Erbsünde

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Eve and the Serpent in the Garden of Eden, John H. Coates (1916)

Die Erbsünde oder Ursünde (lat. peccatum originale oder peccatum hereditarium) ist eine Folge der luziferischen Versuchung und des damit verbundenen Sündenfalls, der geschah, als das Ich noch nicht in den Menschen eingezogen war und ihm daher auch nicht als individuelle Schuld angelastet werden kann. Der Einfluss, den Luzifer auf den Astralleib genommen hat, wirkt im Ätherleib weiter und geht dadurch in die Vererbungsströmung ein, wodurch die Menschheit mit der Erbsünde beladen wurde. Damit der Ätherleib nicht völlig verdorben wird, musste dem Menschen die Herrschaft über die höheren Ätherkräfte, über den Klangäther und den Lebensäther, entzogen werden, was in der Bibel dadurch ausgedrückt wird, dass dem Menschen mit der Vertreibung aus dem Paradies, nachdem er vom Baum der (sinnlichen) Erkenntnis gegessen hatte, zugleich verboten wurde, vom Baum des Lebens zu essen.

Durch den Sündenfall kam der Tod in die Menschheit und er bewirkte auch die Geschlechtertrennung, die etwa ab der Mitte der atlantischen Zeit dazu führte, dass die beiden Geschlechter sinnliches Wohlgefallen aneinander fanden, wodurch sich die begierdenhafte leidenschaftliche Liebe der ursprünglich rein übersinnlichen, von der geistigen Welt getragenen Liebe beimengte. Dadurch gaben die Menschen immer mehr die Wirkungen dessen, was sie in der sinnlichen Welt erlebten, an ihre Nachkommen in Form der Erbsünde weiter:

„Die Erbsünde wird dadurch herbeigeführt, dass der Mensch in die Lage kommt, seine individuellen Erlebnisse in der physischen Welt auf seine Nachkommen zu verpflanzen. Jedesmal, wenn die Geschlechter in Leidenschaften erglühen, mischen sich in den aus der astralischen Welt herabkommenden Menschen die Ingredienzien der beiden Geschlechter hinein. Wenn sich ein Mensch inkarniert, kommt er aus der devachanischen Welt herunter und bildet sich seine astralische Sphäre nach der Eigenart seiner Individualität. Dieser eigenen astralischen Sphäre mischt sich etwas bei aus dem, was den astralischen Leibern, den Trieben, Leidenschaften und Begierden der Eltern eigen ist...“ (Lit.:GA 107, S. 131ff)

Die Erbsünde, die eine Folge der übermenschlichen Tat Luzifers ist, kann nicht durch den Menschen selbst, sondern auch wieder nur durch eine übermenschliche Tat getilgt werden, nämlich durch das mit dem Mysterium von Golgatha verbundene Sühneopfer des Christus, das dieser als freiwilliges Gnadengeschenk für die ganze Menschheit dargebracht hat.

„So, meine lieben Freunde, kann es keine andere Erlösung von der Erbsünde geben als diejenige durch den Christus Jesus; die anderen Sünden sind Folgesünden. Die individuellen Sünden werden von dem Menschen begangen, weil er eben durch die Erbsünde schwach sein kann, zur Sünde hinneigen kann. Diese individuellen Sünden finden ihren Ausgleich in dem, was durch Selbsterlösung erreicht werden muß; sie müssen durch Selbsterlösung im Verlaufe des irdischen oder überirdischen Lebens ausgeglichen werden. Dasjenige aber, was die Ursünde ist, die Mutter aller übrigen Sünden, das konnte nur durch die Erlösungstat des Christus aus dem Menschengeschlechte herausgenommen werden.“ (Lit.:GA 343a, S. 401f)

Freiheit und Erbsünde

Siehe auch: Freiheit

Der Sündenfall, als dessen Folge wir die Last der Erbsünde aufgebürdet bekamen, war aber auch die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass sich der Mensch auf Erden die Freiheit und damit auch die Liebe erwerben kann. Denn Träger der Liebe kann nur ein Wesen sein, dass sich aus Freiheit selbst zu verschenken vermag. Der Mensch ist in diesem Sinn der Anthropos, wörtlich der entgegen Gewendete, der sich selbst den Göttern entgegenstellt bzw. von ihnen abwendet, um sich aus Freiheit und Liebe wieder mit ihnen als ganz eigenständiges Wesen verbinden zu können.

In seinen 1921 gehaltenen Vorträgen für die angehenden Priester der Christengemeinschaft ging Rudolf Steiner auch auf die Frage nach dem Zusammenhang von Freiheit und Erbsünde ein:

Ein Teilnehmer: Ich möchte gern fragen, ob die Erbsünde für die Entwickelung der Menschheit eine Notwendigkeit war oder ob die Menschheit auch zu der Entwickelung der Freiheit kommen könnte ohne die Erbsünde. Eine andere Frage ist, ob es Wesen, Urmenschen gibt, die nicht in diese Urerbsünde kamen?

Rudolf Steiner: Nun, die Frage muß eigentlich so beantwortet werden: Sehen Sie, die übersinnliche Erkenntnis kann eigentlich niemals reine Teleologie sein, sondern sie ist beobachtend, und daher fallen in der übersinnlichen Erkenntnis die Fragen eigentlich weg, zu welchem Zweck oder wozu irgend etwas ist. Das ist etwas, was in Ihrer Frage lag: Könnten die Menschen [auch ohne die Erbsünde zur Freiheit kommen], oder haben die Menschen die Erbsünde auf sich geladen, um zur Freiheit zu kommen? — Es ist eben eine Tatsache, daß wir als Menschengeschlecht von dem 15. Jahrhundert ab in der Entwickelung der Freiheit leben. Dieses Leben in der Freiheit ist nur möglich unter dem Einfluß, dem inneren Einfluß der bloßen Intellektualität, die eigentlich keinen Inhalt hat. Der Satz des Descartes «Cogito, ergo sum» ist eigentlich falsch. Der Satz müßte eigentlich heißen: Cogito, ergo non sum, ich denke, also bin ich nicht, denn das Denken beleuchtet niemals eine Realität, sondern im Gegenteil, es ist die Vernichtung der Realität. Erst wenn man durch Imagination, Inspiration und Intuition an das Ich herankommt, liegt die reale Gewißheit des Ich vor. Wenn wir uns angewöhnt haben, die Kriterien des Seins anzuwenden auf unsere Umgebung, so müssen wir sagen: Ich denke, also bin ich nicht. Gerade in diesem Nichtsein liegt die Möglichkeit der Aufnahme eines Neuen. Das ist dasjenige, was in der Intellektualität liegt. Die intellektualistischen Begriffe sind eigentlich gegenüber der Realität leer, sie sind Löcher im Weltenall, und das ist zur Entwickelung der Freiheit notwendig. Sie können ja sehen, wie stufenweise der Intellektualismus heraufkommt. Er kommt herauf durch solche Denker, die noch Zeitgenossen des Nicolaus Cusanus waren. Dann geht es weiter, aber insbesondere Galilei, Kopernikus, Newton sind die eigentlichen Intellektualisten.

Tafel 13 zu GA 343

Nun, dieser Stand des Bewußtseins, der die Freiheit herbeiführt, könnte nicht da sein, wenn der Mensch innerlich ausgefüllt wäre mit einem Inhalt, denn dieser Inhalt müßte ein göttlicher sein, und dieser göttliche Inhalt, der gewissermaßen am stärksten im Anfang war, er mußte erst abnehmen und seinen Nullpunkt hier erreichen (es wird gezeichnet → Tafel 13), und nun tritt hier die intellektualistische Entwickelung ein. Die gibt dem Menschen die Freiheit und die wird im weiteren bewußt unserer Seele wiederum einen Inhalt geben. Also das Hindurchgehen durch [den Nullpunkt], das Heruntergeworfenwerden in die Materie, was gewisse Okkultisten zum Beispiel den «Fall in die Zeugung» nennen, das war zur Freiheit absolut notwendig. Man kann es nur hinterher sagen: Weil die Menschen in die Erbsünde fielen, bekamen sie die Freiheit. Nicht wahr, es wäre ganz falsch, wenn ich hier vor Ihnen mit diesen Dingen zurückhalten würde, wenn sie auch für ein gegenwärtiges Bewußtsein leicht schockant sind.

Wesen, die von der Erbsünde nichts wissen, nichts erfahren, die werden auch nicht der Freiheit teilhaftig. Solche Wesen sind zum Beispiel diejenigen, welche unmittelbar über den Menschen stehenden Stufen angehören. Diese Wesen haben eine größere Weisheit als die Menschen, haben auch eine stärkere Macht, aber sie kommen nicht zur Freiheit, ihr Wille ist immer eigentlich der göttliche Wille. Nur unter gewissen Bedingungen, die in der Weltentwickelung noch gar nicht eingetreten sind, die aber während der Erdenentwickelung noch kommen können — sie liegen in einer gewissen Zukunft —, da wird für diese Wesenheiten, die der Katholizismus Angeloi und Archangeloi nennt, die Möglichkeit eintreten, von ihrer inneren Seelennotwendigkeit abzuirren, nicht in Wahrscheinlichkeit, aber sie würden die Möglichkeit dazu haben. Es kann aber nichts gesagt werden darüber, weil das eben davon abhängen wird, wie dann die ganze Weltkonstellation ist. Da haben wir also Wesen, die haben nichts mit der Erbsünde zu tun. Auch diejenigen Wesenheiten, die nun die eigentlichen Versucher der Menschen waren im Gange der Erdenentwickelung, die repräsentiert sind durch die Schlange im Paradies, auch diese Wesenheiten haben nichts mit der Erbsünde zu tun, sondern mit einer frei durch sie begangenen Sünde. Erst im Menschen wird sie zur Erbsünde. Es ist dasjenige, was man Erbsünde und dann wiederum Freiheit nennt, das, was eigentlich dem Menschen spezifisch ist. Man findet überhaupt, daß die Errichtung einer jeden Daseinsstufe im gesamten Weltenall ihre gute Bedeutung hat, so daß nicht irgend etwas sich in vertikaler Richtung wiederholt. Also was bei den Tieren ist, ist nicht bei den Menschen, und was bei den Menschen ist, ist nicht bei den Engeln und so fort.“ (Lit.:GA 343a, S. 433ff)

Zitate

"Bei Neale Donald Walsch sagt Gott sinngemäß, dass wir Adam und Eva eigentlich dankbar sein müssen für ihre heldenhafte Tat, denn jetzt haben wir Teil an der Erkenntnis von Gut und Böse und können werden wie Gott. Ohne die Erbsünde wäre Freiheit unmöglich." (Joachim Stiller)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.