Wirkung (Physik)

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Die Wirkung ist eine physikalische Größe mit der Dimension Energie mal Zeit oder Länge mal Impuls und hat damit die gleiche Dimension wie der Drehimpuls. Die entsprechende Einheit im SI-System ist kg·m2·s−1 = Js.

Wirkungsfunktional

Aus physikalischer Sicht ist mit dem Begriff Wirkung nicht wie im allgemeinen Sprachgebrauch die Auswirkung einer Ursache nach dem Kausalprinzip gemeint, sondern ein mathematisch formuliertes Wirkungsfunktional, das Aufschluss darüber gibt, welche Bahn aus der Menge aller prinzipiell möglichen Bahnen in einem physikalischen System tatsächlich durchlaufen wird.

In der klassischen Mechanik errechnet sich die Wirkung einer Punktmasse längs einer zweifach differenzierbaren Bahn in der Zeit aus dem Wirkungsfunktional wie folgt:

mit der Lagrangefunktion , die die Differenz zwischen kinetischer Energie und potentieller Energie darstellt:

Hamiltonsches Prinzip

Nach dem schon von Leibniz und Pierre Louis Moreau de Maupertuis erkannten und 1834 von William Rowan Hamilton (1805-1865) mathematisch formulierten und später nach ihm benannten Hamiltonschen Prinzip laufen alle physikalischen Prozesse so ab, dass das Wirkungsfunktional, also die mathematische Funktion aus der die Wirkung berechnet wird, einen minimalen oder zumindes extremalen Wert annimmt. Man spricht daher auch nicht ganz exakt vom Prinzip der kleinsten Wirkung. Max Planck sah darin einen Hinweis darauf, dass alle Naturprozesse zielgerichtet ablaufen[1] und stellte es als fundamentales Prinzip der Physik noch über den Energieerhaltungssatz, der als Spezialfall aus dem allgemeineren Prinzip der kleinsten Wirkung folge.

„Unter den mehr oder weniger allgemeinen Gesetzen, welche die Errungenschaften der physikalischen Wissenschaft in der Entwicklung der letzten Jahrhunderte bezeichnen, ist gegenwärtig das Prinzip der kleinsten Wirkung (Aktion) wohl dasjenige, welches nach Form und Inhalt den Anspruch erheben darf, jenem idealen Endziel der theoretischen Forschung am nächsten zu kommen. Seine Bedeutung, in gehöriger Allgemeinheit aufgefasst, erstreckt sich nicht allein auf mechanische, sondern auch auf thermische und elektrodynamische Erscheinungen, und in allen seinen Anwendungsgebieten gibt es nicht nur Aufschluss über gewisse Eigenschaften der betreffenden physikalischen Vorgänge, sondern es regelt ihren räumlichen und zeitlichen Ablauf vollkommen eindeutig, indem es sämtliche darauf bezügliche Fragen beantwortet, sobald nur die nötigen Konstanten sowie die der Willkür unterliegenden äußeren Bedingungen gegeben sind.

Freilich ist diese zentrale Stellung des Prinzips der kleinsten Wirkung auch heute noch nicht ganz unbestritten. Besonders scharfe Konkurrenz machte ihm eine Zeitlang das Prinzip der Erhaltung der Energie, welches ebenfalls die gesamte Physik beherrscht und sicherlich den Vorteil größerer Anschaulichkeit voraus hat. Daher dürfte es sich empfehlen, zunächst die Stellung dieser beiden Prinzipien zueinander hier mit einigen Worten zu beleuchten.

Das Prinzip der Erhaltung der Energie lässt sich aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung ableiten, es ist also in ihm mit enthalten, während das Umgekehrte nicht zutrifft. Daher ist das Energieprinzip das speziellere, das Prinzip der kleinsten Wirkung das umfassendere Gesetz.“ (Lit.: Planck, S. 96f)

„Es gibt indessen ein anderes, viel umfassenderes Gesetz, welches die Eigentümlichkeit hat, dass es auf jedwede den Verlauf eines Naturvorganges betreffende sinnvolle Frage eine eindeutige Antwort gibt, und dies Gesetz besitzt, soweit wir sehen können, ebenso wie das Energieprinzip, genaue Gültigkeit, auch in der allerneuesten Physik. Was wir aber nun als das allergrößte Wunder ansehen müssen, ist die Tatsache, dass die Sachgemäßeste Formulierung dieses Gesetzes bei jedem Unbefangenen den Eindruck erweckt, als ob die Natur von einem vernünftigen, zweckbewussten Willen regiert würde. [...]

Es ist gewiss nicht verwunderlich, dass die Entdeckung dieses Gesetzes, des sogenannten Prinzips der kleinsten Wirkung, nach welchem später auch das elementare Wirkungsquantum seinen Namen bekommen hat, seinen Urheber Leibniz, ebenso wie bald darauf dessen Nachfolger Maupertuis, in helle Begeisterung versetzt hat, da diese Forscher darin das greifbare Zeichen für das Walten einer höheren, die Natur allmächtig beherrschenden Vernunft gefunden zu haben glaubten.

In der Tat, durch das Wirkungsprinzip wird in den Begriff der Ursächlichkeit ein ganz neuer Gedanke eingeführt: zu der Causa efficiens, der Ursache, welche aus der Gegenwart in die Zukunft wirkt und die späteren Zustände als bedingt durch die früheren erscheinen lässt, gesellt sich die Causa finalis, welche umgekehrt die Zukunft, nämlich ein bestimmt angestrebtes Ziel, zur Voraussetzung macht und daraus den Verlauf der Vorgänge ableitet, welche zu diesem Ziele hinführen.

Solange man sich auf das Gebiet der Physik beschränkt, sind diese beiden Arten der Betrachtungsweise nur verschiedene mathematische Formen für ein und denselben Sachverhalt, und es wäre müßig zu fragen, welche von beiden der Wahrheit näherkommt. Ob man die eine oder die andere benutzen will, hängt allein von praktischen Erwägungen ab.“ (Lit.: ebd., S. 395f)

Aus dem Hamiltonschen Prinzip folgt beispielsweise auch das Fermatsche Prinzip, nach dem ein Lichtstrahl in einem Medium von allen denkbaren Wegen vom Anfangspunkt zum Endpunkt den Weg mit der geringsten Laufzeit wählt.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Carsten Könneker: Grenzen ziehen - oder überschreiten? Vorwort zum Themenbereich "Vernunft und Glaube", Spektrum der Wissenschaft, Jänner 2012.