Menschenbild: Unterschied zwischen den Versionen

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Das '''Menschenbild''', als Teil des [[Weltbild]]es insgesamt, umfasst nach allgemeinen Sprachgebrauch die [[Vorstellung]], die man sich von dem [[Wesen]] des [[Mensch]]en macht. Je nach den [[wissenschaft]]lichen, [[Philosophie|philosophischen]], [[sozial]]en und [[Religion|religiösen]] Voraussetzungen, von denen man ausgeht, ist dieses Menschenbild sehr unterschiedlich, oft auch sehr einseitig geprägt.  
Das '''Menschenbild''', als Teil des [[Weltbild]]es insgesamt, umfasst nach allgemeinen Sprachgebrauch die [[Vorstellung]], die man sich von dem [[Wesen]] des [[Mensch]]en macht. Je nach den [[wissenschaft]]lichen, [[Philosophie|philosophischen]], [[sozial]]en und [[Religion|religiösen]] Voraussetzungen, von denen man ausgeht, ist dieses Menschenbild sehr unterschiedlich, oft auch sehr einseitig geprägt.  
{{GZ|Was
ist denn die Grundlage dieser anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft?
Betrachten wir die Welt ringsherum. Wir sehen sie sich
entwickeln im mineralischen, im pflanzlichen, im tierischen Reiche. Die
Naturwissenschaft hat in der neueren Zeit manches hervorgebracht
über das, was vorgeht bei der Entwickelung des tierischen, des pflanzlichen
und des mineralischen Reiches. Sie wird auch weiterhin manches
hervorbringen, was Aufklärung schafft über die Evolution des Mineralischen,
des Pflanzlichen, des Tierischen. Über den Menschen hat diese
Naturwissenschaft nichts Sonderliches hervorgebracht. Denn gehen Sie
wirklich ein auf das, was die Naturwissenschaft über den Menschen
aus einer Beschreibung seiner Anatomie, seiner Physiologie und so weiter
hervorgebracht hat, so werden Sie finden, daß diese Naturwissenschaft
eigentlich nur das vom Menschen betrachtet, was ihn als letztes
Glied der Tierreihe erscheinen läßt. Sie tut als Naturwissenschaft ganz
recht, aber sie betrachtet eben dadurch nur dasjenige, was ihn als höchstes
Glied der Tierreihe, gewissermaßen als vollkommenstes Tier erscheinen
läßt. Nichts aber betrachtet diese Naturwissenschaft, was uns
den Menschen eigentlich als Menschen erscheinen läßt, was ihn heraushebt
aus den anderen ihn umgebenden Reichen des Weltenalls. Unsere
Geisteswissenschaft, sie beschäftigt sich wahrhaftig nicht in dilettantischer,
sondern in gewissenhaft forschender Weise mit einer Vertiefung
desjenigen, was die Naturwissenschaft über das Mineralische, über
das Pflanzliche, über das Tierische zu sagen hat. Und würden die Menschen
der Gegenwart nur etwas hinhorchen auf das, was Anthroposophie
zu sagen hat, dann würden sie nicht meinen, daß diese Anthroposophie
eine Sektensache sei, daß sie etwas sei, was durch die Vorliebe
einiger «Tanten» gepflegt wird, sondern sie würden sehen, daß sie noch
etwas ganz anderes ist, daß sie an Strenge der Wissenschaftlichkeit und
des Forschens es voll aufnehmen kann mit den Methoden naturwissenschaftlicher
Anschauung, und daß dasjenige, was sie hervorbringt, nur
eben reicher ist als das, was die äußere Naturwissenschaft gibt.
Ist es denn nicht eigentlich läppisch, wenn von Seiten der Naturwissenschaft
die Anthroposophie bekämpft wird? Die Anthroposophie
nimmt ja der Naturwissenschaft gar nichts. Sie stellt sich vor diese Naturwissenschaft
hin und sagt: Ja, Ihr habt recht auf dem Gebiete, das
Ihr erforscht. - Sie fügt nur dasjenige hinzu, was sie dann erforscht
über das mineralische, über das pflanzliche, über das tierische Reich.
Und wer hat denn ein Recht, hinwegzuleugnen das, was er selbst noch
nicht erforscht hat, wenn man ihm nicht bestreitet, was er erforscht
hat! Man kann sich eigentlich keine stärkere Tyrannis denken als diejenige,
die da ausgeübt wird gegenüber dem, was man selber nicht erforscht hat und nicht erforschen will. Aber wohin kommt denn anthroposophisch
orientierte Geisteswissenschaft, indem sie in ihrer Methode
Mineralisches, Pflanzliches und Tierisches erforscht? Sie kommt
dazu, einzusehen, daß das, was man durch die naturwissenschaftliche
Methode, was man durch die Beobachtung der äußeren Sinneswelt
finden kann, gewiß auf die Erkenntnis des Menschen auch angewendet
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was im Menschen abstirbt: wie der Mensch stirbt, wie er schon anfängt
zu sterben, wenn er geboren wird, wie er in absteigender Entwickelung
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zu Ende geht, wollen Sie diese ganze absteigende Entwickelung
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Nun muß demgegenüber gesagt werden, daß in dem Augenblicke,
wo das Geborenwerden stattfindet, nicht nur ein Absterben da ist, sondern
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Sie nicht finden durch die heutige naturwissenschaftliche Betrachtung,
wenn Sie diese auch noch so sehr zum Ideal hin gestaltet haben.
Das, was da wiederum belebt wird im Menschen, was immerfort einfach
neben diesem Absterben da ist, das läßt sich nicht begreifen aus
dem Sinnlichen heraus, das läßt sich nur begreifen aus dem Übersinnlichen
heraus. Anthroposophie muß die Erkenntnis des Übersinnlichen
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== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Heilfaktoren für den sozialen Organismus'', [[GA 198]] (1984), ISBN 3-7274-1980-6 {{Vorträge|198}}
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Version vom 3. August 2017, 11:06 Uhr

Das Menschenbild, als Teil des Weltbildes insgesamt, umfasst nach allgemeinen Sprachgebrauch die Vorstellung, die man sich von dem Wesen des Menschen macht. Je nach den wissenschaftlichen, philosophischen, sozialen und religiösen Voraussetzungen, von denen man ausgeht, ist dieses Menschenbild sehr unterschiedlich, oft auch sehr einseitig geprägt.

„Was ist denn die Grundlage dieser anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft? Betrachten wir die Welt ringsherum. Wir sehen sie sich entwickeln im mineralischen, im pflanzlichen, im tierischen Reiche. Die Naturwissenschaft hat in der neueren Zeit manches hervorgebracht über das, was vorgeht bei der Entwickelung des tierischen, des pflanzlichen und des mineralischen Reiches. Sie wird auch weiterhin manches hervorbringen, was Aufklärung schafft über die Evolution des Mineralischen, des Pflanzlichen, des Tierischen. Über den Menschen hat diese Naturwissenschaft nichts Sonderliches hervorgebracht. Denn gehen Sie wirklich ein auf das, was die Naturwissenschaft über den Menschen aus einer Beschreibung seiner Anatomie, seiner Physiologie und so weiter hervorgebracht hat, so werden Sie finden, daß diese Naturwissenschaft eigentlich nur das vom Menschen betrachtet, was ihn als letztes Glied der Tierreihe erscheinen läßt. Sie tut als Naturwissenschaft ganz recht, aber sie betrachtet eben dadurch nur dasjenige, was ihn als höchstes Glied der Tierreihe, gewissermaßen als vollkommenstes Tier erscheinen läßt. Nichts aber betrachtet diese Naturwissenschaft, was uns den Menschen eigentlich als Menschen erscheinen läßt, was ihn heraushebt aus den anderen ihn umgebenden Reichen des Weltenalls. Unsere Geisteswissenschaft, sie beschäftigt sich wahrhaftig nicht in dilettantischer, sondern in gewissenhaft forschender Weise mit einer Vertiefung desjenigen, was die Naturwissenschaft über das Mineralische, über das Pflanzliche, über das Tierische zu sagen hat. Und würden die Menschen der Gegenwart nur etwas hinhorchen auf das, was Anthroposophie zu sagen hat, dann würden sie nicht meinen, daß diese Anthroposophie eine Sektensache sei, daß sie etwas sei, was durch die Vorliebe einiger «Tanten» gepflegt wird, sondern sie würden sehen, daß sie noch etwas ganz anderes ist, daß sie an Strenge der Wissenschaftlichkeit und des Forschens es voll aufnehmen kann mit den Methoden naturwissenschaftlicher Anschauung, und daß dasjenige, was sie hervorbringt, nur eben reicher ist als das, was die äußere Naturwissenschaft gibt.

Ist es denn nicht eigentlich läppisch, wenn von Seiten der Naturwissenschaft die Anthroposophie bekämpft wird? Die Anthroposophie nimmt ja der Naturwissenschaft gar nichts. Sie stellt sich vor diese Naturwissenschaft hin und sagt: Ja, Ihr habt recht auf dem Gebiete, das Ihr erforscht. - Sie fügt nur dasjenige hinzu, was sie dann erforscht über das mineralische, über das pflanzliche, über das tierische Reich. Und wer hat denn ein Recht, hinwegzuleugnen das, was er selbst noch nicht erforscht hat, wenn man ihm nicht bestreitet, was er erforscht hat! Man kann sich eigentlich keine stärkere Tyrannis denken als diejenige, die da ausgeübt wird gegenüber dem, was man selber nicht erforscht hat und nicht erforschen will. Aber wohin kommt denn anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft, indem sie in ihrer Methode Mineralisches, Pflanzliches und Tierisches erforscht? Sie kommt dazu, einzusehen, daß das, was man durch die naturwissenschaftliche Methode, was man durch die Beobachtung der äußeren Sinneswelt finden kann, gewiß auf die Erkenntnis des Menschen auch angewendet werden kann, aber nur so, daß es uns dasjenige in Begriffen erklärt, was im Menschen abstirbt: wie der Mensch stirbt, wie er schon anfängt zu sterben, wenn er geboren wird, wie er in absteigender Entwickelung ist. Wollen Sie das begreifen, was bei der Geburt beginnt an Verdorren des Menschen, was beim Tode eben in einem Augenblick zu Ende geht, wollen Sie diese ganze absteigende Entwickelung studieren, dann schauen Sie in die Natur, dann erforschen Sie alle Naturgesetze. Und wenn Sie alle Naturgesetze erforscht haben und sie anwenden auf den Menschen, dann bekommen Sie die Sterbegesetze des Menschen, dann bekommen Sie dasjenige, was am Menschen abstirbt (weiß).

Zeichnung aus GA 198, S. 239
Zeichnung aus GA 198, S. 239

Nun muß demgegenüber gesagt werden, daß in dem Augenblicke, wo das Geborenwerden stattfindet, nicht nur ein Absterben da ist, sondern auch ein Aufsteigen (rot). Diese aufsteigende Entwickelung können Sie nicht finden durch die heutige naturwissenschaftliche Betrachtung, wenn Sie diese auch noch so sehr zum Ideal hin gestaltet haben. Das, was da wiederum belebt wird im Menschen, was immerfort einfach neben diesem Absterben da ist, das läßt sich nicht begreifen aus dem Sinnlichen heraus, das läßt sich nur begreifen aus dem Übersinnlichen heraus. Anthroposophie muß die Erkenntnis des Übersinnlichen hinzufügen zu dem Sinnlichen, damit der Mensch überhaupt begriffen werden könne.“ (Lit.: GA 198, S. 239f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Heilfaktoren für den sozialen Organismus, GA 198 (1984), ISBN 3-7274-1980-6 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.