Kohärenztheorie der Wahrheit

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Die Kohärenztheorie der Wahrheit tauchte Ende des 19. Jahrhunderts im Neuhegelianismus des angelsächsischen Raums auf, etwa bei Francis Herbert Bradley und Brand Blanshard.[1] Sie spielte auch in den Diskussionen des logischen Empirismus und des Wiener Kreises eine Rolle, wobei Otto Neurath eine Kohärenztheorie präferierte, während Moritz Schlick einer Theorie der Korrespondenz den Vorzug gab.[2] In ihrer einfachsten Form besagt die Kohärenztheorie, dass die Wahrheit oder Richtigkeit einer Aussage darin besteht, sich widerspruchslos in ein System von Aussagen einfügen zu lassen. So formuliert Otto Neurath:

„Die Wissenschaft als ein System von Aussagen steht jeweils zur Diskussion. […] Jede neue Aussage wird mit der Gesamtheit der vorhandenen, bereits miteinander in Einklang gebrachten Aussagen konfrontiert. Richtig heißt eine Aussage dann, wenn man sie eingliedern kann. Was man nicht eingliedern kann, wird als unrichtig abgelehnt. Statt die neue Aussage abzulehnen, kann man auch, wozu man sich im allgemeinen schwer entschließt, das ganze bisherige Aussagensystem abändern, bis sich die neue Aussage eingliedern lässt […].[3]

Neuraths programmatischer Ansatz wurde von Nicholas Rescher zu einer umfassenden Theorie ausgearbeitet.[4] Allerdings benutzt Rescher den Kohärenzbegriff explizit nur als Kriterium, aber nicht zur Definition von Wahrheit. Bei der Definition von „wahr“ schließt er sich der Korrespondenztheorie an: Wahrheit meine die Übereinstimmung einer Proposition mit einer Tatsache.[5]

Rescher unterscheidet zwei Arten von Wahrheitskriterien: garantierende (guaranteeing) und legitimierende (authorizing) Kriterien. Erstere geben vollkommene Sicherheit in Bezug auf das Vorliegen von Wahrheit, während letztere lediglich einen stützenden Charakter haben. Nach Reschers Ansicht genügt es, wenn ein solches Kriterium das Vorliegen von Wahrheit wahrscheinlicher macht. Rescher schränkt die Geltung des Kohärenzbegriffs weiter auf die Explikation von Tatsachenaussagen – Rescher spricht von „Daten“ – ein, während für die Wahrheit von logisch-mathematischen Aussagen nach seiner Auffassung pragmatische Kriterien herangezogen werden müssen. Daten sind dabei von vornherein als sprachliche Entitäten konzipiert und nicht als reine Tatsachen. Die Akzeptierbarkeit von Daten wird ebenfalls nach pragmatischen Kriterien gerechtfertigt.

Eine Theorie oder ein Aussagensystem kann nach Rescher dann als kohärent bezeichnet werden, wenn folgende Aspekte erfüllt sind:

  1. Umfassendheit (comprehensiveness): Alle relevanten Sätze werden berücksichtigt; die Theorie ist logisch geschlossen.
  2. Konsistenz (consistency): Die Theorie enthält keine logisch-kontradiktorischen Sätze.
  3. Zusammengefügtheit (cohesiveness): Die Sätze der Theorie werden in ihren Beziehungen bzw. Kontexten zu den anderen Sätzen expliziert; die Beziehungen zwischen den Sätzen sind logisch einwandfrei.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Lothar Kreiser/Pirmin Stekeler-Weithofer: Wahrheit/Wahrheitstheorie. In: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie. Bd. 2: O–Z, Meiner, Hamburg 1999, S. 1712–1722, hier S. 1716.
  2. Vgl. Gunnar Skirbekk: Einleitung. In: Gunnar Skirbekk (Hrsg.): Wahrheitstheorien. Eine Auswahl aus den Diskussionen über Wahrheit im 20. Jahrhundert. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, S. 8–34, hier S. 16f.
  3. Otto Neurath: Soziologie im Physikalismus. In: Erkenntnis 2, 1931, S. 403.
  4. Vgl. Nicholas Rescher: The Coherence Theory of Truth. Oxford 1973.
  5. Vgl. Lothar Kreiser/Pirmin Stekeler-Weithofer: Wahrheit/Wahrheitstheorie. In: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie. Bd. 2: O–Z, Meiner, Hamburg 1999, S. 1712–1722, hier S. 1716f.
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