schuf. Seine Friedensreich Hundertwasser nahestehende Auffassung von Architektur fasste er in dem Lied Glaub nicht an das Winkelmaß und wohn in einem runden Haus zusammen. Zu dieser Zeit begann er auch Bühnenbilder für die Wiener Staatsoper (Medea von Luigi Cherubini, 1972; Regie August Everding), das Opernhaus Zürich[3], das Theater an der Wien und die Pariser Oper (Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart, 1977; Regie Horst Zankl, Dirigent Karl Böhm) zu gestalten.

Bereits in Paris hatte ihn H. C. Artmann bei einem Besuch ermutigt („Burli, des muasst mochen“), seine im Wiener Dialekt verfassten Lieder öffentlich zu machen. Im Dialekt schrieb er, wie er erklärte, weil das „die Sprache der Arbeiterklasse“ ist, in der „die Poesie der Straße“ liegt. Die Gesangskarriere Brauers erreichte in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt. Für ihn kam der Erfolg überraschend und unerwartet. Er hatte sich nie als Pop-Sänger gesehen, sondern als Maler.[2] Mit Liedern wie Sie hab’n a Haus baut und Sein Köpferl im Sand („Hinter meiner, vorder meiner“) auf der Langspielplatte Arik Brauer, 1971 (zweimal Gold), oder der Langspielplatte Sieben auf einen Streich 1978 wurde Brauer zu einem der Väter des Austropop in dessen politisch engagierter Ausrichtung. Seit 2000 trat er mit seinen Töchtern und Elias Meiri als Die Brauers auf.[4]

1986 bis 1997 war Arik Brauer ordentlicher Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien.[5] 1991 begann er mit der künstlerischen Gestaltung des 1994 fertiggestellten Arik-Brauer-Hauses im 6. Wiener Gemeindebezirk Mariahilf. 2002 erhielt er den Auftrag der Botschaft Österreichs in Berlin zur Gestaltung des österreichischen Buddy Bär.

Arik Brauer (Wien 2009)

Kennzeichnend für das künstlerische Werk Brauers sind die farbenfrohen Flächen, die detaillierte Kleinarbeit und die Einbindung aktueller politischer Ereignisse in Bilder mit traum- und märchenhafter Atmosphäre, wobei Einflüsse von Pieter Bruegel dem Älteren sowie orientalischer Miniaturmalerei zu verzeichnen sind.

Für Diskussionen sorgten Aussagen Brauers 2018 in einer Im-Zentrum-Sendung des ORF anlässlich des 80. Jahrestages des „Anschlusses“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938.[6] Dort hielt er fest, dass ihm als Juden heute der Antijudaismus muslimischer Flüchtlinge mehr Sorgen bereitet als der heimischer Neonazis. In anschließenden Interviews danach gefragt, erklärte er, dass seiner Einschätzung nach „die Mehrheit der arabischen Muslime die Juden hassen“, weil sie sich vom Staat Israel gedemütigt fühlten. Er nehme das aber gar nicht persönlich, denn „sie wurden so erzogen und vielleicht würde ich das an ihrer Stelle auch so sehen.“[7] In Bezug auf die zu dieser Zeit aktuelle „Liederbuch-Affäre“ um Gesangsbücher mit antisemitischen Liedern einer Wiener Neustädter Burschenschaft meinte er, es wäre „bestimmt nicht einer dieser Fechter, die da so ein Lied singen,“ die ihn umbringen würden. Als im selben Jahr das Mauthausen Komitee anlässlich der internationalen Befreiungsfeier des KZ Mauthausen, zu der gewöhnlich die österreichische Regierung geschlossen erscheint, die FPÖ-Vertreter der Bundesregierung Kurz I ausgeladen und sich auf einen Beschluss aus den 1960er-Jahren berufen hatte, kritisierte Brauer diesen Boykott und nannte ihn einen „großen Fehler“.[8] Er erklärte seine Haltung damit, dass „ja nicht jene Vertreter nach Mauthausen kommen würden, die im Verdacht des Antisemitismus stehen. Sondern jene FPÖ-Politiker, deren historische Aufgabe es ist, die FPÖ zu einer demokratischen Partei zu formen“. Für diesen Umbruch sah er zu dem Zeitpunkt die „ersten Anzeichen“.[9]

Familie

Arik Brauer war Vater von Timna Brauer, Ruth Brauer-Kvam und Talja. Er verstarb im Jänner 2021 im Alter von 92 Jahren in Wien im Kreis seiner Familie. Diese berichtet von den letzten Worten Brauers wie folgt: „Ich war so glücklich mit meiner Frau, mit meiner Familie, mit meiner Kunst und meinem Wienerwald. Aber es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht.“[10]

Werke (Auswahl)

Bildende Kunst

Arik-Brauer-Haus
  • Vogelfang, 1962
  • Turm aus gebrannter Erde, 1962/63
  • Der Regenmacher vom Karmel, 1964
  • Die Verfolgung des jüdischen Volks, Zyklus, ab 1973
  • Menschenrechte, 1975 (Zyklus von Farbradierungen)
  • Bühnenbilder und Kostüme zur Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart an der Pariser Oper, 1975
  • Mein Vater im Winter, 1983
  • Sesam öffne dich, 1989 (Fernsehspiel mit Tochter Timna Brauer)
  • Arik-Brauer-Haus in Wien 6, Gumpendorfer Straße 134/136, fertiggestellt 1993
  • Fassade der Pfarrkirche Am Tabor in Wien 2, 1996
  • Fassade der Zwi-Perez-Chajes-Schule in Wien 2, Castellezgasse 35 (am Augarten)
  • Fassade des Rathauses in Voitsberg (Steiermark) 2002
  • Schieß nicht auf die blaue Blume, 2003
  • Friedensverhandlung, 2003
  • Adam im Feuerwind, 2003
  • Sommernacht, 2003

Buchveröffentlichungen (Auswahl)

  • A Jud und keck a no, Amalthea Signum Verlag, Wien 2019, ISBN 978-3-99050-148-1.
  • Das Alte Testament. Erzählt von Arik Brauer. Mit 60 Zeichnungen. Amalthea Signum Verlag, Wien 2018, ISBN 978-3-99050-127-6.
  • Franz Smola, Alexandra Matzner (Hrsg.): Arik Brauer – Gesamt.Kunst.Werk (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien 14. November 2014 – 16. Februar 2015), Wien 2014.
  •  Arik Brauer: Die Farben meines Lebens. Erinnerungen. Amalthea, Wien 2014, ISBN 978-3-85002-893-6.
  • Arik Brauer: Die Farben meines Lebens. Erinnerungen. Amalthea, Wien 2006, ISBN 3-85002-562-4.
  • Arik Brauer: Der Teufel und der Maler. Signierte Vorzugsausgabe. Ein Satyrikon (Zeichnungen). Amalthea, Wien 2000, ISBN 3-85002-453-9.
  • Arik Brauer: Arik Brauer (Bildband). Brandstätter, Wien 1998, ISBN 3-85447-810-0.
  • Arik Brauer: Werkverzeichnis. Harenberg Komm., Dortmund 1992, ISBN 3-88379-427-9.
  • Arik Brauer: Die Ritter von der Reuthenstopf (Kinderbuch). Betz, München 1986, ISBN 3-219-10366-9.
  • Arik Brauer: Die Pessach-Haggada/„Seder haggada sel pesah“. Piper, München 1979, ISBN 3-492-02502-1 (deutsch/hebräisch).
  • Martin Buber, Arik Brauer: XX Chassidische Erzählungen (Ausstellungskatalog). Sydow Fine Art, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-921520-04-5.
  • Brauer. Jugend und Volk, Wien 1972. („Die schönsten Bücher Österreichs 1972“)

Theater

Sieben auf einen Streich, Singspiel. Uraufführung bei den Wiener Festwochen 1978, Regie: Samy Molcho[11]

Diskografie

Arik Brauer – Signatur der Langspielplatte Arik Brauer (1971)
  • um 1960 Chants d’Israel par Neomi et Arik Bar-Or, disques BAM, Paris, LP
  • 1965 Brauer singt seine Malerei. Galerie Peithner-Lichtenfels, Single
  • 1968 Brauers Liedermappe, Galerie Sydow, LP – unter Erich Brauer erschienen
  • 1971 Arik Brauer, Polydor in Coproduktion mit dem ORF, LP
  • 1973 Alles was Flügel hat fliegt, Polydor, LP
  • 1973 Petroleumlied / Das goldene Nixerl, Polydor, Single
  • 1978 7 auf einen Streich, LP
  • 1984 Poesie mit Krallen, Joram Harel Management, LP – zusammen mit Tochter Timna
  • 1985 Au – Lieder von Arik Brauer begleitet von Toni Stricker, Hanniphon, LP – zu Hainburg
  • 1987 Schattberglied / Schattbergsong, Amadeo, Single
  • 1988 Die Ersten, Polydor, CD-Wiederveröffentlichung von Arik Brauer
  • 1988 Geburn für die Gruam?, Amadeo, LP, CD, MC
  • 1989 Farbtöne, CD
  • 1994 Von Haus zu Haus, Dino Music, CD – mit Timna Brauer und Elias Meiri
  • 1998 Master Series, Polydor/PolyGram, CD
  • 1999 Die Brauers, „Adam & Eve“ Studio, CD – Die Brauers
  • 2000 Motschkern Is Gsund, Timna Brauer, CD

Literatur

  • Walter Schurian (Hrsg.): Arik Brauer: Das Runde fliegt. Texte, Lieder, Bilder. dtv, München 1983, ISBN 3-423-02885-8.
  • Walter Schurian (Text), Gerd Lindner (Hrsg.): 1900 bis 2010: Phantastische Kunst aus Wien. Panorama-Museum, Bad Frankenhausen 2010, ISBN 978-3-938049-17-4 (mit Abb., auch von und über Ernst Fuchs, Hausner, Karlhuber[12], Hutter und Lehmden).
  • Theo Rommerskirchen: Arik Brauer. In: viva signatur si! Rommerskirchen, Remagen-Rolandseck 2005, ISBN 3-926943-85-8.
  • Erwin Javor Hrsg: Von Generation zu Generation. Die neue Haggada von Arik Brauer. Verlag Jüdisches Museum, Wien 2014, ISBN 978-3-901398-72-8.
  • Theresia Riedmaier, Joe F. Bodenstein: Wiener Schule und Wein, 2001, Hrsg. Theo Kautzmann, Verein Südliche Weinstrasse e.V./ Landau (Rheinland-Pfalz). (Mit Abbildungen von Ernst Fuchs, Arik Brauer, Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter, Wolfgang Rabl, Otto Bachmann, Leonor Fini, Paris/Wien u. a.) Sammlung. Museum Europäische Kunst, NRW.

Weblinks

Commons: Arik Brauer - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Der Rastlose – Zum Tod von Arik Brauer. Süddeutsche Zeitung, 25. Januar 2021, abgerufen am 26. Januar 2021.
  2. 2,0 2,1 Petra Paterno in der Wiener Zeitung: Arik Brauers letztes Interview: "Man muss Parkplätze freimachen". Abgerufen am 25. Januar 2021.
  3. kulturspiegel (…) Erich Brauer hat für die europäische (…) In: Arbeiter-Zeitung, 26. November 1970, S. 9, unten rechts.
  4. "Amadeus Awards": Arik Brauer wird für sein Lebenswerk geehrt. Die Presse, 9. März 2015, abgerufen am 5. April 2019.
  5. Arik Brauer und Wolfgang Hutter erhielten hohe Wiener Auszeichnung. APA, 29. März 2011, abgerufen am 5. April 2019.
  6. ORF: Im Zentrum: Hysterie am Heldenplatz – Wie verführbar sind wir heute? (11. März 2018)
  7. Brauer: "Neuer Antisemitismus wurde mit Flüchtlingen importiert". In: Kurier vom 3. April 2018 (abgerufen am 25. Jänner 2021).
  8. Helga Embacher, Bernadette Edtmaier, Alexandra Preitschopf: Antisemitismus in Europa. Fallbeispiele eines globalen Phänomens im 21. Jahrhundert. Böhlau, Wien 2019, S. 219 f., 263 f.
  9. Ida Metzger im Kurier: Arik Brauer: "Großer Fehler, FPÖ-Minister nicht nach Mauthausen einzuladen". 5. Mai 2018, abgerufen am 25. Januar 2021.
  10. Arik Brauer ist tot. In: orf.at. 25. Januar 2021, abgerufen am 25. Januar 2021.
  11. Lebenswerk auf der Website von Samy Molcho
  12. Walter Schurian: 1900 bis 2010: Phantastische Kunst aus Wien, ISBN 9783938049174, Hanno Karlhuber: Seiten 137–138, 159
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