Schneewittchen

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Schneewittchen und die sieben Zwerge, Illustration von Carl Offterdinger (Ende 19. Jh.)
Der Prinz an Schneewittchens Glassarg, Illustration von Alexander Zick (1886)

Schneewittchen ist ein Märchen (ATU 709). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 53 und heißt dort Sneewittchen, in der Erstausgabe von 1812 war noch die Übersetzung ins Hdt. Schneeweißchen angegeben (ndt.: Snee „Schnee“, witt „weiß“), was dann wohl wegen der Gleichheit zu Schneeweißchen und Rosenrot weggelassen wurde. Landläufig hat sich als Titel „Schneewittchen“ durchgesetzt.

Inhalt

Die Inhaltsangabe folgt der Ausgabe letzter Hand der Brüder Grimm von 1857 (siebte Auflage der Kinder- und Hausmärchen).[1]

Die böse Königin beneidet das schöne Schneewittchen

Die Königin vor dem sprechenden Spiegel: »Spieglein, Spieglein an der Wand, / Wer ist die Schönste im ganzen Land?«[2]
Illustration, wahrscheinlich von Theodor Hosemann (1852)

An einem Wintertag sitzt eine Königin am Fenster, das einen schwarzen Rahmen aus Ebenholz hat, und näht. Versehentlich sticht sie sich mit der Nähnadel in den Finger. Als sie drei Blutstropfen in den Schnee fallen sieht, denkt sie: „Hätt’ ich ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie das Holz an dem Rahmen!“[3] Ihr Wunsch erfüllt sich, und sie bekommt eine Tochter, die Schneewittchen genannt wird, weil sie helle Haut, rote Wangen und schwarze Haare hat.[4]

Nach der Geburt stirbt die Königin, und der König nimmt sich eine neue Gemahlin. Diese ist sehr schön, aber eitel und böse. Sie kann es nicht ertragen, an Schönheit übertroffen zu werden. Als Schneewittchen sieben Jahre alt ist, nennt der sprechende und allwissende Spiegel der bösen Königin Schneewittchen und nicht sie die Schönste im ganzen Land. Von Neid geplagt, beauftragt die Stiefmutter einen Jäger, das Kind im Wald umzubringen und ihr zum Beweis dessen Lunge und Leber zu bringen. Doch der Mann lässt das flehende Mädchen laufen und bringt der Königin Lunge und Leber eines Frischlings, die diese im Glauben, es seien Schneewittchens, kochen lässt und verspeist.

Schneewittchen und die sieben Zwerge

Schneewittchen flüchtet in den Wald. Es kommt zu einem Häuschen, in dem ein Tisch für sieben Personen gedeckt ist, und nimmt sich von jedem Platz ein wenig zu essen und zu trinken. Dann probiert es die Betten aus, bis es ein passendes gefunden hat, und schläft ein.[5] Als es dunkel ist, kommen die Hausbewohner, sieben Zwerge, die in den Bergen nach Erz gegraben haben, heim. Sie bemerken erstaunt, dass jemand ihre Sachen angerührt hat. Im Bett des siebten Zwerges finden sie das schlafende Kind und sind hingerissen von dessen Schönheit. Am nächsten Morgen erklärt Schneewittchen ihnen seine Lage, und es darf im Haus wohnen bleiben, wenn es die Hausarbeiten verrichtet. Schneewittchen willigt ein und ist nun tagsüber immer alleine, weswegen die Zwerge das Mädchen vor der Stiefmutter warnen und es ermahnen, niemanden hereinzulassen.

Die Königin vergiftet Schneewittchen

Die Königin und Schneewittchen nach dessen Biss in den giftigen Apfel, Illustration von Franz Jüttner (1905)

Währenddessen befragt die böse Königin ihren Spiegel ein weiteres Mal nach der schönsten Frau im Königreich. Er verrät ihr, dass Schneewittchen noch am Leben ist und sich hinter den sieben Bergen im Haus der sieben Zwerge versteckt.

Dreimal verkleidet sich nun die Königin als Händlerin und bietet dem Mädchen unerkannt Waren an, mittels derer sie ihm das Leben nehmen will: Einen Schnürriemen zurrt sie so eng, dass Schneewittchen zu ersticken droht, einen Haarkamm und schließlich die rote Hälfte eines Apfels präpariert sie mit Gift. Jedes Mal lässt sich Schneewittchen täuschen und von den schönen Dingen betören, sodass es sie annimmt und wie tot hinfällt. Die ersten beiden Male können die Zwerge Schneewittchen ins Leben zurückholen, indem sie Riemen und Kamm entfernen. Beim dritten Mal finden sie die Ursache nicht und halten das Mädchen für tot.

Weil es so schön ist, legen sie es in einen gläsernen, mit Schneewittchens Namen und Titel beschrifteten Sarg, in dem es aussieht, als schliefe es nur. Sie stellen den Sarg auf einen Berg, wo auch die Tiere des Waldes das Mädchen betrauern und es immer von einem der Zwerge bewacht wird. Die böse Königin erhält von ihrem Spiegel die Auskunft, dass nun sie „die Schönste“ sei.

Schneewittchens Erlösung und der Tod der Königin

Schneewittchen liegt sehr lange Zeit in dem Sarg und bleibt schön wie eh und je. Eines Tages reitet ein Königssohn vorüber und verliebt sich in die scheinbar tote Prinzessin. Er bittet die Zwerge, ihm den Sarg mit der schönen Königstochter zu überlassen, da er nicht mehr ohne ihren Anblick leben könne. Aus Mitleid geben die Zwerge ihm schweren Herzens Schneewittchen. Doch als der Sarg auf sein Schloss getragen wird, stolpert einer der Diener, und der Sarg fällt zu Boden. Durch den Aufprall rutscht das giftige Apfelstück aus Schneewittchens Hals. Sie erwacht, und der Prinz und Schneewittchen halten Hochzeit, zu der auch die böse Königin eingeladen wird. Voller Neugier, wer denn die junge Königin sei, von deren Schönheit ihr der Spiegel berichtet hat, erscheint sie, erkennt Schneewittchen und muss zur Strafe für ihre Taten in rotglühenden Eisenpantoffeln solange tanzen, bis sie tot zusammenbricht.

Planetenanalogie zum Rosenkreuzermärchen

Das Rosenkreuzermärchen Schneewittchen findet seine Analogien und Entsprechungen in a) dem Planeten Venus, b) dem Planetenmetall Kupfer, c) den beiden inneren Organen der Nieren und d) in dem Lebensprozess der Absonderung.

Siehe auch

Literatur

Primärliteratur

  • Guillaume Apollinaire: La Blanche-Neige (Gedicht) aus der Sammlung Alcools von 1913, Paris 2008, ISBN 978-1-4375-2918-0.[6]
  • Ludwig Bechstein: Schneeweißchen (1846), S. 282–293, Stuttgart 1996, ISBN 3-15-009483-6.
  • Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. 19. Auflage. Artemis & Winkler / Patmos, Düsseldorf und Zürich 1999, ISBN 3-538-06943-3, S. 297–308.
  • Ernst Kreidolf: Ein Wintermärchen, Zürich, München 1983, ISBN 3-7607-7586-1.
  • Bertold Löffler: Die sieben Zwerge Schneewittchens, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-458-32189-6.
  • Conrad Ferdinand Meyer: Schneewittchen (Gedicht) in Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden, Bd.2, S. 115, Stuttgart 1975.[7]
  • Alexander Sergejewitsch Puschkin: Märchen von der toten Zarentochter, Berlin ca.1950.
  • Anne Ritter: Schneewittchen in der Wiege (Gedicht von ca. 1898) in Anne Ritter (1865–1921): Gedichte. Clett / Stuttgart / Berlin 1911.[8]
  • Heinz Rölleke (Hrsg.): Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm. Synopse der handschriftlichen Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812. Fondation Martin Bodmer, Cologny-Geneve 1975, S. 244–265.
  • Ruth Manning-Sanders: Das Buch von den Zwergen, Zürich 1972, ISBN 3-7976-1167-6.
  • Anne Sexton: Snow-White and the seven Dwarfs in Transformations (Verwandlungen) von 1972 (Gedicht)[9]
  • William Shakespeare: Cymbeline (die Gestalt der Imogen trägt Züge von Schneewittchen), Cymbeline in William Shakespeare: Gesamtwerk/Complete Edition in sechs Bänden übersetzt von Ludwig Tieck und August Wilhelm Schlegel, hrsg. von Levin Ludwig Schücking, Augsburg 1996.
  • Theodor Storm (Hrsg. von Peter Goldammer): Schneewittchen in Werke in vier Bänden, Bd.1, Berlin und Weimar 1967.
  • Robert Walser: Märchenspiele – Aschenbrödel, Schneewittchen, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-458-19191-7.
  • Blutrot, schneeweiß, rabenschwarz in Französische Feenmärchen aus einer 1718 anonym erschienenen Sammlung übersetzt von Hans Wolfgang Funke, S. 27–30, Leipzig 1988, ISBN 3-379-00325-5.

Sekundärliteratur

  • Karlheinz Bartels: Schneewittchen – Zur Fabulologie des Spessarts. 2. Auflage (ergänzte Neuauflage), Hrsg. Geschichts- und Museumsverein Lohr a. Main, Lohr a. Main 2012, ISBN 978-3-934128-40-8.
  • J. F. Grant Duff: Schneewittchen – Versuch einer psychoanalytischen Deutung. In: Wilhelm Laiblin (Hrsg.): Märchenforschung und Tiefenpsychologie. Darmstadt 1969, S. 88–99. (Zuerst erschienen in: Imago, Zeitschrift für Psychoanalytische Psychologie, ihre Grenzgebiete und Anwendungen. XX. Band. 1934, S. 95–103).
  • Heinz-Albert Heindrichs und Ursula Heindrichs (Hrsg.):Die Zeit im Märchen. Im Auftrag der Europäischen Märchengesellschaft, Kassel 1989, ISBN 978-3-87680-354-8.
  • Mathias Jung: Schneewittchen – Der Mutter-Tochter-Konflikt. Eine tiefenpsychologische Interpretation. 2003, ISBN 978-3-89189-104-9.
  • Wulf Köhn:Vorsicht Märchen! – Wie Schneewittchen nach Alfeld kam. 2002, ISBN 978-3-935928-03-8.
  • Theodor Ruf: Schneewittchen wie es wirklich wa(h)r: Die Schöne aus dem Glassarg. Schneewittchens wirkliches und märchenhaftes Leben. Königshausen und Neumann, Würzburg 1995.
  • Eckhard Sander: Schneewittchen, Märchen oder Wahrheit, ein lokaler Bezug zum Kellerwald. Wartberg Verlag, Gudensberg-Gleichen 1994, ISBN 3-86134-163-8.
  • Wolfdietrich Siegmund: Antiker Mythos in unseren Märchen. Im Auftrag der Europäischen Märchengesellschaft, Kassel 1984, ISBN 978-3-87680-335-7.
  • Bernhard Lauer: Wem gehört „Sneewittchen“? Ein Beitrag zur Verortung von Märchenstoffen und zur Herausbildung von Stereotypen. In: Zwischen Identität und Image. Die Popularität der Brüder Grimm und ihrer Märchen in Hessen. Hessische Blätter für Volk- und Kulturforschung (NF) 44-45, Jonas-Verlag, Marburg 2009, S. 390–425.

Weblinks

Commons: Schneewittchen - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Schneewittchen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikisource: Schneewittchen – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Brüder Grimm: Sneewittchen (1857) auf Wikisource.
  2. Brüder Grimm: Schneewittchen. In: Projekt Gutenberg-DE. Spiegel Online, abgerufen am 28. September 2012.
  3. Brüder Grimm: Schneewittchen. In: Projekt Gutenberg-DE. Spiegel Online, abgerufen am 22. April 2012. In der Ausgabe letzter Hand der Brüder Grimm von 1857 lautet das Zitat: „hätt ich ein Kind so weiß wie Schnee, so roth wie Blut, und so schwarz wie das Holz an dem Rahmen.“ (Sneewittchen (1857) auf Wikisource).
  4. Das Weiße wird nicht ausdrücklich als Hautfarbe genannt, vgl.: „Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so roth wie Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz, und ward darum das Sneewittchen (Schneeweißchen) genannt.“ (Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1857). Göttingen 1857, S. 264.); „Da wollten sie es begraben, aber es sah noch so frisch aus wie ein lebender Mensch, und hatte noch seine schönen rothen Backen.“ (ebd., S. 271.)
  5. Diese Situation spiegelt sich in den Märchenversionen von Goldlöckchen und die drei Bären wider – Eine alte Frau, in Versionen seit Joseph Cundall ein kleines Mädchen (Goldlöckchen), kommt hier, wie Schneewittchen, in ein einsames Waldhäuschen und nascht von den unterschiedlich großen Schüsseln, probiert alle Stühle und alle Betten. Schneewittchens Art des Probierens hat noch den ethischen Hintergrund des gerechten Teilens, ein Aspekt, der bei Goldlöckchens kindlich-spontanem Vorgehen keine Rolle spielt und beim Verhalten der alten, bösartigen Frau, die nur von Gier getrieben wird, ebenfalls fehlt. Das Haus wird nicht von sieben Zwergen, sondern von drei Bären bewohnt.
  6. Apollinaire – La Blanche-Neige
  7. Conrad Ferdinand Meyer – Schneewittchen
  8. Schneewittchen in der Wiege von Anne Ritter
  9. Anne Sexton: Snow-White and the seven Dwarfs


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