Eigenbewegungssinn

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Der Eigenbewegungssinn ist einer der zwölf physischen Sinne, von denen Rudolf Steiner in seiner Sinneslehre gesprochen hat und vermittelt die Wahrnehmung der eigenen Körperbewegung.

Zusammenhang mit Ätherleib, Lebensgeist und Astralleib

Die Tätigkeit des Eigenbewegungssinns beruht wesentlich darauf, dass der Ätherleib von dem Lebensgeist durchdrungen wird. Dadurch tritt ein Gleichgewicht im ätherischen Leib und dann im physischen Leib ein, das auch ein Gleichgewicht im Astralleib zur Folge hat. Bei jeder Bewegung des physischen Leibes fließt in entgegengesetzter Richtung ein astralischer Strom zurück. Im inneren Erleben dieses Vorgangs offenbart sich der Eigenbewegungssinn.

„Als zweiten Sinn haben wir den Eigenbewegungssinn angeführt. Hier wirkt im Ätherleib des Menschen wiederum etwas, was wir heute auch noch nicht bewußt besitzen. Und wieder können wir das Gleichnis vom Schwamm gebrauchen. Der Ätherleib wird nämlich auch hier durchtränkt und durchsetzt wie ein Schwamm vom Wasser, und was ihn jetzt durchsetzt und durchzieht, das ist der Lebensgeist oder die Budhi, welche er einst entwickeln wird aus sich heraus. Heute freilich ist dies erst gleichsam vorläufig aus der geistigen Welt uns gegeben. Die Budhi oder der Lebensgeist wirkt anders als der Geistesmensch. Er wirkt so, daß ein Gleichgewicht wie in dem in sich ruhenden Wasser im astralischen Leibe eintritt. Das Gleichgewicht im Ätherleibe und dann im physischen Leibe haben zur Folge ein Gleichmaß, ein Gleichgewicht im astralischen Leibe. Wenn dieses Gleichmaß von außen gestört wird, so sucht es sich von selber wieder auszugleichen. Führen wir eine Bewegung aus, so stellt sich das, was ins Ungleiche gekommen ist, wieder ins Gleichgewicht. Strecken wir zum Beispiel die Hand aus, so fließt ein astralischer Strom zurück in entgegengesetzter Richtung der ausgestreckten Hand, und so ist es bei allen Bewegungen in unserem Organismus. Immer wenn in einer physischen Lage eine Veränderung geschieht, so bewegt sich im Organismus in entgegengesetzter Richtung ein astralischer Strom. So ist es beim Augenzwinkern, so ist es beim Bewegen der Beine. In diesem innerlich erlebten Vorgang eines Ausgleichs im Astralleib offenbart sich der Eigenbewegungssinn.“ (Lit.:GA 115, S. 36f)

Tiefensensibilität

In der Medizin wird diese Wahrnehmung heute als Tiefensensibilität bezeichnet, die zusammen mit dem Gleichgewichtssinn die Propriozeption oder Propriorezeption (von lat. proprius „eigen“ und recipere „aufnehmen“), die Wahrnehmung der eigenen Körperbewegung und -lage im Raum, ermöglicht[1]. Propriorezeptoren registrieren dazu die Muskelspannung (Golgi-Sehnenorgan), den Dehnungsgrad der Muskel bzw. die Muskellänge und deren Veränderungsgeschwindigkeit (Muskelspindel) sowie die Gelenkstellung und -bewegung (Ruffini-Körperchen); die vorwiegend in der Unterhaut gelegenen Vater-Pacini-Körperchen sind besonders empfänglich für Vibrationsempfindungen.

Der Eigenbewegungssinn ist, zusammen mit dem Tastsinn und/oder dem Sehsinn, maßgeblich an der Wahrnehmung äußerer Formen beteiligt.

Die Tiefensensibilität umfasst:

  • Lagesinn, der Informationen über die Position des Körpers im Raum und die Stellung der Gelenke und des Kopfes liefert
  • Kraftsinn, der Informationen über den Spannungszustand von Muskeln und Sehnen liefert
  • Bewegungssinn (oder Kinästhesie, von altgriech. kinein (κινειν) „sich bewegen“ und aísthesis (αίσθεσις) „Wahrnehmung“), durch den eine Bewegungsempfindung und das Erkennen der Bewegungsrichtung ermöglicht wird.

Die sensorische Aufgabe der sogenannten motorischen Nerven

Die sogenannten motorischen Nerven, die laut der feststehenden neurowissenschaftlichen These der „Steuerung“ der Körperbewegungen dienen, haben laut Rudolf Steiner wie alle anderen Nerven auch eine ausschließlich sensorische Aufgabe und dienen der mehr oder weniger dumpfen Wahrnehmung der eigenen Bewegungen. Damit fallen die „motorischen“ Nerven ebenfalls in den Breich des Eigenbewegungssinns.

„Diese materialistische Wissenschaftsgesinnung glaubt nämlich, ebenso wie sie für die Sensation, für die Empfindung, für die Wahrnehmung der Vermittelung der Nerven bedarf, bedürfe sie auch der Vermittelung des Nervs für die Willensimpulse. Das ist aber nicht der Fall. Der Willensimpuls geht von dem Geistig-Seelischen aus. Da beginnt er, und er wirkt im Leibe, unmittelbar, nicht auf dem Umweg des Nervs, unmittelbar auf das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem. Und der Nerv, der in das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem hineingeht, vermittelt nur die Wahrnehmung desjenigen, was das Geistig-Seelische an dem ganzen Menschen in bezug auf sein Gliedmaßen-Stoffwechselsystem tut. Wir nehmen dasjenige wahr, was eine Folge ist seelisch-geistiger Willensprozesse in der Blutzirkulation, im übrigen Stoffwechsel und auch in der mechanischen Bewegung der Glieder; wir nehmen das wahr. Die sogenannten motorischen Nerven sind keine motorischen Nerven, die sind bloß dasjenige, was die Äußerungen, den Impuls des Willens wahrnimmt. Ehe man diesen Zusammenhang nicht einsehen wird, eher wird man nicht zu einer durchsichtigen Menschenerkenntnis kommen.“ (Lit.:GA 303, S. 209)

Literatur

Einzelnachweise

  1. Buser K., e.a.: Kurzlehrbuch medizinische Psychologie- medizinische Soziologie, Urban&FischerVerlag, 2007, S.93, ISBN 3437432117, [1]