Schädel

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Cranium eines rezenten Menschen. Stirnbein, Keilbein, Scheitelbein, Schläfenbein und Hinterhauptsbein sind voneinander abgegrenzt durch die deutlich erkennbaren Schädelnähte.[1]

Als Schädel werden die Knochen des Kopfes der Wirbeltiere bezeichnet. Das entsprechende Fremdwort, das aber den Unterkiefer nicht mit einbezieht, lautet Cranium oder Kranium (mittellateinisch cranium, Pl. crania, von griechisch κρανίον krānion). Der dem Schädel nachfolgende Bereich des Skeletts wird entsprechend als Postkranialskelett (oder Postkranium) bezeichnet; intrakraniell bedeutet „im Schädel gelegen“. (Schreibweise jeweils auch mit c möglich.)

Der Schädel ist ein generelles Merkmal aller Wirbeltiere. Analoge Entwicklungen gibt es bei den Gliederfüßern, z. B. bei Insekten und Krebsen, bei denen das Oberschlundganglion durch das Außenskelett geschützt ist. Noch ähnlicher ist die Parallelentwicklung bei Cephalopoden (Tintenfischen). Diese Weichtiere haben eine Knorpelkapsel, die das Gehirn schützt und funktionell dem Hirnschädel vergleichbar ist. In der Evolution der Wirbeltiere entwickelten sich die frühesten Formen des Schädels bei den Vorfahren der Knochenfische (siehe Fischschädel). Der härteste Knochen des Säugetierschädels ist das Felsenbein. Die Kopfbildung und Schädelbildung sind ein Ergebnis der Cephalisation.

Die Knochen des Schädels

Schädel des Menschen in Seitenansicht
Schädel eines Hundes
Schädel einer Katze
Schädel einer Schnappschildkröte
Schädel einer Ente

Der Schädel des Menschen besteht aus 22 bis 30 miteinander über Knochennähte verbundenen Knochen. Die unterschiedlichen Angaben beruhen darauf, dass sich einerseits das Stirnbein wohl aus zwei Knochenanlagen bildet, aber sich nach dem Wachstumsabschluss meist als einheitlicher Knochen zeigt, andererseits das Zungenbein und die Gehörknöchelchen nur fallweise zu den Schädelknochen gezählt werden. Anatomisch unterscheidet man somit den

  1. Hirnschädel (lat. Neurocranium), der eine stabile Hülle um das Gehirn bildet.
  2. Gesichtsschädel (lat. Viscerocranium), der die Grundlage für das Gesicht bildet. Als Adjektiv wird für Teile des Gesichtsschädels auch kraniofacial (facies = Gesicht) verwendet.

Die Knochen des Hirnschädels

Morphologisch wird der Hirnschädel in das Schädeldach (Calvaria, Schädelkalotte) und die Schädelbasis unterteilt, welche die Schädelhöhle umgeben. Der Hirnschädel wird gebildet durch

  1. das unpaarige Hinterhauptbein (lat. Os occipitale),
  2. das paarige Scheitelbein (lat. Os parietale),
  3. das paarige Schläfenbein (lat. Os temporale) und
  4. das unpaarige Keilbein (lat. Os sphenoidale) sowie
  5. einen Teil des Stirnbeins (lat. Os frontale)
  6. das unpaarige Siebbein (lat. Os ethmoidale)

Von manchen Autoren wird das ganze Stirnbein dem Hirnschädel zugeordnet.

Der Hirnschädel ist durch die Kopfgelenke mit der Halswirbelsäule verbunden.

Die Knochen des Gesichtsschädels

Zum Gesichtsschädel gehören u. a. jene Knochen, die die Augen- und Nasenhöhlen und die Mundhöhle bilden. Im Einzelnen sind das:

  1. jene Teile des Stirnbeins, die die Augenhöhle mitbilden
  2. das paarige Jochbein (lat. Os zygomaticum)
  3. der Oberkiefer (lat. Maxilla), in Wirklichkeit ein paariger Knochen
  4. das paarige Zwischenkieferbein (lat. Os incisivum, zoolog. Prämaxillare), das beim Menschen schon vor der Geburt mit dem Oberkiefer verschmilzt
  5. der unpaarige Unterkiefer (lat. Mandibula)
  6. das paarige Nasenbein (lat. Os nasale)
  7. das paarige Nasenmuschelbein (lat. Os conchale inferius)
  8. das paarige Tränenbein (lat. Os lacrimale)
  9. das paarige Gaumenbein (lat. Os palatinum)
  10. das unpaarige Zungenbein (lat. Os hyoideum)
  11. das unpaarige Pflugscharbein (lat. der Vomer)
  12. die paarigen Gehörknöchelchen (lat. Ossicula auditūs))
    1. der paarige Hammer (lat. Malleus)
    2. der paarige Amboss (lat. Incus]
    3. der paarige Steigbügel (lat. Stapes)

Vergleich: Mensch und Menschenaffen

Primatencrania im Vergleich (die Gewichts­angaben beziehen sich jeweils auf die Hirnmasse)

Die den Schädel betreffenden Unterschiede zwischen Mensch und Menschenaffe beruhen hauptsächlich auf der Tatsache der vollständigen Aufrichtung und dem aufrechten Gang des Menschen. Beim Menschen liegt das Hinterhauptsloch der Schädelbasis unter dem Schwerpunkt des Kopfes, so dass dieser bei aufrechter Haltung durch Balance auf der Wirbelsäule getragen werden kann. Die menschliche Nackenmuskulatur ist daher nicht so kräftig wie die der Menschenaffen und dementsprechend dünnwandiger sind die Schädelknochen. Es fehlen auch die Ansatzstellen für große Muskeln wie z. B. der Scheitelkamm. Das Volumen des menschlichen Craniums ist größer als das der Menschenaffen, um dem größeren Gehirn Platz zu bieten. Der menschliche Gesichtsschädel hingegen ist kleiner, die Kieferpartie ist zurückgebildet und im Gebiss fehlt die Affenlücke.

Wachstum des menschlichen Schädels

Beim neugeborenen Menschen sind die Teile des Hirnschädels noch nicht vollständig verknöchert und nicht verwachsen. Zwischen den einzelnen Schädelplatten befinden sich Knochenlücken, die Fontanellen. Im Lauf der ersten Lebensjahre schließen sich die Fontanellen und der Hirnschädel verknöchert vollständig. An den Schädelnähten (Suturen) sind auch beim Schädel eines Erwachsenen noch die einzelnen Plattenknochen des Hirnschädels zu identifizieren, wobei die Naht zwischen beiden Stirnknochenanteilen sich üblicherweise bis zum 2. Lebensjahr schließt. Schließen sich eine oder mehrere Schädelnähte vorzeitig, so spricht man von Craniosynostose (Kraniosynostose). Beim Neugeborenen beträgt das Verhältnis von Hirnschädel zu Gesichtsschädel noch 8:1, beim fünfjährigen Kind 4:1, beim Erwachsenen 2:1.

Schädelkinese

Unter Schädelkinese oder -kinetik versteht man die Beweglichkeit mancher Schädelregionen relativ zueinander. Eine solche Beweglichkeit findet sich bei

So existiert bei den Vögeln und einigen Reptilien ein zusätzliches Gelenk im Schädeldach vor den Augenhöhlen, das es ihnen erlaubt, durch seitliche Drehung des Quadratums das Gaumendach gegen den Hirnschädel vor und zurück zu bewegen. Die hierdurch erreichte verstärkte Hebung des Oberkiefers vergrößert die Mundöffnung (Schnabel) und möglicherweise auch die Beißkraft.

Die Schädelkinese führt bei den Vögeln zu einer großen Formenvielfalt und ist nicht nur für ihr Geschick bei der Manipulation der Nahrung verantwortlich, sondern mindert auch bei manchen Vögeln den Aufprall beim Picken und spielt ebenfalls beim Nestbau sowie der Gefiederpflege eine Rolle. Sie ist ebenso von systematischer Bedeutung, denn aufgrund der Beziehungen der Gaumendachknochen, die an diesem Bewegungsprozess beteiligt sind, werden vier oder mehr Taxa rezenter Vögel unterschieden.

Bei Säugetieren hingegen sind die einzelnen Regionen des Schädels (bis auf den Unterkiefer) gegeneinander starr – ihr Schädel ist akinetisch. (Die geringfügigen Bewegungen der Knochen in Suturen, die für die „Craniosacraltherapie“ von Bedeutung sind, fallen nicht unter Kinese.)

Symbolik

Barthel Bruyn: Vanitas, 16. Jh.
Dürer: Der Hl. Hieronymus, 1521

Da die Hartteile von Lebewesen (Gehäuse, Skelette, Zähne) häufig nicht oder nur teilweise abgebaut werden, liefern sie die meisten Fossilien.[2] In der Symbolik jedoch deutet der Totenschädel auf die Vergänglichkeit des Lebens hin: Er ist Ikonographisches Kennzeichen vieler heiliger Büßer und Einsiedler, bei Bildern des „KirchenvatersHieronymus gehört er zum Standardprogramm. Mit dem verheerenden Auftreten der Pest entstehen seit dem 15. Jahrhundert die Totentanz-Bilder, die mit ganzen Skeletten, einzelnen Knochen und Schädeln versehen sind. Der Totenkopf ist häufig Bestandteil barocker Vanitas-Stillleben. Auch hier ist er Meditationsgegenstand, welcher die Betrachtenden an die Vergänglichkeit des irdischen Lebens erinnern soll. Häufig findet sich auf Kreuzigungsszenen zu Füßen Jesu ein Totenschädel. Hier wird auf eine mittelalterliche Legende angespielt, nach der das Kreuz Christi auf dem Grab Adams errichtet worden ist.

Zauberer, Hexen und Okkultisten werden häufig mit Totenschädeln in Verbindung gebracht. Er soll - wie auch in der Kunst - die Sterblichkeit der Menschen in ihrer Umgebung und ihre eigene Sterblichkeit verdeutlichen.[3]

In der Gothic-Kultur werden Totenschädel als Schmuckstück genutzt.[4]

Siehe auch

Weblinks

 Wiktionary: Schädel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Schädel - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikiquote: Schädel – Zitate

Einzelnachweise

  1. Adolf Faller: Der Körper des Menschen. Georg Thieme Verlag Stuttgart 1980. ISBN 3-13-329709-0
  2. Emil Kuhn-Schnyder, Hans Rieber: Paläozoologie - Morphologie und Systematik der ausgestorbenen Tiere. Georg Thieme Verlag Stuttgart 1984, ISBN 3-13-653301-1
  3. Sehen, Staunen, Wissen: Hexen & Zauberer. Die faszinierende Welt der Magie. 2004 Hildesheim (Gerstenberg Verlag), ISBN 3-8067-5514-0. Originaltitel: Eyewitness Guides: Witch and Wizard
  4. Birgit Richard, . birgitrichard.de: Schwarzes Glück und Dunkle Welle. Gotische Kultursedimente im jugendkulturellen Stil und magisches Symbolrecycling im Netz (PDF)
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