Dialektisch-materialistische Widerspiegelungstheorie

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Die dialektisch-materialistische Widerspiegelungstheorie der Wahrheit wurde von Marx auf der Grundlage des von ihm entwickelten Dialektischen Materialismus formuliert. Es handelt sich dabei um eine materialistische Spielart der Korrespondenztheorie der Wahrheit. Wahrheit besteht demnach in der Übereinstimmung des Bewusstseins mit dem bewussten Objekt. Sie steht im Dienst der Praxis und wird allein daran gemessen. Marx drückt dies in seiner zweiten These über Feuerbach aus:

„Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i. e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens – das von der Praxis isoliert ist – ist eine rein scholastische Frage.[1]

Während im orthodoxen Marxismus das Bewusstsein als „Abbild“ des Sachverhalts angenommen wird, gehen neuere Richtungen dazu über, diese Funktion sprachlichen Gebilden wie Aussagen zuzuschreiben:

„Sie [die Wahrheit] wird definiert als Eigenschaft der Aussagen, mit dem widergespiegelten Sachverhalt übereinzustimmen.[2]

Die Wahrheit stellt immer ein Verhältnis dar – nämlich das Verhältnis von dem abgebildeten Objekt im Bewusstsein und dem Objekt selbst. Falls die Widerspiegelung adäquat ist, spricht man hier von (relativer) Wahrheit. Das Kriterium hierfür ist die Praxis. Der dialektische Materialismus unterscheidet die relative Wahrheit von der absoluten Wahrheit. Beide werden als dialektische Einheit angesehen: Eine absolute Wahrheit ist danach z. B. die Abstammung des Menschen von den Tieren. Die Relativität dieser Wahrheit ergibt sich z. B. aus der Entwicklung der Erkenntnis der Menschheit, welche die Naturprozesse immer vollkommener nachvollzieht und somit „neue“, genauere, höhere Wahrheiten herausfindet. Darwins These gilt als absolut wahr, doch sie kann ergänzt und immer genauer bestimmt werden. Demzufolge erlangen die Menschen eine immer höhere relative Wahrheit auf der Basis absoluter Wahrheiten. Eine endgültige, ewige Wahrheit gibt es im dialektischen Materialismus nicht.

Einzelnachweise

  1. Karl Marx: Thesen über Feuerbach. MEW Bd. 3, S. 5.
  2. Artikel „Wahrheit“. In: Georg Klaus, Manfred Buhr (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. 11. Aufl., Leipzig 1975.
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