Wesen: Unterschied zwischen den Versionen

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== Literatur ==
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Version vom 16. April 2019, 15:42 Uhr

Das Wesen (griech. οὐσία ousia „Seiendheit“, etymologisch verwandt mit ὄν ón „seiend“; lat. essentia oder quidditas „Washeit“; eng. essence), die Essenz, ist der gesetzliche Inhalt, das «Was», die Quidditas einer Erscheinung. Es ist das „wirkliche“ und „eigentliche“ Sein eines Seienden, im philosophischen Sinn die Gesamtheit der wesentlichen, d.h. allgemeinen, notwendigen Eigenschaften und Beziehungen eines Gegenstandes, die seine innere Bestimmtheit, die Einheit des Allgemeinen und Notwendigen, seinen bleibenden Kern bilden. Es ist das Sosein im Gegensatz zum Dasein, zur Erscheinung, die neben bestimmten wesentlichen auch unwesentliche, d.h. einzelne, zufällige, veränderliche, bloß äußerliche Züge enthält. Das Wesentliche ist damit geschieden vom Unwesentlichen, bloß Akzidentiellen. Das Wesen bildet mit der Erscheinung der Dinge, Prozesse u.a. eine gegensätzliche Einheit und ist im Gegensatz zur Erscheinung der sinnlichen Erkenntnis nicht unmittelbar zugänglich, sondern eröffnet sich nur dem Denken.

Dass das „An sich“ der Dinge, ihr Wesen, durch das Denken im menschlichen Bewusstsein ergriffen werden kann, ist das Fundament der von Rudolf Steiner begründeten anthroposophischen Geisteswissenschaft. Die Grundlagen dazu hat er bereits in seinen «Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften» geschaffen, wo er schreibt:

„Wer hinter den Dingen noch etwas sucht, das deren eigentliches Wesen bedeuten soll, der hat sich nicht zum Bewusstsein gebracht, dass alle Fragen nach dem Wesen der Dinge nur aus einem menschlichen Bedürfnisse entspringen: das, was man wahrnimmt, auch mit dem Gedanken zu durchdringen. Die Dinge sprechen zu uns, und unser Inneres spricht, wenn wir die Dinge beobachten. Diese zwei Sprachen stammen aus demselben Urwesen, und der Mensch ist berufen, deren gegenseitiges Verständnis zu bewirken. Darin besteht das, was man Erkenntnis nennt. Und dies und nichts anderes sucht der, der die Bedürfnisse der menschlichen Natur versteht. Wer zu diesem Verständnisse nicht gelangt, dem bleiben die Dinge der Außenwelt fremdartig. Er hört aus seinem Innern das Wesen der Dinge nicht zu sich sprechen. Deshalb vermutet er, dass dieses Wesen hinter den Dingen verborgen sei. Er glaubt an eine Außenwelt noch hinter der Wahrnehmungswelt. Aber die Dinge sind nur so lange äußere Dinge, so lange man sie bloß beobachtet. Wenn man über sie nachdenkt, hören sie auf, außer uns zu sein. Man verschmilzt mit ihrem inneren Wesen. Für den Menschen besteht nur so lange der Gegensatz von objektiver äußerer Wahrnehmung und subjektiver innerer Gedankenwelt, als er die Zusammengehörigkeit dieser Welten nicht erkennt. Die menschliche Innenwelt ist das Innere der Natur.“ (Lit.:GA 1, S. 333)

Die Essenz steht im Gegensatz zur bloßen Existenz bzw. ist ihr als Idee, als geistiges Urbild übergeordnet. Demgegenüber betont die Existenzphilosophie und ihre französische Spielart, der Existentialismus, ganz entschieden das Primat der Existenz. Jean-Paul Sartres wohl bekannteste, zentrale existentialistische Aussage lautet dementsprechend: „Die Existenz geht der Essenz voraus“[1]

Die Anthroposophie, als Wissenschaft vom Geistigen, muss ihr Erkenntnisstreben naturgemäß überall auf das Wesen der Erscheinungen richten. Dazu genügt es nicht, vom Weltgeist im allgemeinen, als einem unbestimmten und undifferenzierten Ganzen, zu sprechen, sondern der Blick muss sich auf eine reich gegliederte Hierarchie individueller Geistwesen und naturhafter Elementarwesen richten, also auf Wesenheiten, die durch ihr geordnetes Zusammenwirken die Erscheinungen der äußeren Welt, das Insgesamt des Kosmos, hervorbringen. Alle Wirkungen gehen letztendlich von geistigen Wesenheiten aus, die in verschiedenen Bewusstseinszuständen leben. In ihrem Bewusstsein liegt der Ursprungsquell und die eigentliche Substanz, aus der die Wirklichkeit gewoben ist:

„Es ist gut, festzuhalten, daß es im Grunde genommen im Weltenall doch nichts anderes gibt als Bewußtseine. Außer dem Bewußtsein irgendwelcher Wesenheiten ist letzten Endes alles übrige dem Gebiete der Maja oder der großen Illusion angehörig. Diese Tatsache können Sie besonders aus zwei Stellen in meinen Schriften entnehmen, auch noch aus anderen, besonders aber aus zwei Stellen: zunächst aus der Darstellung der Gesamtevolution der Erde von Saturn bis Vulkan in der «Geheimwissenschaft im Umriß», wo geschildert wird das Fortschreiten vom Saturn zur Sonne, von der Sonne zum Mond, vom Mond zur Erde und so weiter, zunächst nur in Bewußtseinszuständen. Das heißt, will man zu diesen großen Tatsachen aufsteigen, so muß man so weit aufsteigen im Weltengeschehen, daß man es zu tun hat mit Bewußtseinszuständen. Also man kann eigentlich nur Bewußtseine schildern, wenn man die Realitäten schildert. Aus einer anderen Stelle in einem Buche, das in diesem Sommer erschienen ist, «Die Schwelle der geistigen Welt», ist das gleiche zu entnehmen. Da ist gezeigt, wie durch allmähliches Aufsteigen der Seherblick sich erhebt von dem, was sich um uns herum ausbreitet als Dinge, als Vorgänge in den Dingen, wie das alles sozusagen als ein Nichtiges entschwindet und schmilzt, vernichtet wird und zuletzt die Region erreicht wird, wo nur noch Wesen in irgendwelchen Bewußtseinszuständen sind. Also, die wirklichen Realitäten der Welt sind Wesen in den verschiedenen Bewußtseinszuständen.“ (Lit.:GA 148, S. 305f)

Anthroposophie steht damit im diametralen Gegensatz zum heute auch aus naturwissenschaftlicher Sicht nur mehr eingeschränkt gültigen klassischen Materialismus, der alle Welterscheinungen auf die Wechselwirkung wesenloser elementarer materieller Objekte zurückführt, ohne dessen praktische Bedeutung für einzelne äußere Lebensbereiche zu leugnen. Viele materialistische Theorien werden aber erst wirklich fruchtbar, wenn man ihren geistigen Hintergrund erfasst. So maß Rudolf Steiner etwa der - nun geistig verstandenen - Evolutionslehre große Bedeutung zu, denn alle Wesen machen eine Entwicklung durch:

„Alle Wesenheiten steigen auf von Wesen, die empfangen, zu Wesen, die produzieren und schaffen. Schöpfer werden ist das Ziel der Wesen.“ (Lit.:GA 98, S. 194)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.