Mystik: Unterschied zwischen den Versionen

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Auf dem Pfad der '''Mystik''' (von [[Wikipedia:Latein|lat.]] ''mysticus'': unbeschreiblich, unaussprechlich, geheimnisvoll; bzw. von [[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] ''mystikos'', abgeleitet von ''myein'': (Augen und Lippen) schließen) strebt der '''Mystiker''' durch Versenkung in das eigene Innere, in das eigene geistige [[Wesen]], bis zur unmittelbaren Erfahrung der höchsten [[Geistige Welt|geistigen]] [[Wirklichkeit]] zu kommen. Sie gipfelt in der [[Unio Mystica]], in der Einwerdung mit [[Gott]] bzw. dem [[Weltgeist]]. Die christlichen Mystiker suchten dieses Ziel vor allem durch eine beständige Vertiefung des [[Gefühl]]slebens zu erreichen, wie sie systematisch im [[Christlicher Schulungsweg|christlichen Schulungsweg]] gepflegt wurde.
[[Datei:Weltanschauungen.gif|thumb|450px|Zwölf Weltanschauungen und sieben Weltanschauungsstimmungen.]]


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Die '''Mystik''' (von {{ELSalt|μυστικός}} ''mystikos'' „unbeschreiblich, unaussprechlich, geheimnisvoll“, abgeleitet von ''myein'': „(Augen und Lippen) schließen“; {{LaS|''mysticus''}}) ist eine der [[sieben]] grundlegenden [[Weltanschauungsstimmungen]], die [[Rudolf Steiner]] charakterisiert und den sieben [[Planetensphären]] zugeordnet hat, wobei die Mystik der [[Venussphäre]] entspricht.
"Wenn der Mensch durch geisteswissenschaftliche Methodik,
 
wie ich es hier nur im Prinzip kurz schildern
{{GZ|Der Mensch ist in
kann, Vorstellungen, die nicht Reminiszenzen sein dürfen,
die Welt hereingestellt; in seiner eigenen Seele erlebt er etwas über
zu Dauervorstellungen macht, wenn er sich meditativ
die Welt, was er äußerlich nicht erleben kann. Da erst enthüllt die
leicht überschaubaren Vorstellungen hingibt, wenn er
Welt ihre Geheimnisse. Man mag um sich herumschauen - man
seine Seele darauf ruhen läßt, darauf konzentriert, aber
sieht nicht das, was die Welt an Geheimnissen enthält. - Solche
so, daß alles ausgeschlossen ist, was nicht aus der
Seelenstimmung kann oftmals sagen: Was hilft mir die [[Gnosis]], die
menschlichen Willensanwendung erfolgt, und wenn er
sich mit aller Mühe emporringt zu allerlei Schauungen? Die Dinge
alle nebulose Mystik ausschließt, dann gelangt der
der äußeren Welt, über die man Schauungen hat, können einem
Mensch in der Tat dazu, hinter das Gedächtnis zu schauen;
doch nicht das Innere der Welt offenbaren. Was hilft mir der [[Logismus]]
er gelangt dazu, zur wirklichen Selbsterkenntnis zu
zu einer Weltanschauung? In dem Logismus drückt sich das
kommen. Diese Selbsterkenntnis, wie sie die anthroposophische
Wesen der Welt nicht aus. Was hilft Spekulation über den Willen?
Geisteswissenschaft anstreben muß mit ihren
Das bringt nur davon ab, in die Tiefen der eigenen Seele zu schauen.
empirischen Methoden, sie unterscheidet sich selbst gar
Und in diese Tiefen blickt man nicht, wenn die Seele will, sondern
sehr von einer solchen poetischen, in einem gewissen
gerade dann, wenn sie hingebend, willenlos ist. - Also auch der
Sinne bewunderungswürdigen Mystik eines Johannes
Voluntarismus ist nicht die Seelenstimmung, die die Seele hier
vom Kreuz oder der heiligen Therese. Wer sich den
braucht, auch nicht der Empirismus, das bloße Hinschauen oder
Schriften dieser Geister hingibt, empfindet das Hochpoetische,
Hinhorchen auf das, was die Erfahrung, das Erleben gibt; sondern
empfindet, was in diesen wunderbaren Bildern
das innerliche Suchen, wenn die Seele ruhig geworden ist, wie der
waltet. Wer im anthroposophischen Sinne ein
Gott in der Seele aufleuchtet. Sie merken, diese Seelenstimmung
Geistesforscher geworden ist, der weiß ein anderes, der
kann genannt werden die Mystik.
weiß, daß gerade bei solchen Geistern aus den Untergründen
 
der menschlichen Natur, in die das gewöhnliche
Mystiker kann man wieder durch alle zwölf Geistes-Sternbilder
Bewußtsein nicht hinunterschaut, besondere Tatsachen
hindurch sein. Es wird gewiß nicht sonderlich günstig sein, wenn
in das Bewußtsein her auf flammen, könnte man sagen.
man Mystiker des [[Materialismus]] ist, das heißt, wenn man nicht das
Bei einer heiligen Therese oder bei Johannes vom Kreuz
Geistige, das Spirituelle, sondern das Materielle innerlich erlebt.
geschehen in den menschlichen Organen, gerade in den
Denn Mystiker des Materialismus ist eigentlich der, welcher sich ein
sogenannten physischen menschlichen Organen, in Leber,
besonders feines Empfinden zum Beispiel für die Art des Befindens
Lunge und in den Verdauungswerkzeugen - man
angeeignet hat, in das man kommt, wenn man den einen oder den
möge das als noch so prosaisch oder profan ansehen,
anderen Stoff genießt. Es ist etwas anderes, wenn man, ich will
es ist das nicht profan für den, der die Sache durchschaut
sagen, den Saft der einen Pflanze genießt oder den einer anderen
-, in diesen physischen Organen geschehen abnorme
Pflanze und nun wartet, was dadurch im Organismus bewirkt wird.
Dinge, die «dampfen herauf» in das Bewußtsein
Man wächst also in seinem Erleben mit der Materie zusammen, wird
und werden da zu solchen Bildern, wie sie sich dann
Mystiker der Materie. Es kann sogar sein, daß das eine Aufgabe für
ausleben in solchen Persönlichkeiten, die dazu geeignet
das Leben werden kann, eine Aufgabe so für das Leben, daß man verfolgt,
sind. Der wirkliche Geistesforscher aber durchbricht
auf welche Art der eine oder der andere Stoff, der von dieser
den Gedächtnisspiegel. Er gelangt nicht zu solch nebuloser
oder jener Pflanze kommt, besonders auf den Organismus wirkt;
Selbsterkenntnis, die man Mystik nennt und anhimmelt,
denn der eine wirkt besonders auf dieses, der andere besonders auf
sondern er gelangt zu konkreter Selbsterkenntnis.
jenes Organ. Und so Mystiker des Materialismus sein ist eine
Er gelangt zur lebendigen Anschauung dessen, was die
Vorbedingung für die Untersuchung der einzelnen Stoffe hinsichtlich
menschlichen Organe sind. Da eröffnet sich der Weg zu
ihrer Heilkraft. Man merkt, was die Stoffe tun im
einer wirklichen Erkenntnis der menschlichen Organisation,
Organismus. - Man kann Mystiker der Stoffwelt sein, man kann
der Weg, auf dem die Geisteswissenschaft auch in
Mystiker des [[Idealismus]] sein. Ein gewöhnlicher Idealist oder ein
das medizinische Gebiet hinüberführt. Aber das ist nur
gnostischer Idealist ist nicht Mystiker des Idealismus. Mystiker des
der Anfang. Denn sieht man auf diese Weise durch geistig-
Idealismus ist der, welcher vor allen Dingen in der eigenen Seele die
übersinnliche Kräfte in das eigentlich Materielle
Möglichkeit hat, aus im Innern verborgenen Quellen heraufzuholen
der menschlichen Organisation hinein, dann überwindet
die Ideale der Menschheit, sie als inneres Göttliches zu empfinden
man auch das bloße materielle Anschauen dieser
und als solches sich vor die Seele zu stellen. Ein Mystiker des
menschlichen Organisation. Denn zuletzt sieht man, wie
Idealismus ist zum Beispiel der [[Meister Eckhart]].|151|54f}}
das, was sich einem da als Materielles im Menschen darstellt,
 
nicht bloß aus der Vererbungsströmung herausgeboren
Auf dem Pfad der Mystik strebt der '''Mystiker''' durch Versenkung in das eigene Innere, in das eigene geistige [[Wesen]], bis zur unmittelbaren Erfahrung der höchsten [[Geistige Welt|geistigen]] [[Wirklichkeit]] zu kommen. Sie gipfelt in der [[Unio Mystica]], in der Einswerdung mit [[Gott]] bzw. dem [[Weltgeist]]. Die christlichen Mystiker suchten dieses Ziel vor allem durch eine beständige Vertiefung des [[Gefühl]]slebens zu erreichen, wie sie systematisch im [[Christlicher Schulungsweg|christlichen Schulungsweg]] gepflegt wurde. Ohne die nötige Gedankenklarheit läuft die Mystik allerdings Gefahr, in einen ungesunden selbstgefälligen schwärmerischen '''Mystizismus''' abzugleiten, der mit echter [[Geistesforschung]] nicht vereinbar ist - darauf hat [[Rudolf Steiner]] wiederholt nachdrücklich hingewiesen.
ist, mit der es sich nur verbunden hat, sondern
 
wie es herausgeboren ist aus einer Welt, die der Mensch
{{GZ|Der Irrtum
durchlebt hat vor seiner Geburt oder Empfängnis. Man
einer bloß auf das Gefühl gebauten mystischen Anschauungsweise
schaut auf dem Umweg durch materielle Innenerkenntnis
besteht darinnen, daß sie ''erleben'' will, was sie
in das präexistente Menschenleben hinein. Eine
wissen soll, daß sie ein Individuelles, das Gefühl, zu einem
Realität vor der übersinnlichen Erkenntnis wird das
Universellen erziehen will.|4|139f}}
präexistente Leben. Wenn der Mensch durch geisteswissenschaftliche Methodik,
 
{{GZ|Wenn der Mensch durch geisteswissenschaftliche Methodik,
wie ich es hier nur im Prinzip kurz schildern
wie ich es hier nur im Prinzip kurz schildern
kann, Vorstellungen, die nicht Reminiszenzen sein dürfen,
kann, Vorstellungen, die nicht Reminiszenzen sein dürfen,
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präexistente Leben. Die gewöhnliche Mystik, wie sie von
präexistente Leben. Die gewöhnliche Mystik, wie sie von
kritiklosen Geistern angehimmelt wird, ist eher ein Hindernis
kritiklosen Geistern angehimmelt wird, ist eher ein Hindernis
für wirkliche Geist-Erkenntnis." {{Lit|{{G|077a|35f}}}}
für wirkliche Geist-Erkenntnis.|77a|35ff}}
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[[Datei:Weltanschauungen.gif|thumb|500px|Zwölf Weltanschauungen und sieben Weltanschauungsstimmungen.]]
Die Mystik ist eine der [[sieben]] grundlegenden [[Weltanschauungsstimmungen]], die [[Rudolf Steiner]] charakterisiert und den sieben [[Planetensphären]] zugeordnet hat, wobei die Mystik der [[Venussphäre]] entspricht.


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"Der Mensch ist in
die Welt hereingestellt; in seiner eigenen Seele erlebt er etwas über
die Welt, was er äußerlich nicht erleben kann. Da erst enthüllt die
Welt ihre Geheimnisse. Man mag um sich herumschauen - man
sieht nicht das, was die Welt an Geheimnissen enthält. - Solche
Seelenstimmung kann oftmals sagen: Was hilft mir die [[Gnosis]], die
sich mit aller Mühe emporringt zu allerlei Schauungen? Die Dinge
der äußeren Welt, über die man Schauungen hat, können einem
doch nicht das Innere der Welt offenbaren. Was hilft mir der [[Logismus]]
zu einer Weltanschauung? In dem Logismus drückt sich das
Wesen der Welt nicht aus. Was hilft [[Voluntarismus|Spekulation über den Willen]]?
Das bringt nur davon ab, in die Tiefen der eigenen Seele zu schauen.
Und in diese Tiefen blickt man nicht, wenn die Seele will, sondern
gerade dann, wenn sie hingebend, willenlos ist. - Also auch der
Voluntarismus ist nicht die Seelenstimmung, die die Seele hier
braucht, auch nicht der Empirismus, das bloße Hinschauen oder
Hinhorchen auf das, was die Erfahrung, das Erleben gibt; sondern
das innerliche Suchen, wenn die Seele ruhig geworden ist, wie der
Gott in der Seele aufleuchtet. Sie merken, diese Seelenstimmung
kann genannt werden die Mystik.


Mystiker kann man wieder durch alle zwölf Geistes-Sternbilder
== Siehe auch ==
hindurch sein. Es wird gewiß nicht sonderlich günstig sein, wenn
* {{WikipediaDE|Kategorie:Mystik}}
man Mystiker des [[Materialismus]] ist, das heißt, wenn man nicht das
* {{WikipediaDE|Mystik}}
Geistige, das Spirituelle, sondern das Materielle innerlich erlebt.
Denn Mystiker des Materialismus ist eigentlich der, welcher sich ein
besonders feines Empfinden zum Beispiel für die Art des Befindens
angeeignet hat, in das man kommt, wenn man den einen oder den
anderen Stoff genießt. Es ist etwas anderes, wenn man, ich will
sagen, den Saft der einen Pflanze genießt oder den einer anderen
Pflanze und nun wartet, was dadurch im Organismus bewirkt wird.
Man wächst also in seinem Erleben mit der Materie zusammen, wird
Mystiker der Materie. Es kann sogar sein, daß das eine Aufgabe für
das Leben werden kann, eine Aufgabe so für das Leben, daß man verfolgt,
auf welche Art der eine oder der andere Stoff, der von dieser
oder jener Pflanze kommt, besonders auf den Organismus wirkt;
denn der eine wirkt besonders auf dieses, der andere besonders auf
jenes Organ. Und so Mystiker des Materialismus sein ist eine
Vorbedingung für die Untersuchung der einzelnen Stoffe hinsichtlich
ihrer Heilkraft. Man merkt, was die Stoffe tun im
Organismus. - Man kann Mystiker der Stoffwelt sein, man kann
Mystiker des [[Idealismus]] sein. Ein gewöhnlicher Idealist oder ein
gnostischer Idealist ist nicht Mystiker des Idealismus. Mystiker des
Idealismus ist der, welcher vor allen Dingen in der eigenen Seele die
Möglichkeit hat, aus im Innern verborgenen Quellen heraufzuholen
die Ideale der Menschheit, sie als inneres Göttliches zu empfinden
und als solches sich vor die Seele zu stellen. Ein Mystiker des
Idealismus ist zum Beispiel der [[Meister Eckhart]]." {{Lit|{{G|151|54f}}}}
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==


#Rudolf Steiner: ''Die Aufgabe der Anthroposophie gegenüber Wissenschaft und Leben'', [[GA 77a]] (1997), ISBN 3-7274-0771-9 {{Vorträge|077a}}
* [[Kierkegaard]]: ''Zur Selbstprüfung empfohlen.II.: Christus ist der Weg.'' [http://gutenberg.spiegel.de/buch/zur-selbstpr-5894/6] (Online Gutenberg-de link)
#Rudolf Steiner: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990), ISBN 3-7274-1510-X {{Vorträge|151}}
* Louis Dupré: ''Ein tieferes Leben. Die mystische Erfahrung des Glaubens'', Herder, 2003, ISBN 3-451-27873-1, (Orig. Titel: The Deeper Life. An Introduction to Christian Mysticism.) [Ist nicht speziell anthroposophisch].
#Louis Dupré: ''Ein tieferes Leben. Die mystische Erfahrung des Glaubens'', Herder, 2003, ISBN 3-451-27873-1, (Orig. Titel: The Deeper Life. An Introduction to Christian Mysticism.) [Ist nicht speziell anthroposophisch].
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4 {{Schriften|004}}
* [[Rudolf Steiner]]: Schriften. Kritische Ausgabe / Band 2: Philosophische Schriften: Wahrheit und Wissenschaft. Die Philosophie der Freiheit, frommann-holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 2016, ISBN 978-3772826320
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Philosophie der Freiheit'', Mit beiden Ausgaben (1894 u. 1918) im Vergleich, Rudolf Steiner Ausgaben, 3. Aufl. 2015, ISBN 978-3-86772-072-4
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung'', [[GA 7]] (1990), ISBN 3-7274-0070-6; '''Tb 623''', ISBN 978-3-7274-6230-6 {{Schriften|007}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Schriften. Kritische Ausgabe (SKA)''. Band 5: Schriften über Mystik, Mysterienwesen und Religionsgeschichte<br>''Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung'' – ''Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums''. Herausgegeben und kommentiert von [[Christian Clement]]. Frommann-Holzboog Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-7728-2635-1
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Aufgabe der Anthroposophie gegenüber Wissenschaft und Leben'', [[GA 77a]] (1997), ISBN 3-7274-0771-9 {{Vorträge|077a}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990), ISBN 3-7274-1510-X {{Vorträge|151}}


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Schulungsweg]] [[Kategorie:Mystik]]
[[Kategorie:Mystik|!]]
[[Kategorie:Die sieben Weltanschauungsstimmungen|106]]
[[en:Mysticism]]

Aktuelle Version vom 27. Februar 2023, 22:05 Uhr

Zwölf Weltanschauungen und sieben Weltanschauungsstimmungen.

Die Mystik (von griech. μυστικός mystikos „unbeschreiblich, unaussprechlich, geheimnisvoll“, abgeleitet von myein: „(Augen und Lippen) schließen“; lat. mysticus) ist eine der sieben grundlegenden Weltanschauungsstimmungen, die Rudolf Steiner charakterisiert und den sieben Planetensphären zugeordnet hat, wobei die Mystik der Venussphäre entspricht.

„Der Mensch ist in die Welt hereingestellt; in seiner eigenen Seele erlebt er etwas über die Welt, was er äußerlich nicht erleben kann. Da erst enthüllt die Welt ihre Geheimnisse. Man mag um sich herumschauen - man sieht nicht das, was die Welt an Geheimnissen enthält. - Solche Seelenstimmung kann oftmals sagen: Was hilft mir die Gnosis, die sich mit aller Mühe emporringt zu allerlei Schauungen? Die Dinge der äußeren Welt, über die man Schauungen hat, können einem doch nicht das Innere der Welt offenbaren. Was hilft mir der Logismus zu einer Weltanschauung? In dem Logismus drückt sich das Wesen der Welt nicht aus. Was hilft Spekulation über den Willen? Das bringt nur davon ab, in die Tiefen der eigenen Seele zu schauen. Und in diese Tiefen blickt man nicht, wenn die Seele will, sondern gerade dann, wenn sie hingebend, willenlos ist. - Also auch der Voluntarismus ist nicht die Seelenstimmung, die die Seele hier braucht, auch nicht der Empirismus, das bloße Hinschauen oder Hinhorchen auf das, was die Erfahrung, das Erleben gibt; sondern das innerliche Suchen, wenn die Seele ruhig geworden ist, wie der Gott in der Seele aufleuchtet. Sie merken, diese Seelenstimmung kann genannt werden die Mystik.

Mystiker kann man wieder durch alle zwölf Geistes-Sternbilder hindurch sein. Es wird gewiß nicht sonderlich günstig sein, wenn man Mystiker des Materialismus ist, das heißt, wenn man nicht das Geistige, das Spirituelle, sondern das Materielle innerlich erlebt. Denn Mystiker des Materialismus ist eigentlich der, welcher sich ein besonders feines Empfinden zum Beispiel für die Art des Befindens angeeignet hat, in das man kommt, wenn man den einen oder den anderen Stoff genießt. Es ist etwas anderes, wenn man, ich will sagen, den Saft der einen Pflanze genießt oder den einer anderen Pflanze und nun wartet, was dadurch im Organismus bewirkt wird. Man wächst also in seinem Erleben mit der Materie zusammen, wird Mystiker der Materie. Es kann sogar sein, daß das eine Aufgabe für das Leben werden kann, eine Aufgabe so für das Leben, daß man verfolgt, auf welche Art der eine oder der andere Stoff, der von dieser oder jener Pflanze kommt, besonders auf den Organismus wirkt; denn der eine wirkt besonders auf dieses, der andere besonders auf jenes Organ. Und so Mystiker des Materialismus sein ist eine Vorbedingung für die Untersuchung der einzelnen Stoffe hinsichtlich ihrer Heilkraft. Man merkt, was die Stoffe tun im Organismus. - Man kann Mystiker der Stoffwelt sein, man kann Mystiker des Idealismus sein. Ein gewöhnlicher Idealist oder ein gnostischer Idealist ist nicht Mystiker des Idealismus. Mystiker des Idealismus ist der, welcher vor allen Dingen in der eigenen Seele die Möglichkeit hat, aus im Innern verborgenen Quellen heraufzuholen die Ideale der Menschheit, sie als inneres Göttliches zu empfinden und als solches sich vor die Seele zu stellen. Ein Mystiker des Idealismus ist zum Beispiel der Meister Eckhart.“ (Lit.: GA 151, S. 54f)

Auf dem Pfad der Mystik strebt der Mystiker durch Versenkung in das eigene Innere, in das eigene geistige Wesen, bis zur unmittelbaren Erfahrung der höchsten geistigen Wirklichkeit zu kommen. Sie gipfelt in der Unio Mystica, in der Einswerdung mit Gott bzw. dem Weltgeist. Die christlichen Mystiker suchten dieses Ziel vor allem durch eine beständige Vertiefung des Gefühlslebens zu erreichen, wie sie systematisch im christlichen Schulungsweg gepflegt wurde. Ohne die nötige Gedankenklarheit läuft die Mystik allerdings Gefahr, in einen ungesunden selbstgefälligen schwärmerischen Mystizismus abzugleiten, der mit echter Geistesforschung nicht vereinbar ist - darauf hat Rudolf Steiner wiederholt nachdrücklich hingewiesen.

„Der Irrtum einer bloß auf das Gefühl gebauten mystischen Anschauungsweise besteht darinnen, daß sie erleben will, was sie wissen soll, daß sie ein Individuelles, das Gefühl, zu einem Universellen erziehen will.“ (Lit.: GA 4, S. 139f)

„Wenn der Mensch durch geisteswissenschaftliche Methodik, wie ich es hier nur im Prinzip kurz schildern kann, Vorstellungen, die nicht Reminiszenzen sein dürfen, zu Dauervorstellungen macht, wenn er sich meditativ leicht überschaubaren Vorstellungen hingibt, wenn er seine Seele darauf ruhen läßt, darauf konzentriert, aber so, daß alles ausgeschlossen ist, was nicht aus der menschlichen Willensanwendung erfolgt, und wenn er alle nebulose Mystik ausschließt, dann gelangt der Mensch in der Tat dazu, hinter das Gedächtnis zu schauen; er gelangt dazu, zur wirklichen Selbsterkenntnis zu kommen. Diese Selbsterkenntnis, wie sie die anthroposophische Geisteswissenschaft anstreben muß mit ihren empirischen Methoden, sie unterscheidet sich selbst gar sehr von einer solchen poetischen, in einem gewissen Sinne bewunderungswürdigen Mystik eines Johannes vom Kreuz oder der heiligen Therese. Wer sich den Schriften dieser Geister hingibt, empfindet das Hochpoetische, empfindet, was in diesen wunderbaren Bildern waltet. Wer im anthroposophischen Sinne ein Geistesforscher geworden ist, der weiß ein anderes, der weiß, daß gerade bei solchen Geistern aus den Untergründen der menschlichen Natur, in die das gewöhnliche Bewußtsein nicht hinunterschaut, besondere Tatsachen in das Bewußtsein her auf flammen, könnte man sagen. Bei einer heiligen Therese oder bei Johannes vom Kreuz geschehen in den menschlichen Organen, gerade in den sogenannten physischen menschlichen Organen, in Leber, Lunge und in den Verdauungswerkzeugen - man möge das als noch so prosaisch oder profan ansehen, es ist das nicht profan für den, der die Sache durchschaut -, in diesen physischen Organen geschehen abnorme Dinge, die «dampfen herauf» in das Bewußtsein und werden da zu solchen Bildern, wie sie sich dann ausleben in solchen Persönlichkeiten, die dazu geeignet sind. Der wirkliche Geistesforscher aber durchbricht den Gedächtnisspiegel. Er gelangt nicht zu solch nebuloser Selbsterkenntnis, die man Mystik nennt und anhimmelt, sondern er gelangt zu konkreter Selbsterkenntnis. Er gelangt zur lebendigen Anschauung dessen, was die menschlichen Organe sind. Da eröffnet sich der Weg zu einer wirklichen Erkenntnis der menschlichen Organisation, der Weg, auf dem die Geisteswissenschaft auch in das medizinische Gebiet hinüberführt. Aber das ist nur der Anfang. Denn sieht man auf diese Weise durch geistig- übersinnliche Kräfte in das eigentlich Materielle der menschlichen Organisation hinein, dann überwindet man auch das bloße materielle Anschauen dieser menschlichen Organisation. Denn zuletzt sieht man, wie das, was sich einem da als Materielles im Menschen darstellt, nicht bloß aus der Vererbungsströmung herausgeboren ist, mit der es sich nur verbunden hat, sondern wie es herausgeboren ist aus einer Welt, die der Mensch durchlebt hat vor seiner Geburt oder Empfängnis. Man schaut auf dem Umweg durch materielle Innenerkenntnis in das präexistente Menschenleben hinein. Eine Realität vor der übersinnlichen Erkenntnis wird das präexistente Leben. Die gewöhnliche Mystik, wie sie von kritiklosen Geistern angehimmelt wird, ist eher ein Hindernis für wirkliche Geist-Erkenntnis.“ (Lit.: GA 77a, S. 35ff)


Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.