Halluzination

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Die Versuchung des Hl. Antonius, Detail, Isenheimer Altar, Mathias Grünewald, 1515, Halluzinationen durch Mutterkorn

Unter Halluzination (aus lat. (h)alūcinātio „gedankenlose Rederei, Träumerei“; von griech. ἀλύειν halýein „außer sich sein“ und γένεσις genesis „Geburt, Entstehung, Erzeugung“) versteht man eine Wahrnehmung eines Sinnesgebietes, ohne dass eine Reizgrundlage vorliegt. Das bedeutet zum Beispiel, dass nichtvorhandene Objekte gesehen, oder Stimmen gehört werden, ohne dass jemand spricht. Halluzinationen können alle Sinnesgebiete betreffen. Bei einer Illusion hingegen wird ein real vorhandener Sachverhalt verändert wahrgenommen: Ein tatsächlich vorhandener feststehender Gegenstand scheint sich zu bewegen oder in irregulären Mustern werden scheinbar Gesichter erkennbar.

Eine Halluzination hat per Definitionem für den Halluzinierenden Realitätscharakter bzw. kann nicht von der Realität unterschieden werden. Im Gegensatz dazu merkt die Person bei einer Pseudohalluzination, dass es sich nicht um eine reale Wahrnehmung handelt. Pseudohalluzinationen können auch bei Übermüdung und im Halbschlaf vorkommen.

Ursachen von echten Halluzinationen können sein:

Ursachen von Pseudohalluzinationen können sein:

Arten von Halluzinationen

Bei optischen Halluzinationen kommt es zur Wahrnehmung von nicht vorhanden Objekten. Am häufigsten kleine und bewegliche Objekte, deren Wahrnehmung dann meist sehr angstvoll erlebt wird. Dies kommt beispielsweise im Rahmen eines Delirs vor. Teilweise werden auch ganze Szenen erlebt.

Bei akustischen Halluzinationen, die beispielsweise bei an Schizophrenie Erkrankten häufig sind, hören die Betroffenen oft Stimmen, die die Person beschimpfen, das Tun kommentieren oder Befehle geben (imperative Stimmen).

Olfaktorische (den Geruch betreffend: Phantosmie) und gustatorische Halluzinationen (den Geschmack betreffend) werden häufig von Patienten mit wahnhaften Vergiftungsängsten z. B. im Rahmen einer schizophrenen Psychose diagnostiziert.

Zönästhesien sind Sinnestäuschungen aus dem Bereich der Körperwahrnehmung, die in Abgrenzung zur Depersonalisation nicht als von außen gemacht wahrgenommen werden.

Unter hypnagogen Halluzinationen versteht man optische und akustische Sinnestäuschungen im Halbschlaf , beim Einschlafen oder Aufwachen. Sie kommen auch bei psychisch Gesunden vor, wie überhaupt Halluzinationen in gewissen Grenzsituationen wie z. B. Meditationen als normal anzusehen sind.

Halluzinogene rufen trotz ihrer Bezeichnung meist eher Pseudohalluzinationen (siehe auch Modellpsychose) oder Illusionen hervor als echte Halluzinationen.

In der Hypnose wird auch von negativen Halluzinationen gesprochen, wenn etwas äußerliches nicht mehr wahrgenommen, also gesehen, gehört oder gespürt wird. Sinnvollerweise muss dabei die Bedingung erfüllt sein, dass der Hypnotisierte die Wahrnehmung ohne die Hypnose hat. Negativ ist dabei keine Bewertung, sondern beschreibt den Umstand, dass etwas nicht mehr da ist.

Halluzinationen bei Epilepsie

Im Zusammenhang mit Epilepsie kann es zu Halluzinationen kommen. Je nach Art der Halluzination und nach Erfahrung der Halluzinierenden werden diese als solche erkannt oder nicht.

Halluzinationen von Musik oder Stimmen können beispielsweise mit etwas Erfahrung als solche anhand der Reinheit des Klangs bzw. anhand des Fehlens von Störgeräuschen erkannt werden.

Bei derartigen Halluzinationen handelt es sich gewöhnlich um besonders prägnante Erinnerungen an Wahrnehmungen, die auf einer Reizgrundlage basierten.

In psychiatrischen Umfeldern besteht die Gefahr, durch Schilderungen von Halluzinationen – besonders wenn sie Freude bereitet haben und entsprechend positiv dargestellt werden – als schizophren bezeichnet zu werden.

Neben Halluzinationen, die auf Erinnerungen beruhen, gibt es Halluzinationen von Handlungen oder Vorgängen, zu denen es durch einen kurzfristigen Ausfall der Reizgrundlage kommen kann. Diese Halluzinationen extrapolieren Realität nach Ausfall der Reizgrundlage, indem sie die Realität für einige Sekunden ohne Reizgrundlage in ihrem mutmaßlichen Verlauf "errechnen". Sie verschwinden, sobald die Reizgrundlage wieder hergestellt ist. Auf diese Weise verhelfen die Halluzinationen den betreffenden Menschen dazu, eine gerade ausgeführte Tätigkeit – zum Beispiel Gehen auf einem Gehweg – ohne Unterbrechung fortzuführen. Dass eine Halluzination vorlag, lässt sich nachträglich im Allgemeinen nur negativ feststellen – wenn beispielsweise inzwischen auf dem Gehweg ein Hindernis auftauchte, das vor dem Ausfall der Reizgrundlage nicht wahrgenommen wurde oder zwar wahrgenommen, aber als Störgröße gedeutet und aus der Realitätsextrapolation "herausgerechnet" wurde.

Organische Ursachen aus anthroposophischer Sicht

Rudolf Steiner hat auf den Zusammenhang von Halluzinationen mit einer Störung der Leberfunktion hingewiesen.

„Indem ich vorstelle, lebt in mir nach, schwingt nach mein vorgeburtliches Sein, und mein Leib ist ein Nachbild dieses vorgeburtlichen Seins. - Wenn er nun selbst anfängt, solch eine Tätigkeit zu entwickeln, wie sie eigentlich nur entwickelt werden soll durch Nachschwingen des vorgeburtlichen Daseins, was dann? Dann entwickelt der Leib in diesem physischen Dasein, weil er einmal ein Nachbild ist, unberechtigterweise aus sich heraus etwas, was der vorstellenden Tätigkeit ähnlich ist. Und das kann in der Tat eintreten. Wenn wir im normalen Leben stehen und denken und vorstellen, schwingt in uns nach unser vorgeburtliches Leben, und da der Mensch dreigliedrig ist, so kann das Nerven-Sinnesleben ausgeschaltet werden und jeder andere Teil kann anfangen nachzuäffen diejenige Tätigkeit aus dem rein Leiblichen heraus, welche eigentlich nachschwingen sollte aus dem vorgeburtlichen Dasein.Wenn der rhythmische Mensch oder der Stoffwechsel-Gliedmaßenmensch aus sich heraus eine solche Tätigkeit unberechtigterweise entwickelt, die dem berechtigten Vorstellen, das nachschwingt aus dem vorgeburtlichen Leben, ähnlich ist, dann entsteht die Halluzination. Und Sie können haarscharf, wenn Sie geisteswissenschaftlich die Sache betrachten, unterscheiden die berechtigte Vorstellung, die zu gleicher Zeit, indem man sie anerkennt als berechtigte Vorstellung, ein lebendiger Beweis für das präexistente Leben ist, Sie können sie unterscheiden von der Halluzination, die dadurch, daß sie da sein kann, daß sie die Nachäffung der aus dem Ewigen herauskommenden Vorstellungskraft aus dem Leibe heraus ist, ein lebendiger Beweis ist, weil sie Nachäffung ist, daß auch das Ursprüngliche, das sie nachäfft, vorhanden ist, die aber durchaus aus dem Leibe heraus gekocht ist und die daher als Unberechtigtes dasteht. Denn der Leib hat im physischen Leben nicht die Berechtigung, aus sich heraus nachzuäffen diejenige Vorstellungsweise, die geboren sein soll aus dem geistigen Leben des vorgeburtlichen Menschen heraus.“ (Lit.: GA 205, S. 17f)

„Wenn Sie nun in derselben Weise, wie ich es jetzt für die Lunge auseinandergesetzt habe, die Leber studieren, dann finden Sie: Da wird ebenso im Inneren der Leber konzentriert an Kräften alles dasjenige, was in der nächsten Inkarnation sich hinüberleitet in die inneren Dispositionen des Gehirnes. Also wiederum auf dem Umwege des Stoffwechselorganismus des jetzigen Lebens gehen die inneren Kräfte der Leber hinüber, aber jetzt nicht in die Form des Kopfes wie die Lunge, sondern in die innere Disposition des Gehirnes. Ob jemand ein scharfer Denker ist in der nächsten Inkarnation, hängt davon ab, wie er sich in der gegenwärtigen Inkarnation benimmt. So daß also auf dem Umweg durch den Stoffwechsel in der Leber bestimmte Kräfte auftreten; wenn diese Kräfte aber ausgepreßt werden in der gegenwärtigen Inkarnation, dann führen sie zu Halluzinationen oder starken Visionen. Sie sehen also jetzt im Konkreten, was ich gestern mehr im Abstrakten andeutete, wie durch Auspressen aus den Organen diese Dinge herauskommen, die dann ins Bewußtsein eindringen und aus dem allgemeinen halluzinatorischen Leben, das hinüberspielen soll von Inkarnation zu Inkarnation, sich in der einen Inkarnation geltend machen und dadurch eben in dieser Weise zum Vorschein kommen.“ (Lit.: GA 205, S. 103)

„Was ist es eigentlich, was im Menschen stattfindet, wenn er vorstellt? Ein Ätherprozeß, der nur in eine Wechselwirkung tritt mit einem äußeren Ätherprozeß. Notwendig ist aber, damit der Mensch sozusagen in gesundem seelischen und leiblichen Leben nach dieser Richtung ist, daß der Mensch gewahr werde, wo die Grenze ist, in der sich berührt der innere und der äußere Äther. Das geschieht zumeist ja unbewußt. Es wird bewußt, wenn der Mensch zur imaginativen Erkenntnis aufsteigt, wenn er innerlich erlebt das Regen und Bewegen des Äthers, und sein Zusammenkommen mit dem äußeren Äther, der im Sinnesorgan erstirbt. In diesem Wechselwirken zwischen dem inneren und äußeren Äther haben wir gewissermaßen die äußerste Grenze der Wirksamkeit des Äthers überhaupt auf den menschlichen Organismus. Denn das, was in unserem Ätherleibe ist, wirkt auf den Organismus zum Beispiel vornehmlich im Wachstum. Da ist es noch von innen heraus bildend im Organismus wirksam. Es organisiert allmählich unseren Organismus, so daß er sich anpaßt in der Weise an die Außenwelt, wie wir das sehen, wenn das Kind heranwächst. Aber dieses innerlich bildende Ergreifen des physischen Leibes durch den Äther muß an einer gewissen Grenze anlangen. Wenn es über diese Grenze hinausgeht durch irgendwelche krankhaften Prozesse, dann tritt das ein, daß das im Äther Lebende und Webende, das aber im Ätherischen sich erhalten soll, übergreift auf den physischen Organismus, so daß dieser gewissermaßen in sich verwoben erhält dasjenige, was als Ätherbewegung bleiben soll. Was tritt dann ein? Das, was eigentlich nur innerlich erlebt werden soll als Vorstellung, das tritt auf als ein Vorgang im physischen Leibe. Dann ist es das, was man eine Halluzination nennt. Wenn der Äthervorgang seine Grenze überschreitet nach dem Leiblichen hin, dadurch daß der Leib ihm durch seine Krankhaftigkeit nicht den richtigen Widerstand entgegensetzt, dann entsteht das, was man eine Halluzination nennt. Nun wünschen sich eigentlich sehr viele Menschen, die in die geistige Welt eindringen wollen, vor allen Dingen Halluzinationen. Das kann ihnen der Geistesforscher selbstverständlich nicht bieten; denn die Halluzination ist nichts anderes als die Wiedergabe eines rein materiellen Vorganges, eines Vorganges, der sich gegenüber der Seele jenseits der Grenzen des Leibes abspielt, das heißt im Leibe. Dagegen besteht das, was in die geistige Welt führt, darin, daß man von dieser Grenze zurück ins Seelische geht und statt zu Halluzinationen, zur Imagination kommt, und die Imagination ist ein rein seelisches Erlebnis. Und indem sie rein seelisches Erlebnis ist, lebt die Seele in der Imagination in der geistigen Welt. Dadurch aber auch lebt die Seele in vollbewußtem Durchdringen der Imagination. Und ein Wichtiges ist, daß man einsieht, daß Imagination, das heißt berechtigter Weg, um geistige Erkenntnis zu erlangen, und Halluzination, das Entgegengesetzte sind und sich auch gegenseitig vernichten. Wer durch einen krankhaften Organismus zur Halluzination kommt, verlegt sich den Weg zur eigentlichen Imagination; und wer zur wirklichen Imagination kommt, bewahrt sich am sichersten vor allem Halluzinieren. Halluzination und Imagination schließen sich gegenseitig aus, zerstören sich gegenseitig.“ (Lit.: GA 66, S. 172ff)

Siehe auch

Illusion, Wahrnehmungstäuschung

Literatur

  1. Hans-Jürgen Möller, Gerd Laux und Arno Deister: Psychiatrie und Psychotherapie, Thieme Verlag
  2. Rudolf Steiner: Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Erster Teil, GA 205 (1987), ISBN 3-7274-2050-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.


Weblinks

 Wiktionary: Halluzination – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen