Kosmologie/Der Urknall: Ursprung von Raum und Zeit, Materie und Energie

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Der Urknall: Ursprung von Raum und Zeit, Materie und Energie

Albert Einstein, 1921, Fotografie von Ferdinand Schmutzer
Georges Lemaître um 1935

Die Urknall-Theorie ist ein fundamentales Konzept der Kosmologie und bildet die Grundlage für unser modernes Verständnis von der Entstehung und Entwicklung des mit naturwissenschaftlichen Methoden erfassbaren Universums. Seit ihrer ersten Formulierung hat die Urknalltheorie viele Veränderungen und Verbesserungen erfahren, und ihre Entwicklung ist geprägt von bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen und theoretischen Fortschritten. Das Grundkonzept besteht jedenfalls darin, dass gleichsam aus dem Nichts - oder vorsichtiger ausgedrückt aus einem physikalisch nicht Fassbaren - zugleich Raum, Zeit und Energie entstanden bzw. in Erscheinung getreten sind. Nach gegenwärtigem Wissensstand geschah dies vor rund 13,8 Milliarden Jahren.

Obwohl die Urknall-Theorie unser Verständnis des Universums erheblich verbessert hat, bleiben dennoch viele offene Fragen und Herausforderungen. Die Natur der Dunklen Materie und Dunklen Energie bleibt eines der größten Rätsel in der modernen Physik.

Entwicklung der Urknall-Theorie

Die Anfänge der Urknall-Theorie gehen auf das frühe 20. Jahrhundert zurück. 1915 formulierte Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie[1], die eine neue Beschreibung der Schwerkraft lieferte und das Fundament für die moderne Kosmologie schuf. Die von ihm entwickelten Feldgleichungen besagten allerdings, das ein materieerfülltes Universum notwendigerweise expandieren oder kollabieren müsste. Damit war Einstein höchst unzufrieden, denn damals ging man allgemein noch von einem statischen Universum aus. Darum führte er 1917 als Ad-hoc-Hypothese eine sogenannte kosmologische Konstante ein, die die Expansion oder Kontraktion des Universums verhindern sollte. Doch erwies sich diese statische Lösung als höchst instabil. Es zeigte sich nämlich, dass selbst kleinste Abweichungen von der idealen gleichförmigen Materieverteilung das Universum dennoch wieder je nach Vorzeichen der Störung kollabieren oder expandieren lassen würden.

Als der russische Physiker und Mathematiker Alexander Alexandrowitsch Friedmann (1922, 1924) und unabhängig davon der belgische katholische Priester und Astrophysiker Georges Lemaître (1927) passende Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen eines expandierende Universums formulierten und das später nach beiden benannte Friedmann-Lemaître-Modell entwickelten und außerdem 1929 Edwin Hubble die Expansion des Universums anhand der Galaxienflucht entdeckte, verwarf Einstein die Idee der kosmologischen Konstante und bezeichnete diese angeblich als die „größte Eselei meines Lebens“.[2]

Die beschleunigte Expansion des Universums

1998 entdeckten unabhängig voneinander zwei Forscherteams[3][4] durch Beobachtungen der Helligkeit bzw. Rotverschiebung von weit entfernen Typ-Ia-Supernovae, dass das Universum nicht nur expandiert, sondern sich diese Expansion sogar im Laufe der Zeit beschleunigt. Das war durchaus überraschend, den eigentlich hatte man erwartet, dass die Expansion aufgrund der Schwerkraft allmählich verlangsamt wird.

Dunkle Energie

Um die beschleunigte Expansion des Universums erklären zu können, postulierte man eine bis dahin unbekannte Form der Energie, die diese Expansion vorantreiben könnte: Die geheimnisvolle Dunkle Energie, die nach heutigen Schätzungen um die 70% der gesamten Energiemasse des Universums ausmachen müsste[5] und als allgegenwärtige Kraft der Gravitation entgegenwirkt und das Universum dazu bringt, sich immer schneller auszudehnen.

Dunkle Energie und Dunkle Materie sind die beiden größten ungelösten Rätsel in der Kosmologie. Obwohl sie unterschiedliche Funktionen im Universum haben, ist es möglich, dass sie auf einer tieferen Ebene miteinander verbunden sind. Einige Theorien schlagen vor, dass sie möglicherweise aus demselben Teilchen oder Feld stammen.[6]

Da die Dunkle Energie nicht direkt beobachtet werden kann, ist es schwierig, ihre Eigenschaften zu erforschen. Zukünftige Beobachtungen von Supernovae, Gravitationslinsen, Galaxienhaufen und der kosmischen Hintergrundstrahlung könnten jedoch dazu beitragen, unser Verständnis der Dunklen Energie weiter zu vertiefen.[7]

Der einfachster Weg, um die Eigenschaften dieser unsichtbaren Energiequelle zu beschreiben, ist die von Albert Einstein verworfene kosmologische Konstante (Λ), die damit eine eine späte Renaissance erlebte, wenn auch anders als von Einstein gedacht, denn er wollte damit ursprünglich ein statisches Universum ermöglichen. Sie erwies sich aber auch als gut geeignet, die beschleunigte Expansion des Universums zu beschreiben und ist heute Bestandteil des erfolgreichen Lambda-CDM-Modells, des Standardmodells der Kosmologie.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass man der Dunklen Energie eine negative Druckkraft, also gleichsam eine Saugkraft zuweist. Nach der Zustandsgleichung der Dunklen Energie führt eine konstante positive Vakuumenergiedichte zu negativem Druck , der die beschleunigte Expansion des Universums vorantreibt:

Sie wirkt der Gravitation entgegen und kann in diesem Sinn als Antigravitation angesehen werden.

Ein vielversprechendes Modell, das zu Erklärung der Dunklen Energie von R. R. Caldwell, Rahul Dave und Paul J. Steinhardt 1998 vorgeschlagen wurde, ist die sogenannte "Quintessenz".[8] Dabei handelt es sich im Gegensatz zur kosmologischen Konstante, die eine feste Größe in der Raumzeit ist, um ein homogenes dynamisches Skalarfeld, das sich mit der Zeit ändern und je nach kosmologischer Epoche unterschiedliche Werte annehmen kann.[9][10] Die Quintessenz erzeugt einen negativen Druck, der entgegen der Schwerkraft wirkt und somit zur beschleunigten Expansion des Universums beiträgt. Die genaue Natur des zugrunde liegenden Skalarfeldes ist vorerst unbekannt. Es gibt verschiedene Kandidaten für solche Felder, die aus der Teilchenphysik stammen, aber bisher wurde noch kein eindeutiger Nachweis erbracht.[11]

Da die Natur der Dunklen Materie und der Quintessenz noch unverstanden ist, bleibt es offen, ob es mögliche Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Phänomenen gibt. Einige theoretische Modelle untersuchen solche Wechselwirkungen, aber bisher gibt es noch keine experimentellen Beweise dafür.[12]

Um die Quintessenz als realistisches Modell der Dunklen Energie zu bestätigen oder auszuschließen, sind genauere Beobachtungsdaten und Tests erforderlich. Zukünftige Experimente und Beobachtungen, wie das Large Synoptic Survey Telescope (LSST)[13] oder das Euclid-Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation (ESA)[14], könnten dazu beitragen, das Verhalten der Dunklen Energie im Universum genauer zu bestimmen und die Quintessenz-Theorie zu prüfen.[15]

Die Rolle der Dunklen Energie bei der Expansion des Universums wirft auch Fragen über die langfristige Entwicklung und das Schicksal des Universums auf. Die Zukunft des Universums hängt davon ab, wie sich die Dunkle Energie im Laufe der Zeit verhält. Szenarien reichen von einem kontinuierlichen Ausdehnen[16] bis hin zu einem möglichen "Big Rip", bei dem die Expansion so stark beschleunigt wird, dass sie letztendlich sogar Atome auseinanderreißt.[17]

Die Planck-Ära: Der Anfang von Raum und Zeit

Die Planck-Ära war die früheste Phase des Universums, die unmittelbar nach dem Urknall begann. In dieser Phase waren die vier fundamentalen Kräfte der Natur - Gravitation, elektromagnetische Kraft, starke Kernkraft und schwache Kernkraft - wahrscheinlich in einer einzigen vereinigten Kraft vereint. Die Planck-Ära dauerte bis etwa 10-43 Sekunden nach dem Urknall und ist derzeit jenseits unseres theoretischen Verständnisses.[18] Als mögliche Kandidaten zur Erklärung dieser frühesten Phase des Universums gelten die M-Theorie und die Schleifenquantengravitation.[19]

Große vereinheitlichte Theorie (GUT-Ära)

Die Inflationstheorie (siehe folgenden Abschnitt) ist eng verbunden mit der sogenannten Großen vereinheitlichten Theorie, kurz auch GUT-Ära (Grand Unified Theory Era) genannt. Die GUT-Ära bezieht sich auf eine Phase im frühen Universum, als die elektromagnetische, schwache und starke Kernkraft zu einer einzigen vereinheitlichten Kraft bzw. Wechselwirkung (gemäß dem Newtonschen Wechselwirkungsprinzip von „Actio und Reactio“) verschmolzen waren. Dieser Zeitraum wird auf etwa 10-43 bis 10-36 Sekunden nach dem Urknall geschätzt.[20] In diesem winzigen Zeitfenster soll laut Theorie ein Phasenübergang stattgefunden haben, bei dem das vereinheitlichte Inflatonfeld, das für die Inflation verantwortlich war, in einen niedrigeren Energiezustand überging. Das soll zu einer enormen Freisetzung von Energie geführt haben, die eine abstoßende Gravitation verursachte, die für die extrem schnelle Expansion des Universums verantwortlich war.

Die Inflationstheorie kann einige Probleme der GUT-Ära, wie das Horizontproblem und das Flachheitsproblem, lösen. Das Horizontproblem bezieht sich auf die Tatsache, dass weit voneinander entfernte Regionen des Universums die gleiche Temperatur haben, obwohl sie nie in kausalem Kontakt gewesen sein könnten. Die Inflationstheorie erklärt dieses Phänomen durch die rasche Ausdehnung des Universums, die dazu führte, dass diese Regionen zuvor in Kontakt standen, bevor sie auseinandergerissen wurden.[21]

Das Flachheitsproblem bezieht sich auf die Tatsache, dass die beobachtete Raumkrümmung des Universums sehr nahe an Null liegt, was bedeutet, dass das Universum nahezu flach ist. Die Inflationstheorie erklärt dies, indem sie besagt, dass die schnelle Expansion des Universums die Raumkrümmung geglättet hat, ähnlich wie das Aufblasen eines Ballons eine gekrümmte Oberfläche glättet.[22]

Die Kosmologische Inflationstheorie

Zeitlicher und räumlicher Ablauf der Ausdehnung des Universums, nicht maßstabsgetreu. Man beachte die Inflationsphase am linken Rand des gelben Bereichs.
Alan Guth entwickelte um 1980 die Inflationstheorie.
Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung, aufgenommen durch die Raumsonde WMAP (Mission 2001–2010)

Die kosmologische Inflationstheorie ist ein bedeutender Teil der modernen Kosmologie und liefert eine plausible Erklärung für die Entstehung des Universums. Sie baut auf der Urknall-Theorie auf, geht aber in entscheidenden Punkten über diese hinaus. Sie besagt, dass das Universum in einem extrem kurzen Zeitraum eine extrem schnelle Expansion erlebt hat. Obwohl sich innerhalb des Universums nach heutiger Kenntnis nichts schneller als das Licht bewegen kann, so kann sich gemäß der Inflationstherie der Raum selbst mit praktisch unbegrenzter Geschwindigkeit ausbreiten, ohne damit in Konflikt mit der Relativitätstheorie zu kommen.

Dieses Konzept, das zuerst von Alan Guth im Jahr 1980 vorgeschlagen wurde[23], bietet Antworten auf einige der fundamentalen Fragen zur Entstehung des Universums und hat seither zahlreiche experimentelle Belege erhalten, die sehr viel besser mit den tatsächlichen Beobachtungen übereinstimmen.

Die kosmologische Inflationstheorie behauptet, dass das Universum vor etwa 13,8 Milliarden Jahren aus einem extrem heißen und dichten Zustand entstanden ist[24] und in den ersten 10-36 bis 10-32 Sekunden nach dem Urknall eine Ausdehnung um das Billionenfache seiner ursprünglichen Größe erfahren habe.[25] Diese extrem schnelle Expansion hätte dazu geführt, dass das Universum von einer Größe, die kleiner als ein Proton war, auf eine makroskopische Skala anschwillt.

Der Hintergrund dieser Theorie ist die Annahme eines sogenannten Inflatonfeld, das für die Inflation verantwortlich war.[22] Das Inflatonfeld ist ein skalares Feld und hat eine Zustandsgleichung mit negativem Druck. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie führt das zu einer abstoßenden Kraft und damit zu einer Ausdehnung des Universums. Die Zustandsänderung des Feldes während der inflationären Phase ist mit einem Phasenübergang 1. Ordnung vergleichbar. In einigen Theorien wird das Higgs-Feld, das im Standardmodell der Teilchenphysik für die Masse der Teilchen verantwortlich ist, als Inflatonfeld vorgeschlagen.[26] In solchen Szenarien könnte das Higgs-Feld während der Inflation ein extrem hohes Energieniveau erreicht haben, das zu einer exponentiellen Ausdehnung des Universums führte. Die experimentelle Bestätigung dieser Idee erfordert jedoch weitere Untersuchungen wie zum Beispiel noch präzisere Messungen von Gravitationswellen.[27]

Eine Reihe von Beobachtungen und Entdeckungen unterstützen die Inflationstheorie. Eine der wichtigsten ist die kosmische Hintergrundstrahlung (CMB), die von Arno Penzias und Robert Wilson 1964 entdeckt wurde.[28] Diese Strahlung, die als Überbleibsel des Urknalls betrachtet wird, zeigt ein sehr gleichmäßiges Muster, das auf eine einheitliche Ausdehnung des Universums in den frühesten Stadien seiner Existenz hindeutet.

Ein wichtiger Beleg für die Inflationstheorie ist, dass dieses Muster dennoch winzige richtungsabhängige Schwankungen in der Größenordnung von etwa 1 Teil in 100.000 aufweist, die sogenannte Anisotropie der CMB. In der Kosmologie sind mit der Anisotropie ganz allgemein kleine Variationen in der Temperatur, Dichte oder anderen physikalischen Eigenschaften des Universums in verschiedenen Richtungen gemeint. Im Zusammenhang mit der kosmischen Hintergrundstrahlung (CMB) bezieht sich die Anisotropie speziell auf die kleinen Temperaturschwankungen, die in den CMB-Messungen beobachtet werden.

Die kosmische Hintergrundstrahlung (CMB) ist eine allgegenwärtige elektromagnetische Strahlung, die als Überbleibsel des Urknalls gilt und eine nahezu homogene Temperatur von etwa 2,7 Kelvin aufweist.[29] Diese Strahlung fällt in das Mikrowellenbereich des elektromagnetischen Spektrums und ist in allen Richtungen im Raum bis auf die genannten kleinen Schwankungen gleichmäßig verteilt.

Diese kleinen Variationen sind das Ergebnis von Dichteschwankungen im frühen Universum, die schließlich zur Bildung von Galaxien, Sternen und anderen Strukturen führten. Es gibt einen interessanten Zusammenhang zwischen der kosmischen Hintergrundstrahlung und dem "weißen Rauschen" bei alten Fernsehern. Etwa 1% des statischen Rauschens, das auf einem alten Fernsehbildschirm nach Programmschluss zu sehen ist, stammt tatsächlich von der CMB.[30] Dies liegt daran, dass die Antennen und Empfänger von alten Fernsehgeräten in der Lage sind, elektromagnetische Strahlung aus dem Mikrowellenbereich aufzunehmen, und somit einen kleinen Teil der CMB als Rauschen wahrnehmbar machen. Es ist bemerkenswert, dass die kosmische Hintergrundstrahlung auf diese Weise unbeabsichtigt "entdeckt" wurde, bevor sie von den Wissenschaftlern Arno Penzias und Robert Wilson 1964 offiziell entdeckt wurde.

Die Anisotropie der CMB wurden erstmals im Jahr 1992 vom COBE-Satelliten gemessen[31] und später von den WMAP- und Planck-Satelliten weiter verfeinert.[32] [33]Die gemessenen Anisotropiewerte stimmen gut mit den Vorhersagen der Inflationstheorie überein und bieten somit wichtige Bestätigungen für das Modell.

Die Ära der elektroschwachen Symmetriebrechung und die Entstehung der Elementarteilchen

Die Elementarteilchen des Standardmodells: Quarks (violett), Leptonen (grün), Eichbosonen (rot), Higgs-Boson (gelb)

Nach der Inflationsphase, etwa 10-12 Sekunden nach dem Urknall, trennten sich die elektromagnetische Kraft und die schwache Kernkraft voneinander, ein Prozess, der als elektroschwache Symmetriebrechung bezeichnet wird. In dieser Phase begannen sich die ersten elementaren Teilchen, wie Quarks, Leptonen und ihre Antiteilchen, zu bilden.[34]

Zu beachten ist, dass die Protonen und Neutronen, die später den Atomkern aufbauen, nicht zu den Elementarteilchen gezählt werden, da sie ihrerseits durch je drei Quarks der ersten Generation (→ siehe Tabelle rechts) gebildet werden.

Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie

Ein noch nicht befriedigend gelöstes Problem ist die im Universum beobachtete Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie, genauer die sogenannte Baryonenasymmetrie. Die Baryonenasymmetrie stützt sich auf mehrere Beobachtungen und Messungen, die darauf hindeuten, dass im beobachtbaren Universum deutlich mehr Materie als Antimaterie vorhanden ist. Baryonen sind wichtige Komponenten der sichtbaren Materie im Universum, da sie direkt an der Bildung von Atomen beteiligt sind und den größten Teil ihrer Masse ausmachen. Die bekanntesten Baryonen sind Protonen und Neutronen, die zusammen den Atomkern bilden. Protonen bestehen aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark, während Neutronen aus einem Up-Quark und zwei Down-Quarks bestehen.[35]

Einige der wesentlichsten Beobachtungen, die für einen Baryonenasymmetrie sprechen, sind:

  1. Kosmische Hintergrundstrahlung (eng. cosmic microwave background, kurz CMB): Die CMB ist eine elektromagnetische Strahlung, die als Überbleibsel des Urknalls angesehen wird und Informationen über das frühe Universum enthält.[29] Die Analyse der CMB zeigt, dass das Universum hauptsächlich aus Materie besteht, da eine gleichmäßige Verteilung von Materie und Antimaterie zu einer kontinuierlichen Vernichtung und daraus resultierenden Gammastrahlen führen würde, die in der CMB beobachtbar wären. Solche Signale wurden jedoch nicht beobachtet.
  2. Helium-4-Abundanz: Die primordiale Nukleosynthese ist ein Prozess, der kurz nach dem Urknall stattfand und bei dem die ersten Atomkerne aus Protonen und Neutronen gebildet wurden. Die Beobachtungen des primordialen Helium-4, das während der Nukleosynthese erzeugt wurde, stimmen gut mit den theoretischen Vorhersagen überein, die auf ein überwiegend aus Materie zusammengesetztes Universums hinweisen.[36]
  3. Galaxien und großräumige Strukturen: Die Beobachtung von Galaxien und großräumigen Strukturen im Universum zeigt, dass dieses hauptsächlich aus Materie bestehen. Wäre eine signifikante Menge an Antimaterie vorhanden, würde sie mit Materie in Kontakt kommen und zu einer Vernichtungsstrahlung führen, die nicht beobachtet wird.[37]
  4. Experimentelle Beobachtungen: In Teilchenbeschleunigern und anderen Experimenten zur Erzeugung von Antimaterie wurde festgestellt, dass die erzeugte Antimaterie mit der laut Theorie (siehe nachstehend) erwarteten Menge übereinstimmt, was darauf hindeutet, dass es im Universum eine inhärente Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie gibt.[38]

Während die Inflationstheorie und die kosmische Hintergrundstrahlung unser Verständnis des frühen Universums erweitert haben, erklären sie nicht direkt die beobachtete Materie-Antimaterie-Asymmetrie. Um die Asymmetrie zu erklären, benötigen wir zusätzliche physikalische Prozesse und Mechanismen, die im frühen Universum stattgefunden haben und zur heutigen beobachteten Asymmetrie geführt haben.

Eine der führenden Ideen zur Erklärung der Baryonenasymmetrie stammt vom russischen Physiker Andrei Sacharow, der 1967 drei notwendige Bedingungen, die nach ihm benannten Sacharowkriterien, für die Erzeugung der Materie-Antimaterie-Asymmetrie aufstellte[39]:

  1. Baryonenzahlverletzung: Damit die Baryonenasymmetrie entstehen kann, müssen Prozesse existieren, die die Baryonenzahl verletzen, sodass ein Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie entstehen kann.
  2. C- und CP-Verletzung: Die Asymmetrie muss auch auf eine Verletzung der Ladungskonjugation (C) und der kombinierten Ladungs- und Paritätskonjugation (CP) zurückzuführen sein. Das bedeutet, dass die Physik in bestimmten Prozessen zwischen Teilchen und ihren Antiteilchen unterscheiden kann.
  3. Nichtgleichgewichtsbedingungen: Die Asymmetrie muss in einem System auftreten, das sich nicht im thermischen Gleichgewicht befindet, da sonst die vorhandene Baryonasymmetrie durch die inversen Reaktionen der betrachteten Teilchenzerfälle zwangsläufig wieder ausgelöscht würden.

Die genauen Mechanismen, die zur Materie-Antimaterie-Asymmetrie geführt haben, sind allerdings noch nicht vollständig verstanden. Es gibt zwar mehrere theoretische Modelle, die versuchen, dieses Rätsel zu lösen, doch ist weiterer experimenteller und theoretischer Fortschritt notwendig, um diese Frage befriedigend beantworten zu können.

Hadron-Ära und Lepton-Ära

Als das Universum weiter abkühlte, begann die Hadron-Ära etwa 10-6 Sekunden nach dem Urknall und dauerte bis etwa 1 Sekunde nach dem Urknall. In dieser Phase wurden Quarks und Gluonen zu Hadronen, wie Protonen und Neutronen, gebunden (6). Das Universum kühlte weiter ab und machte den Übergang in die Lepton-Ära, die bis etwa 10 Sekunden nach dem Urknall dauerte. In der Lepton-Ära dominierten Leptonen, wie Elektronen und Neutrinos, die Teilcheninteraktionen.[40]

Primordiale Nukleosynthese

Schon bald manifestierte sich ein Teil der aus hochenergetischen Photonen bestehenden Energie in Form erster Elementarteilchen. Als etwa eine Sekunde nach dem Urknall das Universum durch seine rasche Expansion ausreichend abgekühlt war, um Protonen und Neutronen zu bilden, konnte innerhalb der nächsten Minuten der Aufbau der ersten Atomkerne durch die sogenannte primordiale Nukleosynthese beginnen. Dabei entstanden aber nur nur die leichtesten Kerne. Der dabei gebildete Wasserstoff (1H) macht knapp 75% der baryonischen Masse des Universums aus, gefolgt von den Helium-Isotopen 4He (≈ 25%) und ganz wenig 3He, sowie das Wasserstoffisotop 2H (Deuterium), das etwa 0,03% ausmacht, und zuletzt noch in sehr geringen Mengen Lithium, insbesondere 7Li.

Nach dieser primordialen Nukleosynthese wurden keine weiteren Elemente in signifikanten Mengen gebildet, bis die ersten Sterne entstanden und die stellare Nukleosynthese begann. In Sternen werden schwerere Elemente als Helium durch Kernfusion gebildet.

Die Entkopplung von Strahlung und Materie

Etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall erreichte das Universum eine Temperatur von etwa 3000 Kelvin, bei der Wasserstoffatome stabil genug waren, um Elektronen einzufangen und neutrale Atome zu bilden.[41] Zu diesem Zeitpunkt konnte die kosmische Hintergrundstrahlung, die während des gesamten frühen Universums mit Materie wechselwirkte, frei durch das Universum strömen, ohne ständig von geladenen Teilchen gestreut zu werden. Das Universum wird erstmals durchsichtig für für elektromagnetische Strahlungen aller Art. Dieser Prozess wird als Entkopplung von Strahlung und Materie bezeichnet und markiert das Ende der sogenannten Rekombinationsära.

Mit der Entkopplung von Strahlung und Materie wurde die kosmische Hintergrundstrahlung, die wir heute als kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB) beobachten, im Wesentlichen zu einem "Fossil" des frühen Universums, das wertvolle Informationen über die Bedingungen und Prozesse in dieser Zeit enthält.[42]


Einzelnachweise

  1. Einstein, A. (1915). Die Feldgleichungen der Gravitation. Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, 844-847.
  2. ..the biggest blunder he ever made in his life, George Gamow My World Line, Viking Press 1970, S. 44. Einstein hatte sich nach Gamow in Diskussionen mit ihm so geäußert. Einstein selbst bezeichnet in Meaning of Relativity (Anhang 1, Ausgabe Routledge 2003, S. 115) die kosmologische Konstante prosaischer als Komplikation der Theorie, die die logische Einfachheit der Theorie beeinträchtigt und nur wegen des auch in der Newtonschen Theorie auftretenden Problems des Ansatzes konstanter Materiedichte in den Feldgleichungen bei einem statischen Universum notwendig war. Nach Friedmans Lösung (die er im Anhang darstellt) wäre dies nicht mehr nötig. Ähnlich äußern sich Einstein und de Sitter in Proc.Nat.Acad.Sci., Band 18, 1932, S. 213
  3. Perlmutter, S., et al. (Supernova Cosmology Project). (1999). Measurements of Ω and Λ from 42 High-Redshift Supernovae. The Astrophysical Journal, 517(2), 565-586.
  4. Riess, A.G., et al. (High-z Supernova Search Team). (1998). Observational Evidence from Supernovae for an Accelerating Universe and a Cosmological Constant. The Astronomical Journal, 116(3), 1009-1038.
  5. Planck Collaboration. (2014). Planck 2013 results. XVI. Cosmological parameters. Astronomy & Astrophysics, 571, A16.
  6. Li, M., Wang, X., & Wang, S. (2012). Dark Energy and Dark Matter in a Model of an Axion-like Particle. Communications in Theoretical Physics, 58(4), 525-534.
  7. Weinberg, D. H., Mortonson, M. J., Eisenstein, D. J., Hirata, C., Riess, A. G., & Rozo, E. (2013). Observational Probes of Cosmic Acceleration. Physics Reports, 530(5), 87-255.
  8. Caldwell, Dave, Steinhardt, Cosmological Imprint of an Energy Component with General Equation of State, Phys. Rev. Lett., Band 80, 1998, S. 1582–1585.
  9. Ratra, B., & Peebles, P. J. E. (1988). Cosmological Consequences of a Rolling Homogeneous Scalar Field. Physical Review D, 37(12), 3406-3427.
  10. Zlatev, I., Wang, L., & Steinhardt, P. J. (1999). Quintessence, Cosmic Coincidence, and the Cosmological Constant. Physical Review Letters, 82(5), 896-899.
  11. Copeland, E. J., Sami, M., & Tsujikawa, S. (2006). Dynamics of dark energy. International Journal of Modern Physics D, 15(11), 1753-1936.
  12. Farrar, G. R., & Peebles, P. J. E. (2004). Interacting dark matter and dark energy. Astrophysical Journal, 604(1), 1-18.
  13. LSST Science Collaborations, & LSST Project Office. (2009). LSST Science Book, Version 2.0. arXiv preprint arXiv:0912.0201.
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