Entrückung

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Mit dem Begriff Entrückung bezeichnet man in einem biblischen Zusammenhang das Phänomen, dass eine Person leibhaftig aus der irdisch-konkreten Erscheinungswelt in eine himmlische Sphäre versetzt wird. Im Alten und im Neuen Testament werden mehrere Ereignisse beschrieben.

Im übertragenen Sinn wird der Begriff für einen Zustand „geistiger Ferne“, wie etwa im Rausch, Trance oder Traum verwendet.

Altes Testament

Im AT wird eine Entrückung von Henoch (1 Mos 5,24 EU; Heb 11,5 EU) und von Elia (2 Kön 2,11 EU) berichtet. Beide wurden demnach wegen ihres Glaubens durch Gott hinweg- und in den Himmel aufgenommen. Dabei stellte man sich den Aufenthalt in dauernder Nähe Gottes vor (vgl. Paradies), der dem Tode entzogen war.

Aus anthroposophischer Sicht ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich weder bei Henoch noch bei Elia um eine Einzelpersönlichkeit handelt, sondern um das Stammes-Ich eines durch das gemeinsame Blut bzw. die gemeinsame Abstammung verbundenen Stammes. Rudolf Steiner erklärt das wie folgt:

„Wenn wir uns da nun erinnern an den Vortrag «Blut ist ein besonderer Saft», da finden wir eine besondere Anwendung des Wortes «Bewusstsein». Wer da festhält daran, dass es eine Entwicklung gibt, der muss auch zugeben, dass alles in Entwicklung ist; auch das Bewusstsein. Das Bewusstsein, was wir heute haben, war nicht immer da, es entwickelte sich aus einem andern Bewusstsein heraus, das dämmerhaft, traumhaft war, das in Bildern im Menschen lebte.

Diese Art des Bewusstseins, das dumpf und hellseherisch zugleich war, hing an einer ganz bestimmten Tatsache. Die Menschen lebten damals in kleinen Gemeinschaften, alle Völker, in deren fernen Ursprung wir untertauchen, zeigen dasselbe, je weiter die Geisteswissenschaft zurückgeht, desto kleinere Volksverbände zeigen sich ihr. Es galt als unsittlich, aus diesen kleinen Volksverbänden herauszuheiraten. Erst spater wurde dies Prinzip der Nah-Ehe durch das Prinzip der Fern-Ehe unterbrochen, und mit dieser Unterbrechung fängt auch die Entwicklung des dämmerhaften Bewusstseins zu dem heutigen verstandesmäßigen Bewusstsein zusammen. In den Angehörigen jener alten Stämme lebte ein ganz anderes Gedächtnis; das, was der Vater, der Großvater erlebte, das lebte im Sohn, als ob er selbst es erlebt habe. Die durchziehenden Kräfte von den Vorvätern, die rannen durch das Blut dieser in engen Blutsverbänden zusammengeschlossenen Stämme, und zwar in einem solchen Grade, dass der Nachkomme sich der Geschehnisse seiner Vorfahren so erinnerte, als ob er selbst sie erlebt habe; das war im Blut, das rollte durch Generationen hindurch. Der Sohn erinnerte sich und sagte: Ich habe das erlebt -, was Vater und Großvater et cetera erlebt hatten. Solange sich dies Ich - dies Stammes-Ich - erhielt, sprach man von derselben Wesenheit mit demselben Namen. Es ist Adam das durchgängige Ich des Adam, man bezeichnet damit das, was sich hinvererbt durch viele Generationen von Adam, nicht die Person des Adam.

Ebenso müssen wir die Stelle auffassen, wo es heißt: «Henoch, der Mann Gottes, verschwand von der Erde.» (1 Mos 5,24 LUT) Das heißt nicht, er habe sich aufgelöst in Dunst und Nebel, sondern «Henoch» bedeutet eben eines jener gemeinsame[n] Ich[e]. Dies wird aufgelöst dadurch, dass er der Mann Gottes wird, das heißt derjenige, der sich dem Geiste widmet, der es aufgibt, Nachkommen zu haben, der sich in einer Art Askese hingibt und daher verschwindet, da er nicht im Sohn weiterlebt und das mitgegeben hat, was im Blut rinnt.“ (Lit.: GA 68a, S. 261)

Neues Testament

Im NT wird in Offb 12,5 EU von der Entrückung eines Kindes gesprochen. Fälschlicherweise wird dieses Kind häufig mit Jesus Christus verwechselt. Dieses ist alleine schon deshalb völlig abwegig, da die Offenbarung, geschrieben ca. 70 Jahre nach der Geburt von Jesus Christus, eine Vision der Zukunft ist. Im 12. Kapitel der insgesamt 24 Kapitel findet keine Nacherzählung der Weihnachtsgeschichte statt.

Von einer Entrückung der gläubigen Christen in der Endzeit, Jesus Christus entgegen, spricht das NT in 1 Kor 15,23.51.52 EU und vor allem in 1 Thess 4,16ff. EU.

Entrückung in der Endzeit

Die Entrückung ist seit dem 19. Jahrhundert wesentlicher Bestandteil der christlichen Lehre von der Endzeit. Sie steht im Zusammenhang mit der Wiederkunft von Jesus Christus (Parusie) und dessen Sieg über den Antichrist. Als biblische Belegstellen werden 1 Kor 15,23.51.52 EU und vor allem in 1 Thess 4,16ff. EU herangezogen. Demnach würden von einem Moment auf den anderen sämtliche gläubigen Christen in einer Art Himmelfahrt von der Erde verschwinden. Jesus Christus selbst erwähnt diesen Sachverhalt in Lk 17,34-36 EU. Das zugrundeliegende griechische Verb harpazo, das mit entrücken übersetzt wurde, bedeutet an sich reißen, rauben.

Bis in das 19. Jahrhundert spielte die Entrückung für die christliche Lehre nur eine marginale Rolle und wurde meist als detaillierte Beschreibung der zweiten Wiederkunft Christi gesehen. Populär wurde sie vor allem durch John Nelson Darby, der in den 1830er Jahren die Lehre von einer zukünftigen Trübsalszeit mit Verweis auf Mt 24 und Mk 13 verbreitete. Diese sogenannte "Große Trübsal" wurde von den Kirchenväter und Reformatoren wie Martin Luther oder Johannes Calvin als Ereignis gesehen, das in der Vergangenheit liegt und im Zusammenhang mit der Tempelzerstörung im Jahr 70 n.Chr. und der darauffolgenden Judenverfolgung gesehen wurde. Seit Darby hat sich daneben auch die Deutung verbreitet, dass diese Zeit – die dann in Verbindung mit Daniels Jahrwochen aus Dan 9,25-27 gebracht wird – am Ende der Weltgeschichte läge. Es folgte eine Diskussion, ob die Entrückung – die nun losgelöst vom zweiten Kommen Christi gesehen wurde – vor, während oder nach der Großen Trübsal eintreten werde.

Siehe auch

Literatur

  • Rienecker, Fritz; Maier, Gerhard (Hg.): Lexikon zur Bibel, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1998.
  • Maier, Gerhard: Er wird kommen. Was die Bibel über die Wiederkunft Jesu sagt, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal ³2001.
  • Coenen, Lothar (Hg.): Theologisches Begriffslexikon zum NT, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1993.
  • Rudolf Steiner: Über das Wesen des Christentums, GA 68a (2020), ISBN 978-3-7274-0680-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Weblinks

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