Rache: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Rache''' ([[Wikipedia:althochdeutsch|ahd.]] ''râhha'', [[Wikipedia:Altsächsische Sprache|altsächsisch]] ''wrâka,'' [[Wikipedia:Altenglisch|altengl.]] ''wraec'', [[Wikipedia:Isländische Sprache|isländisch]] ''ræki'', „treiben, jagen, verfolgen“), als eine Handlung, die angeblich oder tatsächlich erlittenes [[Unrecht]] dadurch ausgleichen soll, dass [[Leid]] mit gleichwertigem Leid vergolten wird, oft durch Anwendung von [[psychisch]]er oder [[physisch]]er Gewalt bis hin zur [[Blutrache]] als letztem Mittel, ist, abgesehen von nordisch-germanischen Quellen, kein wohldefinierter [[Recht]]sbegriff, namentlich nicht im [[Wikipedia:Römisches Recht|Römischen Recht]]. Die [[w:Antikes griechisches Recht|griechische Rechtsgeschichte]] bezeugt hingegen einen überraschend rechtsförmigen Rachebegriff.<ref>Ruch (2017) S. 229 ff.</ref> Die politischen Entscheidungen und Gewalthandlungen von Figuren wie [[w:Menelaos|Menelaos]], [[w:Odysseus|Odysseus]] oder [[w:Orestes|Orestes]] bezeugen weniger eine archaische Gewaltbereitschaft, als einen Zwang zur Rache durch das Recht selbst<ref>Ruch (2017) S. 310 ff.</ref> – mit festen juristischen Regeln und Vorgaben für das richtige "Rachemaß" (in Analogie zum heutigen Strafmaß).<ref>Ruch (2017) S. 276.</ref> In der deutschen Rechtsgeschichte wird der Begriff meist im Zusammenhang mit der [[Fehde]] gebraucht. Es ist ein alter gemeingermanischer Rechtsbegriff, der das „Setzen außerhalb des Landrechts, und die Austreibung aus dem Lande infolge eines Angriffs auf den Landfrieden bezeichnete“. Es war die mildere, weil nicht entehrende Strafe, im Gegensatz zur Verurteilung zur [[Vogelfreiheit|vogelfreien]] Existenz ([[Ächtung]]).<ref name="gr14-14">Grimm Bd. 14 Sp. 14.</ref>
'''Rache''' ([[Wikipedia:althochdeutsch|ahd.]] ''râhha'', [[Wikipedia:Altsächsische Sprache|altsächsisch]] ''wrâka,'' [[Wikipedia:Altenglisch|altengl.]] ''wraec'', [[Wikipedia:Isländische Sprache|isländisch]] ''ræki'', „treiben, jagen, verfolgen“), als eine Handlung, die angeblich oder tatsächlich erlittenes [[Unrecht]] dadurch ausgleichen soll, dass [[Leid]] mit gleichwertigem Leid vergolten wird, oft durch Anwendung von [[psychisch]]er oder [[physisch]]er Gewalt bis hin zur [[Blutrache]] als letztem Mittel, ist, abgesehen von nordisch-germanischen Quellen, kein wohldefinierter [[Recht]]sbegriff, namentlich nicht im [[Wikipedia:Römisches Recht|Römischen Recht]]. Die [[w:Antikes griechisches Recht|griechische Rechtsgeschichte]] bezeugt hingegen einen überraschend rechtsförmigen Rachebegriff.<ref>Ruch (2017) S. 229 ff.</ref> Die politischen Entscheidungen und Gewalthandlungen von Figuren wie [[w:Menelaos|Menelaos]], [[w:Odysseus|Odysseus]] oder [[w:Orestes|Orestes]] bezeugen weniger eine archaische Gewaltbereitschaft, als einen Zwang zur Rache durch das Recht selbst<ref>Ruch (2017) S. 310 ff.</ref> – mit festen juristischen Regeln und Vorgaben für das richtige "Rachemaß" (in Analogie zum heutigen Strafmaß).<ref>Ruch (2017) S. 276.</ref> In der deutschen Rechtsgeschichte wird der Begriff meist im Zusammenhang mit der [[Fehde]] gebraucht. Es ist ein alter gemeingermanischer Rechtsbegriff, der das „Setzen außerhalb des Landrechts, und die Austreibung aus dem Lande infolge eines Angriffs auf den Landfrieden bezeichnete“. Es war die mildere, weil nicht entehrende Strafe, im Gegensatz zur Verurteilung zur [[w:Vogelfreiheit|vogelfreien]] Existenz ([[w:Ächtung|Ächtung]]).<ref name="gr14-14">Grimm Bd. 14 Sp. 14.</ref> In manchen Gesellschaften traf den zur Rache Verpflichteten ein [[Fluch]], wenn er die Rache nicht vollzog.<ref>Speyer S. 1167. Zu den Rechtsfolgen bei Racheverweigerung im frühgriechischen Recht: Ruch S. 314 ff.</ref> In der deutschen Rechtsgeschichte wird der Rachebegriff meist im Zusammenhang mit dem [[Wikipedia:mittelalter|mittelalter]]lichen [[Wikipedia:Rechtsinstitut|Rechtsinstitut]] der [[Fehde]] behandelt.


In manchen Gesellschaften traf den zur Rache Verpflichteten ein [[Fluch]], wenn er die Rache nicht vollzog.<ref>Speyer S. 1167. Zu den Rechtsfolgen bei Racheverweigerung im frühgriechischen Recht: Ruch S. 314 ff.</ref>
Das Prinzip der Rache wurzelt in der [[Empfindungsseele]] und der damit verbundenen [[sozial]]en Ordnung, die noch ganz auf die [[Gruppenseele]] und noch nicht auf das [[Ego]] des einzelnen [[Mensch]]en ([[Verstandes- oder Gemütsseele]]) oder gar auf das [[Ich]], die einzigartige menschliche [[Individualität]] ([[Bewusstseinsseele]]) gegründet ist.
 
In der deutschen Rechtsgeschichte wird der Rachebegriff meist im Zusammenhang mit dem [[Wikipedia:mittelalter|mittelalter]]lichen [[Wikipedia:Rechtsinstitut|Rechtsinstitut]] der [[Fehde]] behandelt. Das Prinzip der Rache wurzelt in der [[Empfindungsseele]] und der damit verbundenen [[sozial]]en Ordnung, die noch ganz auf die [[Gruppenseele]] und noch nicht auf das [[Ego]] des einzelnen [[Mensch]]en ([[Verstandes- oder Gemütsseele]]) oder gar auf das [[Ich]], die einzigartige menschliche [[Individualität]] ([[Bewusstseinsseele]]) gegründet ist.


== Literatur ==
== Literatur ==


* [[w:Brüder Grimm|Jacob und Wilhelm Grimm]]: ''[[w:Deutsches Wörterbuch|Deutsches Wörterbuch]]'' (DWB) [http://woerterbuchnetz.de/DWB/ online] ([http://kompetenzzentrum.uni-trier.de/ Trier Center for Digital Humanities]).
* [[w:Wilhelm Eduard Wilda|Wilhelm Eduard Wilda]]: ''Das Strafrecht der Germanen.'' Halle 1842.
* [[w:Wilhelm Eduard Wilda|Wilhelm Eduard Wilda]]: ''Das Strafrecht der Germanen.'' Halle 1842.
* Konrad Maurer: ''Altisländisches Strafrecht und Gerichtswesen.'' Neudruck Osnabrück 1966. Konrad Maurer: ''Vorlesungen über Altnordische Rechtsgeschichte'' Bd. V.
* Konrad Maurer: ''Altisländisches Strafrecht und Gerichtswesen.'' Neudruck Osnabrück 1966. Konrad Maurer: ''Vorlesungen über Altnordische Rechtsgeschichte'' Bd. V.

Version vom 29. Juni 2021, 01:52 Uhr

Rache (ahd. râhha, altsächsisch wrâka, altengl. wraec, isländisch ræki, „treiben, jagen, verfolgen“), als eine Handlung, die angeblich oder tatsächlich erlittenes Unrecht dadurch ausgleichen soll, dass Leid mit gleichwertigem Leid vergolten wird, oft durch Anwendung von psychischer oder physischer Gewalt bis hin zur Blutrache als letztem Mittel, ist, abgesehen von nordisch-germanischen Quellen, kein wohldefinierter Rechtsbegriff, namentlich nicht im Römischen Recht. Die griechische Rechtsgeschichte bezeugt hingegen einen überraschend rechtsförmigen Rachebegriff.[1] Die politischen Entscheidungen und Gewalthandlungen von Figuren wie Menelaos, Odysseus oder Orestes bezeugen weniger eine archaische Gewaltbereitschaft, als einen Zwang zur Rache durch das Recht selbst[2] – mit festen juristischen Regeln und Vorgaben für das richtige "Rachemaß" (in Analogie zum heutigen Strafmaß).[3] In der deutschen Rechtsgeschichte wird der Begriff meist im Zusammenhang mit der Fehde gebraucht. Es ist ein alter gemeingermanischer Rechtsbegriff, der das „Setzen außerhalb des Landrechts, und die Austreibung aus dem Lande infolge eines Angriffs auf den Landfrieden bezeichnete“. Es war die mildere, weil nicht entehrende Strafe, im Gegensatz zur Verurteilung zur vogelfreien Existenz (Ächtung).[4] In manchen Gesellschaften traf den zur Rache Verpflichteten ein Fluch, wenn er die Rache nicht vollzog.[5] In der deutschen Rechtsgeschichte wird der Rachebegriff meist im Zusammenhang mit dem mittelalterlichen Rechtsinstitut der Fehde behandelt.

Das Prinzip der Rache wurzelt in der Empfindungsseele und der damit verbundenen sozialen Ordnung, die noch ganz auf die Gruppenseele und noch nicht auf das Ego des einzelnen Menschen (Verstandes- oder Gemütsseele) oder gar auf das Ich, die einzigartige menschliche Individualität (Bewusstseinsseele) gegründet ist.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ruch (2017) S. 229 ff.
  2. Ruch (2017) S. 310 ff.
  3. Ruch (2017) S. 276.
  4. Grimm Bd. 14 Sp. 14.
  5. Speyer S. 1167. Zu den Rechtsfolgen bei Racheverweigerung im frühgriechischen Recht: Ruch S. 314 ff.
Dieser Artikel basiert auf einer für AnthroWiki adaptierten Fassung des Artikels Rache aus der freien Enzyklopädie de.wikipedia.org und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.