Sethianer (Gnosis)

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Als Sethianer bezeichnet zuerst Hippolyt von Rom eine Gruppe von Gnostikern, die neben dem Valentinianismus eine Hauptströmung der nichtchristlichen Gnosis ausmachen soll (B. Layton). Sie bezogen sich auf Set, den dritten Sohn Adams. Zum mythologischen Personeninventar der Sethianer gehört neben Set, der eine ausführlichere Rolle einnimmt als im Tanach (bzw. Alten Testament), vor allem Noreia, die Frau Noachs, die auch bei Mandäern und Manichäern Bedeutung hat.

Sethianer als Glaubensgemeinschaft

Für die Sethianer als Personengruppe hat man lediglich zwei Kirchenväter, die sich mit diesen in polemischer Weise auseinandersetzen, als antike Quelle. Nach Hippolyt (Philos. V) geht das System der Sethianer von einer Dreiheit von Finsternis, Licht und reinem Geist aus. Aus der Vermischung dieser drei entstehen Himmel und Erde. Im Gegensatz zu anderen gnostischen Systemen sei die Finsternis dabei keine untätige Materie, sondern klug und tätig, und werde mit dem Wasser und der Schlange gleichgesetzt. Die Finsternis erzeuge einen Sohn, den Nous (Verstand), der nicht von ihrem Wesen sei, sondern ein losgerissenes Teilchen von Licht und Geist, der sich aber nicht selbst erlösen könne. Um ihn zu befreien mache sich der Logos des Lichts dem Nous gleich.

„Sie meinen, das All habe drei gesonderte Prinzipien, von denen jedes unendliche Kräfte habe... Die Wesenheiten dieser Prinzipien sind Licht und Dunkel, mitten zwischen ihnen ist das unvermischte Pneuma. Das Pneuma, das zwischen dem Dunkel in der Tiefe und zwischen dem Licht in der Höhe seine Lage hat, ist nicht ein Hauch, wie die Kraft des Windes oder eine fühlbare feine Luft, sondern wie der Duft einer Salbe oder eines zusammengestellten Räucherwerkes, eine feine durchdringende Kraft, mit einem ungeahnten, unaussprechlich starken Wohlgeruch. Da nun das Licht oben und das Dunkel unten ist und mitten zwischen diesen auf die eben beschriebene Art der Hauch, das Licht aber wie ein Sonnenstrahl seiner Natur nach von oben in das darunter liegende Dunkel leuchtet, der Wohlgeruch des Hauches aber wiederum in seiner Mittellage sich ausdehnt und überallhin kommt, wie wir die allseitige Verbreitung des Geruches beim Räucherwerk, das auf dem Feuer liegt, wahrnehmen. Da also solcher Art die Kraft der dreifach geteilten (Prinzipien) ist, so ist die Kraft des Pneuma und des Lichtes zugleich (auch) in dem darunter liegenden Dunkel. Das Dunkel ist aber ein furchtbares Wasser, in welches mit dem Pneuma das Licht herabgezogen und zu gleicher Wesenheit verwandelt wird. Das Dunkel ist aber nicht vernunftlos, sondern durchaus verstandbegabt, und es weiß, daß, wenn das Licht vom Dunkel genommen wird, das Dunkel einsam, lichtlos, glanzlos, kraftlos, energielos, schwach zurück bleibt. Deshalb trachtet es mit jedem Gedanken und jeder Überlegung, in sich den Glanz und den Funken des Lichtes mit dem Wohlgeruch des Pneuma zu behalten. Das Bild dieser Wesenheiten kann man im Antlitz des Menschen sehen, die Pupille des Auges, dunkel durch die darunter liegenden Wasser, erhellt durch das Pneuma. Wie nun das Dunkel nach dem Glanz strebt, auf daß es den leuchtenden Funken zu seinen Diensten habe und sehen könne, so strebt das Licht und das Pneuma nach ihrer eigenen Kraft; sie bemühen sich, ihre mit dem darunter liegenden Dunkel und dem furchtbaren Wasser vermischten Kräfte zu heben und zu sich zurückzubringen. Jede einzelne der gesamten Kräfte der drei Prinzipien, die unendliche Male unendlich an Zahl sind, ist ihrer Natur nach verstand- und vernunftbegabt. Unzählig an Menge, verstand- und vernunftbegabt, sind sie in Ruhe, wenn sie für sich allein bleiben. Wenn aber eine Kraft der anderen nahe kommt, so bewirkt die Ungleichheit bei der Nebeneinanderstellung eine Bewegung und eine Tätigkeit, die durch den Zusammenstoß der Kräfte entsteht. Der Zusammenstoß der Kräfte erfolgt in der Art, wie das Siegelbild sich durch Berührung mit dem Siegel dem vorliegenden Stoffe einprägt. Da nun die Kräfte der drei Prinzipien unzählig sind und durch die unzähligen Kräfte unzählige Zusammenstöße erfolgen, so entstehen notwendig unendlich vieler Siegel Bilder. Diese Bilder sind nun die Ideen der verschiedenen Lebewesen. Aus dem ersten großen Zusammenstoß der drei Prinzipien entsteht ein großes Siegelbild, Himmel und Erde. Himmel und Erde aber haben eine Gestalt, die dem Mutterschoße mit dem Nabel in der Mitte ähnlich ist, und wenn einer diese Gestalt sich vor Augen bringen will, der untersuche kunstgerecht den schwangeren Schoß eines beliebigen Lebewesens, und er wird das Bild des Himmels und der Erde und aller Dinge finden, die dazwischen unveränderlich liegen. Die Gestalt des Himmels und der Erde ist durch den ersten Zusammenstoß dem Mutterschoße ähnlich geworden. Mitten zwischen Himmel und Erde erfolgten dann wiederum unzählige Zusammenstöße von Kräften. Und jeder Zusammenstoß hat immer wieder das Siegelbild des Himmels und der Erde nach Art eines Mutterschoßes hervorgebracht und ausgeprägt. Auf der Erde aber entstanden aus unzähligen Siegeln unzählige Mengen von verschiedenen Lebewesen. In diese ganze Unendlichkeit verschiedener Lebewesen unter dem Himmel ist mit dem Lichte der Wohlgeruch des Pneuma von oben hineingestreut und verteilt worden. Aus dem Wasser ist als erstgezeugtes Prinzip ein ungestümer, heftiger, jedes Werden verursachender Wind entstanden. Er bringt die Wasser in Wallung und erregt in ihnen Wogen. Die Bewegung der Wellen, die wie ein Drang ist..... , sie sei mit dem Menschen oder mit dem Nus schwanger geworden, wenn sie schwellend vom Ansturm des Windes getrieben wird. Wenn nun diese Woge, vom Wind aus dem Wasser getrieben und geschwängert, als Weibchen fortpflanzungsfähig geworden ist, so hält sie das herabgestreute Licht von oben mit dem Duft des Pneuma fest, d. i. den Nus in seinen verschiedenen Gestalten. Dieser ist der vollkommene Gott, aus dem ungezeugten Licht von oben und aus dem Pneuma in die menschliche Natur herabgebracht, wie in einen Tempel, durch die Kraft der Natur und die Bewegung des Windes aus Wasser gezeugt, mit den Körpern vermengt und vermischt wie Salz in den Dingen und Licht in der Finsternis; er strebt darnach, sich von den Körpern zu lösen und kann die Loslösung und seinen Ausgang nicht finden; es ist nämlich ein ganz kleiner Funke hineingemengt..... , wie er im Psalme[1] sagt. Alles Sinnen und Sorgen des Lichtes von oben geht dahin, wie und auf welche Weise der Nus vom Tode des bösen, dunklen Körpers befreit würde, vom Vater unten, welcher der Wind ist, der in ungestümem Brausen die Wogen erregt und der den Nus, seinen vollkommenen Sohn, erzeugt hat, der ihm aber nicht wesensgleich ist. Von oben stammte er, ein Strahl jenes vollkommenen Lichtes, im dunkeln, furchtbaren, bitteren, fauligen Wasser überwältigt; dies ist der leuchtende Geist, der über den Wassern schwebt[2]...... , wie man es bei allen Lebewesen sieht. Der heftige, in seiner Wucht furchtbare Wind ist in seinem Ungestüm einer Schlange ähnlich, ist geflügelt. Von diesem Wind, d. i. von dieser Schlange, stammt das Prinzip des Werdens auf die besprochene Art, indem alles zugleich das Entstehungsprinzip erhielt. Nachdem also das Licht und das Pneuma in dem unreinen, leidvollen, wüsten Mutterschoß gefangen worden sind, geht die Schlange, der Wind des Dunkels, der Erstgeborene der Wasser, in ihn ein und erzeugt den Menschen, und der unreine Mutterschoß liebt und erkennt kein anderes Gebilde an. Es machte sich nun der von oben kommende vollkommene Logos des Lichtes der Bestie, der Schlange, ähnlich und ging in den unreinen Mutterschoß ein, indem er ihn durch seine Ähnlichkeit mit der Bestie täuschte, auf daß er die Fesseln löse, die den vollkommenen Nus umstricken, der in der Unreinheit des Mutterschoßes vom Erstgeborenen des Wassers, von der Schlange, dem Winde, der Bestie erzeugt wurde. Dies ist die Knechtsgestalt[3] und dies die Notwendigkeit, warum der Logos Gottes in den Schoß der Jungfrau herabstieg. Aber das Eingehen des vollkommenen Menschen, des Logos, in den Schoß der Jungfrau und das Lösen der Geburtswehen in jenem Dunkel genüge nicht; sondern, nachdem er in die scheußlichen Geheimnisse im Mutterschoß eingegangen war, wurde er abgewaschen und trank den Becher des lebendigen, sprudelnden Wassers[4], den unbedingt der trinken muß, der die Knechtsgestalt[5] ablegen und das himmlische Gewand anziehen will.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium) V,19 [1]

Eine Gruppe dieses Namens wird auch bei Epiphanios von Salamis beschrieben, der jedoch sagt, sie seien nicht weitverbreitet und sich nicht genau erinnern kann, in welcher Stadt Ägyptens er sie vorgefunden habe.

„Die Sethianer. Diese verehren insbesondere den Seth und behaupten, er sei geboren aus der Reue der Stammutter, welche nach der Tötung des Kain und Abel den reinen Sprößling Seth hervorbrachte, von welchem das ganze Menschengeschlecht abstammte. Auch sie glauben an "Mächte" und "Gewalten" und das übrige, was auch die anderen glauben.“

Epiphanius von Salamis: Panarion 39 [2]

Sethianische Schriften

Einige Schriften aus Nag Hammadi, vor allem

wurden zunächst als sethianisch zusammengefasst. Allerdings hat das, was Hippolyt als System dieser Gruppe referiert, wenig mit dem Inhalt dieser Schriften zu tun. Daher hat Hans-Martin Schenke in der Forschungsdiskussion vorgeschlagen, nicht von den antiken Aussagen auszugehen, sondern von den Schriften, in denen die Gnostiker sich als Nachkommenschaft Seths verstehen und die Erkenntnis dieser Abstammung zugleich als Erlösung auffassen. Als Sethianer gilt daher der Trägerkreis einer Gruppe von Schriften, die erst von der modernen Forschung als "sethianische Schriften" zusammengefasst wurde.

Andere Forschungspositionen

Das mythologische System ist jedoch auch innerhalb dieser Schriftengruppe uneinheitlich; so fungiert Seth in einigen Schriften als Offenbarungsmittler, in anderen nur als Ahnherr des zur Erlösung prädestinierten Geschlechts. Daher wird in der neueren Forschung die Existenz der Sethianer als Gruppe oder eines Systems Sethianische Gnosis häufig bestritten. Zudem lässt sich nicht klären, ob die heute vorliegenden Schriften nur oberflächlich christianisiert oder weitgehend entchristlicht sind. Porphyrius (Vita Plotini 16) belegt, dass zwei der sethianischen Schriften (Zostrianus, Allogenes) bei einer innerchristlichen Gruppierung in Gebrauch gewesen sind. Die Vorstellung einer vorchristlichen Entstehung in Ägypten und die Einordnung der manichäisch-mandäischen Vorstellungen als Wirkungsgeschichte ist damit höchst zweifelhaft.

Einzelnachweise

  1. vermutlich Ps 28,3 EU
  2. 1 Mos 1,2 EU
  3. Phil 2,7 EU
  4. Joh 4,10-14 EU
  5. Phil 2,7 EU
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