Polarität

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Polarität bezeichnet ganz allgemein das Verhältnis zweier gegensätzlich erscheinender, einander aber notwendig bedingender, nach Wiedervereinigung bzw. wechselseitiger Aufhebung strebender, komplementärer Erscheinungen zueinander, die ein und derselben Ganzheit angehören. So hat etwa eine Kugel, die sich um eine Achse dreht, notwendig nicht mehr und nicht weniger als zwei Pole, die aufeinander bezogen sind und nach Aufhebung streben, insofern sich die Drehbewegung mit der Zeit erschöpft und schließlich ganz zum Stillstand kommt. Hegel spricht mit Recht von der Polarität als "von einem Unterschiede, in welchem die Unterschiedenen untrennbar sind"[1]. Weiters ist nach Hegel die Polarität "die Bestimmung des Verhältnisses der Notwendigkeit zwischen zwei verschiedenen, die eines sind, insofern mit dem Setzen des einen auch das andere gesetzt ist. Diese Polarität schränkt sich nur auf den Gegensatz ein. Durch den Gegensatz ist aber auch die Rückkehr aus dem Gegensatz als Einheit gesetzt, und das ist das Dritte." [2] Das Dritte, auf das Hegel hier hinweist, ist die ursprüngliche Ganzheit, aus der die Polarität als Gegensatzpaar entspringt. Tatsächlich offenbart sich die äußere Welt überhaupt nur durch Gegensätze, die einander bedingen. Solche Gegensatzpaare sind etwa: warm - kalt, hell - dunkel, männlich - weiblich, Zeitlichkeit - Ewigkeit, Subjekt - Objekt usw. Wir werden uns dieser grundsätzlichen Polarität des äußeren Daseins oft nur deshalb nicht bewusst, weil wir einseitig nur den einen Pol betrachten und den anderen nicht sehen oder nicht im richtigen Zusammenhang werten.

Goethe spricht in seiner Farbenlehre von zwei Urphänomenen der Chromatik. Das erste Urphänomen zeigt sich, wenn reines weißes Licht durch ein trübes Medium fällt. Dann entsteht zunächst die Farbe Gelb. Blickt man anderseits durch ein vom Licht durchhelltes Medium auf einen finsteren Hintergrund, so hellt sich dieser zum Blau auf. Gelb und Blau stehen derart in einem polaren Verhältnis zueinander; die dieser Polarität zugrunde liegende Ganzheit ist das Licht selbst. Was Goethe beseelte

„... ist die Anschauung der zwei großen Triebräder aller Natur: der Begriff von Polarität und von Steigerung, jene der Materie, insofern wir sie materiell, diese ihr dagegen, insofern wir sie geistig denken, angehörig; jene ist in immerwährendem Anziehen und Abstoßen, diese in immerstrebendem Aufsteigen. Weil aber die Materie nie ohne Geist, der Geist nie ohne Materie existiert und wirksam sein kann, so vermag auch die Materie sich zu steigern, so wie sichs der Geist nicht nehmen lässt, anzuziehen und abzustoßen; wie derjenige nur allein zu denken vermag, der genugsam getrennt hat, um zu verbinden, genugsam verbunden hat, um wieder trennen zu mögen.“

Goethe: Erläuterung zu dem aphoristischen Aufsatz "Die Natur" an den Kanzler von Müller vom 24. Mai 1828

Der Begriff der Steigerung, von dem Goethe hier spricht, weist den Weg zur Ganzheit, in der die Polarität auf höherer Ebene aufgehoben wird.[3]

Chemie

Dipolmoment eines H2O-Moleküls.
rot: negative Teilladung
blau: positive Teilladung
grün: gerichteter Dipol
Hauptartikel: Polare Atombindung

Die Polarität eines Moleküls ist durch eine polare Atombindung bedingt, bei der die an der chemischen Bindung beteiligten Atome durch ihre unterschiedlichen Elektronegativitäten unterschiedliche elektrische Partialladungen (auch Teilladungen oder partielle Ladungen) tragen, die mit δ+ bzw. δ- oberhalb des Elementsymbols gekennzeichnet werden. Durch die räumliche Ladungstrennung entsteht ein elektrisches Dipolmoment , das ein Maß für die Polarität des Moleküls ist. Ein typisches polares Molekül ist das Wassermolekül.

Polare Stoffe wie beispielsweise viele Salze lösen sich meist gut in polaren Lösungsmitteln. Apolare bzw. unpolare Stoffe haben kein permanentes Dipolmoment und lösen sich meist gut in apolaren Lösungsmitteln.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hegel, Logik I, 11
  2. Hegel, Naturphilosophie, S 31
  3. J.W. von Goethe: Schriften zur Naturwissenschaft, Reclam Vlg., Stuttgart 1977, S. 32 und S. 49