Adolf Portmann

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Adolf Portmann

Adolf Portmann (* 27. Mai 1897 in Basel; † 28. Juni 1982 in Binningen) war ein Schweizer Biologe, Zoologe, Anthropologe und Naturphilosoph.

Leben

Adolf Portmann wurde 1897 als Sohn von Adolf und Elisabeth Portmann im Matthäusquartier in Basel geboren. Er studierte unter Friedrich Zschokke Zoologie in Basel, wo er im Jahre 1921 seinen Doktortitel mit der Dissertation Die Odonaten der Umgebung von Basel. Beitrag zur biologischen Systematik der mitteleuropäischen Libellen erhielt.

Nach Aufenthalten in Genf, München, Paris und Berlin und der Arbeit in marinen Laboratorien in Banyuls-sur-Mer, Roscoff, Villefranche-sur-Mer und Helgoland, wo Portmann vor allem an Meeresschnecken, speziell Hinterkiemerschnecken forschte, wurde er 1931 zum Professor für Zoologie an die Universität Basel berufen. Nun kam eine intensive Beschäftigung mit dem Verhalten der Vögel hinzu. Zunehmend befasste er sich dann mit dem Arbeitsgebiet der „vergleichenden Morphologie der Wirbeltiere“.

Er arbeitete oft interdisziplinär und stand in Kontakt mit Pierre Teilhard de Chardin, der seinerseits ebenfalls Anthropologe war. Portmann beschäftigte sich unter anderem auch mit Themen der Soziologie und Philosophie. 1941 veröffentlichte er erstmals einen Beitrag zur Sonderstellung des Menschen in der Natur aus ontogenetischer wie phylogenetischer Sicht.[1] In den folgenden Jahren veröffentlichte Portmann kontinuierlich weitere Beiträge zur Sonderstellung des Menschen in der Natur und behandelte verstärkt die ersten Lebensjahre des Menschen aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht. Diese Sonderstellung des „physiologisch völlig unspezialisierten“, in seiner Entwicklung offenen Menschen unterscheide ihn als „ewig Werdender“ von allen anderen physiologisch höchst spezialisierten, „so-seienden“ Lebewesen. Er prägte die Begriffe der „physiologischen Frühgeburt“ und „Nesthocker“ bzw. „Nestflüchter“,[2] welche auch heute noch Verwendung finden. Der Mensch ist einer späteren Arbeit von ihm zufolge ein „sekundärer Nesthocker“ mit einer offenen Präge- und Lernphase im „sozialen Uterus“ der Familie.

Diese Überlegungen Portmanns wurden in der philosophischen Anthropologie aufgegriffen, insbesondere bei Arnold Gehlen, der den Begriff des Mängelwesens prägte, den Portmann wiederum kritisiert hat.[3]

Wissenschaftliche Themen

Der Begriff der physiologischen Frühgeburt besagt, dass der Mensch, im Vergleich zu Tieren, viel zu früh geboren werde. Zwar komme es zu einer Reifung der offenen Sinnesorgane und des Bewegungssystems im Mutterleib, trotzdem sei der Mensch aber zum Zeitpunkt seiner Geburt völlig hilflos und auf Totalversorgung angewiesen. Diese Tatsache stehe im Gegensatz zum Reifestand anderer höherer Säugetiere bei der Geburt (z. B. Elefant, Pferd). Kennzeichnend für den Menschen ist nach Portmann infolge dieser Vorverlegung der Geburt, dass viele Entwicklungsprozesse nicht isoliert, sondern eingebettet in eine soziokulturelle Umgebung stattfinden. Durch seine Angewiesenheit sei der Mensch für soziale Kontakte und Umwelteinflüsse offen. Diese Offenheit ist für Portmann die Voraussetzung für kulturelles und geistiges Lernen.

Ein weiteres, immer wieder in Portmanns Forschungen und Publikationen auftretendes Thema ist die äußere Gestalt der Tiere, besonders in seinen Werken Die Tiergestalt, Tarnung im Tierreich und Neue Wege der Biologie. Portmann stellt hier die bereits zu seinen Lebzeiten heftig umstrittene These auf, dass die Gestaltung der Oberfläche nicht ohne weiteres aus deren adaptivem Wert zu erklären sei. Seine empirisch und theoretisch wohlbegründete Kritik an extrem adaptionistischen Vorstellungen ist aktuell auch für diejenigen geblieben, die sich mit seinem Begriff des „Darstellungswerts“ nicht anfreunden können.

Portmanns Überlegungen auf diesem Gebiet haben unter anderem Hannah Arendt beeinflusst, die Portmanns Kritik an der Vorstellung, man müsse die Oberfläche des Lebewesens auf etwas anderes, tiefer Liegendes zurückführen, als außerordentlich fruchtbar empfand.[4]

Schließlich interessierte sich Portmann für Wahrnehmung und Handeln der Tiere (im Unterschied zu den physikalisch-molekularbiologischen Grundlagen) und hat bereits 1953 ein verhaltensbiologisches Werk veröffentlicht (Das Tier als soziales Wesen). In diesem Zusammenhang sorgte besonders seine Aufnahme des Begriffs der „Innenwelt“ (geprägt durch Jakob Johann von Uexküll) der Tiere (bei Portmann: „Innerlichkeit“) für Kontroversen. Er bezeichnet freilich nicht etwas Mystisches, wie viele seiner Kritiker argwöhnten, sondern die Subjektqualität der Tiere: ihre Fähigkeit, selbst wahrzunehmen, zu erleben und zu handeln.

Zusammen mit Max Scheler, Helmuth Plessner und Arnold Gehlen prägte Portmann die Philosophische Anthropologie maßgeblich.

Eine große Rolle spielte für Portmann die öffentliche Lehr- und Bildungstätigkeit. Er hat seit den Zwanzigerjahren Hunderte von Zeitungsartikeln verfasst, Vorträgen gehalten und vor allem (seit 1928!) Radiosendungen gesprochen. In einem Ausmaß, wie es im deutschen Sprachraum seit Wilhelm Bölsche nicht mehr zu finden war, hat Portmann naturkundliche Bildung für Laien angestrebt und erreicht. Zugleich hat er durch die Gründung von Schweizer Jugend forscht die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vorangebracht. Eine sinnlich-ästhetische naturkundliche Erziehung im Gegensatz zu einer rein theoretisch-intellektuellen war ihm ein großes Anliegen, das er wiederholt in Aufsätzen und Radioansprachen vertrat.

Ehrungen

Hauptwerke

  • Einführung in die vergleichende Morphologie der Wirbeltiere (1948)
  • Die Tiergestalt (1948)
  • Das Tier als soziales Wesen (1953)
  • Zoologie und das neue Bild des Menschen (1956, 3. Auflage 1969)
  • Biologie und Geist. Rhein-Verlag AG, Zürich 1956.
    • erweiterte Auflage bei Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-518-06624-2.
    • Neu herausgegeben im Burgdorf Verlag, mit einem Geleitwort von Thure von Uexküll 1999.
  • Neue Wege der Biologie (1961)
  • Aufbruch der Lebensforschung (1965)
  • Vom Lebendigen (1973)
  • An den Grenzen des Wissens (1974, Autobiografie)

Literatur

  • Stefan Büttner: Portmann, Adolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, S. 644 f. (Digitalisat).
  • Joachim Illies: Adolf Portmann. Ein Biologe vor dem Geheimnis des Lebendigen. Herder, Freiburg/Basel/Wien 1976.
  • Rolf Kugler: Philosophische Aspekte der Biologie Adolf Portmanns. EVZ-Verlag, Zürich 1967.
  • Matthias Riedl: Adolf Portmann – Ein Skeptiker auf der Suche. In: Elisabetta Barone, Matthias Riedl, Alexandra Tischel (Hrsg.): Pioniere, Poeten, Professoren. Eranos und der Monte Verità in der Zivilisationsgeschichte des 20. Jahrhunderts. In: Eranos – Neue Folge. Nr. 11. Würzburg 2003, S. 115–126.
  • Markus Ritter: Die Biologie Adolf Portmanns in zeitgeschichtlichem Kontext, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Bd. 100 (2000), S. 207–254 (Volltext).
  • Roger Alfred Stamm und Pio Fioroni: Adolf Portmann, ein Rückblick auf seine Forschungen. In: Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band 94, 1984, Seiten 87–120.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die biologische Bedeutung des ersten Lebensjahres beim Menschen. In: Schweiz. Medizin. Wochenzeitschrift, 71: 921-1001.
  2. Adolf Portmann (1939): Nesthocker und Nestflüchter als Entwicklungszustände von verschiedener Wertigkeit bei Vögeln und Säugern. Revue Suisse Zoologie 46: 385-390
  3. Wolfhart Pannenberg: Anthropologie: In Theologischer Perspektive. 2. Aufl., Vandenhoeck & Ruprecht, 2011, ISBN 3-525-58023-1, 38.
  4. Vgl. Hanna Arendt: Vom Leben des Geistes. Band 1: Das Denken. München: Piper, 1979, S. 50ff.
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