Bibliothek:Protoevangelium des Jakobus

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Guido Reni, Der Heilige Josef mit dem Christuskind, etwa 1635. Die ikonografische Darstellung Josefs als alter Mann ist auf das Protoevangelium des Jakobus zurückzuführen.

Das sogenannte Protoevangelium des Jakobus, gelegentlich auch das Kindheitsevangelium des Jakobus genannt, ist eine frühchristliche Schrift, die vermutlich um die Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden ist. Der Name leitet sich vom griech. πρῶτος, (prōtos) „das erste“ oder „Anfangs-“ her und kann mit „Vorevangelium“ übersetzt werden.

Der ursprüngliche Name der Schrift ist Geburt/Ursprung Marias – Offenbarung des Jakobus. Der Titel, der sich heute eingebürgert hat, ist eine nachträgliche Bezeichnung aus dem 16. Jahrhundert, die auf den französischen Humanisten Guillaume Postel zurückgeht.

Die kirchliche Tradition schrieb die Autorschaft dem Herrenbruder Jakobus zu; pseudepigraphische Autorschaft war damals nicht ungewöhnlich. Doch da der Autor die Kindheitsgeschichten des Matthäus- und Lukasevangeliums voraussetzte, war er offensichtlich kein Zeitzeuge Jesu. Das Evangelium wird im großen Ganzen kaum vor 150 n. Chr. entstanden sein. Es kann aber auch nicht sehr viel später entstanden sein, da Clemens von Alexandrien († 215) und Origenes († 253/254) es bereits kannten. Die älteste Handschrift des Evangeliums ist der Papyrus Bodmer 5, der aus dem 3. oder 4. Jahrhundert nach Christi Geburt stammt.

Die Schrift hat 25 Kapitel, jedes Kapitel hat durchschnittlich drei Verse. Entgegen dem sonstigen Sprachgebrauch von Evangelium als Darstellung des Lebens Jesu ist das Protoevangelium ein Marienleben. Es greift über die Geburt Jesu hinaus und erzählt ausführlich von der Herkunft Marias, der Mutter Jesu. So kommt es dem Wunsch nach zusätzlichen Berichten über die Mutter Jesu – über die spärlichen Stellen in den vier kanonischen Evangelien hinaus – entgegen. In der gesamten Kirche war die Schrift sehr populär; sie wurde aber nicht in den Kanon der biblischen Schriften aufgenommen.

Das Kindheitsevangelium des Jakobus

Kapitel 1: Joachims Notlage

(1) In den Geschichten der zwölf Stämme Israels war Joachim ein sehr reicher Mann. Und er verdoppelte die Gaben, die er dem Herrn darbrachte, und sagte zu sich selbst: "Die eine ist von meinem Überfluss für das ganze Volk, und die andere ist für Gott, den Herrn, zur Vergebung, um mich zu sühnen."

(2) Der große Tag des Herrn kam heran, und das Volk Israel brachte seine Gaben dar. Aber Reubel trat vor ihn hin und sagte: "Es ist nicht recht, dass du deine Gaben zuerst darbringst, denn du hast in Israel kein Kind bekommen."

(3) Und Joachim war sehr betrübt und wandte sich an die (Geschichte) der zwölf Stämme des Volkes und sagte zu sich selbst: "Ich werde in der (Geschichte) der zwölf Stämme Israels nachsehen, ob ich der einzige bin, der in Israel kein Kind bekommen hat." Und er suchte und fand, dass alle Gerechten in Israel Kinder aufgezogen hatten. Und er erinnerte sich daran, dass Gott der Herr in den letzten Tagen des Patriarchen Abraham ihm einen Sohn, Isaak, geschenkt hatte.

(4) Und Joachim war sehr betrübt und ging nicht zu seiner Frau, sondern begab sich in die Wüste und schlug dort sein Zelt auf. Und Joachim fastete vierzig Tage und vierzig Nächte und sagte zu sich selbst: "Ich werde nicht hinuntergehen, um zu essen oder zu trinken, bis der Herr, mein Gott, mich erhört. Das Gebet wird meine Speise und mein Trank sein."

Kapitel 2: Annas Notlage

(1) Seine Frau Anna aber trauerte und beklagte sich aus zwei Gründen. Sie sagte: "Ich klage, dass ich eine Witwe bin und dass ich kein Kind habe."

(2) Es nahte aber der große Tag des Herrn, und ihre Magd Juthine sagte zu ihr: "Wie lange willst du deine Seele noch demütigen? Sieh, der große Tag des Herrn ist gekommen, und es ist nicht recht, dass du trauerst. Aber nimm dieses Stirnband, das mir der Leiter der Arbeitsstelle gegeben hat. Es ist nicht recht, dass ich es trage, denn ich bin deine Dienerin, und es hat ein königliches Zeichen."

(3) Und Anna sagte: "Geh weg von mir! Ich werde das nicht tun. Gott, der Herr, hat mich sehr gedemütigt. Vielleicht hat dir das ein Betrüger gegeben, und du bist gekommen, um mich an deiner Sünde teilhaben zu lassen."

Da sagte Juthine, die Magd: "Warum sollte ich dich verfluchen, wo du doch meine Stimme nicht gehört hast? Gott, der Herr, hat deinen Schoß unfruchtbar gemacht, damit du in Israel keine Frucht bringst."

(4) Und Anna war sehr betrübt und legte ihr Trauerkleid ab, wusch ihr Haupt und zog ihr Hochzeitskleid an. Und um die neunte Stunde ging sie hinunter in ihren Garten, um herumzugehen. Sie sah einen Lorbeerbaum und setzte sich unter ihn. Und nachdem sie sich ausgeruht hatte, bat sie den Herrn. Sie sagte: "Gott meiner Vorfahren, segne mich und erhöre mein Gebet, wie du unsere Mutter Sara gesegnet und ihr einen Sohn, Isaak, geschenkt hast."

Kapitel 3: Annas Klage

(1) Anna blickte zum Himmel und sah im Lorbeerbaum ein Nest von Spatzen. Und Anna beklagte sich und sagte zu sich selbst,

"Weh mir! Wer hat mich geboren? Welcher Schoß hat mich geboren? Ich bin als Fluch vor dem Volk Israel geboren und verachtet worden; sie haben mich verspottet und aus dem Tempel des Herrn, meines Gottes, verbannt.

(2) "Weh mir! Wem bin ich gleich? Ich bin nicht wie die Vögel des Himmels, denn auch die Vögel des Himmels sind fruchtbar vor dir, Herr.

"Wehe mir! Wie bin ich denn? Ich bin nicht wie die Tiere, denn auch die Tiere sind fruchtbar vor dir, Herr.

"Wehe mir! Wie bin ich denn? Ich bin nicht wie die wilden Tiere auf der Erde, denn auch die wilden Tiere auf der Erde sind fruchtbar vor dir, Herr.

(3) "Wehe mir! Wie bin ich denn? Ich bin nicht wie diese Gewässer, denn auch diese Gewässer sind ruhig und doch aufgewühlt, und ihre Fische segnen dich, Herr.

"Wehe mir! Wie bin ich denn? Ich bin nicht wie diese Erde, denn die Erde bringt ihre Früchte hervor, wenn es Zeit ist, und segnet dich, Herr."

Kapitel 4: Die Verheißung des Herrn

(1) Und siehe da! Ein Engel des Herrn stand in der Nähe und sagte zu ihr: "Anna, Anna, der Herr hat dein Gebet erhört. Du wirst schwanger werden und gebären, und man wird in der ganzen Welt von deinem Kind reden.

Und Anna sagte: "So wahr Gott der Herr lebt, ob ich nun einen Jungen oder ein Mädchen zur Welt bringe, ich werde es dem Herrn, meinem Gott, zum Geschenk machen, und es wird ihm dienen, solange es lebt."

(2) Und siehe da! Zwei Engel kamen und sagten ihr: "Sieh, Joachim, dein Mann, kommt mit seinen Herden." Denn ein Engel des Herrn war zu Joachim hinabgestiegen und hatte gesagt: "Joachim, Joachim, Gott der Herr hat dein Gebet erhört. Geh hinab von hier. Siehe, deine Frau Anna ist schwanger in ihrem Schoß."

(3) Und alsbald stieg Joachim hinab, rief die Hirten und sagte zu ihnen: "Bringt mir zehn Lämmer ohne Flecken und Makel, und die zehn Lämmer sollen für Gott den Herrn sein. Und bringt mir zwölf zarte Kälber für die Priester und die Ältesten. Und hundert männliche Ziegenböcke für das ganze Volk."

(4) Und siehe da! Joachim kam mit seinen Herden, und Anna stand am Tor. Und als sie Joachim mit seinen Herden kommen sah, lief sie sofort hin, fiel ihm um den Hals und sagte: "Jetzt weiß ich, dass Gott der Herr mich sehr gesegnet hat. Denn seht! Die Witwe ist keine Witwe mehr, und sieh! Die, die kein Kind in ihrem Leib hat, ist schwanger geworden."

Und Joachim ruhte sich den ersten Tag in seinem Haus aus.

Kapitel 5: Die Geburt Marias

(1) Als er am nächsten Tag seine Gaben darbrachte, dachte er bei sich: "Wenn Gott der Herr mit mir versöhnt ist, dann wird mir das Schild[1], das der Priester trägt, das zeigen." Und Joachim brachte seine Gaben dar und achtete auf den Schild des Priesters, als er zum Altar des Herrn hinaufging. Und er sah keine Sünde darin. Und Joachim sagte: "Jetzt weiß ich, dass Gott der Herr mit mir versöhnt ist und alle meine Sünden von mir weggeschickt hat." Und er ging hinab aus dem Tempel des Herrn, der versöhnt war, und ging in sein Haus.

(2) Und es waren etwa sechs Monate vollendet, und im siebten Monat gebar sie. Und Anna sprach zu ihrer Hebamme: "Was ist es?"

Und die Hebamme sagte: "Es ist ein Mädchen!"

Und Anna sagte: "Meine Seele ist heute hocherfreut!" Und sie legte ihr Kind nieder.

Und als ihre Tage vollendet waren, reinigte Anna ihren Blutfluss. Und sie gab dem Kind ihre Brust und gab ihm den Namen Maria.

Kapitel 6: Marias erstes Jahr

(1) Und von Tag zu Tag wurde das Kind stärker. Als sie sechs Monate alt war, stellte ihre Mutter sie auf die Erde, um zu prüfen, ob sie stehen konnte. Und als sie sieben Schritte gegangen war, kam sie an die Brust ihrer Mutter, und ihre Mutter fing sie auf und sagte: "So wahr der Herr, mein Gott, lebt, du wirst nicht mehr auf diesem Boden gehen, bis ich dich in den Tempel des Herrn bringe."

Und sie machte ein Heiligtum in ihrem Schlafzimmer und ließ nichts Frevelhaftes oder Unreines hineingehen. Und sie rief die reinen Töchter der Hebräer, und sie spielten mit ihr.

(2) Und als das Kind ein Jahr alt geworden war, machte Joachim ein großes Fest und rief die Hohenpriester, die Priester, die Schriftgelehrten, die Ältesten und das ganze Volk Israel. Und Joachim brachte das Kind zu den Priestern, und sie segneten es und sprachen: "Gott unserer Vorfahren, segne dieses Kind und gib ihm einen Namen, der für alle Zeiten bei allen Geschlechtern bekannt sein wird."

Und das ganze Volk sagte: "So sei es. Amen!"

Und sie brachten sie zu den Hohenpriestern, die sie segneten und sagten: "Höchster Gott, sieh auf dieses Kind und segne es mit einem letzten Segen, der nicht übertroffen werden kann."

(3) Und ihre Mutter führte sie hinauf in das Heiligtum ihres Schlafzimmers und gab dem Kinde ihre Brust. Und Anna sang Gott, dem Herrn, ein Lied und sagte:

"Ich will dem Herrn, meinem Gott, ein heiliges Lied singen, denn Gott hat mich besucht und den Tadel meiner Feinde beseitigt.

"Und Gott, der Herr, hat mir die Frucht der Gerechtigkeit Gottes gegeben, einmalig und doch mannigfaltig vor Gott.

"Wer wird dem Volk Reubels berichten, dass Anna ein Kind stillt? 'Hört, hört, zwölf Stämme Israels: Anna säugt ein Kind!'"

Und Anna ruhte sich aus in dem Heiligtum ihres Schlafzimmers. Und sie ging hin und diente ihnen. Als das Abendessen beendet war, gingen sie frohgemut hinunter und priesen den Gott Israels.

Kapitel 7: Maria geht in den Tempel

(1) Und sie versorgte ihr Kind die Monate hindurch. Als sie zwei Jahre alt war, sagte Joachim: "Lasst uns das Kind in den Tempel des Herrn bringen, damit wir unser Versprechen einhalten und der Herr uns nicht zürnt und unsere Gabe nicht für unzulässig hält."

Aber Anna sagte: "Lass uns warten, bis sie drei Jahre alt ist, damit sie weder ihren Vater noch ihre Mutter sucht."

Und Joachim sagte: "Lasst uns warten."

(2) Und als das Kind drei Jahre alt wurde, sagte Joachim: "Lasst uns die reinen Töchter der Hebräer rufen. Und sie sollen ihre Lampen nehmen und sie anzünden, damit das Kind nicht zurückweicht und ihr Herz nicht vom Tempel des Herrn weggezogen wird." Und sie taten dies, bis sie zum Tempel des Herrn hinaufgingen.

Und der Priester begrüßte sie, küsste sie und sagte: "Gott, der Herr, hat deinen Namen bei allen Generationen groß gemacht. Durch dich wird der Herr seine Erlösung des Volkes Israel in der Endzeit offenbaren."

(3) Und er setzte sie auf die dritte Stufe des Altars, und Gott der Herr goss Gnade über sie aus. Und sie tanzte auf ihren Füßen, und das ganze Haus Israel liebte sie.

Kapitel 8: Maria wird zwölf Jahre alt

(1) Und ihre Eltern gingen hinab und wunderten sich und priesen und verherrlichten Gott, den Herrn, dass das Kind sich nicht abgewandt hatte. Und Maria war im Tempel des Herrn. Sie wurde gestillt wie eine Taube und erhielt Nahrung aus der Hand eines Engels.

(2) Und als sie zwölf Jahre alt wurde, gab es einen Rat der Priester, die sagten: "Seht, Maria ist zwölf Jahre im Tempel des Herrn gewesen. Was sollen wir mit ihr tun, damit sie das Heiligtum des Herrn, unseres Gottes, nicht verunreinigt?"[2] Und sie sagten zum Hohenpriester: "Du stehst am Altar des Herrn. Geh hinein und bete über sie, und wenn Gott, der Herr, dir etwas offenbart, so werden wir es tun."

(3) Und der Hohepriester ging hinein, nahm das Gewand mit den zwölf Glocken und ging in das Allerheiligste und betete über sie. Und siehe da! Ein Engel des Herrn stand in der Nähe und sagte: "Zacharias, Zacharias, geh hinaus und versammle die Witwer des Volkes, und jeder von ihnen soll einen Stab tragen. Und welche der Herr, der Gott, mit einem Zeichen ausweist, die wird seine Frau sein."

Und die Herolde zogen hinab in die ganze Umgebung von Judäa und bliesen die Posaune des Herrn. Und siehe da! Alle Männer eilten herbei.

Kapitel 9: Josef beschützt Maria

(1) Und Joseph warf seine Axt nieder und ging zu ihrer Versammlung. Und als sie alle versammelt waren, gingen sie mit ihren Stäben zu dem Priester. Und als er alle ihre Stäbe genommen hatte, ging er in den Tempel und betete. Und als er das Gebet beendet hatte, nahm er die Stäbe, ging hinaus und gab sie zurück. Aber es war kein einziges Zeichen unter ihnen. Und Josef nahm seinen Stab zuletzt, und siehe da! Eine Taube flog aus dem Stab und flog auf Josefs Kopf. Und der Priester sagte zu Josef: "Du bist auserwählt worden, die Jungfrau des Herrn in deine Obhut zu nehmen."

(2) Aber Josef weigerte sich und sagte: "Ich habe Söhne und bin ein alter Mann, aber sie ist jung. Ich will mich nicht zum Gespött des Volkes Israel machen."

Und der Priester sagte: "Joseph, fürchte den Herrn, deinen Gott, und denke daran, was Gott mit Dathan, Abiron und Kore getan hat; wie sich die Erde auftat und sie alle verschlang, weil sie sich auflehnten. Und nun fürchte dich, Joseph, damit diese Dinge nicht in deinem Haus geschehen."

(3) Und da Josef sich fürchtete, nahm er sie in seine Obhut und sagte zu ihr: "Maria, ich habe dich aus dem Tempel des Herrn geholt, und nun bringe ich dich in mein Haus. Ich gehe weg, um Häuser zu bauen, aber ich werde zu dir zurückkommen. Der Herr wird dich beschützen."

Kapitel 10: Der Vorhang des Tempels

(1) Und es war ein Rat der Priester, der sagte: "Lasst uns einen Vorhang für den Tempel des Herrn machen."

Und der Priester sprach: "Ruft die reinen Jungfrauen aus dem Stamme Davids zu mir."[3] Und die Diener gingen hinaus und suchten und fanden sieben. Und der Priester erinnerte sich, dass das Kind Maria aus dem Stamm Davids war und rein vor Gott. Und die Diener gingen hinaus und holten sie.

(2) Und sie brachten sie in den Tempel des Herrn, und der Priester sagte: "Werft das Los für mich, um zu sehen, wer das Gold und das Weiße und das Leinen und die Seide und das Veilchen und den Scharlach und den echten Purpur spinnen wird."

Und das Los für den echten Purpur und Scharlach fiel auf Maria. Und sie nahm sie mit in ihr Haus. Das war die Zeit, in der Zacharias schwieg, und Samuel nahm seinen Platz ein, bis Zacharias reden konnte. Und Maria nahm den Scharlach und spann ihn.

Kapitel 11: Die Verkündigung

(1) Und sie nahm den Krug und ging hin, ihn mit Wasser zu füllen, und siehe! Eine Stimme sprach zu ihr: "Freue dich, du Gesegnete! Der Herr ist mit dir. Gesegnet bist du unter den Frauen."

Und Maria sah sich nach rechts und links um, um zu sehen, woher die Stimme kommen könnte. Und sie erschrak und ging in ihr Haus. Und sie stellte den Krug ab, nahm den Purpur und setzte sich auf ihren Thron[4] und spann den Purpur.

(2) Und siehe! Ein Engel des Herrn stand vor ihr und sagte: "Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden vor dem Herrn des Alls. Du wirst von Gottes Wort schwanger werden."

Und als Maria das hörte, fragte sie sich: "Werde ich von dem Herrn, dem lebendigen Gott, schwanger werden und gebären, wie alle Frauen gebären?"

(3) Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: "Nicht so, Maria, denn die Kraft Gottes wird dich überschatten, so dass das Heilige, das von dir geboren werden wird, der Sohn des Höchsten genannt werden wird. Und du sollst seinen Namen Jesus nennen, weil er sein Volk von seinen Sünden erlösen wird.

Und Maria sagte: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe, wie du es gesagt hast."

Kapitel 12: Maria besucht Elisabeth

(1) Und sie machte den Purpur und den Scharlach und brachte ihn dem Priester. Und der Priester nahm es und segnete sie und sprach: "Maria, Gott der Herr hat deinen Namen groß gemacht, und du wirst gesegnet sein in allen Geschlechtern der Erde."

(2) Und Maria freute sich und ging zu ihrer Cousine Elisabeth. Und sie klopfte an die Tür. Und Elisabeth hörte es, warf den Scharlach ab und eilte zur Tür. Und sie öffnete sie, segnete sie und sagte: "Wie kommt es, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, der in mir ist gesprungen und hat dich gesegnet!"

Aber Maria vergaß die Geheimnisse, die ihr der Engel Gabriel gesagt hatte. Und sie schaute fest in den Himmel und sagte: "Herr, wer bin ich, dass mich alle Frauen der Erde segnen?"

(3) Und sie verbrachte drei Monate mit Elisabeth. Und von Tag zu Tag wurde ihr Schoß größer, und Maria fürchtete sich. Sie ging in ihr Haus und verbarg sich vor den Menschen in Israel. Sie war sechzehn Jahre alt, als ihr diese Geheimnisse widerfuhren.

Kapitel 13: Josef fragt Maria

(1) Und sie war im sechsten Monat. Und siehe! Joseph kam von seinem Bau und trat in das Haus und fand sie schwanger. Und er schlug sich auf sein Angesicht und warf sich in Sackleinen auf die Erde und weinte bitterlich und sprach: Wie kann ich zu Gott, dem Herrn, schauen? Welches Gebet kann ich über dieses junge Mädchen sprechen, da ich sie als Jungfrau aus dem Tempel des Herrn, des Gottes, genommen und sie nicht beschützt habe? Wer hat mir diese Falle gestellt? Wer hat diese böse Tat in meinem Haus begangen? Wer hat die Jungfrau geschändet? Erlebe ich nicht die Geschichte von Adam? Denn als Adam sich in der Stunde des Gebets verherrlichte, kam die Schlange, fand Eva allein und verführte sie, und nun ist es mir passiert!"

(2) Und Joseph stand von dem Sack auf, rief sie und sagte zu ihr: "Gott hat für dich gesorgt. Warum hast du das getan? Du hast den Herrn, deinen Gott, vergessen. Warum hast du deine Seele gedemütigt? Du wurdest im Allerheiligsten genährt und hast Nahrung aus der Hand eines Engels erhalten!"

(3) Und sie weinte bitterlich und sagte: "Ich bin rein, und ich habe keinen Mann erkannt!"

Und Joseph sprach zu ihr: "Woher ist denn dieses Ding in deinem Schoß gekommen?"

Und sie sagte: "So wahr der Herr, mein Gott, lebt, ich weiß nicht, woher es kommt!"

Kapitel 14: Josephs Traum

(1) Und Joseph fürchtete sich sehr und schwieg über sie und überlegte, was er mit ihr tun sollte. Und Joseph sagte: "Wenn ich ihre Sünde verberge, werde ich mich als widerspenstig gegenüber dem Gesetz des Herrn erweisen; wenn ich sie aber dem Volk Israel offenbare, fürchte ich, dass das, was in ihr ist, ein Engel sein könnte, und man wird mich finden, wie ich unschuldiges Blut dem Todesurteil übergebe. Was werde ich also mit ihr tun? Ich werde sie heimlich von mir freilassen."

Und die Nacht brach über ihn herein. (2) Und siehe da! Ein Engel des Herrn erschien ihm im Traum und sagte: "Fürchte dich nicht vor diesem Kind, denn das, was in ihr ist, ist vom Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen, denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen."

Und Josef stand von seinem Schlaf auf und pries den Gott Israels, der ihm Gnade erwiesen hatte. Und er beschützte sie.

Kapitel 15: Der Hohepriester befragt Maria und Josef

(1) Und Hannas, der Schriftgelehrte, kam zu ihm und sagte zu ihm: "Joseph, warum bist du nicht unter unserer Reisegruppe erschienen?"

Und er antwortete ihm: "Weil ich von der Reise müde war und am ersten Tag geruht habe."

Und Hannas drehte sich um und sah, dass Maria schwanger war.

(2) Und er ging schnell zum Priester und sagte zu ihm: "Joseph, von dem du Zeugnis abgelegt hast, hat sehr gesetzeswidrig gehandelt."

Und der Priester fragte: "Was ist das?"

Und er sagte: "Die Jungfrau, die Josef aus dem Tempel des Herrn genommen hat, hat er geschändet und ihre Hochzeit gestohlen und es dem Volk Israel nicht offenbart."

Und der Priester antwortete: "Hat Joseph das getan?"

Und Hannas, der Schriftgelehrte, sagte zu ihm: "Schicke Beamte, und du wirst die Jungfrau schwanger finden."

Und die Diener gingen hin und fanden sie, wie er gesagt hatte. Und sie führten sie zusammen mit Joseph in den Hof.

(3) Und der Hohepriester sagte zu ihr: "Maria, warum hast du das getan? Warum hast du deine Seele gedemütigt und den Herrn, deinen Gott, vergessen? Du bist im Allerheiligsten aufgewachsen und hast aus der Hand eines Engels Nahrung empfangen, du hast seine Lieder gehört und vor ihm getanzt. Was ist das, was du getan hast?"

Und sie weinte bitterlich und sagte: "So wahr Gott der Herr lebt, ich bin rein vor Gott, und ich habe keinen Mann erkannt!"

(4) Und der Priester sagte: "Joseph, was hast du getan?"

Und Joseph sagte: "So wahr der Herr, mein Gott, lebt, und das Zeugnis der Wahrheit Gottes, ich bin rein vor ihr."

Und der Priester sagte: "Lege kein falsches Zeugnis ab, sondern sage die Wahrheit. Du hast ihre Hochzeit gestohlen und es dem Volk Israel nicht verraten, und du hast dein Haupt nicht unter die mächtige Hand gebeugt, die deinen Nachkommen segnen sollte."

Und Josef verstummte.

Kapitel 16: Die Prüfung

(1) Und der Priester sagte: "Gib die Jungfrau zurück, die du aus dem Tempel des Herrn genommen hast."

Und Joseph weinte.

Und der Hohepriester sagte: "Ich werde dir das Wasser der Zurechtweisung des Herrn zu trinken geben[5], und es wird deine Sünde in deinen Augen offenbaren."

(2) Und der Priester nahm (das Wasser), gab es Josef und schickte ihn in die Wüste. Und Josef kehrte unversehrt zurück.

Und er gab es Maria und schickte sie in die Wüste. Und sie kehrte unversehrt zurück.

Und das ganze Volk wunderte sich, dass ihre Sünde nicht aufgedeckt worden war.

(3) Und der Priester sagte: "Wenn Gott, der Herr, euch eure Sünde nicht offenbart hat, dann verurteile ich euch auch nicht." Und er ließ sie frei.

Und Josef nahm Maria und ging in sein Haus, freute sich und pries den Gott Israels.

Kapitel 17: Die Volkszählung

(1) Der Befehl des Königs Augustus lautete, die Zahl der Einwohner von Bethlehem in Judäa zu registrieren.

Und Josef sagte: "Ich werde meine Söhne registrieren lassen. Aber was soll ich mit diesem Kind machen? Wie soll ich sie registrieren lassen? Als meine Frau? Das ist mir peinlich. Als meine Tochter? Aber die Menschen in Israel wissen, dass sie nicht meine Tochter ist. Dies ist der Tag des Herrn; ich werde tun, was der Herr will."

(2) Und er sattelte die Eselin und setzte sie darauf, und sein Sohn führte sie, und Samuel folgte ihm.

Und als sie sich der dritten Meile näherten, wandte sich Josef um und sah, dass sie traurig war. Und er sagte: "Wahrscheinlich macht ihr der, der in ihr steckt, Kummer."

Und wieder wandte sich Josef um und sah sie lachen, und er sagte zu ihr: "Maria, warum bist du so, dass ich dein Gesicht einmal lachend und dann wieder traurig sehe?"

Und sie sagte zu ihm: "Weil ich zwei Menschen in meinen Augen sehe. Der eine weint und trauert, und der andere freut sich und jubelt."

(3) Und sie kamen zur Mitte des Weges, und Maria sagte zu ihm: "Josef, nimm mich vom Esel herunter, denn der, der in mir ist, drängt danach, herauszukommen."

Und er nahm sie vom Esel herunter und sagte zu ihr: "Wo soll ich dich hinbringen und dich in deiner Bedrängnis beherbergen? Dieser Ort ist eine Wüste."

Kapitel 18: Die Zeit steht still[6]

(1) Und er fand dort eine Höhle, brachte sie dorthin, stellte seine Söhne bei ihr unter und ging, um in der Gegend von Bethlehem eine hebräische Hebamme zu suchen.

(2) Ich aber, Joseph, war auf der Wanderschaft, aber ich wanderte nicht. Und ich schaute hinauf zur Himmelskuppel und sah sie stillstehen, und in den Himmel, und ich war erstaunt zu sehen, dass auch die Vögel des Himmels stillstanden. Und ich schaute auf die Erde und sah eine Schüssel daliegen und Arbeiter, die ihre Hände in die Schüssel steckten, und sie kauten, aber kauten nicht, und sie hoben das Essen auf, aber hoben es nicht auf, und sie führten es zum Mund, aber führten es nicht zum Mund. Vielmehr blickten alle ihre Gesichter nach oben.

Und ich sah, wie Schafe getrieben wurden, aber die Schafe standen still. Und der Hirte hob seine Hand, um sie zu schlagen, aber seine Hand war erhoben. Und ich schaute in den Strom des Flusses und sah junge Ziegen, und ihre Mäuler waren im Wasser, aber sie tranken nicht.

Und plötzlich nahm alles wieder seinen Lauf.

Kapitel 19: Die Geburt Jesu

(1) Und siehe! Eine Frau kam vom Berg herab und sagte zu mir: "Mann, wo gehst du hin?"

Und ich sagte: "Ich suche eine hebräische Hebamme."

Und sie antwortete mir: "Bist du aus Israel?"

Und ich antwortete ihr: "Ja."

Dann fragte sie: "Und wer ist diejenige, die in der Höhle entbindet?"

Und ich sagte: "Meine Verlobte."

Und sie sagte zu mir: "Sie ist nicht deine Frau?"

Und ich sagte zu ihr: "Maria wurde im Tempel des Herrn aufgezogen, und das Los hat entschieden, dass sie meine Frau sein soll, aber sie ist nicht meine Frau, sondern sie ist vom Heiligen Geist gezeugt worden."

Und die Hebamme sagte: "Wirklich?"

Und Josef sagte zu ihr: "Komm und sieh."

Und die Hebamme ging mit ihm.

(2) Und sie standen vor der Höhle, und eine helle Wolke überschattete die Höhle. Und die Hebamme sagte: "Meine Seele ist heute hocherfreut, denn meine Augen haben etwas Wunderbares gesehen. Israel ist das Heil geboren worden!"

Und sogleich zog sich die Wolke von der Höhle zurück, und ein großes Licht erschien in der Höhle, so dass ihre Augen es nicht ertragen konnten. Und wenig später zog sich das Licht zurück, bis ein Säugling erschien. Und er kam und nahm die Brust seiner Mutter Maria.

Und die Hebamme rief aus und sagte: "Wie groß ist der heutige Tag für mich, dass ich dieses neue Wunder gesehen habe!"

(3) Und die Hebamme ging aus der Höhle hinaus, und Salome kam ihr entgegen.

Und sie sagte zu ihr: "Salome, Salome, ich muss dir ein neues Wunder beschreiben. Eine Jungfrau hat ein Kind geboren, was gegen ihre Natur ist!"

Und Salome sagte: "So wahr der Herr, mein Gott, lebt, wenn ich nicht ihren Zustand untersuche[7], glaube ich nicht, dass die Jungfrau entbunden hat."

Kapitel 20: Die Untersuchung von Salome

(1) Und die Hebamme ging hinein und sagte: "Maria, richte dich auf, denn es kommt keine kleine Prüfung über dich."

Und Salome untersuchte sie[8]. Und Salome schrie auf und sagte: "Wehe mir wegen meiner Gesetzlosigkeit und meines Unglaubens! Denn ich habe den lebendigen Gott auf die Probe gestellt, und siehe! Meine Hand steht in Flammen und fällt von mir ab!"

(2) Und sie fiel vor dem Herrn auf die Knie und sagte: "Gott meiner Vorfahren, gedenke meiner, dass ich von Abraham, Isaak und Jakob abstamme. Statuiere kein Exempel an mir für das Volk Israel, sondern gib mich den Armen zurück, denn du weißt, Herr, dass ich in deinem Namen Menschen geheilt habe und meinen Lohn von dir erhalten habe."

(3) Und siehe! Ein Engel des Herrn erschien und sagte zu ihr: "Salome, Salome, der Herr des Alls hat dein Gebet erhört. Führe deine Hand an das Kind und hebe es hoch, und du wirst Heil und Freude empfangen."

(4) Und Salome ging voller Freude zu dem Kind, hob es hoch und sagte: "Ich bete es an, denn Israel ist ein großer König geboren." Und sogleich wurde Salome geheilt, und sie verließ die Höhle gerechtfertigt.

Und siehe da! Eine Stimme sagte: "Salome, Salome, berichte nicht von den wunderbaren Dingen, die du gesehen hast, bis das Kind nach Jerusalem kommt."

Kapitel 21: Die Heiligen Drei Könige

(1) Und siehe da! Als Joseph sich anschickte, nach Judäa hinauszugehen, entstand in Bethlehem in Judäa ein großer Aufruhr. Denn es kamen die Weisen und sagten: "Wo ist der König der Juden? Denn wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten."

(2) Als Herodes das hörte, wurde er unruhig und schickte Diener zu den Magiern und ließ die Hohenpriester in seinen Palast kommen und fragte sie: "Was ist über den Christus geschrieben worden? Wo wird er geboren werden?"

Sie antworteten ihm: "In Bethlehem in Judäa, denn so steht es geschrieben." Und er ließ sie (die Hohenpriester) frei.

Und er befragte die Weisen und sagte zu ihnen: "Welches Zeichen habt ihr gesehen von dem, der als König geboren ist?"

Und die Weisen sagten: "Wir sahen einen großen Stern, der zwischen den anderen Sternen leuchtete und sie so sehr verdunkelte, dass sie nicht mehr zu sehen waren. Da wussten wir, dass ein König für Israel geboren worden war, und wir kamen, um ihn anzubeten."

Und Herodes sagte zu ihnen: "Geht und sucht, und wenn ihr ihn findet, berichtet mir, damit auch ich kommen und ihn anbeten kann."

(3) Und die Weisen gingen hin, und siehe da! Der Stern, den sie im Osten gesehen hatten, führte sie bis zu der Höhle, und er stand über dem Kopf der Höhle. Und als sie ihn mit seiner Mutter Maria sahen, nahmen die Weisen Geschenke aus ihren Taschen: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Und nachdem sie vom Engel gewarnt worden waren, nicht nach Judäa zu gehen, kehrten sie auf einem anderen Weg in ihr Land zurück.

Kapitel 22: Die Abschlachtung der Säuglinge

(1) Als Herodes sah, dass er von den Weisen betrogen worden war, wurde er zornig. Er schickte seine Mörder aus und befahl ihnen, alle Kinder zu töten, die zwei Jahre alt oder jünger waren.

(2) Als Maria hörte, dass die Säuglinge getötet werden sollten, bekam sie Angst. Sie nahm ihr Kind, wickelte es in Tücher und legte es in eine Futterkrippe für Kühe.

(3) Und als Elisabeth hörte, dass Johannes gesucht wurde, nahm sie ihn mit auf die Berge und suchte ihn zu verstecken, aber es gab kein Versteck. Da seufzte Elisabeth und sagte: "Berg Gottes, nimm eine Mutter mit ihrem Kind", denn Elisabeth konnte nicht höher hinaufsteigen. Und alsbald spaltete sich der Berg und nahm sie auf, und ein Licht leuchtete ihr durch den Berg. Denn ein Engel des Herrn war bei ihnen und beschützte sie.

Kapitel 23: Die Ermordung des Zacharias

(1) Herodes aber fragte nach Johannes und schickte Beamte zu Zacharias und ließ ihm sagen: "Wo versteckst du deinen Sohn?"

Er aber antwortete und sprach zu ihnen: "Ich bin ein Diener Gottes und sitze im Tempel Gottes. Woher soll ich wissen, wo mein Sohn ist?"

(2) Und seine Diener gingen weg und berichteten dies alles Herodes. Da wurde Herodes zornig und sagte: "Sein Sohn ist im Begriff, König über Israel zu werden!"

Und er schickte seine Diener erneut zu ihm, um ihm zu sagen: "Sag mir die Wahrheit. Wo ist dein Sohn? Du weißt, dass dein Leben[9] in meiner Hand liegt."

Und die Diener gingen weg und berichteten ihm diese Dinge.

(3) Und Zacharias sagte: "Ich bin ein Märtyrer Gottes, wenn ihr mein Blut vergießt, denn der Herr wird meinen Geist empfangen, da ihr unschuldiges Blut am Eingang des Tempels des Herrn vergießen werdet."

Und bei Tagesanbruch wurde Zacharias ermordet, und das Volk Israel wusste nicht, dass er ermordet worden war.

Kapitel 24: Trauer um Zacharias

(1) Aber zur Stunde der Begrüßung kamen die Priester, und Zacharias ging ihnen nicht entgegen, um sie zu segnen, wie es üblich war. Und die Priester warteten auf Zacharias, um ihn mit einem Segen zu begrüßen und den höchsten Gott zu verherrlichen.

(2) Aber als er sich verspätete, fürchteten sie sich alle. Aber einer von ihnen fasste den Mut, in das Heiligtum zu gehen, und sah, dass Blut neben dem Altar des Herrn klebte. Und eine Stimme sagte: "Zacharias ist ermordet worden, und sein Blut wird nicht abgewischt werden, bis sein Rächer kommt!"[10]

Als er das hörte, fürchtete er sich und ging zu den Priestern und berichtete ihnen, was er gesehen und gehört hatte.

(3) Und sie nahmen ihren Mut zusammen und gingen hin und sahen, was geschehen war. Und die Bretter des Tempels schrien auf, und sie (die Priester) zerrissen ihre Kleider von oben bis unten. Und sie fanden seinen Leichnam nicht, aber sie fanden, dass sein Blut zu Stein geworden war. Und sie fürchteten sich, gingen hinaus und verkündeten dem ganzen Volk, dass Zacharias ermordet worden war. Und als alle Stämme des Volkes es hörten, beweinten sie ihn und weinten drei Tage und drei Nächte.

(4) Und nach drei Tagen hielten die Priester einen Rat darüber, wer an Zacharias Stelle treten sollte. Und das Los fiel auf Simeon, denn ihm war vom Heiligen Geist gesagt worden, dass er den Tod nicht sehen würde, bis er den leibhaftigen Christus sähe.

Kapitel 25: Abschluss

(1) Ich, Jakobus, habe diese Geschichte in Jerusalem geschrieben, als es wegen des Todes des Herodes einen Aufruhr gab. Ich ging in die Wüste, bis sich der Aufruhr in Jerusalem gelegt hatte. Ich verherrlichte Gott, den Herrn, der mir die Weisheit gab, diese Geschichte zu schreiben.

(2) Und die Gnade sei mit allen, die den Herrn fürchten. Amen.

Anhang: Eine kürzere Fassung der Kapitel 18 - 21

Das früheste Manuskript, der Papyrus Bodmer V (aus dem späten dritten oder frühen vierten Jahrhundert), enthält eine viel kürzere Fassung der Kapitel 18 bis 21. Diese Fassung wird im Folgenden wiedergegeben.

Kapitel 18: Joseph findet eine Höhle

(1) Und er fand dort eine Höhle, brachte sie (dorthin) und stellte seine Söhne bei ihr unter und ging, um in der Gegend von Bethlehem eine hebräische Hebamme zu suchen.

Kapitel 19: Die Geburt Jesu

(1) Und er fand (und) brachte (sie), als er vom Berg herunterkam. Und Josef sagte zu der Hebamme: "Maria ist meine Verlobte, aber sie ist schwanger geworden vom Heiligen Geist, genährt im Tempel des Herrn."

Und die Hebamme ging mit ihm.

(2) Und sie standen vor der Höhle, und eine dunkle Wolke überschattete die Höhle. Und die Hebamme sagte: "Meine Seele ist heute hocherfreut, denn meine Augen haben heute etwas Wunderbares gesehen. Israel ist das Heil geboren worden!"

Und alsbald zog sich die Wolke von der Höhle zurück, und ein großes Licht erschien in der Höhle, so dass ihre Augen es nicht ertragen konnten. Und wenig später zog sich das Licht zurück, bis ein Säugling erschien. Und er kam und nahm die Brust seiner Mutter Maria.

Und die Hebamme rief: "Wie groß ist heute, dass ich dieses neue Wunder gesehen habe!"

(3) Und die Hebamme ging aus der Höhle hinaus, und Salome kam ihr entgegen.

Und sie sagte zu ihr: "Salome, Salome, ich muss dir ein neues Wunder beschreiben. Eine Jungfrau hat ein Kind geboren, was gegen ihre Natur ist!"

Und Salome sagte: "So wahr der Herr, mein Gott, lebt, wenn ich nicht meinen Finger hineinstecke (und) ihren Zustand untersuche, werde ich nicht glauben, dass die Jungfrau geboren hat."

Kapitel 20: Die Untersuchung durch Salome

(1) Und sie ging hinein und richtete sie auf, und Salome untersuchte ihren Zustand. Und Salome rief aus: "Ich habe den lebendigen Gott geprüft, und siehe! Meine Hand steht in Flammen und fällt von mir ab!"

(2) Und sie betete zu dem Herrn, und die Hebamme wurde in jener Stunde geheilt.

(3) Und siehe da! Ein Engel des Herrn stand Salome gegenüber und sagte: "Dein Gebet ist erhört worden vor Gott, dem Herrn. Geh hin und rühre das Kind an, so wirst du Heilung empfangen."

(4) Und sie tat dies, und Salome wurde geheilt. Als sie anbetete und die Höhle verließ, siehe da! Eine Stimme eines Engels des Herrn sagte: "Salome, Salome, berichte die wunderbaren Dinge, die du gesehen hast, bis das Kind nach Jerusalem kommt."

Kapitel 21: Die Heiligen Drei Könige

(1) Und siehe da! Als Joseph sich anschickte, nach Judäa hinauszugehen, entstand in Bethlehem in Judäa ein großer Aufruhr. Denn es kamen die Weisen und sagten: "Wo ist der König der Juden? Denn wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten."

(2) Als Herodes das hörte, wurde er unruhig und schickte Beamte aus und ließ sie (die Magier) holen, und sie erzählten ihm von dem Stern.

(3) Und siehe da! Sie sahen Sterne im Osten. Und sie (die Sterne) führten sie (die Weisen), bis sie zu der Höhle kamen, und er (der Stern) stand über dem Haupt des Kindes. Und als die Weisen ihn mit seiner Mutter Maria sahen, nahmen sie Geschenke aus ihren Taschen: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Und nachdem sie von dem Engel gewarnt worden waren, kehrten sie auf einem anderen Weg in ihr Land zurück.

Quelle

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kapitel 5: das Schild, das der Priester trägt. Wörtlich: "das Blatt des Priesters". Möglicherweise eine Anspielung auf die Metallscheibe, die der Priester auf der Stirn trägt, wie in Exodus 28:36-38 und 39:30, 31 beschrieben. Vgl. Ronald F. Hock, The Infancy Gospels of James and Thomas (Polebridge Press), 1995, S. 39.
  2. Kapitel 8: das Heiligtum verunreinigen. D.h., durch Menstruation.
  3. Kapitel 10: Zu der elitären Gruppe junger Frauen, die für das Spinnen des Tempelschleiers verantwortlich waren, vgl. Megan Nutzman, "Mary in the Protoevangelium of James: A Jewish Woman in the Temple?" Greek, Roman, and Byzantine Studies (2013), Vol. 53, pp. 563-570.
  4. Kapitel 11: Thron. Andere Übersetzungen verwenden das Wort "Stuhl" für diesen griechischen Begriff, aber George Zervos argumentiert, dass der Tempel hier der eigentliche Ort der ursprünglichen Verkündigung war ("An Early Non-Canonical Annunciation Story", Society of Biblical Literature 1997 Seminar Papers, Vol. 36, pp. 677-679). Vgl. auch Michael Peppard, The World's Oldest Church: Bible, Art, and Ritual at Dura-Europos, Syria (Yale), 2016, S. 155ff; Gos. Bart. 2.15ff.
  5. Kapitel 16: Das Wasser der Zurechtweisung durch den Herrn. Eine Tradition, die auf Numeri 5:11-31 zurückgeht. Vgl. Nutzman, op. cit., S. 559-563.
  6. Kapitel 18 bis 21: Das früheste griechische Manuskript, das Papyrus Bodmer V (aus dem späten dritten oder frühen vierten Jahrhundert), enthält eine stark gekürzte Fassung dieser Kapitel (vgl. den Anhang oben). Michel Testuz, Papyrus Bodmer V: Nativité de Marie (Bibliotheca Bodmeriana), 1958, S. 102-113; Thomas A. Wayment, The Text of the New Testament Apocrypha (100 - 400 CE) (Bloomsbury T&T Clark), 2013, S. 68-70, 273-276.  Vgl. auch George Themelis Zervos, "Christmas with Salome", in Amy-Jill Levine und Maria Mayo Robbins, Hrsg., A Feminist Companion to Mariology (T&T Clark), 2005, S. 77-98.
  7. Kapitel 19: wenn ich nicht ihren Zustand untersuche. Diese Lesart in der längeren Fassung ist durch mehrere Handschriften gut bezeugt. De Strycker wählt eine andere Lesart: es sei denn, ich stecke meinen Finger hinein und untersuche ihren Zustand. In einigen Handschriften heißt es, wenn ich nicht sehe. Andere verwenden das Wort Hand anstelle von Finger. Vgl. Émile de Strycker, La Forme la plus ancienne du Protévangile de Jacques (Société des Bollandistes), 1961, S. 158; Bart D. Ehrman und Zlatko Pleše, The Apocryphal Gospels: Texts and Tranlsations (Oxford University Press), 2011, S. 62; und der von George T. Zervos herausgegebene Artikel "Caught in the Act: Mary and the Adulteress", S. 26ff, online unter http://people.uncw.edu/zervosg/Pr236/New%20236/Caught%20in%20the%20Act%20Final%20-%20Edited.pdf. Vgl. S. 28, wo Zervos schreibt, dass "das überwältigende Zeugnis der [handschriftlichen] Überlieferung des [Kindheitsevangeliums des Jakobus] bestätigt, dass ... die 'explizite johanneische Parallele' [d. h. Johannes 20,25] ... nicht mit einem gewissen Grad an Sicherheit als die ursprüngliche Lesart angesehen werden kann."
  8. Kapitel 20: Salome untersuchte sie. Diese Lesart in der längeren Fassung stammt aus denselben Handschriften, die auch für die Lesart in Kapitel 19 verwendet wurden (siehe oben). Andere Lesarten sind: Salome steckte ihren Finger in ihr Wesen / ihren Zustand, sie steckte ihre Hand in sie, Salome untersuchte ihr Wesen / ihren Zustand, und sie beobachtete sie. Vgl. de Strycker, op. cit., S. 160; Ehrman und Pleše, op. cit., S. 62. In einer persönlichen Korrespondenz vom 11. Oktober 2018 nimmt Dr. Samuel Zinner Stellung zu dem hier verwendeten Wort untersucht (sēmeiōsōmai): "Laut LSJ kann sēmeioō in einem medizinischen Kontext primär notieren, zur Kenntnis nehmen bedeuten. In zweiter Linie kann es aber auch diagnostizieren und später untersuchen bedeuten, wie bei Paulus von Aegina Pragmateia Buch 6, Kap. 96 (7. Jh. n. Chr.), wo ein Arzt mit den Fingern nach gebrochenen Rippen sucht."
  9. Kapitel 23: dein Leben. Wörtlich: "dein Blut".
  10. Kapitel 24: sein Rächer. Vgl. 2. Chronik 24,20-22.