Theodora (Mysteriendrama)

Aus AnthroWiki
(Weitergeleitet von Theodora)

Theodora ist eine Gestalt aus den Mysteriendramen Rudolf Steiners und tritt hier als Seherin, die noch über alte mediale Fähigkeiten verfügt, in Erscheinung. Bei ihr ist das Willens-Element in naives Sehertum umgewandelt. Der Name, der ihr Wesen treffend zum Ausdruck bringt, ist die weibliche Form des altgriechischen Namens Θεόδωρος Theódōros „Gottesgeschenk“, zusammengesetzt aus θεός theósGott“ und δῶρον dōron „Geschenk“.

In Goethes Märchen, das den Ausgangspunkt für Steiners Mysteriendramen bildete, entspricht ihr der Habicht, der, hoch im Himmel fliegend, schon früh die aufgehende Sonne verkündigt. Im ersten Bild in "Die Pforte der Einweihung" hat sie eine Vision von der Wiederkehr des Christus im Ätherischen (Lit.:GA 14, S. 28f).

Im 1. Bild der «Pforte der Einweihung» charakterisiert Maria ihr Wesen so:

MARIA:
Die Freundin hat es oft uns dargestellt,
Wie sonderbar es ihr ergangen.
Sie fühlte eines Tages sich wie umgewandelt.
Und nirgends konnte sie Verständnis finden.
Ihr Wesen wirkte überall Befremden nur,
Bis sie in unsre Kreise trat.
Nicht daß wir selbst begreifen könnten,
Was sie mit keinem Menschen teilt;
Doch wir erwerben uns durch unsre Denkungsart
Die volle Anteilnahme auch für Ungewohntes,
Wir lassen jede Art
Des Menschenwesens gelten.
Für unsre Freundin gab es
Im Leben einen Augenblick,
Da sie verschwinden fühlte alles,
Was ihrem eignen Lebenslaufe angehört.
Vergangnes war wie ausgelöscht in ihrer Seele.
Und seit sich diese Wandlung eingestellt,
Erneuert immer wieder sich die Seelenstimmung.
Sie dauert jedesmal nur kurze Zeit.
Im andern Leben ist sie so wie alle Menschen.
Wenn sie in jenen Zustand fällt,
Ermangelt sie fast ganz
Der Gabe der Erinnerung.
Es ist ihr auch des Auges Kraft genommen,
Sie fühlt dann mehr, was sie umgibt.
Sie sieht es nicht.
Dabei erglimmen ihre Augen
In eigenartigem Licht.
Dafür erscheinen ihr Gebilde,
Die anfangs traumhaft waren,
Die jetzt so klar doch sind,
Daß sie als Vorverkündung spätrer Zukunft
Nur zu verstehen sind.
Wir haben dieses oft gesehn.

(Lit.:GA 14, S. 26f)

Daran schließt unmittelbar Theodoras Vision des ätherischen Christus an:

THEODORA:
Es drängt zu sprechen mich:
Vor meinem Geiste steht ein Bild im Lichtesschein,
Und Worte tönen mir aus ihm;
In Zukunftzeiten fühl' ich mich,
Und Menschen kann ich schauen,
Die jetzt noch nicht im Leben.
Sie schauen auch das Bild,
Sie hören auch die Worte,
Sie klingen so:
Ihr habt gelebt im Glauben,
Ihr wart getröstet in der Hoffnung,
Nun seid getröstet in dem Schauen,
Nun seid erquickt durch mich.
Ich lebte in den Seelen,
Die mich gesucht in sich,
Durch meiner Boten Wort,
Durch ihrer Andacht Kräfte.
Ihr habt geschaut der Sinne Licht
Und mußtet glauben an des Geistes Schöpferreich.
Doch jetzt ist euch errungen
Ein Tropfen edler Sehergabe,
O fühlet ihn in eurer Seele.

Ein Menschenwesen
Entringt sich jenem Lichtesschein.
Es spricht zu mir:
Du sollst verkünden allen,
Die auf dich hören wollen,
Daß du geschaut,
Was Menschen noch erleben werden.
Es lebte Christus einst auf Erden,
Und dieses Lebens Folge war,
Daß er in Seelenform umschwebt
Der Menschen Werden.
Er hat sich mit der Erde Geistesteil vereint.
Die Menschen konnten schauen ihn noch nicht,
Wie er in solcher Daseinsform sich zeigt,
Weil Geistesaugen ihrem Wesen fehlten,
Die sich erst künftig zeigen sollen.
Doch nahe ist die Zukunft,
Da mit dem neuen Sehen
Begabt soll sein der Erdenmensch.
Was einst die Sinne schauten
Zu Christi Erdenzeit,
Es wird geschaut von Seelen werden,
Wenn bald die Zeit erfüllt wird sein.
(Sie geht ab.)

(Lit.:GA 14, S. 28f)

Theodoras unbewusstes "naives" Sehertum ist ein Nachklang des Bilderbewusstseins des alten Mondes:

„Ich habe versucht, die verschiedenen Typen der Menschen in den Mysteriendramen darzustellen, und auch eine solche Gestalt zu zeichnen, die in das Mondenhafte zurückfällt, die also auf dem physischen Plan unintelligent ist und doch richtige Dinge offenbaren kann, die also unter dem Niveau des normalen irdischen Menschen steht: das ist die Theodora. Die Theodora ist eine Gestalt, bei der gerade gemeint ist, daß sie ein Rückfall in das Mondenbewußtsein ist. Das ist ja sehr klar. Ich möchte sagen, es ist sehr klar dort darauf hingewiesen, wie das ist, indem gesagt ist an der einen Stelle, wo die Theodora auftritt: «Theodora, eine Seherin. Bei ihr ist das Willenselement in naives Sehertum umgewandelt.» Naives Sehertum heißt eben Mondensehertum, selbstverständlich. Es ist ein naives Sehertum, und so ist der Charakter auch durchgeführt. Und aus diesem Grund ist es auch, daß im letzten Mysterium ja nicht mehr die Theodora selbst auftreten kann, sondern nur ihre Seele, weil sie gewisse Dinge nicht mitmachen kann. Gerade diese Mysteriendramen sollten sehr, sehr genau genommen werden.“ (Lit.:GA 164, S. 60)

Im zweiten Drama, "Die Prüfung der Seele", wird Theodoras vorige Inkarnation zur Zeit des Spätmittelalters geschildert, in der sie als Cäcilia, genannt Cilli, die Pflegetochter Joseph Kühnes, der vorigen Inkarnation Felix Baldes, war.

In "Der Hüter der Schwelle" ist Theodora bereits seit 7 Jahren die Gattin Doktor Straders, der schon im ersten Drama trotz seiner skeptischen Haltung gegenüber aller geistigen Erkenntnis von ihrer Vision tief beeindruckt war. Während der Jahre ihrer Ehe sind Theodoras Seherkräfte völlig erloschen und erst kürzlich wieder, wie sie Strader im 4. Bild erzählt, auf neue, aber ganz erschreckend schmerzvolle Weise wieder erwacht. Noch während sie spricht, tritt ihr beängstigend das Bild von Johannes Thomasius vor die Seele, der durch Luzifers Einfluss unheilsame Begierden auf sie richtet. Im nächsten Bild erfährt man, dass Theodora gestorben ist. Sie tritt danach nur mehr in Seelenform in Erscheinung.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.