Gilgul Neschamot: Unterschied zwischen den Versionen

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In dem auf den Lehren [[Wikipedia:Rabbi|Rabbi]] [[Isaak Luria]]s (1534–1572) beruhendem [[Schaar ha-Gilgulim]] („Tor der Wiedergeburten“) werden umfassend und präzise die verwickelten Gesetzmäßigkeiten der kabbalistischen Wiedergeburtslehre im Sinne der [[Seelenwanderung]] beschrieben, wobei ausdrücklich auf einzelne Verse im [[Wikipedia:Tanach|Tanach]] verwiesen wird. Geschildert wird die Wiedergeburt von fünf verschiedenen Seelenteilen ([[Nephesch]], [[Ruach]], [[Neschama]], [[Chaya]] und [[Yechida]]), wobei deutlich zwischen lebenslanger [[Inkarnation]] (Gilgul) und bloß vorübergehenden [[Inkorporation]] einer fremden guten [[Seele]] ([[Ibbur]]) oder bösen Seele ([[Dibbuk]]) unterschieden wird.
In dem auf den Lehren [[Wikipedia:Rabbi|Rabbi]] [[Isaak Luria]]s (1534–1572) beruhendem [[Schaar ha-Gilgulim]] („Tor der Wiedergeburten“) werden umfassend und präzise die verwickelten Gesetzmäßigkeiten der kabbalistischen Wiedergeburtslehre im Sinne der [[Seelenwanderung]] beschrieben, wobei ausdrücklich auf einzelne Verse im [[Wikipedia:Tanach|Tanach]] verwiesen wird. Geschildert wird die Wiedergeburt von fünf verschiedenen Seelenteilen ([[Nephesch]], [[Ruach]], [[Neschama]], [[Chaya]] und [[Yechida]]), wobei deutlich zwischen lebenslanger [[Inkarnation]] (Gilgul) und bloß vorübergehenden [[Inkorporation]] einer fremden guten [[Seele]] ([[Ibbur]]) oder bösen Seele ([[Dibbuk]]) unterschieden wird.
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"In den vorausgehenden Ausführungen ist gesagt worden,
dass in allen Seelen eine Mischung von Gutem und Bösem vorhanden ist. Sie kommen aus ihrem himmlischen Zustand
Vor der Geburt in diese Welt, um das Gute durch Ausscheidung
des Bösen wiederherzustellen. Die einen kommen in
diese Welt durch das Geheimnis der Seelenwanderung, die
anderen durch das der Seelenschwängerung. Ich habe jetzt
darzulegen, was Seelenwanderung (Gilgul) und Seelenschwängerung (Ibbur) bedeuten.
Seelenwanderung findet statt, wenn bei der leiblichen Geburt
eines Kindes zugleich eine für dieses bestimmte Seele
mit in die Welt eintritt. Diese muss dann alle Schmerzen
und Mühen empfinden, die über diesen Körper von seiner
Geburt an bis zu seinem Tod kommen. Die Seele kann den
Körper nicht eher verlassen, bis er gestorben ist. Seelenschwängerung
aber findet statt, wenn eine Seele in den Körper
eines schon mit einer Seele geborenen und heranwachsenden Menschen kommt. Wenn in einen solchen
Menschen noch eine andere Seele gelangt, ist diese gleichsam
wie eine Schwangere, die außer ihrem Leib noch einen
anderen in sich hat. Daher kommt der Ausdruck Seelenschwängerung. Diese erfolgt, wie schon gesagt, erst bei einem
heranwachsenden Menschen, das heißt bei einem
Menschen, der mindestens 13 Jahre und einen Tag alt ist.
[...]
Diese Seelenschwängerung geschieht aus zwei Gründen:
Zum Einen erfolgt sie, wenn die neu hinzukommende Seele
In ihrem früheren Erdenleben ein Gebot nicht erfüllen
konnte. Diese Pflichtverletzung ist aber nicht so schwer,
dass sie deshalb noch einmal eine Seelenwanderung durchmachen
muss. Sie kommt daher in jenen Menschen nur, um
die ihr entgangene Gelegenheit zur Erfüllung jener Pflicht
nachzuholen.
Zum Anderen kommt jene Seele zu der schon vorhandenen
hinzu, wenn der Besitzer dieser ersten Seele die andere nötig
hat, damit sie ihm helfe, ihn gerecht mache und regiere.
Dann ist die hinzukommende Seele frei von Mängeln. In
beiden Fällen erfolgt die Seelenschwängerung erst in einem
Alter von 13 Jahren und einem Tag.
Im Übrigen besteht zwischen beiden Fällen folgender Unterschied.
Wenn die schwängernde Seele zu der ursprünglichen
hinzukommt, um einen eigenen Mangel auszugleichen,
so verbreitet sie sich wie die bereits vorhandene
durch den ganzen Körper, erduldet wie diese alle Schmerzen
und Mühen des Körpers und muss in ihm so lange
verweilen, bis sie die noch ausstehenden Pflichten erfüllt
hat. Dann trennt sie sich wieder von jenem Menschen.
Wenn aber die schwängernde Seele in einen Menschen
kommt, weil dieser ihre Unterstützung nötig hat, so erduldet
sie keinerlei Schmerzen und Mühen dieses Körpers, da sie
ja nicht selbst an einem Mangel leidet und nicht um ihrer
selbst willen gekommen ist. Daher ist ihr auch keine Zeit
vorgeschrieben, vor deren Ablauf sie sich nicht von jenem
Körper trennen dürfte. Vielmehr bleibt sie in jenem Körper
so lange, wie sie es für richtig hält. Wenn der Mensch Gutes
tut, so verweilt sie bei ihm und vereinigt sich mit ihm um
so inniger, je besser der betreffende Mensch wird. Wenn er
dagegen Schlechtes tut und schlecht wird, so trennt sie sich
aus eigenem Antrieb von ihm.
[...]
Zuweilen kann es geschehen, dass in einem eben geborenen
Körper nicht nur eine Seele das Dasein auf Erden erneut
durchmacht, sondern zur gleichen Zeit zwei, drei, ja sogar
vier sich mit diesem Körper zu einer neuen Erdenwanderung
verbinden. Sie müssen aber von gleicher Natur sein.
Mehr als vier können aber in demselben Körper nicht vereinigt sein. Der Zweck dieser Vereinigung ist ihre gegenseitige Unterstützung in der Sühnung der Schuld, die der
Grund für ihr neues Erdenleben ist. Manchmal beherbergt
jener Körper nur eine Seele, die zum ersten Mal ein neues
Erdendasein erdulden muss. Aber es kommt auch vor, dass
bei einer erstmalig wandernden Seele solche dabei sind, die
dies schon zwei Mal oder drei Mal erduldet haben. Aber
mehr als eine erstmalig wandernde und drei wiederholt
wandernde Seelen sind nie in einem Körper.
Ebenso können sich bei einer Seelenschwängerung nie
mehr als drei andere schwängernde Seelen vereinigen.
Doch im Gegensatz zu der Seelenwanderung, bei der die
verschiedenen Seelen alle zugleich in den neugeborenen
Körper kommen, erfolgt bei der Seelenschwängerung der
Hinzutritt mehrerer Seelen zu der ursprünglichen in einer
bestimmten Reihenfolge. Zuerst kommt eine Seele, die wegen
ihrer geringeren Vollkommenheit tiefer steht, hinzu, dann die vollkommenere und schließlich diejenige, die alle
überragt." {{Lit|Luria, I,V, zit. nach Werner, S 194ff}}
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"Der Mensch muss so lange neue Seelenwanderungen
durchmachen, bis alle Teile seiner Seele von allen Mängeln
der früheren Leben auf Erden vollständig beseitigt sind." {{Lit|Luria, I,VI,1, zit. nach Werner, S 198}}
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Auch heute noch ist die Wiedergeburtslehre im [[Wikipedia:Orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]] weit verbreitet, namentlich bei den [[Wikipedia:Chassidim|Chassidim]], wo sie schon von dem Begründer der osteuropäischen chassidischen Bewegung, Rabbi [[Wikipedia:Israel ben Elieser|Israel ben Elieser]] (1698–1760), ausgeht.
Auch heute noch ist die Wiedergeburtslehre im [[Wikipedia:Orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]] weit verbreitet, namentlich bei den [[Wikipedia:Chassidim|Chassidim]], wo sie schon von dem Begründer der osteuropäischen chassidischen Bewegung, Rabbi [[Wikipedia:Israel ben Elieser|Israel ben Elieser]] (1698–1760), ausgeht.
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* [[Reinkarnation]]
* [[Reinkarnation]]
* [[Seelenwanderung]]
* [[Seelenwanderung]]
== Literatur ==
# [[Isaak Luria]]: ''Das Buch von der Seelenwanderung''
# Helmut Werner: ''Die Kabbala'', Komet Verlag, Köln 2002, ISBN 978-3-89836-165-1


[[Kategorie:Reinkarnation und Karma]] [[Kategorie:Mystik]] [[Kategorie:Judentum]]
[[Kategorie:Reinkarnation und Karma]] [[Kategorie:Mystik]] [[Kategorie:Judentum]]

Version vom 30. April 2010, 10:36 Uhr

Gilgul Neschamot (hebr. גִלְגּוּל נְשָמוֹת, wörtl. das Rollen der Seelen) oder kurz Gilgul bezeichnet die in der jüdischen Mystik verbreitete Lehre der Seelenwanderung, die nicht mit der Reinkarnation des Geistes verwechselt werden darf.

Die Seelenwanderungslehre, wie sie auch in der Kabbala gelehrt wird, beruht darauf, dass die unverwandelten Begierden des Menschen nach dem Tod im Kamaloka dem Astralleib eine tierische Gestalt verleihen. Ähnlich geschieht es auch, wenn der Astralleib im Zuge des geistigen Schulungswegs herausgehoben wird. Um das zu verhindern, musste der Geistesschüler zuvor streng auf eine entsprechende seelische Läuterung (Katharsis) hinarbeiten.

Der Begriff Gilgul Neschamot kommt zwar im Tanach, der hebräischen Bibel nicht vor, wird aber in den Überlieferungen des Talmud an einzelnen Stellen kontrovers diskutiert und ist ein zentrales Element der Kabbala, so etwa im Sefer ha-Bahir („Buch der Erleuchtung“), das als ältestes kabbalistisches Werk gilt, und in dem Ende des 13. Jahrhunderts weithin bekannten Sefer ha-Sohar („Buch des Glanzes“), das die Seelenwanderungslehre für eine Weile zum Allgemeingut des osteuropäischen Judentums machte.

In dem auf den Lehren Rabbi Isaak Lurias (1534–1572) beruhendem Schaar ha-Gilgulim („Tor der Wiedergeburten“) werden umfassend und präzise die verwickelten Gesetzmäßigkeiten der kabbalistischen Wiedergeburtslehre im Sinne der Seelenwanderung beschrieben, wobei ausdrücklich auf einzelne Verse im Tanach verwiesen wird. Geschildert wird die Wiedergeburt von fünf verschiedenen Seelenteilen (Nephesch, Ruach, Neschama, Chaya und Yechida), wobei deutlich zwischen lebenslanger Inkarnation (Gilgul) und bloß vorübergehenden Inkorporation einer fremden guten Seele (Ibbur) oder bösen Seele (Dibbuk) unterschieden wird.

"In den vorausgehenden Ausführungen ist gesagt worden, dass in allen Seelen eine Mischung von Gutem und Bösem vorhanden ist. Sie kommen aus ihrem himmlischen Zustand Vor der Geburt in diese Welt, um das Gute durch Ausscheidung des Bösen wiederherzustellen. Die einen kommen in diese Welt durch das Geheimnis der Seelenwanderung, die anderen durch das der Seelenschwängerung. Ich habe jetzt darzulegen, was Seelenwanderung (Gilgul) und Seelenschwängerung (Ibbur) bedeuten.

Seelenwanderung findet statt, wenn bei der leiblichen Geburt eines Kindes zugleich eine für dieses bestimmte Seele mit in die Welt eintritt. Diese muss dann alle Schmerzen und Mühen empfinden, die über diesen Körper von seiner Geburt an bis zu seinem Tod kommen. Die Seele kann den Körper nicht eher verlassen, bis er gestorben ist. Seelenschwängerung aber findet statt, wenn eine Seele in den Körper eines schon mit einer Seele geborenen und heranwachsenden Menschen kommt. Wenn in einen solchen Menschen noch eine andere Seele gelangt, ist diese gleichsam wie eine Schwangere, die außer ihrem Leib noch einen anderen in sich hat. Daher kommt der Ausdruck Seelenschwängerung. Diese erfolgt, wie schon gesagt, erst bei einem heranwachsenden Menschen, das heißt bei einem Menschen, der mindestens 13 Jahre und einen Tag alt ist.

[...]

Diese Seelenschwängerung geschieht aus zwei Gründen: Zum Einen erfolgt sie, wenn die neu hinzukommende Seele In ihrem früheren Erdenleben ein Gebot nicht erfüllen konnte. Diese Pflichtverletzung ist aber nicht so schwer, dass sie deshalb noch einmal eine Seelenwanderung durchmachen muss. Sie kommt daher in jenen Menschen nur, um die ihr entgangene Gelegenheit zur Erfüllung jener Pflicht nachzuholen.

Zum Anderen kommt jene Seele zu der schon vorhandenen hinzu, wenn der Besitzer dieser ersten Seele die andere nötig hat, damit sie ihm helfe, ihn gerecht mache und regiere. Dann ist die hinzukommende Seele frei von Mängeln. In beiden Fällen erfolgt die Seelenschwängerung erst in einem Alter von 13 Jahren und einem Tag.

Im Übrigen besteht zwischen beiden Fällen folgender Unterschied. Wenn die schwängernde Seele zu der ursprünglichen hinzukommt, um einen eigenen Mangel auszugleichen, so verbreitet sie sich wie die bereits vorhandene durch den ganzen Körper, erduldet wie diese alle Schmerzen und Mühen des Körpers und muss in ihm so lange verweilen, bis sie die noch ausstehenden Pflichten erfüllt hat. Dann trennt sie sich wieder von jenem Menschen.

Wenn aber die schwängernde Seele in einen Menschen kommt, weil dieser ihre Unterstützung nötig hat, so erduldet sie keinerlei Schmerzen und Mühen dieses Körpers, da sie ja nicht selbst an einem Mangel leidet und nicht um ihrer selbst willen gekommen ist. Daher ist ihr auch keine Zeit vorgeschrieben, vor deren Ablauf sie sich nicht von jenem Körper trennen dürfte. Vielmehr bleibt sie in jenem Körper so lange, wie sie es für richtig hält. Wenn der Mensch Gutes tut, so verweilt sie bei ihm und vereinigt sich mit ihm um so inniger, je besser der betreffende Mensch wird. Wenn er dagegen Schlechtes tut und schlecht wird, so trennt sie sich aus eigenem Antrieb von ihm.

[...]

Zuweilen kann es geschehen, dass in einem eben geborenen Körper nicht nur eine Seele das Dasein auf Erden erneut durchmacht, sondern zur gleichen Zeit zwei, drei, ja sogar vier sich mit diesem Körper zu einer neuen Erdenwanderung verbinden. Sie müssen aber von gleicher Natur sein. Mehr als vier können aber in demselben Körper nicht vereinigt sein. Der Zweck dieser Vereinigung ist ihre gegenseitige Unterstützung in der Sühnung der Schuld, die der Grund für ihr neues Erdenleben ist. Manchmal beherbergt jener Körper nur eine Seele, die zum ersten Mal ein neues Erdendasein erdulden muss. Aber es kommt auch vor, dass bei einer erstmalig wandernden Seele solche dabei sind, die dies schon zwei Mal oder drei Mal erduldet haben. Aber mehr als eine erstmalig wandernde und drei wiederholt wandernde Seelen sind nie in einem Körper.

Ebenso können sich bei einer Seelenschwängerung nie mehr als drei andere schwängernde Seelen vereinigen.

Doch im Gegensatz zu der Seelenwanderung, bei der die verschiedenen Seelen alle zugleich in den neugeborenen Körper kommen, erfolgt bei der Seelenschwängerung der Hinzutritt mehrerer Seelen zu der ursprünglichen in einer bestimmten Reihenfolge. Zuerst kommt eine Seele, die wegen ihrer geringeren Vollkommenheit tiefer steht, hinzu, dann die vollkommenere und schließlich diejenige, die alle überragt." (Lit.: Luria, I,V, zit. nach Werner, S 194ff)

"Der Mensch muss so lange neue Seelenwanderungen durchmachen, bis alle Teile seiner Seele von allen Mängeln der früheren Leben auf Erden vollständig beseitigt sind." (Lit.: Luria, I,VI,1, zit. nach Werner, S 198)

Auch heute noch ist die Wiedergeburtslehre im orthodoxen Judentum weit verbreitet, namentlich bei den Chassidim, wo sie schon von dem Begründer der osteuropäischen chassidischen Bewegung, Rabbi Israel ben Elieser (1698–1760), ausgeht.

Siehe auch

Literatur

  1. Isaak Luria: Das Buch von der Seelenwanderung
  2. Helmut Werner: Die Kabbala, Komet Verlag, Köln 2002, ISBN 978-3-89836-165-1