Arbeitsteilung

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Arbeitsteilung innerhalb einer Gruppe zur Zeit der Steinzeit (Gemälde von Wiktor Wasnezow, 19. Jhd.)

Arbeitsteilung bezeichnet den Prozess der Aufteilung eines Arbeitsvollzugs unter mehreren Menschen (Arbeit / Arbeit teilen). Familien, Unternehmen und Organisationen sowie Volkswirtschaften und internationale Wirtschaftsbeziehungen werden als arbeitsteilige Gebilde gesehen. Es bedarf der Koordinierung, um die Teiloperationen wieder zusammenzufügen. Arbeitsteilung bewirkt Abhängigkeiten (Verlust der Selbständigkeit) der einzelnen Akteure. Arbeitsteilung bewirkt Effektivität. Dies differenziert diese immer mehr.

Umgangssprachlich wird der Begriff Arbeitsteilung umfassender verwendet: außerhalb der menschlichen Arbeitsteilung zum Beispiel für die Funktionsteilung bei Bienen und Ameisen oder für „arbeitsteilige“ Prozesse in Organismen wie der biologischen Zelle.

Arten von Arbeitsteilung

Im Anschluss an Karl Bücher (Die Entstehung der Volkswirtschaft) können mehrere, sich in der Regel überlagernde Formen der Arbeitsteilung unterschieden werden:

geschlechtliche Arbeitsteilung
die Aufteilung verschiedener Arbeiten zwischen Mann und Frau gehört zu den ältesten Formen der Arbeitsteilung; die Arbeitsvereinigung findet beispielsweise über Reziprozität in der Familie statt; es handelt sich hier grob um die Teilung zwischen reproduktiven Aufgaben, die den Frauen und produktiven Aufgaben, die den Männern zugewiesen würden (vgl. Geschlechterrolle, Ernährermodell).
Berufsbildung
die Spezialisierung von Produzenten und Produktionsstätten auf die Produktion bestimmter Arten von Gütern und Dienstleistungen. Zu den ältesten Berufen dürften Schmiede und Heiler/Schamane gehört haben; die Arbeitsvereinigung findet über Handel (z. B. durch Wanderhandel, auf Märkten; als Tauschhandel oder mittels Geld) oder über zentrale Umverteilung (redistributive Stammeswirtschaft, redistributive Palastwirtschaft) statt.
Berufsspaltung
die weitergehende Spezialisierung innerhalb von bestehenden Berufs- oder Gewerbegruppen auf Unterarten von Gütern und Dienstleistungen: Schmiede werden z. B. zu Grobschmieden, Kupferschmieden, Schwertfeger usw., die Arbeitsvereinigung findet beispielsweise auf Märkten über Tausch statt.
Arbeitszerlegung (auch betriebliche Arbeitsteilung)
die Aufteilung eines einzelnen Produktionsprozesses in verschiedene Teilprozesse, die innerhalb einer einzelnen Produktionsstätte von spezialisierten Arbeitskräften wahrgenommen werden (vgl. Manufaktur); die Arbeitsvereinigung findet über die betriebliche (fiskalische, unternehmerische) Ablauforganisation statt; dabei wird zwischen Artteilung – bei dem jeder Einzelne nur einen Teil der Arbeitsabläufe übernimmt (wie in Adam Smiths „Stecknadelbeispiel“) – und Mengenteilung – bei dem alle Beteiligten alle Arbeitsabläufe durchführen, dies jedoch nicht an allen Arbeitsgegenständen – unterschieden. Ein Beispiel ist die Arbeitszerlegung nach Alter, oft in Handwerksbetrieben, wenn körperlich anstrengende Anteile den Jüngeren zugewiesen wird.
Produktionsteilung (auch zwischenbetriebliche Arbeitsteilung)
die Aufteilung eines Produktionsprozesses in verschiedene Teilprozesse, die in verschiedenen (wirtschaftlich selbständigen oder unselbständigen) Produktionsstätten stattfinden; die Arbeitsvereinigung findet über die betriebliche Ablauforganisation (vgl. Oikos) oder Markttausch statt.
regionale Arbeitsteilung
die Spezialisierung einzelner Regionen auf die Produktion bestimmter Güter und Dienstleistungen; die Arbeitsvereinigung findet zum Beispiel über Fernhandel statt.
internationale Arbeitsteilung
die Spezialisierung einzelner Nationen auf die Produktion bestimmter Güter und Dienstleistungen; die Arbeitsvereinigung findet über den Außenhandel statt, der z. B. Zwangshandel (vgl. Kolonialismus) oder Freihandel sein kann.
vertikale Spezialisierung
hier folgen die spezialisierten Betriebe aufeinander. (Beispiel: Die von der Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft) gewonnenen Rohstoffe werden von der Produktion (Industrie und Handwerk) zu Konsum oder Investitionsgüter be- und verarbeitet, dazwischen findet man jeweils Dienstleistungsbetriebe.)
horizontale Spezialisierung
meint spezielle Wirtschaftssegmente, auf der die Betriebe unterschiedliche Leistungen auf der gleichen Ebene erbringen (etwa in der Bekleidungsbranche Unterwäsche, Damenoberbekleidung, Kinderschuhe).

Weiterhin gibt es folgende Unterteilungen:

familiäre Arbeitsteilung
innerhalb einer Partnerschaft oder Familie (vgl. Vereinbarkeit von Familie und Beruf), wobei egalitäre Arbeitsteilung eine symmetrische Teilung der Aufgaben bezeichnet (vgl. Doppelversorgermodell)
gesellschaftliche Arbeitsteilung
zwischen Menschen, Entwicklung einzelner Berufe – siehe auch Soziale Differenzierung
volkswirtschaftliche Arbeitsteilung
in Primärsektor, Sekundärsektor und Tertiärsektor (siehe Wirtschaftssektor)
territoriale Arbeitsteilung
nach Räumen mit unterschiedlichen naturräumlichen und/oder soziokulturellen Gegebenheiten. Wenn jede Region das für sie günstigste Produkt produziert, kann die Effizienz gesteigert werden und somit ein größeres Wirtschaftswachstum erzielt werden. Erforderlich für die produktivitätssteigernde Wirkung ist dann allerdings ein internationaler (Außen-)Handel, um die Güter, Waren und Dienstleistungen auszutauschen
biologische Arbeitsteilung
Differenzierung innerhalb von Organismen und zwischen Organismen (Symbiose).

Offene Probleme

Durch Arbeitsteilung entstehen einerseits Probleme bei der Koordination, etwa Probleme bei der Suche oder Bereitstellung, andererseits Probleme bei der Motivation, etwa Problemen der Spezifität und Abhängigkeit oder Messung und Bewertung. Der Gewinn durch die Arbeitsteilung wird durch den Aufwand der Koordinierung geschmälert. Das bedeutet, ein Gewinn durch mehr Arbeitsteilung muss den Koordinationsaufwand übersteigen.

Als Lösungen sind Institutionen geeignet, mit denen sich in der Soziologie die Wirtschaftssoziologie und in der Volkswirtschaftslehre, insbesondere die Neue Institutionenökonomik befasst.

Weitere Fragen ergeben sich, wenn Arbeitsteilung als eine Form von diskriminierender Hierarchie auftritt.

Von feministischer Seite wird die geschlechterhierarchische Arbeitsteilung, die Frauen die Haushaltsarbeit (reproduktive Arbeit: Hausarbeit und Sorgearbeit) zuschreibt, kritisiert. Diese kulturelle und institutionalisierte Arbeitsteilung führe zur Schlechterstellung auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und zur Ungleichverteilung der Last der Arbeit insgesamt.

Aufgezeigt werden auch rassistische Diskriminierungen, die dazu führen, dass Einwanderern und Farbigen der Zugang zu höher bezahlten, besser qualifizierten Arbeitsplätzen versperrt wird.

Aus globalisierungskritischer Sicht stellt auch die internationale Arbeitsteilung ein Problem dar, da die einseitige Festlegung vieler Entwicklungsländer auf die Bereitstellung von billiger Arbeitskraft und Rohstoffproduktion deren Industrialisierung und eine Vermehrung des Wohlstandes verhindert.

Soziale Dreigliederung des Organismus und Arbeitsteilung

Von Rudolf Steiner werden als Vorteile der Arbeitsteilung effizienteres Wirtschaften, d.h. Verbilligung der Waren, und der ihr einwohnende implizite Altruismus, der die Arbeitenden dazu anhält, nicht für sich selbst, sondern für andere zu arbeiten[1], genannt.

Zudem geht auch Steiner davon aus, daß die moderne Wirtschaft die Arbeitsteilung mit einer gewissen Unausweichlichkeit hervorbringt. Es gibt jedoch unterschiedliche Arten von Arbeitsteilung. Erfolgt die Teilung nur nach dem Effizienzprinzip, oder gibt es auch andere Gründe für Arbeitsteilung, etwa durch Arbeitsteilung die Arbeiter besser kontrollieren zu können? Muß man auch in einem dreigegliederten sozialen Organismus tayloristische[2] Tendenzen hinnehmen, oder kann solchen Entartungen des Arbeitsteilungsprinzips bei sozialer Dreigliederung besser entgegengewirkt werden?

Im Zuge der Fragenbeantwortung im nationalökonomischen Seminar (GA 341), das Steiner zu seinem nationalökonomischen Kurs hielt, wird das Beispiel eines Schneiders diskutiert, der auch für sich selbst einen Rock näht, statt ihn auf dem Markt käuflich zu erwerben. Solche Selbstversorgung bedeute volkswirtschaftlich eine Verteuerung der Schneiderware. Gegen Einwände, daß es doch nicht so viel ausmache, argumentiert Steiner unter anderem auch:

"Dagegen wird der Posten schon sehr, sehr beträchtlich, wenn es sich um weitere Arbeitsteilung handelt, wenn also der Schneider sonst überhaupt nicht mehr ganze Anzüge fabriziert, sondern nur Teilgebiete. Dann wird er, wenn er sich einen eigenen Anzug fabrizieren will, ganz wesentlich teurer kommen, als wenn er sich die Sache irgendwo kauft. Ich sagte ja, es ist eben ein radikales Beispiel, das nur eine prinzipielle Bedeutung hat. Aber was später bei weiterer Arbeitsteilung stark hervortritt, das gilt auch schon ganz am Ausgangspunkt der Arbeitsteilung." GA 341, S. 044f.

Dieser rein ökonomische Effizienzgesichtspunkt ist allerdings nicht absolut zu setzen; wie die Arbeitsteilung gestaltet wird, könne auch durch andere Gesichtspunkte, z.B. ästhetische, mitbestimmt sein:

"Frage: Wie verhält es sich bei Modestücken?

Rudolf Steiner: Da stehen wir aber jetzt auf ästhetischem Gebiet, nicht mehr auf wirtschaftlichem. Ich wollte gar nicht die Frage berühren, ob es nicht vielleicht außerordentlich gut wäre, wenn auf gewissen Gebieten die Arbeitsteilung vermieden würde. Ich bin sogar dagegen, daß auf allen Gebieten die Arbeitsteilung durchgeführt wird, aber nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus Geschmacksgründen. Ich finde es sogar greulich, wenn die Arbeitsteilung bis ins einzelnste zum Beispiel für die menschliche Kleidung durchgeführt wird. Aber da müssen wir sagen: Wir müssen selbstverständlich das freie Geistesleben geltend machen, das uns natürlich zunächst etwas kosten würde. Es würde einzelne Dinge verteuern, aber es würde ein Ausgleich stattfinden, trotzdem einzelne Produkte, die man nicht in die Arbeitsteilung einbezieht, teurer werden. Das bitte ich nicht so zu verstehen, daß ich ein Fanatiker werden will. ..." GA 341, S. 049f.

Einzelnachweise

  1. vgl. z.B. GA 079, S. 245.
  2. Die Monotonie kehrt zurück in die Fabriken. (PDF; 59 kB) Böcklerimpuls 20/2009.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks


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