Seltsame Materie

Aus AnthroWiki

Seltsame Materie (eng. strange matter oder Strangelet) ist eine hypothetische Form der Materie, die aus seltsamen Teilchen (engl. strange particles) besteht, die das Strange-Quark (von engl. strange „seltsam“) oder das Strange-Antiquark enthalten und dadurch eine Strangeness S ≠ 0 haben. Die seltsamen Quarks sind Elementarteilchen aus der Familie der Quarks, die zusammen mit Leptonen die grundlegenden Bausteine der Materie bilden.

Es wird vermutet, dass seltsame Materie in extremen Umgebungen im Kern von Neutronensternen vorkommen, oder, noch spekulativer, als isolierte Tröpfchen, deren Größe von Femtometern (Strangelets) bis zu Kilometern variieren kann, wie bei den hypothetischen seltsamen Quarksternen. Bei ausreichend hoher Dichte wird erwartet, dass die seltsame Materie farblich supraleitend ist.[1]

Die Entdeckung der seltsamen Quarks

Die theoretische Grundlage für die seltsame Materie geht auf die Entdeckung der Quarks in den 1960er Jahren zurück (CERN, n.d.). Der amerikanische Physiker Murray Gell-Mann und der unabhängige Forscher George Zweig haben die Existenz dieser Teilchen vorgeschlagen.[2] Die Existenz des Strange-Quarks wurde ursprünglich von Murray Gell-Mann und Kazuhiko Nishijima unabhängig voneinander postuliert, um die Entdeckung von Teilchen mit ungewöhnlichen Zerfallsverhalten zu erklären.

Die Entdeckung dieser seltsamen Teilchen geht auf Experimente in den 1950er Jahren zurück, als Forscher eine Vielzahl neuer Hadronen entdeckten, die sich in ihrem Verhalten von Protonen und Neutronen unterschieden. Diese Teilchen zeigten ein langes Leben und ungewöhnliche Zerfallsmuster, was darauf hindeutete, dass sie durch eine neue Quantenzahl, die später als "Strangeness" bezeichnet wurde, gekennzeichnet sind. Die Einführung des Strange-Quarks ermöglichte es Gell-Mann, Nishijima und anderen Forschern, diese Beobachtungen in einem konsistenten theoretischen Rahmen zu erklären.

Die Physik der Seltsamen Materie

Seltsame Materie entsteht, wenn seltsame Quarks zusammen mit den bereits bekannten Up- und Down-Quarks in einem Quark-Gluon-Plasma kombiniert werden (CERN, n.d.). Dieser exotische Zustand der Materie tritt nur bei extrem hohen Temperaturen und Druck auf, wie sie beispielsweise in Neutronensternen oder kurz nach dem Urknall vorkommen.

Laut der Theorie von Edward Witten könnte seltsame Materie unter bestimmten Bedingungen energetisch günstiger und stabiler sein als gewöhnliche Materie.[3] Dies bedeutet, dass seltsame Materie die Möglichkeit hätte, normale Materie in seltsame Materie umzuwandeln. Dabei wird argumentiert, dass Seltsame Materie mit zunehmender Massenzahl immer stabiler werden und ab einer Masse von ca. 1000 Protonen völlig stabil sein könnte.

Einige Wissenschaftler äußerten daraufhin Bedenken, dass seltsame Materie, wenn sie existiert und auf gewöhnliche Materie trifft, eine Kettenreaktion auslösen und das gesamte Universum in seltsame Materie umwandeln könnte. Daraus wurde ein angesichts des bevorstehenden Jahrtausenswechsels ein geradezu millenaristisches Weltuntergangs-Szenario konstruiert, das als „Ice-9-Katastrophe[4] oder „BNL doomsday scenario[5] bekannt geworden ist. In der Studie von Dar et al. (1999) untersuchten die Autoren das hypothetische Risiko, dass seltsame Materie bei relativistischen Schwerionenkollisionen entstehen und tatsächlich eine potenziell katastrophale Umwandlung gewöhnlicher Materie in seltsame Materie auslösen könnte. Ihre Analyse kam zu dem Schluss, dass die Möglichkeit eines solchen Ereignisses äußerst unwahrscheinlich sei und keine ernsthafte Bedrohung für die Erde darstelle.[6]

Literatur

  •  Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik. 2. Auflage. Band 4: Kern-, Teilchen- und Astrophysik, Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-21451-8.
  •  Jonathan L. Rosner, Bruce D. Winstein: Kaon Physics. Univ of Chicago Pr, 2001, ISBN 0-226-90228-5.

Weblinks

  • The Story of Strangelets (englisch)

Einzelnachweise

  1. Micaela Oertel, Michael Urban (2008). Surface effects in color superconducting strange-quark matter. Phys. Rev. D 77, 074015. American Physical Society. doi:10.1103/PhysRevD.77.074015. arXiv.
  2. Griffiths, D. J. (2008). Introduction to Elementary Particles. Wiley-VCH.
  3. Witten, E. (1984). Cosmic Separation of Phases. Physical Review D, 30(2), 272-285.
  4. Ice-9 ist eine von Kurt Vonnegut 1963 in seinem satirischen Science-Fiction-Roman "Cat's Cradle" beschriebene fiktive Struktur von Wasser, die bei Raumtemperatur fest ist und bei Kontakt mit gewöhnlichem flüssigem Wasser als Impfkristall wirkt, wodurch das flüssige Wasser sofort gefriert und sich in mehr Ice-Nine verwandelt. .
  5. In den für Herbst 1999 geplanten Experimenten am Brookhaven National Laboratory sollten Kollisionen zwischen Gold-Kernen bei noch nie dagewesenen Energien untersucht werden. Es wurde die Sorge geäußert, dass "Strangelets", als hypothetische Produkte dieser Kollisionen, die Zerstörung unseres Planeten auslösen könnten.
  6. Dar, A., De Rújula, A., & Heinz, U. (1999). Will relativistic heavy-ion colliders destroy our planet? Physics Letters B, 470(1-4), 142-148. pdf.